Spurgeon, Charles Haddon - Hosianna!

Spurgeon, Charles Haddon - Hosianna!

Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ Mat.. 21,9

Nach dem Wunder der Auferweckung der Auferweckung des Lazarus verbreitete sich ein großer Ruf hinsichtlich unsres Herrn. Das Volk, welches zum Fest heraufzog, ging hinaus nach Betanien, um Jesum zu sehen und um Lazarus zu sehen, der von den Toten auferwecket war. Diese Menge zog dann mit Jesus auf Jerusalem zu. Auf dem Wege sandte der Herr zwei seiner Jünger voraus, um eine Eselin und ihr Füllen zu holen; auf diesem zog Er in die Stadt. Ein andrer Haufe kam aus Jerusalem der Schar entgegen, die Jesum begleitete und bildete mit dieser eine große Prozession und die Eskorte des Herrn in demütigem Zustande, und erwies Ihm, als dem Könige in Zion, Ehre. Auf keinem stattlichen Kriegsrecht, sondern auf dem Füllen einer lastbaren Eselin, zog der sanftmütige und demütige König ein in die Stadt Davids, begleitet von einer ungeheuren enthusiastischen Menge, welche Palmen und Baumzweige und die eignen Kleider auf den Weg breitete, den Er entlang ritt. So erhielt unser Herr in der Metropole seines Volkes einen recht königlichen Empfang. Es war dies ein seltsames Ereignis, so ganz verschieden von allem andren, das unsrem Heiland begegnet war, so dass man verwundert sein muss. Dass es als ein wichtiges Ereignis angesehen werden muss, geht daraus hervor, dass alle vier Evangelisten sich Mühe gaben, es zu berichten. Da der Heilige Geist uns vier Berichte aufbewahrt hat, so fordert Er uns dadurch auf, um so mehr acht darauf zu geben.

Gewiss war diese unsrem Herrn erwiesene Ehre etwas Seltsames. In der Regel wurde Er von Menschen verachtet und verworfen; aber hier war Er für den Augenblick der Gefeierte. Alle begrüßten Ihn mit ihren Hosiannas und die ganze Stadt war in Erregung. Es war ein Galatag für die Jünger und eine Art Krönungstag für ihren Herrn.

Warum fand diese Szene statt? Welches war ihre Bedeutung? Es ist ein wunder, dass dergleichen nicht früher geschehen war, denn der Herr hatte viele Kranke geheilt, Er hatte Tausende mit dem Brot dieses Lebens gespeist und große Scharen waren durch seine Predigten getröstet worden. Das Volk hörte Ihn gern und versammelte sich gern um Ihm. Unter einem erregbaren Volke war es ein Wunder, dass der Enthusiasmus des Volkes so lange unterdrückt werden konnte.

Aber es war der Herr selbst, der ihn mit meisterhafter Kunst unterdrückt hatte. Er sprach Wahrheiten aus, die ihnen nicht lieb waren, oder Er stahl sich von der Stätte des Wunders hinweg oder hielt sich an verborgenen Plätzen auf und entging so ihren Ehren. Er gebot oft denen, die Er geheilt hatte, nichts davon zu sagen, denn Er wartete nirgend darauf, die Lorbeeren einzuheimsen, die Ihm seine Wunder verdient hatten. Kein Wunder, dass sich das Volk endlich genötigt sah, Ihn mit ihrem Lobe zu umgeben. Das lang zurückgehaltene Feuer der Dankbarkeit brach endlich doch aus und verbreitete über die alte Stadt ein brillantes Licht. Sie begrüßten Ihn mit dem Jauchzen ihres untertänigen Willkommens. Aber es lag in ihren Ausrufen nur sehr wenig. Ihr wisst, was sich nach wenigen Tagen zutrug. Wenn es nicht dieselben Persönlichkeiten waren, so war es doch das Volk derselben Stadt, welches rief: „Kreuzige, kreuzige Ihn!“ Die Hosiannas mögen sehr laut sein, aber sie dauern nicht lange. „Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn,“ klingt sehr angenehm; aber wieviel heftiger ist der Ruf: „Lass Ihn kreuzigen!“ „Vox populi vox Dei“ pflegte man zu sagen, aber das Sprichwort ist falsch. Volkesstimme mag als Gottesstimme erscheinen, wenn sie rufen: „Hosianna in der Höhe;“ aber wessen Stimme ist es, wenn sie brüllen: „Kreuzige, kreuzige Ihn!“? Der Herr legte wenig Wert auf Applaus, der Ihm wurde; inmitten der Rufe blickte Er über die Stadt dahin und Tränen füllten seine Augen. Während andre freudig waren, weinte Er über das Weh, das sein prophetisches Auge voraussah. Einmal ritt der Heiland als ein König im Staate, aber bald darauf ging Er jene Straßen wie ein Verbrecher entlang und trug sein Kreuz. Wie bald ist die öffentliche Stimme für das Böse zu kaufen!

