Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Das Gebet, ein Heilmittel für die Sorge.

Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Das Gebet, ein Heilmittel für die Sorge.

Gehalten am 12. Januar 1888.

“Sorgt nichts; sondern in allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.“
Phil. 4. 6, 7.

Wir haben die Fähigkeit der Vorsorge; aber wie alle unsere Fähigkeiten, ist sie verdorben worden und wird oft missbraucht. Es ist gut für einen Menschen, eine heilige Sorge zu haben und gehörige Aufmerksamkeit auf jeden Punkt in seinem Leben zu wenden; aber ach! es ist sehr leicht, die Sorge in eine unheilige zu verwandeln und zu versuchen, der Hand Gottes jenes Amt der Vorsehung zu entwinden, das ihm, und nicht uns gebührt. Wie oft redete Luther von den Vögeln und der Art, in der Gott für sie sorgt! Wenn er voll seiner quälenden Sorgen war, pflegte er die Vögel zu beneiden, weil sie ein so freies Leben und glückliches Leben führten. Er redet von Dr. Sperling und Dr. Drossel und andern, die zu Dr. Luther zu kommen und ihm manches Gute zu erzählen pflegten. Ihr wisst, Brüder, die Vögel da draußen im Freien, für die Gott sorgt, sind viel besser daran als die, für welche Menschen sorgen. Ein kleines Stadtmädchen, das aufs Land kam, sagte einmal: „Sieh, Mutter, diesen armen, kleinen Vogel; er hat gar keinen Käfig!“ Das wäre mir nicht aufgefallen als irgendein Verlust für den Vogel; und wenn ihr und ich ohne unseren Käfig wären und ohne unseren Futternapf und unser Glas Wasser, so wäre das kein großer Verlust, wenn wir dadurch hinein getrieben würden in die herrliche Freiheit eines Lebens der demütigen Abhängigkeit von Gott. Es ist jener Käfig des fleischlichen Vertrauens und jener Futternapf, den wir uns stets zu füllen bemühen, welche die Platze dieses sterblichen Lebens ausmachen; aber derjenige, welcher Glauben genug hat, seine Flügel auszubreiten, um hinweg zu schweben, hinein in das freie Feld des Vertrauens auf Gott, kann den ganzen Tag lang singen:

„Menschenkind, hör' auf zu sorgen,
Gott sorgt für den andern Morgen.“

Hier also ist die Lehre des Textes: „Sorgt nichts.“ In einem Sinne möchte ich sagen, dass wir sorgen sollten. „Sorgt,“ ist eine gute Lehre für Knaben und junge Leute, wenn sie ins Leben hinein gehen; aber der Text meint: Sorgt nicht ängstlich; denkt nicht beständig an die Bedürfnisse dieses sterblichen Lebens. O, dass Gott uns lehrte, das Böse, das hier verboten ist, zu meiden, und mit jener heiligen Sorglosigkeit zu leben, welche die wahre Schönheit des christlichen Lebens ausmacht, wenn alle unsere Sorge auf Gott geworfen ist und wir uns freuen und fröhlich sein können in seiner Fürsorge für uns!

„Ach!“ sagt jemand, „ich kann nicht anders als sorgen.“ Nun, unsere Aufgabe heut Abend ist die, dir zu helfen, mit dem Sorgen aufzuhören. Lasst uns zuerst das betrachten, was an die Stelle der Sorge treten soll. Sorgt nichts, sondern betet in allen Dingen. „Gebet und Flehen“ soll an die Stelle der Sorge treten. Zweitens wollen wir die besondere Art dieses Gebets betrachten, welches an die Stelle der Ängstlichkeit treten soll: „In allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Und dann, hoffe ich, werden uns noch ein paar Minuten übrig bleiben, in denen wir die liebliche Wirkung dieses Gebets betrachten können: „Der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne durch Christum Jesum bewahren.“ (n. d. engl. Üb.)

I.

