Spurgeon, Charles Haddon - Wie dringend uns der Heilige Geist Noth tut.

Spurgeon, Charles Haddon - Wie dringend uns der Heilige Geist Noth tut.

Gehalten am Sonntag Morgen, den 7. Januar 1877.

„Durch die Kraft des Heiligen Geistes.“
Röm. 15,13.

„Durch Kraft des Geistes Gottes.“
Röm. 15,19.

Ich wünsche, diesmal eure Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie groß die Nothwendigkeit für die beständige Bezeugung der Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche ist, wenn durch sie die Mengen zu dem Herrn Jesu gesammelt werden sollen. Ich wusste nicht, wie ich besser so tun konnte, als, indem ich zuerst zeigte, dass der Geist Gottes der Kirche Noth tut zu ihrem eigenen innern Wachstum in der Gnade. Daher mein Text im 13. Verse: „Gott aber der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr völlige Hoffnung habet durch die Kraft des Heiligen Geistes,“ – wo es klar ist, dass der Apostel die Kraft, mit Friede und Freude im Glauben zu erfüllen und die Kraft, völlige Hoffnung zu verleihen, dem Heiligen Geist beilegt. Aber dann wollte ich euch auch zeigen, dass die Kraft der Kirche nach außen, das womit sie eingreifen soll und auf die Welt wirken, um Gottes Erwählte aus den Menschen heraus zu lesen, auch dieselbe Macht des Heiligen Geistes ist. Deshalb habe ich den 19. Vers genommen, denn der Apostel sagt da, dass Gott durch ihn die Heiden zum Gehorsam gebracht durch Wort und Werk, durch Kraft und Zeichen und Wunder und durch Kraft des Geistes. So seht ihr, liebe Freunde, dass zuerst, um die Kirche glücklich und heilig in sich selber zu erhalten, eine Bezeugung der Kraft des Heiligen Geistes da sein muss und zweitens, damit die Kirche das Gebiet des Feindes angreifen und die Welt für Christum erobern kann, muss sie mit derselben heiligen Macht angetan sein. Wir mögen dann weiter gehen und sagen, dass die Kraft der Kirche für äußeres Werk im Verhältnis stehen wird zu der Kraft, die in ihr wohnt. Messet die Energie des Heiligen Geistes in den Herzen der Gläubigen und ihr könnt so ziemlich ihren Einfluss auf Ungläubige ausrechnen. Lasst nur die Kirche vom Heiligen Geist erleuchtet sein und sie wird das Licht zurückstrahlen und für die, welche sie anblicken, „schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie die Heeresspitzen“ werden.

Lasst uns durch zwei oder drei Vergleiche zeigen, dass das äußere Werk immer von der inneren Kraft abhängen muss. An einem kalten Wintertage, wenn der Schnee gefallen und dicht auf dem Boden liegt, geht ihr durch ein Dorf. Da ist eine Reihe Hütten, und ihr bemerkt, dass von einem der Dächer der Schnee fast verschwunden ist, während eine andere Hütte noch den Überzug von Schnee trägt. Ihr bleibt nicht stehen, um nach dem Grunde des Unterschiedes zu forschen, denn ihr wisst sehr gut die Ursache. Es brennt ein Feuer in der einen Hütte und die Wärme dringt durch das Dach und so schmilzt der Schnee rasch; in der anderen ist kein Bewohner, es ist ein Haus, das zu vermiethen steht, kein Feuer brennt auf dem Herde und kein warmer Rauch steigt aus dem Schornstein auf und deshalb liegt der Schnee noch da. Gerade wie die Wärme drinnen ist, wird das Schmelzen draußen sein. Ich blicke auf eine Anzahl Kirchen, und wo ich Weltlichkeit und Formalismus dick auf ihnen liegen sehe, bin ich durchaus gewiss, dass die Wärme des christlichen Lebens nicht drinnen ist; aber wo die Herzen der Gläubigen warm sind von der göttlichen Liebe durch den Geist Gottes, da sind wir gewiss, die Übel verschwinden zu sehen und wohltätige Folgen entspringen. Wir brauchen nicht in das Innere zu sehen; in solchem Falle ist das Äußere ein hinreichender Wegzeiger.

Nehmt ein Bild aus dem politischen Leben. Hier entsteht eine Verwicklung zwischen verschiedenen Nationen; zornige Geister regen noch mehr auf und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gordische Knoten der Schwierigkeit niemals von der Diplomatie gelöst wird, sondern mit dem Schwert wird zerhauen werden müssen. Jedermann weiß, dass eine der Hoffnungen auf Frieden in dem bankerotten Zustande der Nation liegt, die den Krieg vielleicht beginnen würde; denn wenn es ihr an Mitteln fehlt, wenn sie ihre Schulden nicht zahlen kann, wenn sie das Kriegsmaterial nicht schaffen kann, dann ist’s nicht wahrscheinlich, dass sie den Kampf herausfordert. Ein Land muss reich an inneren Hilfsquellen sein, ehe es klüglich Kriege nach außen wagen kann. So ist es in dem großen Kampf für Wahrheit; eine arme, ausgehungerte Kirche kann nicht den Teufel und seine Heere bekämpfen. Wenn die Kirche nicht selbst reich in den Dingen Gottes ist und stark in göttlicher Kraft, so wird sie meistens aufhören, Angriffe zu machen und sich begnügen, in dem gewöhnlichen Geleise der christlichen Arbeit weiter zu gehen, und rufen: „Friede! Friede!“ wo kein Friede sein sollte. Sie wird nicht wagen, der Welt Trotz zu bieten oder Legionen auszusenden, um ihre Provinzen für Christum zu erobern, wenn ihr eigener Zustand erbärmlich schwach ist. Die Stärke oder Schwäche der Finanzen eines Volkes hat Einfluss auf seine Armee bei jedem Marsch, und in derselben Art beeinflusst das Maß ihrer Gnade die Kirche in all’ ihrem Handeln.