Uns wird jedoch die Geschichte viermal von den Evangelisten unterbreitet, und darum wollen wir ihr unsre aufmerksame Beachtung zuwenden. Möchte der gute Geist uns durch diese seltsame Aufregung und durch diese besondere Szene belehren!

Zuerst bitte ich euch, an Christum zu denken, wie Er siegreich in Jerusalem einzieht. Zweitens veranlasse ich euch, darin zu sehen, wie Christus in seiner Gemeinde verherrlicht wird, und dann wollen wir drittens Christi gedenken, wie Er in das Herz einzieht. Unter diesen drei Gesichtspunkten können wir unsre Gedanken zusammenfassen, und wenn Gott uns hilft, kann diese Betrachtung uns von Nutzen sein.

I.

Zuerst bitte ich euch, Christi siegreichen Einzug in Jerusalem zu überschauen. Wozu diese Prozession? Warum dieses Huldigungsjauchzen! Unser Herr hatte für alles, das Er anordnete oder zuließ, stets einen Grund. Was beabsichtigte Er hier? Wie sollen wir uns die Szene auslegen?

Ich denke, es geschah zunächst, damit Er sich selbst ganz öffentlich erklären könne. Er hatte seine Mission oft in einfacher Sprache bekannt; Er hatte gesagt, wer Er war und warum Er kam, aber sie wollten nicht hören, und so wagten sie es, zu Ihm zu sagen: „Bist du Christus, so sage es uns frei heraus.“ So wollte Er es ihnen nun noch bestimmter versichern dadurch, dass Er öffentlich im Staat in Jerusalem einzog. Nun werden sie sehen, dass Er der Messias zu sein beansprucht, der Gesandte Gottes, von welchem der Prophet sagte: „Saget der Tochter Zion: siehe, dein Heil kommt!“ Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge ertönt sein Lob; große Menschenscharen anerkennen mit lauter Stimme, dass „Er kommt in dem Namen des Herrn,“ bis die neidischen Pharisäer sich genötigt sehen, zu fragen: „Hörest Du, was diese sagen?“ Ihr werdet euch erinnern, dass der Herr als ein König in Jerusalem einzog; aber Er wurde auch als da Passahlamm dahin geführt, dessen Blut das Volk retten musste. Das Lamm Gottes durfte nicht ohne Beachtung zum Altar gehen; es passte nicht, dass Er, welcher die Sünden der Welt wegtragen sollte, unbemerkt zum Tempel gehe. Der Tag war nahe, da Er geopfert werden sollte, und aller Augen wurden aufgefordert, auf Ihn zu blicken und zu wissen, wer und was Er war. Darum erlaubte Er diese große Ansammlung und diese ehrenvolle Beachtung seiner selbst, damit Er sowohl durch Tat, wie durch Wort zu Israel sagen könne: „Ich bin, der da kommen soll.“ So offenbarte Er sich unzweifelhaft dem Volke. Als die Obersten Ihn kreuzigten, wussten sie, was Er zu sein bekannte. Wenngleich viele über Ihn in Unkenntnis sein mochten, wussten sie doch sehr wohl, dass sie Einen kreuzigten, welcher bekannt hatte, der Herr der Herrlichkeit, der König in Zion zu sein. ich denke, dies war ein Grund für den freudigen Einzug in die Stadt.