Hier ist also zuerst das, was an die Stelle der Sorge treten soll. Ich nehme an, es ist von vielen unter uns wahr, dass unsere Sorgen mannigfaltig sind. Wenn ihr erst sorgenvoll, ängstlich, grämlich werdet, so werdet ihr nie vermögen eure Sorgen zu zählen, selbst wenn ihr eure Haare auf dem Haupte zählen könntet. Und Sorgen vermehren sich leicht für diejenigen, welche sorgenvoll sind; und wenn ihr so voll Sorgen seid, wie ihr glaubt, dass ihr es nur sein könnt, so wird sicherlich noch eine andere Saat von Sorgen rund um euch her aufsprießen. Wenn man sich dieser bösen Gewohnheit der Ängstlichkeit hingibt, so wird sie die Herrschaft über das ganze Leben gewinnen, bis es nicht mehr der Mühe wert ist zu leben um der Sorge willen, die wir darin haben. Sorgen sind mannigfach, darum lasst eure Gebete ebenso mannigfach sein. Verwandelt in ein Gebet alles, was eine Sorge ist. Lasst eure Sorgen das Rohmaterial für eure Gebete sein; und wie die Alchemisten hofften, Schlacken in Gold zu verwandeln, so verwandelt ihr durch eine heilige Alchemie das, was von Natur eine Sorge gewesen wäre, in einen geistlichen Schatz in Form eines Gebets. Taucht jede Angst in den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und macht sie so zu einem Segen.

Musst du fürchten, dass du bald eine Sorge bekommst? Nimm dich in Acht, dass sie dich nicht bekommt. Wünscht du, einen Gewinn zu machen? Hüte dich, dass du nicht mehr verlierst, als du durch deinen Gewinn gewinnst. Ich bitte dich ernstlich, habe nicht mehr Sorge um den Gewinn, als du in ein Gebet zu verwandeln magst. Wünsche nicht zu haben, was du nicht von Gott zu erbitten wagst. Miss deine Wünsche nach einem geistlichen Maßstabe, so wirst du vor Habgier bewahrt bleiben. Sorgen entstehen für viele Menschen durch Verluste; sie verlieren, was sie gewonnen haben. Nun, dieses ist eine Welt, in der Verlieren nichts Seltenes ist. Ebbe folgt der Flut, und der Winter zerstört die Blumen des Sommers. Wundre dich nicht, wenn du verlierst, wie andere es tun; sondern bete, wenn dich Verluste treffen. Geh' zu Gott mit ihnen; und statt dich zu quälen, brauche sie als einen Anlass, zum Herrn zu kommen und zu sagen: „Der Herr hat es gegeben, und der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobet. Lass mich wissen, warum du mit mir haderst und behüte deinen Knecht, ich bitte dich, davor, je über dich zu klagen, was immer du mich verlieren lässt!“

Vielleicht sagst du, dass du weder um deine Gewinn noch um deine Verluste sorgst, sondern um dein täglich Brot. Nun wohl, du hast Verheißungen betreffs dessen, wie du weißt! Der Herr hat gesagt: „So wirst du in dem Lande wohnen, und wahrlich, du wirst dich nähren.“ (Ps. 37,3 n. d. engl. Üb.) Er gibt dir eine liebliche Ermutigung, wenn er sagt, dass er das Gras auf dem Felde kleidet und noch viel mehr dich kleiden wird, du Kleingläubiger. Und der Herr Jesus heißt dich die Vögel des Himmels ansehen, wie sie weder säen noch in die Scheuern sammeln, und der himmlische Vater sie doch nährt. Gehe denn zu deinem Gott mit all deinen Sorgen. Wenn du eine große Familie hast, eine geringe Einnahme und viel Not, ehrlich damit auszukommen, so hast umso mehr Entschuldigung, wenn du oft an Gottes Tür anklopfst, umso mehr Gründe, oft am Gnadenstuhl gefunden zu werden. Ich bitte dich, mache sie dir zu Nutzen. Ich fühle, dass es mir freisteht, einen Freund zu besuchen, wenn ich wirklich ein Geschäft mit ihm habe; und du darfst kühn Gott anrufen, wenn die Not dich drückt. Anstatt mit ängstlicher Sorge um irgendetwas zu sorgen, erneure umso dringender deine Gebete.

