Spurgeon, Charles Haddon - Hiskia und die Gesandten.
„In der Zeit sandte Merodach-Baladan, des Sohnes Baladans, Königs zu Babel, Briefe und Geschenke zu Hiskia, denn er. hatte gehört, dass Hiskia krank war gewesen. Hiskia aber war fröhlich mit ihnen, und zeigte ihnen das ganze Schatzhaus, Silber, Gold, Spezerei und das Beste Öl und die Harnischkammer und alles, was in seinen Schätzen vorhanden war. Es war nichts in seinem Hause und in seiner ganzen Herrschaft, das ihnen Hiskia nicht zeigte.„
2 Kön. 20. 12. 13.
Und was denn? War es nicht die natürlichste Sache von der Welt? Wer unter uns würde nicht den Fremden sein Haus, seinen Garten, seine Bibliothek gezeigt haben, und alle kleinen Schätze und Merkwürdigkeiten, die er zufällig besäße? Und wenn Hiskia etwas stolz auf seinen Reichtum war? War es nicht doch ein sehr natürlicher Stolz, dass er, der Beherrscher eines so kleinen Gebietes, durch Sparsamkeit und gute Negierung imstande gewesen war, einen so großen und mannigfaltigen Schatz aufzuhäufen? Zeigte das nicht, dass er klug und haushälterisch war; und durfte er sich nicht den babylonischen Gesandten als ein Beispiel darstellen von dem, was diese Tugenden für ihn getan? Ganz recht, dies ist genau so, wie der Mensch es ansieht, aber Gott sieht es anders an: „Ein Mensch stehet, was vor Augen ist, der Herr aber stehet das Herz an.“ Die Dinge sind vor Gott nicht, was sie uns scheinen. Handlungen, welche anscheinend auf der Oberstäche und sogar soweit wie das menschliche Urteil gehen kann, gleichgültig oder selbst lobenswert erscheinen mögen, können vor Gott so hassenswert sein, dass sein Zorn dawider entbrennt. Wir sehen eine Nähnadel an, und unsrem bloßen Auge ist sie so glatt wie Glas, aber wenn wir sie unter das Mikroskop bringen, erscheint sie sogleich rau, wie eine unbearbeitete Eisenstange. Es ist ungefähr ebenso mit unsren Handlungen. Sie mögen um ihrer Trefflichkeit willen nach unsrem Urteil und nach dem unserer Mitmenschen so glatt und glänzend wie eine Nähnadel sein, aber wenn sie unter die Prüfung des ansehenden Gottes kommen, so sind sie voll Rauheit der Sünde. Unsre Lilien mögen Gottes Nesseln sein, und unsre Gärten nicht besser als eine Wüste vor seinen Augen.
Doch ists noch eine andre Betrachtung, die sich uns gleich beim Beginn dieser Sache aufdrängt, nämlich, dass Gott eine andre Regel hat, nach der Er das Tun seiner Kinder richtet, als die, welche Er bei den Handlungen der Fremden anwendet. Ich kann glauben, dass, wenn Hiskia seine Gesandten zu Merodach geschickt hätte, dieser heidnische Monarch den jüdischen Gesandten alle seine Schätze ohne irgend welche Sünde hätte zeigen können; Gott wäre nicht zum Zorn gereizt worden, und kein Prophet hätte auch nur ein Wort des Tadels oder der Drohung geäußert; aber Hiskia ist nicht wie Merodach und darf nicht tun, was Babylonier tun können. Baladan ist nur ein Knecht in Gottes Reich, und Hiskia ist ein Fürst; der eine ist ein Fremder, der andre ein teures und hochgeliebtes Kind. Wir alle haben verschiedene Handlungsweisen mit den Menschen, je nach der Beziehung, in der sie zu uns stehen. Wenn ein Fremder auf der Straße