Demnächst beanspruchte unser Herr dadurch öffentlich seine Autorität über Israel. Er war der Sohn Davids, und darum war Er durch natürliches Recht der König der Juden. Als der Messias und Christus war Er ferner der König seines Volkes Israel. In Bezug auf Ihn hatte der Prophet gesagt: „Du Tochter Zions, freue dich, und du Tochter Jerusalems, jauchze; siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel, und auf einem jungen Füllen der Eselin.“ Der Herr Jesus kam buchstäblich in dieser Weise zu Zion. Als König ritt Er ein und betrat seinen Palast. In seiner priesterlichen Königswürde ging der Sohn Gottes zu seines Vaters Haus, zum Tempel des Opfers und der Souveränität. Wenngleich sie nachher Barabbas erwählen und rufen mochten, dass sie keinen König als den Kaiser hätten, so war Jesus doch ihr König, wie auch Pilatus ihnen antwortete: „Soll ich euren König kreuzigen?“ Vor seiner Untersuchung und Verurteilung hatte Er öffentlich Anspruch auf die Rechte und Prärogative des Königs zu Zion erhoben, den Gott eingesetzt hatte auf seinem heiligen Berge. Wollte Gott, dass alle meine Zuhörer unsres Herrn Reich anerkennten und sich seinem Szepter unterwürfen!

Möglicherweise beabsichtigte unser Herr auch, durch die seltsame Prozession seine Feinde seine wirkliche Macht unter dem Volke wissen zu lassen. Wenn Er ohne vorangegangene Aufforderung oder Vorbereitung eine solche Menge Anhänger sammeln konnte, dann musste die ganze Bevölkerung in einem großen Maße Ihm zu Gunsten sein. Wenn Ihm eine solche enthusiastische Aufnahme ganz freiwillig wurde, welche Schar hätte angesammelt werden können, wenn Er einen Plan gemacht hätte? Wenn Er beabsichtigt hätte, sich zum König zu machen, und wenn Er seinen Dienern erlaubt hätte, zu kämpfen – der alte feurige Mut des jüdischen Geschlechts wäre wieder aufgelodert, und seine Feinde würden vor Ihm geflohen sein. Aber nein. Er kannte keinen selbstsüchtigen Ehrgeiz; sein Reich war nicht von dieser Welt; Er kam nicht, hier geehrt zu werden, sondern zu unserer Erlösung verschmäht zu werden. Das Diadem, nach welchem Er trachtete, war eine Dornenkrone; dennoch ließ Er seine Widersacher sehen, dass er nicht niedrig und sanft war, weil Er schwach war. Wenn sie gewollt hätte, so hätten sie an jenem Tage in Jerusalem die Größe der Selbstverleugnung sehen können, welche von irdischen Ehren sich fern hielt.

Ich habe des Heilands Gründe noch nicht erschöpft. Von dem Evangelisten wird uns gesagt, dass Er dies tat, damit erfüllet würde, was von dem Propheten gesagt ist. ich habe die Stelle Sach. 9,9 soeben zitiert. Unser Herr war sehr darauf bedacht, jede Prophezeiung der Heiligen Schrift zu erfüllen. Er hielt das inspirierte Wort in hoher Achtung. Ihr hört nie ein Wort von Ihm, das der Inspiration, der Autorität, der Genauigkeit oder Untrüglichkeit des Gesetzes oder des Propheten nachteilig wäre. Er erfüllte das Wort des Herrn bis aufs Jota. Er richtete sein Leben nach dieser alten Vorschrift, in welcher der Messias bezeichnet war, ehe Er auf die Erde kam. O, dass heutigentags dieselbe Ehrerbietung sich unter den Predigern fände! Wenn wir sehen, welches der Wille des Herrn ist, so lasst uns demselben unbedingt folgen. Gehorsam gegen die Regel der Schrift war der Weg des Hauptes; er sollte auch der Weg des Gliedes sein.

