Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Der Schlaf eine Gabe Gottes

Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Der Schlaf eine Gabe Gottes

Homer, der Weise der alten Tage, hat gesagt: „Der Schlaf des Körpers ist eine Gabe der Götter.“ Er beschrieb den Schlaf als etwas, das von den Wolken hernieder käme und das sich vor Troja über die Zelte der Krieger lagerte. Virgil besang es ebenso, wenn er von Palinurus sprach, der auf dem Schiffe in Schlaf versank. Der Schlaf ist eine Gabe Gottes, und wir sind es ganz gewöhnt, unser Haupt auf das Kissen zu legen und uns dabei behaglich auszustrecken, als müsse damit dann unbedingt der Schlaf als natürliche Sache sofort in unsre müden Augen kommen. Aber so einfach ist die Sache doch nicht, denn kein einziger Mensch würde seine Augen schließen, wenn nicht Gottes Finger seine Lider berührten und wenn der Allmächtige nicht die sanfte, balsamische Ruhe über den ganzen Körper ausgösse, welche die Gedanken schweigen lässt, so dass jener gesegnete Zustand, den wir Schlaf nennen, den Menschen erquickt. Wohl können sich Menschen durch künstliche Mittel von Opium und andren Dingen, mit denen sie sich meistens bis zum Tode vergiften, in eine Betäubung bringen, welche sie Schlaf nennen; allein der wahrhaft erquickende Schlaf des gesunden Körpers ist und bleibt nur eine Gabe Gottes. Er, der Herr und der Gott der Liebe, Er gewährt uns dieses Geschenk; seine Zärtlichkeit wiegt uns in jeder Nacht süß ein; seine Freundlichkeit zieht die Vorhänge der Dunkelheit um uns her und gebietet der Sonne, ihr blendendes Licht zu verhüllen. Liebe neigt sich freundlich über uns und spricht: „Mein Kind, ich sende dir den Schlaf!“ Leser, hast du es noch niemals empfunden, was es heißt, sich zuzeiten unruhig auf dem Lager umherzuwerfen und den Schlummer vergeblich zu suchen? Wie seiner Zeit. von Darius gesprochen wurde, so könnte man auch zu dir sprechen: „Der König schickte nach seinen Spielleuten, aber der Schlaf floh von ihm.“ Du hast alles versucht, um Schlaf zu erhalten, aber du kannst ihn nicht erhaschen, und je mehr Mühe du dir gibst, in Schlaf zu versinken, je wacher werden deine Augen, denn es ist eben unmöglich für uns, eine gesunde Ruhe zu erzwingen. Du glaubst, du würdest einschlafen, wenn du deine Gedanken so lange auf einen bestimmten Gegenstand heftetest, dass völlige Müdigkeit dich überwältigen müsse; aber du magst tun, was du willst, der Schlaf flieht dennoch, und du vermagst auch deine Gedanken nicht einmal auf den bestimmten Gegenstand zu beschränken. Zehntausend Dinge rasen durch dein Gehirn, als ob sich die ganze Erde vor dir drehte, und in wildem Durcheinander tanzen die Gegenstände vor deinen geistigen Augen; du schließt sie mit Gewalt, ohne das bunte Gewirre dadurch los zu werden, und auch das Ohr und der Kopf werden mit dem Getöse angefüllt, das dich nicht schlafen lässt. Der Schlaf hat das Kissen verlassen, auf dem du so sehnsüchtig nach ihm verlangst, und Gott bleibt allein die Macht, die sowohl dem müden Schiffsknaben in seinem schwankenden Mastkorbe die schweren Lider zu versiegeln vermag, wie dem Monarchen auf seinem prächtigen Ruhebett. Möchte der letztere auch noch so mächtig sein und möchte er alles Erdenkliche aufbieten, er würde sich ohne Gottes Hilfe trotz allem und allem doch auch nur von einer Stelle zur andern wälzen und schließlich den Sklaven beneiden müssen, dem seine Erschlaffung den süßen Schlummer verschafft. Es ist Gott der Herr, der das Gemüt und den Geist mit Lethe tränkt und der dem Schlaf gebietet, unsre ganze Natur zu erfrischen, so dass wir uns am Morgen erholt und neugestärkt erheben. Wie dankbar sollten wir für den Schlaf sein! Er ist der beste Arzt, den es geben kann, welcher sicher mehr ermattete Köpfe und Herzen und Gebeine geheilt hat, wie die berühmtesten Ärzte der ganzen Welt; er ist und bleibt der beste Doktor, dem die höchsten Titel gebühren, die einem Professor der Medizin nur beigelegt werden. können. Kein Wundertrank der Medizin kommt dem Schlafe gleich, und welch eine Gnade, dass er ein Eigentum aller ist. Gott segnet nicht nur den reichen Mann mit demselben, so dass die Reichen und Vornehmen ihn zu einem ihrer Vorzüge stempeln könnten, nein, der himmlische Vater beschert ihn dem Ärmsten und Elendesten ebenso gut wie dem Höchsten, und wenn ein Unterschied bestände, so wäre es sicher der, dass der Arme, der wenig isst und viel arbeitet, gerade darum allermeist am süßesten schläft. Während sich der üppige Schwelger auf seinem Bett von Eiderdaunen umherwirft, streckt sich der Arbeiter mit seinen starken, festen Gliedern müde und abgespannt auf sein hartes Bett und fällt in festen Schlaf, um nach seiner Erholung mit Dank gegen Gott wieder aufzustehen.