wider euch spräche, würdet ihr es nicht fühlen, ihr würdet kaum böse sein, wenn auch die Behauptung ehrenrührig wäre; aber wenn das Weib eures Herzens so spräche, würde es euch das Herz durchbohren, und wenn euer Kind euch verleumdete, würde es euch in die Seele schneiden. Wenn wir Menschen Vertraulichkeit zeigen und unser Herz ihnen öffnen, so erwarten wir, dass sie mit einer Aufmerksamkeit und Zartheit gegen uns handeln, wie wir es von Fremden vernünftigerweise gar nicht erwartet! könnten, und wir legen an ihre Handlungen einen besonderen Maßstab an; wir wägen, sozusagen, die Handlungen Fremder in den gewöhnlichen großen Waagschalen, die nicht schwanken würden bei einer Unze oder selbst bei einem Pfund, aber das Tun unserer Freunde wägen wir in so genauer Wage, dass selbst die Feder aus dem Flügel einer Fliege das Zünglein schwanken macht. Es ist eine ernste Sache, ein Günstling des Himmels zu sein, denn wo ein andrer ungestraft sündigen mag, wird ein Kind nicht über- treten ohne schwere Züchtigung. Wenn du in den Himmel Blicke hast tun dürfen, so musst du Sorge tragen, dass deine Seele keusch gegen Gott ist; wenn du mit dem Geheimnis des Höchsten begnadigt bist, so musst du ganz besonders unter denen sein, die Ihn fürchten; wenn nicht, so wird Er zu dir sprechen, wie Er zu seinem begnadigten Israel sprach: „Aus allen Geschlechtern auf Erden habe ich allein euch erkannt; darum will ich auch euch heimsuchen in aller eurer Missetat.“ Es mag Verrat von einem Hofmann sein, von dem König zu sprechen, wie ein Fremder es ruhig tun kann; wer ins Kabinett zugelassen wird, muss nicht nur ohne Fehler in seiner Treue sein, sondern über allen Verdacht hinaus.
Wir bemerken also, dass die hier berichtete Handlung des Hiskia nicht auf der Oberfläche eine sündliche ist, und dass die Sünde sich nicht so sehr in der Handlung selbst, als in den Beweggründen findet, über die wir nicht Richter sein können, die aber Gott sehr genau richtete und sehr strenge verurteilte: und wiederum bemerken wir, dass diese Sünde Hiskias bei andren vielleicht gar keine Sünde gewesen wäre, dass sie selbst, wenn sie von andren aus demselben Beweggrund getan wäre, doch vielleicht Gott nicht so erzürnt hätte; aber da Hiskia, sogar mehr als die meisten Heiligen der Schrift, mit besonderem Dazwischentreten der göttlichen Vorsehung und ausgezeichneten Ehren von Gottes Hand begnadigt war, so hätte er sorgfältiger sein sollen. Seine Sünde, ob klein in andren, wurde groß in ihm, weil er von Gott so geliebt war. Ein Mann mit einem abgetragenen und befleckten Kleid kann ohne sein Gewand zu verderben dahin gehen, wo ein andrer, der in Weiß gekleidet ist, sich nicht wagen darf; ein Fleck wird auf einem schmutzigen Gewande nicht gesehen, aber je reiner das Kleid, desto schneller wird der Fleck entdeckt, und gerade darum, weil Hiskia ein so ungemein heiliger und von Gott begnadigter Mann war, ward seine Sünde sichtbar, und Gott suchte sie sofort mit Züchtigung heim.
I.
Um darzutun, was Hiskias Vergehen war, wird es das Beste für mich sein, damit zu beginnen, dass ich seine Umstände und Lage zur Zeit der Handlung beschreibe.