Ich denke auch, dass, wie der Herr zurückblickte und die Schrift erfüllte, Er auch vorausblickte, um uns ein prophetisches Vorbild von der Zukunft zu geben. Geliebte, unser Herr wird nicht allezeit verworfen werden. Es gibt für Ihn noch Tage des Triumphes. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Dies ist das eiserne Zeitalter, aber es kommt eine goldene Zeit der Liebe und des Lichts. Wir warten auf seine Erscheinung und auf seine Herrschaft, die Herrschaft des Friedens und der Freude. Es kommt ein Tag, da die Reiche der Welt unsres Herrn und seines Christus sein werden. Er wird sitzen auf dem Stuhl seines Vaters David, und seines Königreichs wird kein Ende sein. Der Herr wird König sein immer und ewiglich. Halleluja! Hat nicht Jehovah zu Ihm gesagt: „Heische von mir, so will ich Dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Ende zum Eigentum!“? Ja, es kommt ein Tag, da Er, der eine Schmach der Menschen war, die Herrlichkeit seines Volkes sein wird. Könige werden sich vor Ihm beugen. Alle Völker werden Ihn preisen. Wenn ich diese freudige Prozession zum Berge Zion gehen sehe und beachte, wie die, welche voran gingen, sich verbanden mit denen, welche nachfolgten, während der König in ihrer Mitte ritt, ist es mir, als sehe ich die Aufeinanderfolge der Gläubigen aller Zeiten. Die Propheten sind vor Ihm hergegangen; höre ihre lauten Hosiannas! Wir, auf welche das Ende der Welt gekommen ist, gehen Ihm nach, und auch wir haben unsre freudigen Hosiannas! Hier vereinigen sich die Patriarchen mit den Aposteln; Propheten sind eins mit Märtyrern, und alle Gläubigen stehen mit ihnen in Reih und Glied, und alle stimmen zusammen ein: „Hosianna! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!“ Wir sehen also in diesem Vorgang ein Gesicht von der Herrlichkeit, die seiner im neuen Jerusalem wartet, wo Er auf seinem Thron sitzt und seine Feinde zu seinem Fußschemel gelegt werden.

Ich kann es nicht unterlassen, noch eins zu erwähnen. Gewiss ließ der Herr dem Enthusiasmus des Volkes freien Lauf mit dem Wunsche, seine Freunde zu erfreuen. Meint ihr nicht, dass der sympathische Jesus es der Mühe wert hielt, der kleinen Schar der Nachfolger so eine Art Feiertag zu verschaffen? Diese Getreuen waren in seiner Erniedrigung bei Ihm gewesen, und Er wollte ihnen einen Vorschmack von seiner Herrlichkeit geben. Sie hatten Ihn von Menschen verachtet und verworfen gesehen, und Er unterbrach die Eintönigkeit seiner Erniedrigung mit einem Blick von seiner Herrlichkeit. Einmal sollte es ihnen gestattet sein, ihre Kleider unter seine Füße zu breiten und duftende Zweige auf seinen Weg zu streuen. An diesem Tage erfüllte nichts ihre Ohren, als das Lob ihres geliebten Herrn und geehrten Meisters. Sie würden bald Kummer genug haben, wenn sie Ihn im Garten ergriffen und gebunden zu Kaiphas und zu Pilatus geführt sahen, um zum Tode verurteilt zu werden. Er wollte ihnen ein wenig Erholung gönnen, denn Er liebt es, sein Volk freudig zu sehen. Seine Tränen behielt Er für sich, als Er über Jerusalem weinte, aber die Freude streute Er aus, so dass selbst Knaben und Mädchen in den Straßen Jerusalems vor Freuden jauchzten. Wie sie vor Wonne mit den Händen klappen! Der Herr liebt es, in unsern Kelch einige Tropfen von dem Honig des Himmels zu träufeln, damit die Bitterkeit des Kummers versüßt werde und seine Nachfolger durch ihre Freude an Ihm glücklich gemacht werden. „Die Kinder Zions seien fröhlich über ihren König.“

II.