„Ach!“ sagt einer, „ich bin in Verlegenheit; ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Nun dann, lieber Freund, solltest du sicherlich beten, wenn du nicht weißt, ob du die Straße zur Rechten oder zur Linken gehen sollst oder gerade aus oder umkehren. In der Tat, wenn du in solchem Nebel bist, dass du nicht die nächste Lampe sehen kannst, dann ist es Zeit zu beten. Die Straße wird sehr plötzlich hell vor dir werden. Ich habe dieses Mittel oft selbst versuchen müssen; und ich bezeuge, dass ich, wenn ich mir selbst vertraut habe, ein riesiger Tor gewesen bin; aber wenn ich Gott vertraut habe, so hat er mich grade aus auf den rechten Weg geführt. Ich glaube, dass Gottes Kinder oft in einfachen Dingen größere Versehen machen. als in schwierigeren Sachen. Ihr wisst, wie es mit Israel war, als jene Gibeoniten kamen mit ihren alten und geflickten Schuhen und das schimmlige Brot zeigten, das sie, wie sie sagten, frisch aus dem Ofen gezogen hätten, als sie ausgingen. Die Kinder Israel dachten: „Dies ist eine klare Sache; diese Männer sind Fremdlinge, sie sind aus fernem Lande gekommen, und wir können einen Bund mit ihnen machen.“ Sie waren gewiss, das Zeugnis ihrer Augen wäre Beweis genug, dass diese Leute keine Kananiter seien, darum fragten sie nicht Gott um Rat; die ganze Sache schien so klar, dass sie einen Bund mit den Gibeoniten schlossen, was ihnen später viel Verdruss brachte. Wenn wir bei jeder Sache im Gebet zu Gott gingen, so würden wir in unsern Verlegenheiten nicht mehr Versehen begehen als bei einfachen Sachen, und in einfachen, wie in schwierigen Dingen würden wir von dem Höchsten geleitet werden.

Vielleicht sagt ein anderer Freund: „Aber ich denke an die Zukunft.“ Tust du das? Nun, zuerst möchte ich dich fragen, was du mit der Zukunft zu tun hast. Weißt du, was der nächste Tag bringen wird? Du hast daran gedacht, was aus dir werden wird, wenn du alt bist; aber bist du gewiss, dass du jemals alt sein wirft? Ich kannte eine christliche Frau, die sich damit abzuquälen pflegte, wie sie begraben werden würde. Diese Frage hat mich nie beunruhigt; und es gibt viele andere Sachen, mit denen wir uns nicht zu quälen brauchen. Ihr könnt immer einen Stock finden, um einen Hund zu schlagen; und wenn ihr eine Sorge haben wollt, so könnt ihr gewöhnlich eine finden, mit der ihr eure Seele schlagen könnt; aber das ist eine armselige Beschäftigung für euch. Statt dies zu tun, verwandelt alles, was ein Gegenstand der Sorge sein könnte, in einen Gegenstand des Gebetes. Streicht das Wort „Sorge“ aus und schreibt anstatt dessen das Wort „Gebet“; und dann, wenn eure Sorgen mannigfach sind, werden eure Gebete auch mannigfach sein.

Bemerkt ferner, liebe Freunde, dass ungehörige Sorge ein Eingreifen in Gottes Gebiet ist. Du machst dich damit zum Vater der Familie, anstatt ein Kind zu sein; du machst dich zum Herrn, statt ein Diener zu sein, für dessen Unterhalt der Herr sorgt. Nun, wenn du, anstatt dessen, die Sorge in Gebet wandelst, so wird dies kein Eingriff sein, denn du darfst zu Gott im Gebet kommen, ohne der Vermessenheit beschuldigt zu werden. Er ladet dich ein, zu beten; nein, hier, durch seinen Diener heißt er dich: „In allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“

Noch eins, Sorgen sind für uns von keinem Nutzen, und sie verursachen uns großen Schaden. Ihr mögt sorgen so lange ihr wollt, ihr könnt euch nicht um einen Zoll größer machen oder ein Haar mehr auf eurem Haupte wachsen lassen oder ein einziges Haar weiß oder schwarz machen. So sagt uns der Heiland, und er fragt, wenn die Sorge in solchen kleinen Dingen nichts vermag, was kann sie dann in den höheren Sachen? Sie kann nichts tun. Ein Landmann stand auf seinen Feldern und sagte: „Ich weiß nicht, wie es mit uns allen werden soll. Der Weizen wird vernichtet werden, wenn dieser Regen andauert; wir werden gar keine Ernte haben, wenn wir nicht schönes Wetter bekommen.“ Er ging auf und nieder, rang die Hände, quälte sich und machte die ganze Hausgenossenschaft unglücklich; aber er brachte keinen einzigen Sonnenstrahl mit all seiner Quälerei hervor, er konnte keine der Wolken mit seinen verdrießlichen Worten verscheuchen, und keinen einzigen Tropfen Regen mit all seinem Murren zurückhalten.