Wir werden einer ziemlich ausführlichen Beschreibung bedürfen; zuerst wollen wir bemerken, dass er ganz besondere Gnadenerweisungen empfangen hatte. Sanherib war in das Land eingefallen mit einem Heer, das für unbesiegbar gehalten ward, und wahrscheinlich auch unbesiegbar für alle bekannten Mittel der Kriegsführung jener Zeit war: er hatte jedes Land verheert und unzählige Gefangene weggeführt und jede Stadt geplündert, die er belagert hatte; aber als er vor die Stadt Jerusalem kam, war er nicht imstande, auch nur einen Wall gegen sie aufzuwerfen oder einen Pfeil auf sie abzuschießen, denn Gott trat in besonderer Weise dazwischen, und Sanheribs Heer, geschlagen vom plötzlichen Hauch der Pestilenz oder von der tödlichen Luft des Samum, fiel tot auf der Ebene nieder. Dies war eine denkwürdige Befreiung von einem so gigantischen Feinde, dass er dem Leviatan verglichen ward, in dessen Rachen der Herr einen Haken warf und ihn wiederum den Weg führte, den er gekommen war. Außerdem war der König von einer Krankheit wiederhergestellt, von der es verkündet worden war, dass sie tödlich sei. Ihm war eine merkwürdige Errettung vor den Pforten des Todes geworden; wo ein andrer hätte sterben müssen, war er instandgesetzt, nach drei Tagen ins Haus des Herrn zu gehen. Überdies hatte es Gott noch gefallen, in Verbindung mit seiner Genesung für ihn zu tun, was Er vorher nur noch für Josua getan, nämlich die Ordnung des Himmels zu unterbrechen und die Sonne zehn Stufen am Zeiger Ahas zurückgehen zu lassen, ein Zeichen, durch das seines Knechtes Glaube gestärkt werden sollte. Dies war kein Geringes, wenn der Tod von unten und der Himmel von oben in ihrem Laufe aufgehalten wurden für das begünstigte Kind des Himmels, wenn der Schatten des Grabes und der Glanz der Sonne gleicherweise für ihn bewegt wurden, um die Freundlichkeit des Herrn zu zeigen.
Zu all diesem gab der Herr noch eine ungewöhnlich lange Zeit des Wohlergehens. Alles ging wohl. Wenn ihr die Berichte leset, die in den Büchern der Chronika gegeben sind und auch im Jesaia, so werdet ihr finden, dass er reich wurde durch Geschenke von den benachbarten Königen, die wahrscheinlich in Furcht gesetzt waren dadurch, dass Sanheribs Heer in dem Lande Hiskias vernichtet worden war, und vielleicht wurde er auch durch Handel berühmt, wie Salomo vor ihm es geworden. Hiskia, obwohl nur ein kleiner Fürst, sah sich plötzlich reich und hatte außerdem eins in seinem Schatz, was nicht unter den Schätzen irgend eines andren lebenden Menschen entdeckt werden konnte, nämlich eine Verordnung vom Hofe des Himmels, dass er fünfzehn Jahre leben sollte. Was würden einige Monarchen nicht darum gegeben haben, wenn sie hätten gewiss sein können, dass ihr Leben in täglicher Gefahr so lange Zeit erhalten bleiben würde? Kein Gewicht an Perlen oder Korallen hätte ein zu großer Preis für solches Gut geschienen. Hiskia war in jeder Hinsicht ein glücklicher Monarch; der Mann, dem der König der Könige gern Ehre antat. Dieses große Wohlergehen war eine große Versuchung, weit schwerer zu tragen, als Nabsakes Brief und alle Übel, welche der feindliche Einfall über das Land brachte. Ah, Freund, es ist ein sehr nötiges Gebet: „In allen Zeiten unsres Reichtums, behüte uns, lieber Herr Gott.“ Viele Schlangen lauern unter den Blumen des Glücks: hohe Plätze sind gefährliche Plätze; es ist nicht leicht, einen vollen Becher mit einer festen Hand zu tragen, ein beladener Wagen hat eine starke Achse nötig, und ein gut gefüttertes Pferd einen strammen Zügel.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Hiskia zu dieser Zeit ganz besonderes Ansehen genoss. Begünstigt zu sein, wie er es war, hätte er ertragen können, wenn er in Zurückgezogenheit gelebt; aber er war auf eine hohe Zinne gestellt, da alle Völker rings umher von der Vernichtung des assyrischen Heeres gehört haben mussten. Sanherib war der gemeinschaftliche Feind aller kleineren Herrscher, und selbst die großen Könige, wie der König von Ägypten, hatten tödliche Furcht vor der Macht Assyriens; es war deshalb sicherlich weit und breit bekannt, dass des Tyrannen Flügel im Lande Juda beschnitten wären.