Zweitens ist mein Text nach meiner Ansicht ein Gleichnis davon, wie Christus in seiner Gemeinde verherrlicht wird. Es sind köstliche Tage, wenn der Ruhm unsres Königs in unsren Versammlungen erschallt. Noch sind wir in der traurigen Eintönigkeit der Unfruchtbarkeit nicht verfallen; wir haben Berge, wie den Karmel. Ich beabsichtige, über diese heiligen Zeiten zu sprechen.

Ich denke, dass der Gemeinde Gottes solche Tage zu teil werden, nachdem besondere Wunder der Gnade gewirkt worden sind. Lazarus ist von den Toten auferweckt, und wenn das Volk so die Größe des Propheten von Nazareth sieht, beginnt es, Ihn zu erheben, und das führt zu einer heiligen Erregung. Wenn es dem Herrn gefällt, beachtenswerte Bekehrungen unter uns zu wirken, dann haben wir unsre großen Zeiten. Wenn wir besondere Beispiele von seiner gnädigen Macht sehen, schwingen wir unsre Siegespalmen vor Ihm und viele Herzen fragen: „Wer ist der?“ Unsre Herzen freuen sich, wie man sich in der Ernte freut, wenn wir sehen, wie der Herr große Sünder rettet. Meint ihr nicht, dass, als Saulus von Tarsen bekehrt wurde und die Gemeinden Ruhe erhielten, sie ihrem Könige entgegen jauchzten? Welche Freude ist in den Herzen der Heiligen, wenn Anführer in der Sünde Vorkämpfer für die Wahrheit werden! O, dass Gott solche Veränderungen in dieser Stadt wirken möchte! Betet, Brüder und Schwestern, dass es geschehe. O, dass Lazarus auferweckt würde und als ein Wunder der Gnade unter uns lebte, den die Nachbarn sehen möchten! Herr, mache Deinen Arm bloß vor den Augen aller Völker!

Nächstem war es eine Zeit des Zeugnisses, denn die, welche gegenwärtig gewesen waren und gesehen hatten, wie Lazarus von den Toten auferweckt worden war, legten Zeugnis ab. Einer trat hervor und sagte: „Mit diesen Augen habe ich gesehen, wie Lazarus aus dem Felsengrab herauskam.“ „Und ich,“ sagte ein andrer, „half, ihn zum Grabe tragen; aber ich habe ebenfalls gesehen, wie er lebendig nach Hause ging.“ „Ja,“ sagte ein dritter, „ich half, den Stein abheben und stand dann da, um das Resultat abzuwarten, und ich sah den Toten lebendig herauskommen und half dann, ihn aufzulösen.“ Diese alle bezeugten, was sie gesehen hatten. Ihr könnt gar nicht sagen, welche freudige Wirkung es hervorruft und welcher Enthusiasmus erzeugt wird, wenn einer nach dem andren persönlich Zeugnis ablegt. Herr, öffne den Menschen den Mund! Eure stillen Zungen bringen uns um unsre Freude. Euer Zeugnis zurückhalten, raubt Christo seine Ehre und der Gemeinde ihr Wachstum. Es ist eure Pflicht, zur Ehre des Herrn Jesu zu zeugen. Wenn große Wunder geschehen sind und die, welche sie gesehen haben, willig sind, Zeugnis davon abzulegen, dann dürfen wir Tagen entgegen sehen, in welchen Freude und Lob sich kundgibt.

Es war auch ein gutes Zeichen von der zukünftigen Freude, dass die Feinde nun schlimmer wüteten, denn je zuvor. Sie suchten Jesum und Lazarus zu töten. Wenn der Teufel nie brüllt, wird die Gemeinde nie siegen. Gott tut nicht viel, wenn der Teufel nicht nahe und sehr beschäftigt ist. Verlasst euch darauf, dass ein wirkender Christus einen tobenden Teufel macht. Wenn ihr schlechte Gerüchte, grausame Reden, Drohungen und dergleichen hört, so glaubt, dass der Herr unter seinem Volk ist und herrlich wirkt. Wenn wir Donner hören, erwarten wir Regen. Der Zorn in der untersten Hölle ist ein Vorzeichen von dem Hosianna im höchsten Himmel.