Lasst euch noch ein Bild gefallen. Wenn ihr in Ägypten lebtet, so würdet ihr einmal im Jahre den Nil steigen sehen; und ihr würdet dies mit Ängstlichkeit beobachten, weil die Ausdehnung der Nilüberschwemmung meist das Maß der Fruchtbarkeit Ägyptens ist. Nun muss das Steigen des Nils von jenen weit entfernten Seen im Innern Afrikas abhängen – ob diese von dem geschmolzenen Schnee gut angefüllt sind oder nicht. Wenn ein kärglicher Vorrat in den oberen Wasserbehältern ist, so kann nicht viel Überfließen des Nils in seinem späteren Laufe durch Ägypten sein. Lasst uns das Bild übertragen und sagen, dass wenn die oberen Seen der Gemeinschaft mit Gott in der christlichen Kirche nicht wohl gefüllt sind – wenn die geistliche Stärke der Seele nicht durch Gebet und Umgang mit Gott aufrechtgehalten wird – so wird der Nil des tätigen Christendienstes nie bis zur Flut aufsteigen.

Das Eine, was ich zu sagen wünsche, ist dies: ihr könnt nicht aus der Kirche herausnehmen, was nicht in ihr ist. Der Behälter selbst muss gefüllt sein, ehe ein Strom herausfließen kann. Wir müssen selbst von dem lebendigen Wasser trinken, bis wir gefüllt sind, dann sollen von uns Ströme lebendigen Wassers fließen; aber nicht eher. Aus einem leeren Korbe könnt ihr nicht Brot und Fische verteilen, wie hungrig die Masse auch sein mag. Aus einem leeren herzen könnt ihr nicht volle Dinge sprechen, noch aus einer mageren Seele fette Dinge, voller Mark, hervorbringen, die das Volk Gottes speisen. Aus der Fülle des Herzens spricht der Mund, wenn er überhaupt zur Erbauung spricht. So dass das Erste ist, gut im eigenen Hause nachzusehen und Gott zu bitten, uns zu segnen und sein Antlitz uns leuchten zu lassen, damit sein Weg auf der Erde bekannt werde und sein errettendes Heil unter allem Volk.

„Es wolle Gott uns gnädig sein,
Und seinen Segen geben!
Sein Antlitz uns mit hellem Schein
Erleucht’ zum ew’gen Leben!
Dass wir erkennen seine Werk’
Und was ihn liebt auf Erden;
Und Jesu Christi Heil und Stärk’
Bekannt den Heiden werden
Und sie zu Gott bekehren.“

Heute Morgen, indem ich versuche, von dem zu reden, was der Kirche so sehr Noth tut, nämlich: dass sie mächtig von der Kraft des Heiligen Geistes bewegt werde, da bete ich ernstlich, dass wir auf diesen Gegenstand mit der tiefsten, nur denkbaren Ehrfurcht eingehen. Lasst uns anbeten, während wir betrachten; lasst uns die Herablassung dieser hochgelobten Person der Gottheit fühlen, dass sie uns würdigt, in uns zu wohnen und im Menschenherzen zu wirken. Lasst uns daran gedenken, dass diese göttliche Person sehr feines Gefühl hat. Er ist ein eifersüchtiger Gott. Wir lesen, dass er betrübt und erbittert wird und deshalb lasst uns ihn um Vergebung bitten für die vielen Reizungen zum Zorn, die er von unserer Hand empfangen haben muss. Mit tiefster Ehrfurcht lasst uns vor ihm uns niederbeugen, und uns daran erinnern, dass, wen es eine unvergebliche Sünde giebt, diese sich auf ihn bezieht – die Sünde gegen den Heiligen Geist, die niemals vergeben wird, weder in dieser Welt, noch in der zukünftigen. In dem, was den Heiligen Geist betrifft, da stehen wir in der Tat auf sehr gefährlichem Boden; und wenn wir je unser Antlitz verhüllen sollten und uns mit Zittern freuen, so ist es, während wir von dem Geiste sprechen und jenem geheimnisvollen Wirken, mit dem er uns segnet. In diesem demütigen Geiste und unter dem göttlichen Überschatten folgt mir, während ich euch sieben Werke des Heiligen Geistes vorführe, die der Kirche sehr nötig sind zu ihrem eigenen Besten und eben so notwendig in ihrem Missionswerk für Christum in der Welt da draußen.

I.

Nun, um damit zu beginnen, die Kraft des Heiligen Geistes tut sich kund in dem Erwecken der Seelen zu geistlichem Leben. Alles geistliche Leben, das in der Welt existirt, ist die Schöpfung des Heiligen Geistes, durch den der Herr Jesus lebendig macht, wen er will. Ihr und ich, wir hatten nicht Leben genug, unseren Tod zu erkennen, bis er zu uns kam, wir hatten nicht Licht genug, zu bemerken, dass wir in Finsternis seien, noch Empfindung genug, unser Elend zu fühlen; wir waren so gänzlich unserer eigenen Torheit anheimgegeben, dass, obgleich wir arm, bloß und jämmerlich waren, wir doch wähnten, reich und gar satt zu sein. Wir waren zum Tode verurteilt, wie überwiesene Verbrecher, und doch redeten wir von Verdienst und Lohn; ja, wir waren tot und doch prahlten wir damit, dass wir lebendig wären – hielten unseren Tod sogar für unser Leben. Der Geist kam in unendlicher Barmherzigkeit zu uns mit seiner geheimnisvollen Kraft und machte uns lebendig. Das erste Zeichen des Lebens war ein Bewusstsein davon, dass wir im Reich des Todes seien, und eine Angst, aus diesem zu entfliehen; wir fingen an, unsre Fühllosigkeit zu empfinden und, wenn mir ein solcher Ausdruck verziehen werden kann, wir sahen unsere Blindheit. Jedes Wachstum des geistlichen Lebens von dem ersten zarten Aufsprossen bis jetzt, ist auch das Werk des Heiligen Geistes gewesen. Wie der grüne Halm sein Erzeugnis war, so ist es das reifende Korn. Die Kräftigung des Lebens, so wohl wie das Leben im Beginnen muss durch das Wirken des Geistes Gottes kommen, der Christum von den Toten auferweckte. Du wirst nie mehr Leben bekommen, Bruder, es sei denn, dass der Heilige Geist es dir verleiht; ja, du wirst nicht einmal wissen, dass du mehr bedarfst, noch um mehr seufzen, wenn er nicht in dir den Wunsch und das ängstliche Sehnen wirket nach seinem Wohlgefallen. Seht denn unsere gänzliche Abhängigkeit; denn wenn er ginge, so würden wir in geistlichen Tod zurücksinken und die Kirche würde ein Beinhaus werden.