Das Zurückgehen der Sonne muss auch alle Völker mit Staunen erfüllt haben. Es scheint, dass die babylonischen Gesandten kamen, um nach diesem Wunder zu fragen, denn sie waren ein Volk, das sich viel mit Beobachtungen der Himmelskörper beschäftigte. Der Mund der Welt war voll von Hiskia. Jedermann hatte von ihm gehört, jedermann sprach von ihm. Seine Heilung, sein Sieg und sein Reichtum waren das allgemeine Gespräch überall, wo Menschen zusammenkamen. Was für eine Versuchung ist dies! Wenn viele Augen auf einen gerichtet sind, so können sie, wenn die Gnade Gottes es nicht verhindert, wie die Augen des fabelhaften Basilisken wirken, der seine Bellte bezaubert. Vor dem Herrn wandeln im Lande der Lebendigen ist fröhliches und sicheres Wandeln; aber vor Menschen wandeln ist voller Gefahr. Mit Beifall begrüßt werden, sich in der Volksgunst sonnen, ist immer gefährlich. Ein volles Segel braucht viel Ballast, sonst wird das Fahrzeug umschlagen. Viel Gnade war in dem uns vorliegenden Falle nötig, aber diese stichle der König nicht, wie er es hätte sollen.
Hiskia hatte sehr viel Gelegenheiten, Nutzen zu stiften. Wieviel hätte er tun können, den Gott Israels zu ehren! Ich weiß kaum einen Mann, einen von Gott gesandten Propheten ausgenommen, der eine so Herrliche Gelegenheit hatte, die Größe und Güte des Herrn zu verkünden; denn dass jedermann von ihm sprach, stand im Zusammenhang mit zwei Wundern, die Gott getan hatte, die dem großen, Wunder-wirkenden Jehovah reichliches Lob hätten einbringen sollen. Wie, Hiskia, wärst du bei rechtem Verstande gewesen, und hätte die Gnade dir deine volle Vernunft bewahrt, was für eine Predigt hättest du halten können mit dem Tod unter dir und dem Himmel über dir als Text der ewigen Macht und Gottheit als Thema! Brüder, er hätte die Höfe der Fürsten von dem Raunen Jehovahs erklingen lassen können. Er hätte sich in den Hintergrund des Bildes stellen sollen und die Erde mit seinem Zeugnis für die Ehre Gottes füllen. Wie gut hätte er in der Sprache triumphierenden Frohlockens ausrufen können: „Wo sind die Götter zu Hemath und Arphad? Wo sind die Götter zu Sepharpaim, Hella und Iva?“ Welcher voll diesen errettete die Völker voll Sanherib? Welcher von diesen konnte seine Anbeter von tödlicher Krankheit wieder gesund machen? Welcher von diesen konnte zum Schatten der Sonne sagen: Gehe zurück am Zeiger Ahas? Aber Jehovah herrscht über alles; Er ist König im Himmel droben und auf der Erde hienieden. Meine Brüder, es scheint mir, wenn er wie Mose eine Ode des Triumphs verfasst, und die Weiber hätte tanzen lassen wie Mirjam, während der jauchzende Gesang auf zum Himmel stieg: „Kommt, lasst uns dem Herrn lobsingen, denn Er hat eine herrliche Tat getan!“ so wäre das viel besseres Werk für ihn gewesen, als diesen Gesandten seine Schätze zu zeigen, und seinen eignen Namen unter den Menschen zu erheben.