Wozu nützt es denn, dass wir fortfahren, an unserem eigenen Herzen zu nagen, wenn wir nichts dadurch erlangen können? Außerdem schwächt es unsere Kraft, uns selbst zu helfen und besonders unsere Kraft, Gott zu verherrlichen. Ein sorgenvolles Herz hindert uns häufig, die Dinge richtig zu beurteilen. Ich habe oft das Bild gebraucht (ich weiß kein besseres): Wir nehmen ein Teleskop, hauchen. darauf mit dem heißen Atem unserer Angst, halten es an das Auge und sagen dann, dass wir nichts als Wolken sehen können. Natürlich können wir das nicht, und wir werden es nie, so lange wir darauf atmen. Wenn wir nur ruhig, gelassen, gefasst und Gottvertrauend wären, so würden wir das Rechte tun. Wir würden, wie man sagt, „all unsere Gedanken zusammennehmen“ in einer Zeit der Schwierigkeiten. Wer die Gegenwart Gottes fühlt, wird auch Geistesgegenwart haben. Wenn wir vergessen zu beten, ist es dann zu verwundern, dass wir voll Unruhe und Angst sind und das Erste tun, das uns gerade einfällt, was gewöhnlich das Schlimmste ist, anstatt zu warten, bis wir sehen, was getan werden sollte, und es dann gläubig und vertrauend wie vor den Augen Gottes tun? Sorge ist schädlich; aber wenn ihr diese Sorge in Gebet verwandelt, dann wird jede Sorge eine Wohltat für euch werden.

Das Gebet ist ein wundervolles Material zum Aufbauen des geistlichen Hauses. Wir werden selbst erbaut durch Gebet; wir wachsen in der Gnade durch Gebet, und wenn wir nur jeden Augenblick mit Bitten zu Gott kommen wollen, so werden wir rasch im geistlichen Leben gefördert werden. Ich sagte zu einer heute Morgen: „Beten Sie für mich; es ist eine Zeit, wo ich es nötig habe,“ und sie erwiderte: „Ich habe nichts anderes getan, seit ich aufwachte.“ Ich habe dieselbe Bitte an mehrere andere gerichtet, und sie haben gesagt, dass sie für mich gebetet hätten. Ich war so froh, nicht nur um meinetwillen, weil ihr Gebet mir nützt, sondern auch um ihretwillen, weil sie sicherlich dadurch gefördert werden. Wenn kleine Vögel anhaltend mit den Flügeln schlagen, so lernen sie fliegen. Die Sehnen werden stärker und die Vögel verlassen binnen kurzer Zeit das Nest; gerade dieses Schlagen mit den Flügeln ist eine Übung und der Versuch zu beten, das Ächzen, das Seufzen, das Schreien eines betenden Geistes ist an sich ein Segen. Lasst also ab von dieser schadenbringenden Gewohnheit des Sorgens und nehmt die nutzenbringende Gewohnheit des Betens an. Seht, wie ihr auf diese Weise einen doppelten Gewinn erhaltet; zuerst, indem ihr einen Verlust vermeidet und zweitens, indem ihr das erlangt, was euch und andern wirklich nützen wird.

Ferner, Sorgen entstehen, weil wir vergessen, wie nahe Christus uns ist. Beachtetet ihr den Zusammenhang, in dem unser Text steht? „Der Herr ist nahe. Sorgt nichts.“ Der Herr Jesus Christus hat verheißen, wieder zu kommen, und er kann heute Abend kommen; in jedem Augenblick kann er erscheinen. Darum schreibt Paulus: „Der Herr ist nahe. Sorgt nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ O, wenn wir nur auf dieser Erde stehen könnten, als wenn sie ein bloßer Schatten wäre und leben wie die, welche bald mit diesem vergänglichen Leben fertig sein werden; wenn wir jedes irdische Ding sehr lose in der Hand hielten, so würden wir nicht sorgen und uns grämen und ängstigen, sondern würden beten, und damit würden wir das Wesentliche und Wirkliche ergreifen und unsern Fuß fest auf das Unsichtbare setzen, das doch das Ewige ist.“, liebe Freunde, lasst den Text, den ich euch wieder und wieder vorgelesen habe, nun in eure Herzen fallen, wie ein Kieselstein in einen Bergsee fällt, und lasst ihn beim Hereinfallen Ringe des Trostes ziehen auf der Oberfläche eurer Seele!