Es ist auch ein erfreuliches Zeichen, wenn sich eine allgemeine Begierde hinsichtlich unsres Herrn unter dem Volke zeigt. Wenn die Jünger sich um ihren Meister scharen und pünktlich seinen Willen tun, dann kommen gute Zeiten. Wenn alle übereinstimmen, ist es auch gut. Wenn die, welche vorangehen und die, welche nachfolgen, alle gleichen Sinnes sind, dann ist ein Tag der Freude da. Wenn graue Häupter jung und junge Häupter weise werden, so ist das ein gutes Zeichen. Wenn die, welche jüngst bekehrt wurden, voll heiligen Eifers glühen und rufen: „Wir wollen dem Herrn keine Ruhe lassen, bis Er uns segnet,“ dann scheint die Sonne der Gemeinde hell am Himmel. Wenn wir alle bereit sind, uns am Ernten zu beteiligen, dann werden die Garben eingeheimst. Gewiss, die Zeit, Zion zu begünstigen, ja, die bestimmte Zeit dazu ist gekommen, wenn man sich nach Zions König sehnt und jedes Herz Ihm in Liebe entgegenschlägt.

Das ist ganz klar, wenn dies alles von einer reichlichen Freigebigkeit begleitet ist. Es ist gut, wenn Jünger nicht nur bereit sind, eines andren Esel zu holen, sondern auch ihre eignen Kleider darauf zu legen; wenn sie nicht nur Palmenwedel auf den Weg streuen, sondern ihre Kleidungsstücke zum Teppich für des Königs Füße machen. Wenn jedermann etwas tut, oder etwas gibt, oder sich von Herzen mit den Hosiannas verbindet, dann ist der König in unsre Mitte getreten. Unser König ist nicht da, wo Herzen geizig und selbstsüchtig sind, aber ein Zeichen seiner Gegenwart ist, dass sein Volk willig dem Herrn opfert. Zu solchen Zeiten fühlen Gläubige, dass sie nicht sich angehören, sondern teuer erkauft sind.

Geliebte, wir dürfen nicht vergessen, dass es ein Zeichen davon ist, dass Gott zu seinem Volke gekommen ist und ihnen einen fröhlichen Tag gemacht hat, wenn auch die Kinder daran teilnehmen. Luther wurde sehr ermutigt, als er fand, dass die Kinder zum Gebet zusammenkamen. Er sagte: „Gott wird sie erhören. Der Teufel kann uns nicht überwinden, nun auch die Kinder anfangen zu beten.“ Wenn Gott die Kinder zum Ernst bewegt, dann wird Er bald ihre Väter und Mütter bewegen. Wenn Knaben und Mädchen zusammen kommen, Gott zu preisen, dann verachte ihre kleinen Versammlungen nicht. Die Kinder sind in Gottes Schätzung der köstlichste Teil des Geschlechts. Jesus, Meister, komm, wir bitten Dich. Komm in Deiner Zärtlichkeit und Gnade, und dann werden die Kinder unserer modernen Zeit Deinem Namen laute Hosiannas singen, wie die Kinder es damals in Deinem Tempel taten.

Beachtet in unsrem Text, dass unser Heiland mit dem Ruf Hosianna empfangen wurde. Dieses mächtige Jauchzen durchtönte alle Straßen der alten Stadt. Es ist ein Ruf der Huldigung, des Willkomms, der Untertanentreue. Er enthielt den Wunsch des Reichtums, der Gesundheit und der Ehre für den König. „Hosianna, Hosianna, der König ist gekommen. Hilf Ihm, o Herr! Segne uns durch Ihn.“ Ebenso war es ein Gebet zu dem Könige. „Hilf, Herr; segne uns, o König! O König, der Du geboren bist, zu siegen und zu segnen, rette uns!“ Es war ferner ein Gebet für Ihm. Wir hören nie auf, zu beten: „Dein Reich komme; Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden.“ Wollen wir nicht auch heute ein Gebet für unsren Herrn darbringen? Will nicht jeder die Bitte zu Gott hinaufsenden: „Vater, verkläre Deinen Sohn!“? Du hast gesagt, dass Dein Vornehmen durch seine Hand fortgehen soll; lass es also geschehen!