Er vor allen andren Menschen hatte die Verpflichtung, seinen Gott zu lieben und sich Ihm ganz zu weihen. Alles Leben ist dem Geber des Lebens heilig und sollte Ihm geweiht sein; aber ein übernatürlich verlängertes Leben hätte in besonderer Weise Gott gewidmet sein sollen. Der Mensch, dessen Odem in seiner Nase ist, worin soll er geachtet werden? (Jes. 2, 22.) Warum soll er sich rühmen? Aber der, dessen Odem ihm durch ein Wunder zurückgegeben ist, muss ihn nicht brauchen, um sich selbst zu verherrlichen. Gott sei die Ehre für unser Leben, wenn es uns nur einmal gegeben ist, aber, o, mit welchem Eifer sollte Gott alle Ehre dafür haben, indem es uns zweimal gegeben ist! Aber es steht von ihm geschrieben in den Büchern der Chronika: „Hiskia vergalt nicht, wie ihm gegeben war; denn sein Herz erhob sich.“ Er genoss die Segnungen, aber er beugte sich nicht vor dem Geber; er gedachte der Frucht, aber vergaß den Baum; er trank aus dem Strom, aber gedachte nicht genug der Quelle; seine Felder wurden vom Tau getränkt, aber er war dem Himmel nicht dankbar genug, von dem der Tau herabfiel. Er stahl das Holz vom Altar der Liebe und brannte es auf dem Herde des Stolzes.
Meine Brüder, wir dürfen Hiskia nicht zu hastig verurteilen. Es ist Gottes Sache, zu verurteilen, aber nicht die unsre, denn ich bin überzeugt, wären wir an Hiskias Stelle gewesen, so hätten wir dasselbe getan. Beachtet jetzt, worin sein Hochmut Nahrung fand. Er konnte zu sich sagen: „In meinem Gebiete ist das größte der Heere vernichtet und der mächtigste der Fürsten gedemütigt worden. Er, dessen Name ein Schrecken in jedem Lande war, kam in mein Reich, und schmolz dahin wie der Schnee vor der Sonne. Groß bist du, o Hiskia! groß ist dein Land, denn dein Land hat Sanherib Verschlungen und der Zerstörung des Verderbers ein Ende gemacht.“ Denkt auch daran, dass er etwas hatte, was ihm mehr als alles andre eine Versuchung war, er hatte die Gewissheit, noch fünfzehn Jahre zu leben. Sterbliche, wie wir sind, jeden Augenblick in Gefahr des Todes, werden wir dennoch sicher; aber gebt uns fünfzehn Jahre gewiss, und ich weiß nicht, ob der Himmel droben hoch genug für unsre Häupter sein würde und die ganze Welt groß genug für die Aufgeblasenheit unsres Stolzes. Wir würden sicher ruhmredig und groß werden, wenn die Schranke steter Sterblichkeit hinweggenommen würde. Der König mochte in seinen selbstgefälligen Augenblicken zu sich gesagt haben: „Nicht nur bin ich also unsterblich fünfzehn Jahre, sondern auch der Himmel ist um meinetwillen gestört worden. Seht, was für ein Liebling des Himmels ich bin.“ Er sagte nicht mit David: „Wenn ich sehe die Himmel, Deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die Du bereitest, was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkest?“ sondern er hörte ein satanisches Flüstern in seiner Seele: „Wie groß bist du, dass die Sonne selber, das Licht des Tages und das Ange des Himmels dir zu Gefallen zurückgehen muss!“ Außerdem ist es nicht so leicht, unser Leben aus großer Gefahr errettet zu sehen, und doch zu fühlen, dass wir persönlich von wenig Bedeutung sind. Was sind wir für Gott? Er könnte uns alle entbehren. Die größten Männer der Welt würden, wenn sie aus der Schöpfung hinweggewischt würden, Gott nicht mehr Verlust verursachen als der Verlust einer Fliege dem Besitzer von Königreichen; und. doch, wenn unser Leben erhalten wird, so sind wir sehr geneigt, anzunehmen, dass wir sehr notwendig seien, wenigstens für die Gemeinde, wenn nicht für die göttlichen Ratschlüsse selbst. Wenn Hiskia ferner seine Vorräte überblickte, so sah er viel, was ihn aufblähen konnte, denn weltliche Besitztümer sind für den Menschen, was das Gas für den Ballon ist. Ach, meine Freunde, diejenigen, die irgend etwas von vielen Äckern, Gold und Silber, Kunstwerken, Kostbarkeiten u. s. w. kennen, wissen, was für eine Tendenz diese haben, ihre Eigentümer aufzublähen. Er muss gefühlt haben, wenn er durch seine Rüstkammer, seine Gewürz- und Schatzkammern ging: „Ich bin ein großer Mann.“ Dann kamen alle die Gesandten voll verschiedenen Ländern, krochen zu seinen Füßen und zollten ihm Ehrfurcht wegen seines jetzigen Glücks. Es war mehr, als sein armer Kopf ertragen konnte, und da sein Herz sich von Gott entfernt hatte, so ist es wenig zu verwundern, dass Hochmut die Seele Hiskias in Besitz nahm.