Der Heilige Geist ist durchaus notwendig, um Alles, was wir tun, lebendig zu machen. Wir sind Säeleute, Brüder, aber wenn wir toten Samen in unseren Korb nehmen, so wird nie eine Ernte sein. Der Prediger muss lebendige Wahrheit auf lebendige Weise predigen, wenn er eine hundertfältige Ernte zu erhalten hofft. Wie viel Werk ist in der Kirche, das um nichts besser ist als die Bewegung eines galvanisirten Leichnams. Wie viel Religiöses wird getan, als wenn es von einem Automaten verrichtet würde oder von einer Maschine abgehaspelt. Heutzutage geben die Menschen wenig um Herz und Seele, sie sehen nur äußerliche Handlungen an. Ich höre, man hat jetzt eine Maschine erfunden, die redet, obgleich sicher genug Redens da war ohne die Pariser Zugabe zu der Schaar der Plapperer. Wir können predigen wie Maschinen, wir können beten wie Maschinen und wir können in der Sonntagsschule lehren wie Maschinen. Die Menschen können mechanisch geben und zum Communionstisch mechanisch kommen; ja, und wir selber werden das tun, wenn der Geist Gottes nicht mit uns ist. Die meisten Hörer wissen, was es ist, eine lebendige Predigt zu hören, die überall bebt vor Fülle der Energie; ihr wisst auch, was es ist, einen Gesang in lebendiger Weise zu singen und ihr wisst, was es ist, in einer lebendigen Betstunde euch zu vereinen; aber ach, wenn der Geist Gottes nicht da ist, wird alles, was die Kirche tut, leblos sein, das Rauschen der Blätter über einem Grabe, das Vorübergleiten von Gespenstern, eine Gemeinde der Toten, die sich in ihren Gräbern umkehren.

Wie der Geist Gottes ein Erwecker ist, uns und unser Werk lebendig zu machen, so muss er besonders mit uns sein und diejenigen lebendig machen, mit denen wir von Jesu zu reden haben. Stellt euch einen toten Prediger vor, der eine tote Predigt vor toten Sündern hält; was kann darnach kommen! Hier ist eine sehr schöne Abhandlung, vortrefflich ausgearbeitet, die kalt vor dem kaltherzigen Sünder gelesen wird. Sie riecht nach dem Mitternachtsöl, aber keine himmlische Salbung, keine göttliche Kraft ruht auf ihr, vielleicht ist diese Kraft nicht einmal erwartet. Was für Gutes kann aus einem solchen Erzeugnis kommen? Ihr könnt eben so wohl versuchen, den Sturm durch Poesie zu beruhigen oder den Orkan durch Rhetorik aufzuhalten, als einer Seele zum Segen zu werden durch bloße Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit. Nur, wenn der Geist Gottes auf den Diener Gottes kommt und das Wort, das er predigt, als lebendigen Samen in’s Herz fallen lässt, kann irgend ein Resultat seinem Dienste am Wort folgen; und nur, wenn der Geist Gottes diesen Samen begleitet und in der Seele des Hörers lebendig erhält, können wir erwarten, dass die, welche sich als Bekehrte bekennen, auch Wurzel schlagen und zur Reife in der Gnade aufwachsen und zuletzt unsere Garben werden.

Wir sind ganz abhängig hier und ich für mein Teil freue mich dieser völligen Abhängigkeit. Wenn ich einen Vorrat von Kraft hätte, um Seelen zu retten, der ganz mein eigen wäre, unabhängig vom Geiste Gottes, so könnte ich mir keine größere Versuchung vorstellen zum Stolze und zum Leben in einer Entfernung von Gott. Es ist gut, in sich selbst schwach zu sein, und noch besser, Nichts zu sein; einfach die Feder in der Hand des Geistes Gottes, unfähig, einen einzigen Brief auf die Tafeln des menschlichen Herzens zu schreiben, ausgenommen, wenn die Hand des Heiligen Geistes uns zu diesem Zwecke gebraucht. Das ist wirklich unsere Lage und wir sollten darnach handeln; dann werden wir beständig zum Geiste Gottes schreien, uns in allen Dingen lebendig zu machen, und Alles lebendig zu machen, was wir tun, und das Wort lebendig zu machen, wenn es in des Sünders Ohr fällt. Ich bin ganz gewiss, dass eine Kirche, die leblos ist, nicht das Mittel sein kann, den toten Sündern um sie her Leben zu geben. Nein. Jedes Ding nach seiner Art, wir müssen eine lebendige Kirche für lebendiges Werk haben. O, dass Gott jedes Mitglied dieser Kirche beleben wollte! „Was,“ sagt ihr, „denken Sie, dass wir nicht Alle leben?“ Brüder, es sind einige unter euch, von denen ich gewiss bin, so weit Einer den Andern beurteilen kann, dass ihr Leben habt, denn wir können es in Allem sehen, was ihr tut, aber es sind Andere da, bei denen es in Betreff ihres geistlichen Lebens ein gut Teil Glauben bedarf und noch sehr viel mehr christlicher Liebe, denn wir nehmen nicht viel Tätigkeit in Gottes Sache bei euch wahr, weder Sorge für die Seelen Anderer, noch Eifer für die göttliche Ehre. Wenn wir gar keine Früchte sehen, was können wir tun, als ernstlich beten, dass ihr nicht als unfruchtbare Bäume erfunden werdet?

Das ist der erste Punkt, und wir meinen, es ist so klar wie möglich, dass wir die belebende Kraft des Geistes für uns selbst haben müssen, wenn wir Gottes Hand das Mittel sein sollen, tote Seelen zu erwecken.

II.