II.

Nun wollen wir ein wenig genauer in den Text hineinblicken, um zweitens die besondere Art dieses Gebetes zu sehen. Was für eine Art von Gebet ist es, das uns von der Sorge befreien wird?

Nun, zuerst ist es ein Gebet, welches von allen Dingen handelt. „In allen Dingen“ lasst eure Bitte vor Gott kund werden. Ihr dürft um das kleinste Ding und um das größte bitten; ihr dürft nicht nur um den heiligen Geist beten, sondern ihr dürft auch um ein Paar neue Stiefel beten. Ihr dürft zu Gott gehen in betreff des Brotes, das ihr esst, des Wassers, das ihr trinkt, der Kleidung, der ihr traget, und in Betreff aller Dinge zu ihm beten. Zieht keine Linie und sprecht nicht: „So weit soll alles unter der Fürsorge Gottes stehen.“ Wie? Was wollt ihr dann mit dem Rest des Lebens tun? Soll der unter dem dörrenden Mehltau einer Art von Atheismus zugebracht werden? Gott verhüte! O, dass wir in Gott leben möchten unserem ganzen Wesen nach, denn unser Wesen ist so, dass wir es nicht teilen können! Leib, Seele und Geist sind eins, und so lange Gott uns in dieser Welt lässt, und wir Bedürfnisse haben, die aus der Beschaffenheit unseres Leibes entstehen, müssen wir unsere leiblichen Bedürfnisse im Gebet vor Gott bringen. Und ihr werdet finden, dass der große Gott euch in diesen Sachen hören wird. Sagt nicht, dass ihr zu klein seid, als dass er euch beachten könnte; alles ist klein im Vergleich mit ihm. Wenn ich daran denke, was für ein großer Gott er ist, so scheint es mir, dass diese unsre arme, kleine Welt gerade nur ein unbedeutendes Sandkorn am Ufer des Weltalls ist und gar keiner Beachtung wert. Die ganze Erde ist ein bloßer Fleck in dem großen Universum, und wenn Gott sich herablässt, sie zu beachten, so mag er ebenso wohl noch ein wenig tiefer sich beugen und uns beachten, und er tut dies, denn er spricht: Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt.“ Darum lasst in allen Dingen eure Bitten vor Gott kund werden.

Die Art Gebet, die uns von der Sorge rettet, ist ein Gebet, das wiederholt wird: „Im Gebet und Flehen.“ Betet zu Gott, und dann betet wieder: „Im Gebete und Flehen“. Wenn der Herr euch nicht das erste Mal erhört, so seid sehr dankbar, dass ihr einen guten Grund habt, wiederum zu beten. Wenn er eure Bitte das zweite Mal nicht erhört, so glaubt, dass er euch so lieb hat, dass er eure Stimme wieder hören will, und wenn er euch warten lässt, bis ihr siebenmal zu ihm gegangen seid, so sagt zu euch selbst: „Nun weiß ich, dass ich den Gott des Elia anbete, denn Elias Gott ließ ihn siebenmal gehen, ehe er den Segen verlieh.“ Haltet es für eine Ehre, wenn euch vergönnt ist, mit dem Engel zu ringen. Dies ist die Weise, wie Gott seine Fürsten macht. Jakob wäre nie Israel geworden, wenn er den Segen von dem Engel bei der ersten Bitte erlangt hätte; aber als er mit Ringen anhalten musste, bis er obgesiegt, da wurde er ein Fürst bei Gott. Das Gebet, welches die Sorge tötet, ist Gebet, welches andauernd und dringlich ist.