Um unsre Beschreibung der Umstände zu vollenden, es scheint, dass Gott zu dieser Zeit seinen Diener in einem gewissen Maße ver. lassen hatte, um ihn zu prüfen. „Da aber die Botschafter der Fürsten von Babel zu ihm gesandt waren, zu fragen nach dem Wunder, das im Lande geschehen war, verließ ihn Gott also, dass Er ihn versuchte, auf dass kund würde alles, was in seinem Herzen war.“ Es scheint, dass um seiner Erhebung willen die Gnade Gottes in ihren mehrtägigen Einwirkungen eine Zeitlang ihm entzogen war; nicht dass Gott ihn so verlassen, dass er aufgehört hätte, eine errettete Seele zu sein, aber er wurde in einem gewissen Maße verlassen, um ihn zu prüfen und ihn sehen zu lassen, was er sei. Er war so groß geworden, so stolz auf die Gunst Gottes, dass wahrscheinlich Selbstgerechtigkeit sich eingeschlichen hatte, und er begann, sich zu sagen: „Ich bin nicht, wie andre Menschen sind. Gewiss, ich bin vor dem Herrn mit vollkommenem Herzen gewandelt.“ Ein Grad von Selbstgerechtigkeit tut sich, wie ich meine, in seinem Gebet kund, als er sein Antlitz zur Wand kehrte. Er litt, glaube ich, zu der Zeit an zwei Krankheiten, nicht nur an einer schwellenden Beule, sondern an schwellendem Eigendünkel, und Gott verließ ihn, damit er sähe, dass er im Grunde doch ein alberner, armer Sünder sei. Hier, lieben Freunde, ist genug, um seine Torheit zu erklären, denn wenn die Gnade Gottes die Besten von uns verließe, so könnte der allwissende Gott allein vorhersagen, was wir tun würden. Ihr, die am wärmsten für Christum seid, würdet lall wie Laodicea werden; ihr, die ihr gesund im Glauben seid, würdet vom Irrtum allgefault werden; ihr, die ihr jetzt vor dem Herrn aufrichtig und lauter wandelt, würdet so schwach sein, dass die erste Versuchung eure Festigkeit bräche. Es würde von uns gesagt werden, wie von jenem einst glänzenden, aber jetzt gefallenen Stern: „Wie bist du vom Himmel gefallen, o Luzifer, Sohn des Morgens?“ Hell wie wir sind, wenn die Gnade auf uns scheint, sind wir nichts als Finsternis selber, wenn der Herr sich zurückzieht. Es ist gesagt worden, dass in dem gesundesten Granatapfel stets einige verfaulte Körner sind, und dass der weißeste Schwan einen schwarzen Schnabel hat; und wir können hinzufügen, dass Würmer unter dem grünsten Rasen sind und toter Menschen Leichname auf dem Grunde der ruhigsten See. In dem besten Christen ist Sünde genug, ihn zum schlimmsten Übertreter zu machen, wenn Gott ihn verlassen sollte. Jemand, der sich selbst nur wenig kannte, schrieb, er sei so voll von Christo, dass für den Teufel kein Raum sei, aber mir schien, ich sähe den Pferdefuß aus dieser prahlerischen Rede hervorgucken. Lieben Brüder, ich hoffe, wir werden es nicht nötig haben, dass uns unsre Nichtigkeit in derselben Weise gelehrt wird, wie Hiskia sie lernte.' Ich will es gern theoretisch wissen, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt, und ich möchte es auch durch das Lehren Gottes des Heiligen Geistes erkennen; aber ich bete für euch und für mich, dass wir nie unsre Verdorbenheit erfahrungsmäßig lernen, indem Gott uns verlässt, so dass sie völlig zu Tage tritt. Es gibt vielleicht keine Art, uns die Schlechtigkeit unsres Herzens so gründlich zu lehren, als wenn wir den Anschlägen des. selben überlassen werden; vielleicht werden wir nie unsre Torheit kennen, bis es uns gestattet wird, als Toren zu handeln, aber o, verhüte es, Herr! verhüte es durch Deine Gnade! Besser durch Schmerz zu lernen als durch Sünde! Besser in Gottes Kerker zu liegen, als in des Teufels Palast zu schwelgen. Ihr, seht jetzt die Umstände klar. Er ist ein Mann, der Glück hat, in stolzem Herzenszustand, mit tiefer Ebbe der Gnade in feiner Seele; er ist nun bereit, die Beute der Versuchung zu werden.