Darnach ist eins der besonderen Ämter des Heiligen Geistes, sein Volk zu erleuchten. Er hat das getan, indem er uns sein Wort giebt, das er inspirirt hat; aber das Buch, obwohl ein inspirirtes, kann nie von Jemand geistlich verstanden werden, ohne die persönliche Unterweisung seines großen Verfassers. Ihr könnt es lesen, so viel ihr wollt, aber niemals den innern und lebendigen Sinn entdecken, bis eure Seele von dem Heiligen Geist selber dahin geleitet wird. „Was,“ sagt Einer, „ich habe den Katechismus gelernt und weiß das Apostolische Glaubensbekenntnis auswendig, und doch wüsste ich nichts?“ Ich antworte, du hast wohl getan, den Buchstaben der Wahrheit zu lernen, aber du hast den Geist Gottes nötig, um ihn zum Licht und zur Kraft Gottes für deine Seele zu machen. Den Buchstaben magst du kennen, und besser, als Einige, die auch den Geist kennen, und ich unterschätze keinen Augenblick die Kenntnis des Buchstabens, wenn ihr nur nicht meint, dass irgend etwas Seligmachendes im bloßen Wissen des Kopfes sei; der Geist Gottes muss kommen, und euch den Buchstaben lebendig machen, ihn in euer Herz übertragen, es entzünden und in euch brennen lassen, sonst wird seine göttliche Gewalt und Majestät vor euren Augen verborgen bleiben. Niemand weiß die göttlichen Dinge, als der, welchem der Geist sie geoffenbart hat. Kein fleischlicher Sinn kann geistliche Ding verstehen. Wir mögen eine Sprache gebrauchen, so deutlich wie der Schaft einer Pike; der Mann, der kein geistliches Verständnis hat, ist ein Blinder, und das klarste Licht wird ihn nicht zum Sehen fähig machen. Ihr müsst vom Herrn gelehrt werden, sonst werdet ihr in Unwissenheit sterben. Nun, meine Brüder, gesetzt, in einer Kirche wären Viele, die immer so unterwiesen wären, könnt ihr nicht sehen, dass daraus Übel entstehen werden und müssen? Der Irrtum wird sicher aufkommen, wo man die Wahrheit nicht erfahrungsmäßig kennt. Wenn solche, die sich Christen nennen, nicht vom Geiste gelehrt werden, so wird Unwissenheit Selbstgefälligkeit, Stolz, Unglauben und tausend andere Übel erzeugen. O, hättest du mehr von der Wahrheit erkannt, mein Bruder, du hättest nicht so geprahlt! O, hättest du jene Wahrheit gesehen, die dir noch nicht geoffenbart ist um deines Vorurteils willen, so hättest du die nicht verurteilt, die besser sind, als du selber! Mit vielem Eifer, Gutes zu tun, haben Menschen großes Unheil angerichtet aus Mangel an Unterweisung in göttlichen Dingen. Bekümmernis entsteht auch oft aus Unwissenheit. O, mein Bruder, hättest du die Lehren von der Gnade gekannt, du wärest nicht so in Knechtschaft geblieben! Die Hälfte der Ketzereien in der Kirche Gottes ist nicht eigenwilliger Irrtum, sondern Irrtum, der aus Unkenntnis der Wahrheit entspringt, und daraus, dass man nicht mit lernbegierigem Herzen in der Schrift forschet, nicht den Verstand dem Lichte des Heiligen Geistes unterwirft. Wir sollten in der Regel die Ketzerei mehr als Irrtum behandeln, der aufzuklären ist, denn als Verbrechen, das zu verurteilen ist; nur, dass sie leider manchmal eigenwillige Verkehrtheit wird, wenn der Verstand nach neuen Dingen begehrt oder von Selbstvertrauen aufgeblasen ist; dann mag eine andere Behandlung zur schmerzlichen Nothwendigkeit werden. Geliebte, wenn der Geist Gottes nur die Kirche völlig erleuchtete, so würden die Spaltungen ein Ende haben. Schismen werden gewöhnlich durch Unwissenheit verursacht und durch den stolzen Sinn, der keine Zurechtweisung dulden will. Auf der andern Seite: wirkliche, dauernde, tatsächliche Einheit wird vorhanden sein im Verhältnis zu der Einigkeit des Sinnes der Menschen in der Wahrheit Gottes. Daher die Nothwendigkeit für den Geist, uns in die ganze Wahrheit zu leiten. Mein lieber Bruder, wenn du eine Lehre zu kennen glaubst, bitte den Herrn, dich gewiss zu machen, dass du sie kennst, denn Vieles, was wir zu wissen meinen, erweist sich als ungewusst, wenn Zeiten des Leidens uns auf die Probe stellen. Nichts wissen wir wirklich, bis es wie mit einem heißen Eisen in unsere Seele gebrannt ist durch eine Erfahrung, die nur der Geist Gottes geben kann.

Ich denke, ihr werdet nun sehen, dass, da der Geist Gottes für unsere eigene Unterweisung so nötig ist, wir vorzugsweise in seinem gnädigen Wirken auch unsere Stärke für die Unterweisung Anderer finden; denn wie sollen Die lehren, die selbst niemals gelehrt sind? Wie sollen Menschen eine Botschaft verkünden, die sie niemals gelernt haben? „Du Menschenkind, iss diesen Brief;“ denn bis du ihn selber gegessen hast, können deine Lippen nie Anderen davon sagen. „Es soll aber der Ackermann, der den Acker bauet, der Früchte am ersten genießen.“ Es ist ein Gesetz im Weinberge Christi, dass Niemand darin arbeiten soll, bis er zuerst selbst die Süßigkeit der Früchte kennt, die innerhalb der heiligen Einhegung wachsen. Du selber musst Christum kennen und Gnade und Liebe und Wahrheit, ehe du auch nur ein Lehrer der Kindlein in Christo sein kannst.

Wenn wir anfangen, mit Andern zu reden und ernstlich wünschen, sie von Jesu zu lehren, dann nehmen wir noch klarer wahr, dass wir des Geistes Gottes bedürfen. Ach, mein Bruder, du meinst, du wollest das Evangeliumso klar ihnen vor Augen stellen, dass sie es sehen müssen; aber ihre blinden Augen überwinden dich. Ach! du meinst, du wolltest es so eifrig dartun, dass sie es fühlen müssen; aber ihre Herzen, die wie ein kalter Erdenkloß sind, schlagen dich darnieder. Der alte Adam ist zu stark für dich, junger Melanchthon, verlass dich darauf. Du magst denken, du werdet die Seelen durch dein Flehen gewinnen, aber, wenn der Heilige Geist nicht mit dir ist, kannst du eben sowohl auf dem Gipfel eines Berges stehen und dem Winde pfeifen. nach all’ deinem Reden werden die Hörer vielleicht deinen Gedanken erfasst haben, aber den Sinn des Geistes, die wirkliche Seele des Evangeliums, kannst du ihnen nicht mitteilen; dies bleibt, wie die Schöpfung selbst, ein Werk, das nur Gott vollbringen kann. Lasst uns also täglich um die Kraft des Geistes, als des Erleuchters, beten. Komm, o gesegnetes Licht Gottes! Du allein kannst unsere eigene Finsternis durchbrechen, und nur, wenn du uns erleuchtet hast, können wir Andere in deinem Lichte führen. Ein unwissender Christ ist untüchtig zu großer Wirksamkeit, aber der, welcher von Gott gelehrt ist, wird die Übertreter Gottes Wege lehren, und Sünder sollen zu Christo bekehrt werden. Sowohl um innerlich zu brennen als äußerlich zu scheinen, müsst ihr den erleuchtenden Geist haben.