III.

Ich habe für meinen dritten Punkt nur wenig Zeit, und doch ist er von großer Wichtigkeit: wie Christus ins Herz aufgenommen wird. Sein triumphierender Einzug in Jerusalem war ein Vorbild davon, wie Er in das erneuerte Herz kommt. Ich wünsche, dass ihr, die ihr Ihn noch nicht aufgenommen habt, zuhört und durch das Zuhören veranlasst werdet, Ihn zu bitten, dass Er in euer Herz kommen möchte.

An jenem Tage, als Christus von Betanien kam, waren die Tore der Stadt weit offen. Wir lesen nicht davon, dass sie verschlossen waren. Sind heute deine Tore weit offen? Wenn nicht, so möchte ich sagen: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe.“ Er ist bereit, in euren Herzen zu bleiben und sie nie wieder zu verlassen; seid nur darauf bedacht, dass eure Tore Ihm weit offen stehen. Möchte der Heilige Geist eure Herzen öffnen! Duldet den Gedanken nicht, euren Herrn auszuschließen. Sprechet in willigem Gehorsam und sagt: Komm herein, mein Herr! Komm herein! Er wurde freudig als König empfangen. Unser Herr kam nicht, um die Bürger mit der Schärfe des Schwerts zu unterwerfen. Ihr müsst Jesum entweder willig oder überhaupt nicht aufnehmen. Er kommt, um zu herrschen, aber Er kommt in der Zärtlichkeit seiner Liebe. Wollt Ihr Jesum aufnehmen? Hat Er euch willig gemacht am Tage seiner Macht? Wohl mögt ihr Ihn begrüßen und Ihn in euren Herzen und in euren Häusern willkommen heißen, denn einen so herrlichen Gast habt ihr noch nie aufgenommen. Öffnet die Tore und bittet Ihn, einzutreten, denn Er bringt den Himmel mit sich. Er gebraucht nie Gewalt; Er überwindet nur durch seine Liebe. Der Heilige Geist wirkt auf den Willen der Menschen ein, aber Er lässt ihn dennoch bestehen, so dass wir freiwillig unsren Herrn erwählen und uns in Ihm, als unsrem Könige, freuen.

Sein Einzug verursachte große Freude. Keines Menschen Herz war an jenem Tage traurig. Das Antlitz des Königs bedrohte niemand. Andre Könige haben es nötig gefunden, sich ihren Weg durch die Menge der Rebellen zu erzwingen und durch Schlachten zum Thron zu kommen, aber als Jesus gen Zion kam, erlitt niemand Schaden. Wir hören das Jauchzen der Kinder und ihre freudigen Hosiannas. O, wollt ihr den Herrn Jesum nicht einlassen? Wer wollte sich weigern, Den aufzunehmen, welcher Freude und Frieden mit sich bringt?

Wenn Er kommt, empfinden Menschen eine brennende Begeisterung für Ihn. Es sollte nicht nötig sein, dass ich für Ihn um Einlass bitte. Gewiss, ihr solltet Ihm entgegen eilen und Ihm dann mit freudigen Hosiannas nachfolgen. Herr Jesus, vor Dir können wir nicht kalt sein. Unsre Seelen brennen wie der Wachholder, wenn wir Deiner gedenken.

Aber ich muss euch eins sagen, das sicherlich eure Inbrunst nicht abkühlen wird, wenn ihr euch in einem richtigen Zustande befindet. Wenn Jesus in eure Herzen kommt, so kommt Er als ein Reformator. Er will euer Herz zum Tempel machen, und wird darum Käufer und Verkäufer und alles austreiben, das eure Seelen verunreinigt. Mit seiner Geißel treibt Er viel Nichtiges aus dem Herzen, welches Er zu seinem Tempel macht. Wenn dein Herz eine Mördergrube durch böse Wünsche geworden war, sollten diese nicht ohne Gnade ausgetrieben werden? Lass es geschehen. Willkommen, Du großer Läuterer! Wir wollen gern die Schlacken verlieren.