II.
Wir müssen uns jetzt dazu wenden, den Vorfall selbst und die Kunde, die daraus entstand, zu betrachten.
Babylon, eine Provinz Assyriens, hatte das assyrische Joch abgeworfen, und Merodach Baladan wünschte natürlich, Bundesgenossen zu bekommen, damit sein kleines Reich stark genug würde, sich gegen die Assyrer zu behaupten. Er hatte mit großem Vergnügen gesehen, dass das assyrische Heer in Hiskias Land vernichtet worden war, und da er wahrscheinlich das Wunder nicht anerkannte, dachte er, dass Hiskia das Heer geschlagen hätte, und schickte seine Gesandten in der Absicht, einen Bundesvertrag mit einem so großen Fürsten zu schließen. Die Gesandten langten an. Nun war Hiskias Pflicht in diesem Falle sehr klar. Er hätte die Gesandten mit gebührender Höflichkeit empfangen sollen, wie es ihrem Amte geziemte, und ihr Kommen als eine Gelegenheit betrachten, vor den götzendienerischen Babyloniern ein Zeugnis von dem wahren Gott Israels abzulegen. Er hätte ihnen erklären sollen, dass die geschehenen Wunder von dem einen lebendigen und wahren Gott gewirkt wären, und dann hätte er auf die Frage des Jesaia: „Was haben sie gesehen in deinem Hause?“ antworten können: „Ich habe ihnen von den mächtigen Taten Jehovahs erzählt, ich habe seinen großen Ruhm verkündet und habe sie nach ihrem Lande zurückgesandt, um überall zu erzählen, dass der Herr, der allmächtige Gott, regiert.“ Er hätte sehr vorsichtig mit diesen Männern sein sollen. Sie waren Götzendiener, und deshalb keine passende Gesellschaft für die Anbeter Jehovahs. Als sie zu ihm kamen, hätte er fühlen sollen: „Hier bin ich in Gefahr,“ wie wir fühlen würden, wenn wir unter Pestkranken umherwandelten. Er hätte sich überdies hüten müssen, nicht mit seiner eignen Macht zu prahlen, da es klar war, dass die gewirkten Wunder nicht zu seiner Ehre, sondern allein zum Ruhm des Herrn waren. Er hatte nicht das Heer erschlagen, er hatte nicht die Sonne zurückgehen lassen, er hatte sich nicht durch seine Geschicklichkeit von der Krankheit wiederhergestellt; es war Gott und Gott allein, dem er alle Ehre hätte zuschreiben müssen. Er hätte nicht auf seine Schätze eitel sein sollen, denn dies führte ihn dahin, diesen diebischen Herren zu zeigen, wo reichlich Raub zu finden sei, ihre Bemühungen zu lohnen. Was er zu tun hatte, war klar genug. Er hätte ihnen von Jehovah sagen, den wahren Gott verkünden, sie mit Höflichkeit behandeln und dann entlassen sollen, dankbar, von einer solchen Versuchung frei zu werden. Wir können nun wahrnehmen, worin seine Sünde lag. Ich denke, sie lag in fünf Punkten. Zuerst erhellt es aus der Stelle in Jesaia 39: dass er große Freude an ihrer Gesellschaft hatte. Es heißt: „Des freute sich Hiskia.“ In unsrem Kapitel wird gesagt: „Er war fröhlich mit ihnen.