III.

Eins der Werke des Geistes Gottes ist, in den Gläubigen den Geist der Kindschaft zu erschaffen. „Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater!“ „Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermal fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!“ Wir sind durch den Heiligen Geist wiedergeboren und empfangen so die Kindesnatur; und diese von ihm gegebene Natur regt er beständig an, bringt sie zur Entwicklung und Reife; so dass wir Tag für Tag mehr von dem kindlichen Geist empfangen. Nun, Geliebte, dies mag euch auf den ersten Anblick nicht von sehr großer Wichtigkeit scheinen; aber es ist so; denn die Kirche ist niemals glücklich, es sei denn, dass alle ihre Glieder als Kinder Gottes wandeln. Zuweilen beschleicht uns der sklavische Geist; wir beginnen von dem Dienste Gottes zu sprechen, als wenn er hart und lästig wäre und sind unzufrieden, wenn wir nicht sofortigen Lohn und sichtbaren Erfolg haben, gerade wie Knechte, wenn es ihnen nicht zusagt; aber der Geist der Kindschaft arbeitet aus Liebe, ohne Hoffnung auf Lohn und ist zufrieden mit der süßen Gewissheit, in des Vaters Hause zu sein und des Vaters Willen zu tun. Dieser Geist giebt Friede, Ruhe, Freude, Kühnheit und heilige Vertrautheit mit Gott. Ein Mensch, der nie den Geist der Gotteskindschaft erhielt, kennt nicht die Seligkeit des christlichen Lebens; er entbehrt die Blume, den Duft, den höchsten Vorzug desselben, und ich würde mich nicht wundern, wenn er des Dienstes überdrüssig würde, weil er noch nie zu der Süßigkeit desselben gelangt ist und nicht der grünen Auen sich erfreut, auf denen der gute Hirte seine Schafe weiden und sich niederlegen lässt. Aber wenn der Geist Gottes uns fühlen lässt, dass wir Kinder sind und wir in dem Hause Gottes wohnen, um niemals wieder herauszugehen, dann ist der Dienst Gottes leicht und süß und wir nehmen die Verzögerung des sichtbaren Erfolgs als einen Teil der Prüfungen an, die wir zu dulden berufen sind.

Nun, merkt euch, dies wird eine große Wirkung auf die Welt da draußen haben. Ein Verein von Christen, die Religion wie eine Aufgabe vollziehen, den Weg der Gottlosigkeit entlang seufzen mit Gesichtern, die voll Jammer sind, gleich Sklaven, welche die Peitsche fürchten, kann nur geringe Wirkung auf die Sünder umher haben. Sie sagen: „Diese Leute dienen ohne Zweifel einem harten Herrn und versagen sich Dies und Jenes; warumsollten wir ihnen gleichen?“ Aber bringt mir eine Kirche, die aus Kindern Gottes besteht, eine Anzahl Männer und Frauen, deren Gesichter glänzen von dem Lächeln ihres himmlischen Vaters, die gewohnt sind, ihre Sorgen zu nehmen und sie auf ihren Vater zu werfen, wie Kinder es sollten, welche wissen, dass sie angenommen und geliebt sind und die vollkommen zufrieden mit des großen Vaters Willen sind; stellt sie in die Mitte einer Anzahl Gottloser, und ich bürge euch dafür, sie werden anfangen, ihren Frieden und ihre Freude zu beneiden. So bringen fröhliche Heilige die größte Wirkung auf die Ungläubigen hervor. O, Heiliger Geist Gottes! Lass uns Alle jetzt fühlen, dass wie die Kinder des großen Vaters sind, und lass unsere kindliche Liebe heute Morgen warm sein; so werden wir ausgehen und des Herrn Liebe den verlorenen Söhnen verkünden, die in dem fernen Lande unter den Schweinen sind.

Diese drei Punkte sind selbstverständlich, meine ich. Nun wollen wir zu einem vierten gehen.

IV.

Der Heilige Geist wird besonders der Geist der Heiligkeit genannt. Er hat nie eine Sünde eingegeben, noch sie gebilligt, noch etwas Anderes getan, als sich darüber betrübt; sondern Heiligkeit ist die Freude des Geistes. Die Kirche Gottes trägt an ihrer Stirne die Worte: „Die Heiligkeit des Herrn.“ Nur in dem Maße, wie sie heilig ist, darf sie überhaupt beanspruchen, die Kirche Gottes zu sein. Eine unheilige Kirche! Sicherlich, das kann die nicht sein, von der wir lesen: „Christus hat geliebt die Gemeine und hat sich selbst für sie gegeben; auf dass er sie heiligte und sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf dass er sich ihm selbst darstellete eine Gemeine, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des etwas.“ Heiligkeit ist nicht bloße Sittlichkeit, nicht das äußerliche Halten göttlicher Vorschriften aus hartem Pflichtgefühl, während diese Gebote an sich selbst nicht unsere Freunde sind. Heiligkeit ist es, wenn das Ganze unseres Wesens dem Herrn völlig geweiht und nach seinem Willen geformt ist. Dies ist das, was die Kirche Gottes haben muss, aber niemals haben kann ohne den Heiligmachenden, denn es ist kein Körnlein Heiligkeit unter dem Himmel, das nicht das Werk des Heiligen Geistes ist. Und, Brüder, wenn eine Kirche der Heiligkeit ermangelt, welche Wirkung kann sie auf die Welt haben? Die Spötter sehen mit äußerster Verachtung auf Solche herab, die sich Christen nennen und deren Leben ihren Worten widerspricht. Eine unheilige Kirche mag nach Herrschaft dürften und ringen, und so viel Lärm machen wie sie kann, unter dem Vorgeben für Christum zu arbeiten, aber das Reich kommt nicht zu den Unheiligen, und sie selber sind nicht darin. Das Zeugnis unheiliger Menschen ist nicht annehmbarer von Christo, als die Huldigung, welche der böse Geist ihm in den Tagen seines Fleisches erwies, zu dem er sprach: „Verstumme.“ „Aber zum Gottlosen spricht Gott: Was verkündest du meine Rechte und nimmst meinen Bund in deinen Mund?“ Der Tau wird vorenthalten und der Regen kommt nicht zu seiner Zeit auf den Acker derer, die behaupten, Knechte Gottes zu sein und doch Böses säen. Im Ganzen predigen die Taten der Kirche lauter als die Worte der Kirche. Stellt einen gesalbten Mann in die Mitte wirklich gottseliger Leute, um das Evangelium zu predigen, und sein Zeugnis wird wunderbar unterstützt werden durch die Kirche, mit welcher er arbeitet; aber setzt den gläubigsten Pastoren übe reine ungöttliche Kirche, und es ruht ein solches Gewicht auf ihm, dass er sich erst davon frei machen muss, sonst kann er keinen Erfolg haben. Er mag sein Herz auspredigen, er mag beten, bis seine Knie müde sind, aber Bekehrungen werden in trauriger Weise behindert werden, wenn sie überhaupt vorkommen. Es ist keine Wahrscheinlichkeit da, dass Israel siegen wird, so lange Achan’s Bann auf dem Lager ist. Eine unheilige Kirche veranlasst Christum zu sagen, er könne nicht viele mächtige Werke da tun um ihrer Missetaten willen.