Ferner, es ist ein verständiges Gebet: „Lasst eure Bitte vor Gott kund werden.“ Ich hörte von einem Muhammedaner, der, wie ich meine, sechs Stunden jeden Tag im Gebet zubrachte; und damit er nicht einschliefe, wenn er sich an Bord eines Bootes befand, so stand er aufrecht und hatte nur ein Tau quer über gespannt, woran er sich lehnen konnte, und wenn er eingeschlafen wäre, so wäre er gefallen. Seine Absicht war, sechs Stunden lang mit dem anzuhalten, was er Gebet nannte. Ich fragte einen, der ihn kannte, und der ihn an Bord seiner Dahabeah auf dem Nil gesehen hatte: „Was für eine Art Gebet war es?“ „Nun,“ entgegnete mein Freund, er wiederholte immerfort: „Es ist kein Gott außer Gott, und Muhamed ist sein Prophet, dieselben Worte immer und immer wieder.“ „Bat er um irgendetwas?“ fragte ich. „O, nein!“ „Flehte er Gott an, ihm irgendetwas zu geben?“ „Nein, er fuhr nur immer fort mit der beständigen Wiederholung gewisser Worte, gerade wie eine Hexe eine Zauberformel wiederholt.“

Meint ihr, dass irgendetwas in dieser Art von Gebet ist? Und wenn ihr euch auf die Knie werft und bloß eine gewisse Formel wiederholt, so wird es nur ein Mundvoll Worte sein. Was kümmert Gott sich um diese Art Gebet? Lasst eure Bitte vor Gott kund werden. Das ist wahres Gebet. Gott weiß, was eure Bitten sind; aber ihr sollt zu ihm beten, als wenn er es nicht wüsste. Ihr sollt eure Bitten kund tun, nicht, weil der Herr sie nicht kennt, sondern vielleicht, weil ihr selber sie nicht kennt, und wenn ihr eure Bitten ihm kundgetan habt, wie der Text euch heißt, so habt ihr sie euch selber noch klarer kundgetan. Wenn ihr mit Verständnis gebeten habt, wissend, was ihr gebeten und warum ihr es gebeten, so werdet ihr vielleicht innehalten und zu euch selber sagen: „Nein, ich darf doch nicht diese Bitte tun.“ Zuweilen, wenn ihr angehalten habt mit Gebet um etwas, was Gott nicht gibt, mag sich vielleicht die Überzeugung in euer Herz einschleichen, dass ihr nicht auf der rechten Spur seid; und dies Ergebnis eures Gebets wird an sich euch schon gut tun und euch zum Segen werden. Aber ihr sollt beten und eure Bitten vor Gott kund werden lassen. Das heißt, ihr sollt sagen, was ihr wünscht; denn dies ist wahres Gebet. Geht in die Einsamkeit und erzählt dem Herrn, was ihr wünscht; schüttet euer Herz vor ihm aus. Bildet euch nicht ein, dass der Herr schöne Worte will. Nein, ihr braucht nicht die Treppe hinaufzulaufen und euer Gebetbuch zu holen und dann eine Kollekte aufzuschlagen; es wird lange dauern, bis ihr eine Kollekte findet, die für euch passt, falls ihr wirklich betet. Betet um das, was ihr wirklich braucht, grade, als wenn ihr eurer Mutter oder eurem liebsten Freund sagtet, was ihr nötig hättet. Geht zu Gott in dieser Weise, denn das ist wirkliches Gebet, und ein Gebet, das eure Sorge hinwegtreiben wird.

So, liebe Freunde, ist dasjenige Gebet, welches von der Sorge befreit, Gemeinschaft mit Gott. Wenn ihr nicht mit Gott gesprochen habt, so habt ihr nicht wirklich gebetet. Ein kleines Kind ist hingegangen (ich denke, eure Kinder haben es getan) und hat einen Brief in die Öffnung gesteckt, wohinein die Rinnsteine fließen; natürlich ist nie eine Antwort auf einen Brief gekommen, der in dieser Weise befördert war. Wenn der Brief nicht in den Briefkasten gesteckt wird, so dass er an denjenigen geht, an den er adressiert ist, was nützt er dann? Ebenso ist das Gebet wirkliche Gemeinschaft mit Gott. Du musst glauben, dass er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde, sonst kannst du nicht beten. Gott muss eine Wirklichkeit für dich sein, eine lebendige Wirklichkeit; und du musst glauben, dass er Gebet hört, und du musst mit ihm sprechen, und glauben, dass du dasjenige hast, um das du ihn bittest, und dann wirst du es haben. Er hat noch nie versäumt, gläubiges Gebet zu ehren. Er mag dich eine Weile harren lassen; aber Verzögerung ist nicht Verweigerung, und er hat oft ein Gebet, das um Silber bat, erhört, indem er Gold gab. Er mag irdischen Schatz versagt haben, aber er hat himmlische Reichtümer von zehntausendmal größerem Wert gegeben, und der Bittende ist mehr als zufrieden mit dem Tausch gewesen. „Lasst eure Bitte kund werden vor Gott.“ Ich weiß, was du tust, wenn du in Not bist; du gehst zu deinem Nachbar, aber dein Nachbar sieht dich nicht gerne ganz so oft in solchen Geschäften. Möglicherweise gehst du zu deinem Brüder; aber es gibt einen Bibelspruch, der dich warnt, in deines Bruders Haus zu gehen, wenn es dir übel geht. Du magst einem Freund zu oft kommen, wenn du in Not bist; er mag sich sehr freuen, dich zu sehen, bis er hört, weshalb du ihn besuchst; aber wenn du zu deinem Gott gehst, so wird er dich nie kalt behandeln, er wird nie sagen, dass du zu oft kommst. Im Gegenteil, er wird dich tadeln, weil du nicht oft genug zu ihm kommst.