Ich sage euch, ihr wisst es gar nicht, wieviel ihr Gott dafür schuldig seid, dass Er euch die Ruhe der Nacht schenkt! Schlaflose Nächte lassen diesen Segen erst recht erkennen, und wenn ihr einmal wochenlang in schlaflosem Zustande gelegen gehabt, so werdet ihr wohl einmal für jenen Segen zu danken beginnen. Weil der Schlaf eine feststehende Gnadengabe ist, so wird sie erst recht als solche anerkannt, wenn der Herr sie einmal entzieht; aber auch dann vermögen wir noch niemals ihren vollen Wert zu schätzen, und der Psalmist sagt uns, wie manche Menschen so töricht sind, sich sogar selbst des Schlafes zu berauben durch Gedanken des Ehrgeizes oder der Gewinnsucht, und er spricht: „Es ist umsonst, dass ihr frühe aufsteht und sitzt lange.“ Auch wir haben uns solcher Schuld vielleicht schon teilhaftig gemacht, wenn wir in früher Morgenstunde unsre Wissenschaft aus dicken Bänden zu bereichern suchten, oder so lange über denselben zu sitzen pflegten, bis die Lampe verlöschte und ein Licht von draußen uns endlich zeigen musste, dass der Morgen zu grauen beginne. Dann waren die Augen trübe, das Hirn brannte und das Herz blieb öde, während der ganze Körper mit erschlaffte. Wir standen früh auf und saßen bis in die Nacht, und kamen dahin, unser Brot mit Sorgen zu essen, weil die Gesundheit schwankend und der Geist niedergedrückt wurde. Viele von euch Geschäftsleuten hier pflegen in dieser Weise zu arbeiten. Wir verdammen euch darum nicht, und wir möchten euch weder verbieten, früh aufzustehen, noch lange aufzusitzen; wir möchten euch nur insofern an unsren Text erinnern, als er uns sagt, dass es vergeblich ist, früh aufzustehen und lange aufzusitzen, und dabei das Brot mit Sorgen zu essen, weil es der Herr den Seinigen schlafend gibt (Er gibt ihnen Schlaf). Nach diesem allem gebraucht die Heilige Schrift den Ausdruck „Schlaf“ aber auch häufig, um den Zustand des fleischlich gesinnten Weltmenschen zu bezeichnen. Gar viele sind von dem Schlafe der Sinnlichkeit befangen und die Worte Salomos passen auf sie: „Wer in der Ernte schläft, der ist ein Sohn, welcher Schande macht“, und die ungerettet bleiben, wenn der Sommer vorbei und die Ernte vorüber ist. Sehr oft bedeutet der Schlaf soviel wie Trägheit geistiger Tod und Gleichgültigkeit, worin sich ungöttliche Menschen befinden, auf welche die Worte Anwendung finden: „Es ist Zeit für uns, aufzustehen aus dem Schlafe! Lasst uns nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns nüchtern sein, als am Tage.“ Es gibt sehr viele, die den Schlaf der Faulheit schlafen und die sich träge auf ihren Lagern recken, bis das furchtbare Erwachen kommt, dabei sie sehen müssen, wie sie ihre Übungszeit verträumt haben und wie der goldene Sand ihrer Lebensuhr umsonst verlief. Plötzlich werden sie dann in eine Welt eintreten müssen, in der es keine Zeichen vergebender Gnade mehr gibt, und wo keine Hilfe, keine Zuflucht, keine Errettung mehr zu finden ist.