Brüder, seht ihr nicht in diesem Punkt, dass wir den Geist Gottes nötig haben? Und wenn ihr beginnt, die Sünder anzufassen und mit ihnen redet über die Nothwendigkeit der Heiligkeit und eines erneuten Herzens und eines gottseligen Lebens, das aus diesem erneuten Herzen kommt, erwartet ihr, dass die Ungöttlichen von dem hingerissen werden, was ihr sagt? Was kümmert sich der unwiedergeborene Sinn um Gerechtigkeit vor Gott? Jagte ein fleischlicher Mensch je der Heiligung nach? Das ist nimmer gesehen worden. Ebensowohl könnt ihr erwarten, dass der Teufel Gott lieben werde, als ein unerlöstes Herz die Heiligkeit. Aber dennoch muss der Sünder das lieben, was rein und recht ist, sonst kann er nicht in den Himmel eingehen. Ihr könnt ihn nicht dahin bringen. Wer kann es tun, als jener Heilige Geist, der euch dahin gebracht, zu lieben, was auch ihr einst hasstet? Geht deshalb nicht aus, mit der Sünde zu kämpfen, bis ihr Waffen aus der Rüstkammer des ewigen Geistes genommen habt. Berge der Sünde werden nicht auf euer Geheiß zu Ebenen werden, es sei denn, dass es dem Heiligen Geist gefalle, das Wort wirksam zu machen. So sehen wir also, dass wir den Heiligen Geist als den Geist der Heiligkeit nötig haben.

V.

Fünftens, die Kirche bedarf viel Gebet und der Heilige Geist ist der Geist der Gnade und des Flehens. Die Stärke einer Kirche kann ziemlich genau geaicht werden nach dem Maße ihres Gebetes. Wir können nicht erwarten, dass der Herr seine Macht erweist, wenn wir ihn nicht bitten, es zu tun. Aber alles erhörliche Flehen wird in der Seele durch den Heiligen Geist gewirkt. Das erste Verlangen, welches Gott vernimmt, muss in dem Herzen erregt sein durch die verborgenen Wirkungen des Heiligen in Israel und jedes folgende Flehen, das ein Körnlein lebendigen Glaubens in sich enthält und deshalb als ein „Gedächtnis vor dem Herrn“ hinaufgeht, muss in der Seele von Dem gewirkt sein, der „die Heiligen vertritt nachdem, das Gott gefällt.“ Unser großer Hoherpriester will auf sein Rauchfass keinen Weihrauch legen, als den vom Geiste bereiteten. Das Gebet ist die Schöpfung des Heiligen Geistes. Wir können das Gebet nicht entbehren und wir können nicht ohne den Heiligen Geist beten; daher unsere Abhängigkeit von ihm.

Weiter, wenn wir mit den Sündern verhandeln, so wissen wir, dass sie beten müssen. „Sieh, er betet,“ ist eins der ersten Zeichen der neuen Geburt. Aber können wir den Sünder zum Beten bringen? Kann irgend eine Überredung unsererseits ihn auf seine Knie werfen, um den Bußseufzer auszustoßen und Gnade bei Christo zu suchen? Wenn ihr die Bekehrung einer Seele in eigener Kraft versucht habt, so wisst ihr, dass es euch misslungen ist; und ebenso wäre es misslungen, wenn ihr die Schöpfung eines einzigen erhörlichen Gebets, auch nur in dem herzen eines kleinen Kindes versucht hättet. O dann, liebe Brüder, lasst uns zu unserem himmlischen Vater schreien, dass er uns den Heiligen Geist gebe; lasst uns ihn bitten, immer mächtiger in uns zu werden als der Geist des Gebets, der uns mit unaussprechlichem Seufzen vertritt, damit die Kirche nicht den göttlichen Segen entbehren möge aus Mangel an Gebet um denselben. Ich glaube wahrlich, dass dies ihre gegenwärtige Schwachheit und eine große Ursache ist, warum das Reich Christi sich nicht mächtiger ausbreitet: das Gebet ist zu schwach und deshalb wird der Segen vorenthalten; und es wird immer schwach sein, bis der Heilige Geist das Verlangen seines Volkes anfeuert. O, Heiliger Geist, wir beten; hilf uns beten um Christi willen.

VI.