Es ist noch ein Wort da, welches ich überging, weil es meine letzte Bemerkung über diesen Punkt sein sollte. „Lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Nun, was bedeutet das? Es bedeutet, dass dasjenige Gebet, welches die Sorge tötet, ein Gebet ist, das fröhlich, freudig, dankbar ist. „Herr, ich bin arm; lass mich dich für meine Armut loben, und dann, o Herr, willst du mich nicht mit allem Notwendigen versorgen? Das ist die Weise, wie man beten muss. Herr, ich bin krank; ich lobe dich für diese Trübsal, denn ich bin gewiss, dass sie etwas Gutes wirken soll. Nun lass es dir gefallen, mich zu heilen, ich flehe dich! Herr, ich bin in großer Not; aber ich lobe dich für diese Not, denn ich weiß, dass sie einen Segen enthält, obwohl derselbe in einem schwarzberändertem Umschlag mir gesandt ist; und dann, Herr, hilf mir aus dieser Not heraus!“ Das ist ein Gebet, welches die Sorge tötet: „Flehen mit Danksagung.“ Mischt diese zwei Dinge gut; eine Drachme nein, zwei Drachmen Gebet, Gebet und Flehen, dann eine Drachme Danksagung. Reibt sie gut zusammen, so werden sie ein treffliches Heilmittel für die Sorge sein. Möge der Herr uns diese heilige Apothekerkunst lehren!

III.

Ich schließe mit dem dritten Punkt, der lieblichen Wirkung dieses Gebetes. „Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christo Jesu bewahren.“

Wenn du in dieser Weise beten kannst, anstatt dich sündlicher Angst hinzugeben, so wird das Ergebnis sein, dass unvermerkt ein ungewöhnlicher Friede über dein Herz und deine Sinne kommen wird, ein ungewöhnlicher, denn es wird „der Friede Gottes“ sein. Was ist Gottes Friede? Die selige Stille des unendlich glücklichen Gottes, die ewige Gemütsruhe des völlig zufriedenen Gottes. Diese wird von unsern Herzen und Sinnen Besitz nehmen. Beachtet, wie Paulus dies beschreibt: „der Friede Gottes, welcher über alles Verständnis hinausgeht.“ Andere werden ihn nicht verstehen; sie werden nicht ausfindig machen können, wie du so ruhig sein kannst. Was mehr ist, du wirst nicht imstande sein, es ihnen zu sagen; denn dieser Friede geht über alles Verständnis hinaus, er geht sicherlich über alle Worte hinaus, und was noch wunderbarer ist, du wirst ihn selber nicht verstehen.