Ich fühle mich so froh, hinzufügen zu können, dass Er, wenn Er in euer Herz kommt, besondere Gnaden erweist. Vers 14 lesen wir: „Und es gingen zu Ihm Blinde und Lahme in den Tempel, und Er heilte sie.“ Liebes Herz, wenn Jesus zu dir kommt, heilt Er alles, was blind und lahm an dir ist. Viele von dieser auserwählten Gesellschaft kamen auf Krücken oder verunstaltet. Blinde waren da mit nutzlosen Augäpfeln oder leeren Augenhöhlen. In diesen hinkenden, umhertappenden Kreis trat der König der Herrlichkeit, und Er wies sie nicht ab, sondern heilte sie. Lass deinen Herrn ein ins Herz und das Hinken deines Unglaubens wird in ein Springen des Glaubens verwandelt werden. Dann sollst du die Dinge sehen, gegen welche dein Herz so lange blind gewesen ist. Lass Ihn ein! Lass Ihn ein! Glaube an Ihn und vertraue Ihm, und so lass Ihn in dein Herz, und du wirst finden, dass Er der Arzt deiner Seele ist.

Schließlich wünschen wir, dass ihr, die ihr Ihn noch nicht aufgenommen habt, euch mit uns dahin vereinigt, Ihn, indem Er in euer Herz kommt, zu ehren und zu verherrlichen. „O,“ sagt jemand, „wenn Er nur in mein Herz kommen möchte! Ich will Ihn gewiss preisen.“ So halte die Hosiannas bereit! Nimm den Herrn Jesum in allen Ehren auf. Nenne seinen Namen mit Freuden. Halte die Hosiannas bereit, den König, den Sieger zu bewillkommnen, während Er in deine Seele einzieht. Freue dich, dass Einer, wie Er es ist, kommen und wohnen will bei einem, wie du es bist, und dass Er solche Segnungen mitbringt. Lobe Ihn! Lobe Ihn! Erhebe seinen Namen! Dann bete zu Ihm. „Hilf, Herr! Segne, o segne!“ Dann bete in denselben Worten zu Ihm für andre: „Hosianna! Rette, Herr, rette!“

Und wenn du mit den Hosiannas und Gebeten fertig bist, dann schließe wie der Psalmist in jenem berühmten 118. Psalm, wo er rief: „Bindet das Opfer mit Stricken an die Hörner des Altars.“ Bitte den Gott der Liebe heute, dich an Christum, den Altar, zu binden mit Seilen der Liebe, die dich Ihm ganz zu Füßen legen. Diese Bande der Liebe mögen uns schwach erscheinen, aber in Wirklichkeit halten sie uns fester als stählerne Ketten. Nichts hält einen Menschen so fest, als die seidenen Bande der Dankbarkeit. Wenn ihr wisst, wie Jesus euch liebt, wenn ihr seht, wie Er für euch starb, dann werdet ihr angezogen, Ihn wieder zu lieben und werdet festgehalten, Ihm zu dienen im Leben, im Tode und bis in alle Ewigkeit. So feiern wir unsres Herrn triumphierenden Einzug in die Stadt Menschenseele, und wir fühlen, dass wir die Feier durch unser ganzes Leben fortsetzen könnten.

„Hosianna, Davids Sohn,
Der in seines Vaters Namen
Sich erhebet auf den Thron
Über Jakobs Haus und Samen,
Welchem Gott ein Reich bestimmt.
Dem die Reiche dieser Erden
Endlich müssen dienstbar werden,
Und das selbst kein Ende nimmt.

Deines Königs Majestät
Müsse jedes Volk verehren!
Und so weit die Sonne geht,
Müsse sich sein Ruhm vermehren!
Selbst der kleinen Kinder Mund
Mache, zum Verdruss der Feinde
Und zur Freude seiner Freunde,
Seinen großen Namen kund!

Schreibe, Herr, mich auch mit an
Unter Deine Untertanen!
Ich will Dir, so gut ich kann,
In mein Herz die Wege bahnen;
Ich geselle mich im Geist,
Herr, zu jenen frohen Reihen,
Die das Hosianna schreien:
Sohn des Höchsten, sei gepreist!“

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