Sechstens, der Geist Gottes ist in sehr beachtenswerter Weise der Geber der Gemeinschaft. So oft wir den apostolischen Segen sprechen, beten wir um die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Er setzt uns in den Stand, Gemeinschaft mit geistlichen Dingen zu haben. Er allein kann den Schlüssel nehmen und das verborgene Geheimnis öffnen, damit wir göttliche Dinge erkennen. Er giebt uns Gemeinschaft mit Gott selber; durch Jesum Christum haben wir im Geist Zugang zum Vater. Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo, aber es ist der Geist, der uns in dasselbe hineinführt. So ist auch, meine lieben Brüder, unsere Gemeinschaft unter einander, so weit sie christliche Gemeinschaft ist, immer durch den Geist erzeugt. Wenn wir diese vielen Jahre in Frieden und Liebe zusammen geblieben sind, so kann ich das nicht unserer guten Gemütsart, noch weiser Leitung, noch irgend welchen natürlichen Umständen zuschreiben, sondern der Liebe, in welche der Geist uns hinein getauft hat, so dass die aufrührerische Natur still gewesen ist. Wenn ein Dutzend christliche Leute zwölf Monate zusammen leben in wahrer christlicher Vereinigung und ununterbrochener Zuneigung, so schreibt es der Liebe des Geistes zu; und wenn hundert Dutzend oder viermal diese Zahl im Stande sind, in vereintem Dienste zu bleiben und finden, dass sie einander mehr lieben nach vielen Jahren, als sie zuerst taten, so lasst das als einen Segen des Trösters angesehen werden, für den er demütig anzubeten ist. Gemeinschaft können wir nur durch den Geist haben, aber eine Kirche ohne Gemeinschaft würde ein ungeordneter Pöbelhaufe sein, ein Reich, das in sich selber geteilt wäre und folglich nicht gedeihen könnte. Ihr habt die Gemeinschaft nötig zu gegenseitiger Stärkung, Führung, Hilfe und Ermutigung, und ohne dieselbe ist eure Kirche eine bloß menschliche Gesellschaft.

Wenn ihr auf die Welt einwirken wollt, müsst ihr vereint sein wie Ein lebendiger Leib. Eine gespaltene Kirche ist lange schon der Spott des Antichrists gewesen. Kein Hohn, der vom Vatikan kommt, hat einen schärferen Stachel, als der, welcher den Protestanten ihre Spaltungen vorrückt; und wie es mit der großen äußeren Kirche ist, so ist es mit jeder einzelnen Kirche Christi. Spaltungen sind unsere Schande, unsere Schwäche, unsere Hinderung, und da der sanfte Geist allein diese Spaltungen hindern oder heilen kann, indem er uns wirkliche liebevolle Gemeinschaft mit Gott und unter einander giebt, wie abhängig sind wir dann hierin von ihm! Lasst uns täglich zu ihm schreien, brüderliche Liebe in uns zu wirken und alle die lieblichen Gnaden, die uns Eins mit Christo machen, dass wir Alle Eins sein mögen, wie der Vater mit dem Sohne Eins ist, dass die Welt erkenne, dass Gott Jesum in Wahrheit gesandt habe und dass wir sein Volk seien.

VII.

Siebentens, wir haben den Heiligen Geist nötig in jenem bekannten Amte, das von unsrem Herrn beschrieben wird als Paraklet oder Tröster. Das Wort verträgt eine andere Übersetzung, die wir in der Stelle haben: „Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher (Advokat oder Paraklet) bei dem Vater.“ Der Heilige Geist ist beides, Tröster und Fürsprecher oder Anwalt.

Der Heilige Geist ist gegenwärtig unser Freund und Tröster, der den sinkenden Mut der Gläubigen aufrecht hält, die köstlichen Verheißungen ihnen zuspricht, die Liebe Jesu Christi dem herzen offenbart. Manches Herz würde brechen, wenn der Geist Gottes es nicht tröstete. Viele von Gottes Kindern wären auf dem Wege umgekommen, wenn er ihnen nicht seine göttlichen Erquickungen verliehen, um sie auf der Pilgerfahrt zu erheitern. Das ist sein Werk und ein sehr nötiges Werk, denn wenn Gläubige sich unglücklich fühlen, so werden sie schwach in manchen Punkten ihres Dienstes. Ich bin gewiss, dass die Freude des Herrn unsere Stärke ist, denn ich habe es so erfahren und auch die entgegengesetzte Wahrheit erfahren. Es giebt gewisse Christen auf der Erde, die Trübsinn als die richtige Stimmung eines Christenmenschen stempeln wollen, ich will sie nicht richten, aber dies will ich sagen, dass sie in christlichen Werken nichts ausrichten und ich wundere mich des nicht. Bis Schnee in der Ernte den Weizen zur Reife bringt, bis Finsternis die Blumen blühen macht, bis das salzige Meer Trauben trägt voll neuen Weines, werdet ihr nie finden, dass eine unglückliche Religion da Wachsen des Reiches Christi fördert. Ihr müsst Freude in dem Herrn haben, Brüder, wenn ihr stark in dem Herrn und stark für den Herrn sein sollt. Nun, da der Tröster allein euch aufrecht halten kann, unter den Trübsalsfluten, die sicher über euch kommen werden, so seht ihr, wie sehr euch seine tröstende Gegenwarth Noth tut.