Es wird ein solcher Friede sein, dass er für dich unergründlich und unermesslich sein wird. Als einer der Märtyrer um Christi willen verbrannt werden sollte, sagte er zu dem Richter, der Befehl gab, den Scheiterhaufen anzuzünden: „Wollen Sie kommen und Ihre Hand auf mein Herz legen?“ Der Richter tat es. „Schlägt es rasch?“ fragte der Märtyrer, „Gebe ich ein Zeichen von Furcht?“ „Nein“, sagte der Richter. „Nun legen Sie Ihre Hand auf Ihr eigenes Herz und sehen Sie zu, ob Sie nicht aufgeregter sind, als ich es bin?“ Denkt an jenen Mann Gottes, der an dem Morgen, wo er verbrannt werden sollte, so fest schlief, dass man ihn rütteln musste, um ihn aufzuwecken; er sollte aufstehen, um verbrannt zu werden, und doch, obwohl er dies wusste, hatte er solche Zuversicht zu Gott, dass er sanft schlief. Dies ist der Friede Gottes, welcher über alles Verständnis hinausgeht. In der Diokletianischen Verfolgung wurden die Märtyrer ins Amphitheater gebracht, um von wilden Tieren zerrissen zu werden; einer ward in einen glühendroten eisernen Stuhl gesetzt, ein anderer ward mit Honig beschmiert, um von Wespen und Bienen zu Tode gestochen zu werden; aber sie wankten nie. Denkt an jenen tapferen Mann, der auf einen Rost gelegt wurde, um zu Tode geröstet zu werden und der zu seinen Verfolgern sagte: „Ihr habt mich jetzt auf einer Seite geröstet, nun wendet mich auf die andere.“ Warum dieser Friede unter solchen Umständen? Es war „der Friede Gottes, der über alles Verständnis hinausgeht.“ Wir haben heutzutage nicht so zu leiden; aber wenn es jemals zu etwas derartigem kommt, so ist es wundervoll, was für einen Frieden ein Christ hat. Nachdem ein großer Sturm sich erhoben hatte, stand der Meister auf und sprach zu dem Winde: „Schweig“, und „es ward eine große Stille“, lesen wir. Habt ihr dies je gefühlt? Ihr fühlt es heut Abend, wenn ihr diese heilige Kunst gelernt habt, in allen Dingen eure Bitte Gott kund zu tun, und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahrt eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.

Dieser gesegnete Friede bewahrt unsere Herzen und Sinne; er ist ein behütender Friede. Das griechische Wort deutet auf eine Besagung hin. Ist es nicht seltsam, dass hier ein militärischer Ausdruck gebraucht wird, und dass es der Friede ist, der wie eine Wache für Herz und Sinne ist? Es ist der Friede Gottes, der das Kind Gottes beschützen soll; sonderbares, aber schönes Bild! Ich habe gehört, die Furcht behütete das Haus des Christen. Nun, die Furcht mag ein guter Hüter sein, um die Hunde fern zu halten, aber sie hat keine volle Vorratskammer. Der Friede dagegen, obwohl er Schwäche scheint, ist die höchste Kraft; und während er behütet, nährt er uns auch und versieht uns mit allem, was uns not ist.

Es ist auch ein Friede, der uns mit Jesu verbindet: „Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren“ d. h. eure Neigungen und eure Gedanken, eure Wünsche und euren Verstand; euer Herz, so dass es sich nicht fürchtet; euren Verstand, so dass er keine Art von Verwirrung kennen wird; „der Friede Gottes wird eure Herzen und Sinne bewahren durch Christum Jesum“. Es ist alles „durch Christum Jesum“, und darum ist es doppelt lieblich und köstlich für uns.

O, meine lieben Hörer, einige von euch kommen hierher am Donnerstagabend und wissen gar nichts von diesem Frieden Gottes und wundern sich möglicherweise, weshalb wir Christen so viel Wesens aus unserer Religion machen. Ach, wenn ihr sie kenntet, so würdet ihr vielleicht noch mehr Wesens davon machen als wir; denn selbst wenn es kein künftiges Leben gäbe und wir wissen, dass es ein solches gibt so hilft doch die süße Gewohnheit, im Gebet zu Gott zu gehen und alle unsre Sorge auf ihn zu werfen, uns, selbst in diesem Leben fröhlich zu sein. Wir leben nicht nur für diese Welt; aber wenn wir es täten, so würde keine Vorbereitung für das irdische Leben diesem Leben für Gott und in Gott gleichkommen. Wenn ihr nur einen Scheingott habt und bloß zur Kirche oder Kapelle geht und euer Gebetbuch oder Gesangbuch mit euch nehmt, und deshalb denkt, dass ihr Christen seid, so betrügt ihr euch selbst; aber wenn ihr einen lebendigen Gott habt und wirkliche Gemeinschaft mit ihm habt und beständig unter dem Schatten der Flügel des Allmächtigen lebt, so werdet ihr einen Frieden genießen, über den andere sich wundern werden, und über den ihr selber auch staunen werdet, eben diesen „Frieden Gottes, der über alles Verständnis hinausgeht.“ Gott verleihe ihn euch, meine geliebten Hörer, um Christi willen!

Amen.

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