An andren Stellen wird Schlaf als Bild der fleischlichen Sicherheit gebraucht, in welcher wiederum so viele Seelen verstrickt sind. Siehe nur einmal den Saul an, wie er sich so sicher in seinem fleischlichen Schlafe fühlt, ganz anders als David, welcher spricht: „Ich liege und schlafe ganz im Frieden, denn allein Du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ Abner, der Hauptmann Sauls, war mit allen Truppen zugegen, aber Abner schlief. Ja, schlafe nur, Saul - schlafe nur weiter! Aber schon steht Abisai an deiner Seite, um dich mit seinem Spieße an die Erde zu nageln, auf der du im sanften Schlafe ruhst. Ach, du ahnst nicht, wie nahe du an der Schwelle der Ewigkeit stehst! Das ist der Saul. Und sind nicht viele von uns in gleichem Schlafe und gleicher Gefahr?! Satan steht neben euch, das Schwert des Gesetzes hängt über euch, die Rache wartet auf euch, und selbst das Geschick scheint kein Mitleid mehr mit euch zu haben. Nur ein einziger Schwertstreich und ihr werdet niemals wieder erwachen! Nur Jesu Ruf hält noch den Streich zurück. Halt' ein“ ertönt seine Stimme, halte ein, o Rache!“ Und ob das Schwert schon gezückt ist, es muss noch innehalten bei diesem Rufe. „Lass ihn noch dies Jahr, den Schläfer; vielleicht erwacht er in diesem Jahre aus seinem Sündenschlafe.“ Ich sage dir, Sünder, du schläfst gleich Sissera mit dem Verderber in einem Zelte. Magst du auch an einer noch so schönen Tafel gespeist haben, so bleibt es doch dabei, dass du dich auf der Schwelle der Hölle befindest. Gerade jetzt erhebt der Feind den Hammer und den Nagel, um dich in die Schläfe zu treffen und dich an der Erde zu befestigen, damit du in den Tod und in die ewige Qual versinkest, die weit schlimmer sind wie der gewöhnliche Tod.

Endlich wird in der Schrift der Schlaf auch noch als ein Sinnbild des in der Lust Versunkenseins gebraucht, in welchem Zustande sich Simson befand, da er seine Locken verlor, und wie so viele diesen Schlaf des Fleisches schliefen, wenn sie in der Sünde versanken, um nachher zu sehen, wie tief sie gefallen und wie ruiniert sie waren. Dann gibt es auch noch den Schlaf der Nachlässigkeit, den wir bei den Jungfrauen sehen, welche alle entschliefen; oder den Schlaf, den die Sorge mit sich bringt und in welchem wir einen Petrus, Jakobus und Johannes zu Gethsemane finden. Keine einzige Art dieses Schlafes ist eine Gabe Gottes, sondern jede Art desselben ist nur Folge unserer schwachen Natur, die soviel Macht über uns gewinnt, weil wir so durchtränkt von der Sünde sind; und die uns nur deshalb so umstricken kann, weil wir die Söhne verlorener, gefallener Eltern sind. Solcher Schlaf ist keine Gnadengabe; der Herr gibt seinen Geliebten diese Art von Schlaf niemals.

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autoren/s/spurgeon/w/spurgeon-worte_der_weisheit-9.txt · Zuletzt geändert: von aj
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