Wir haben gesagt, dass der Geist Gottes der Anwalt oder Fürsprecher der Kirche ist – nicht bei Gott, denn da ist Christus unser alleiniger Fürsprecher – aber bei Menschen. Was ist das Großartigste, was die Kirche der Welt gegenüber geltend machen kann? Ich antworte, die Einwohnung des Heiligen Geistes, das bleibende Wunder der Kirche. Äußere Zeugnisse sind sehr trefflich. Ihr jungen Männer, die ihr von den Skeptikern geplagt werdet, tut wohl, jene wertvollen Werke zu studiren, welche gelehrte und fromme Männer mit viel Mühe für uns geschrieben haben, aber, merkt euch, alle Beweise für die Wahrheit des Christentums, die der Analogie, der Geschichte und den äußeren Tatsachen entnommen werden, sind gar nichts im Vergleich mit den Wirkungen des Geistes Gottes. Dies sind die Beweise, welche überzeugen. Jemand sagt zu mir: „Ich glaube nicht an Sünde, Gerechtigkeit und Gericht.“ Wohlan, Brüder, der Heilige Geist kann ihn bald überzeugen. Wenn er Zeichen und Zeugnisse der Wahrheit von mir verlangt, so erwidere ich: „Siehst du dies Weib; sie war eine große Sünderin in dem schlimmsten Sinne und verleitete Andere zur Sünde, aber jetzt kannst du nirgends mehr Lieblichkeit und Licht finden, als in ihr. Hörest du diesen ruchlosen Flucher, Verfolger und Lästerer? Er spricht in Reinheit, Wahrheit und Demut der Seele. Beachte jenen Mann, der vormals ein Geizhals war, und sieh, wie er sein Vermögen Gott weihet. Betrachte jenes neidische, boshafte Gemüt und sieh’, wie es durch Bekehrung sanft, vergebend und liebenwürdig wird. Wie erklärst du diese großen Veränderungen? Sie geschehen hier jeden Tag, wie geht das zu? Ist das eine Lüge, die Wahrheit, Ehrlichkeit und Liebe erzeugt? Trägt nicht jeder Baum Früchte nach seiner eigenen Art? Was muss denn jene Gnade sein, die so segensvolle Umwandlungen hervorbringt? Die wundervolle Erscheinung von Raben, die in Tauben, und Löwen, die in Lämmer verwandelt werden, die erstaunlichen Umbildungen des sittlichen Charakters, die der Prediger zu seiner Freude von dem Evangelium gewirkt sieht, diese sind unsere Zeugen und sie sind unwiderleglich. Petrus und Johannes gingen hinauf zum Tempel, sie heilten einen Lahmen, und sie werden bald ergriffen und vor den hohen Rat geführt. Die Anklage wider sie ist: „Ihr habt in dem Namen Jesu gepredigt und dieser Jesus ist ein Betrüger.“ Was sagen Petrus und Johannes? Sie brauchen nichts zu sagen, denn da steht der Mann, der geheilt war; er hat seine Krücke mit sich gebracht, er schwingt sie im Triumpf und läuft und springt. Er war ihr Buch voll Zeugnisse, ihre Vertheidigung und ihr Beweis. „Sie sahen aber den Menschen, der gesund war geworden, bei ihnen stehen und hatten nichts dawider zu reden.“

Wenn wir den Geist Gottes unter uns haben, und Bekehrungen fortwährend gewirkt werden, so übt der Heilige Geist sein Amt als Anwalt und widerlegt alle Ankläger. Wenn der Geist in eurer eigenen Seele wirkt, so wird das für euch immer der Beste Beweis für’s Evangelium sein. Mir kommt zuweilen Ein Stück Unglauben vor und dann ein anderes; denn neue Zweifel und frische ungläubige Lehren werden jede Stunde gelaicht und unbeständige Menschen erwarten, dass wir alle Bücher lesen sollen, die sie zu erzeugen belieben. Aber die Wirkung, die sie auf unser Gemüt hervorbringen, wird immer geringer. Dies ist unsere Antwort. Es nützt zu nichts, dass ihr versucht, uns wankend zu machen, denn wir sind schon wohl bekannt mit allem, was ihr beibringt; unser eigener angeborne Unglaube hat es euch zuvorgetan. Wir haben Zweifel gehabt von einer Art, wie ihr sogar sie nicht zu äußern wagen würdet, wenn ihr sie kenntet; denn es ist genug Unglaube und Teuflisches in unserer eigenen Natur, so dass uns Satans Anschläge nichts Fremdes sind. Wir haben die meisten Kämpfe, zu denen ihr uns anreizt, wieder und wieder in dem geheimen Kämmerlein unserer Betrachtung bestanden und haben gesiegt. Denn wir sind in persönlicher Berührung mit Gott gekommen. Ihr hohnlächelt, aber es ist kein Beweisgrund im Hohnlächeln. Wir sind eben so ehrlich wie ihr, und unser Zeugnis ist vor jedem Gerichtshof so gut wie das eurige; und wir erklären feierlich, dass wir die Kraft des Heiligen Geistes an unserer Seele gefühlt haben, so sehr wie der alte Ocean nur je die Stärke des Nordwindes gefühlt hat; wir sind unter einem Gefühl von Sünde bis zur Todesangst getrieben und wir sind emporgehoben worden zu einem Entzücken der Wonne durch den Glauben an die Gerechtigkeit Christi. Wir finden, dass der Herr Jesus sich in der kleinen Welt unserer Seele so offenbart, dass wir ihn kennen. Es ist eine Gewalt in den Lehren, die wir gelernt haben, die nicht in Lügen sein könnte, denn die Wahrheiten, die wir glauben, haben wir in tatsächlicher Erfahrung erprobt. Sagt uns, dass es kein Fleisch giebt? Wie! wir haben eben ein Mahl gehalten. Sagt uns, es wäre kein Wasser in der Quelle? Wir haben eben unsern Durst gelöscht. Sagt uns, dass es gar kein Licht gäbe. Wir wissen nicht, wie wir euch das Dasein desselben beweisen sollen, denn ihr seid wahrscheinlich blind, aber wir können sehen. Das ist Beweisgrund genug für uns, und unser Zeugnis ist wahr. Sagt uns, es gäbe kein geistliches Leben? Wir fühlen es in unserer innersten Seele. Dies sind die Antworten, womit der Geist Gottes uns versieht und sie sind ein Teil seiner Anwaltschaft.

Seht wiederum, wie gänzlich abwegig wir vom Geiste Gottes sind, wenn wir all’ den verschiedenen Formen des Unglaubens begegnen sollen, die um uns her aufspringen; ihr mögt eure Gesellschaften für die Sammlung von Beweisen haben und ihr möget alle eure Bischöfe und Doctoren der Theologie und Professoren der Apologetik anwerben und sie mögen Rollen von Beweisen schreiben, lang genug, den Erdball zu umgürten, aber der Einzige, welcher die Welt in seligmachender Weise überzeugen kann, ist der Anwalt, den der Vater im Namen Jesu gesandt hat. Wenn er einem Menschen die Sünde enthüllt und die gewisse Folge derselben, so wirft der Unglaube sich auf seine Knie. Wenn Er die Schuppen hinwegnimmt und den gekreuzigten Erlöser uns vorstellt und das Verdienst des kostbaren Blutes, so wird alles fleischliche Vernünfteln an’s Kreuz genagelt. Ein Schlag wirklicher Überführung von der Sünde wird den hartnäckigsten Ungläubigen stutzig machen und nachher, wenn sein Unglaube zurückkehrt, werden die Tröstungen des Heiligen Geistes denselben bald aus ihm heraus trösten. Deshalb, wie zuerst, so sage ich zuletzt, all’ dieses hängt vom Heiligen Geist ab und auf ihn lasst uns harren in Jesu Namen und ihn anflehen, seine Kraft unter uns zu offenbaren. Amen. 

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