“ Er war sehr froh, sie zu sehen. Es ist ein böses Zeichen, wenn ein Christ großen Trost an der Gesellschaft des Weltlings findet, besonders wenn dieser Weltling profan ist. Die Babylonier waren niedrige Götzendiener, es war böse von dem Anbeter Jehovahs, sie an sein Herz zu pressen. Er hätte denken sollen: „Eure Götter verabscheue ich, denn ich bete den Herrn an, und ich kann auch keine enge Freundschaft mit euch eingehen, weil ihr keine Liebhaber des Herrn, meines Gottes, seid.“ Höflichkeit ist der Christ allen Menschen schuldig, aber die unheilige Vertraulichkeit, mit der ein Gläubiger einen Unwiedergeborenen als seinen Busenfreund aufnimmt, ist eine Sünde. „Ziehet nicht an fremdem Joch mit den Ungläubigen,“ ist nicht nur ans Heiraten anwendbar, sondern auf alle andren vertraulichen Verbindungen, die einem Zusammenjochen gleichkommen. Ich wollte nicht als ein Christ meinen Namen in derselben Firma mit einem ungöttlichen Mann verbinden, denn ob ich will oder nicht, wie groß auch meine Rechtschaffenheit sein mag, wenn es meinen! Kompagnon gefällt, zweifelhafte Handlungen zu tun, so trage ich in einem Maße die Verantwortlichkeit für seine Sünden sowohl vor Gott als vor Menschen. Es ist gut, wenn die, die zusammengejocht sind, beide denselben Weg ziehen; aber was für Gemeinschaft hat Christus mit Belial? Hier war Hiskias erste Sünde — gerade dieselbe Sünde, in die Josaphat fiel, als er in Verbindung mit dem götzendienerischen König von Israel Schiffe machte, die nach Tarsis gehen sollten, um Gold zu holen; die Schiffe wurden zerbrochen zu Ezeon-Geber; und mit Recht, denn wenn Gottes Diener Verbindungen schließen mit Gottes Feinden, was können sie andres als Unzufriedenheit von ihrem Herrn erwarten?
Die nächste Sünde, die er beging, war die, dass er sich augenscheinlich auf ihr Bündnis lehnte. Hiskia war der König eines kleinen Gebietes, fast so unbedeutend als eins der kleinen deutschen Fürstentümer, und seine wahre Stärke wäre darin gewesen, dass er sich ans seinen Gott gelehnt und mit seiner militärischen Macht durchaus nicht geprunkt hätte. Gott war es, der ihn verteidigt hatte, warumsollte er nicht noch immer auf den unsichtbaren Jehovah vertrauen? Aber nein, er denkt: „Wenn ich mich mit den Babyloniern verbinden könnte, sie sind ein aufstrebendes Volk, es würde gut für mich sein.“ Merkt euch dies: Gott nimmt es scharf mit den Seinen, wenn sie seinen Arm verlassen um eines Anns voll Fleisch willen. O Liebhaber des Herrn Jesu, wenn du den Arm deines Herrn verlassest, wenn du aufhörst, dich auf Ihn zu lehnen und beginnest, dich auf deine eigne List oder Politik oder auf deinen liebsten und besten Freund zu lehnen, so wirst du dafür zu leiden haben. „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm und mit seinem Herzen vom Herrn weicht. Der wird sein wie die Heide in der Wüste und wird nicht sehen den zukünftigen Trost, sondern wird bleiben in der Dürre, in der Wüste, in einem unfruchtbaren Lande, da niemand wohnt. Gesegnet aber ist der Mann, der sich auf den Herrn verlässt und der Herr seine Zuversicht ist. Der ist wie ein Baum am Wasser gepflanzt und am Bach gewurzelt. Denn obgleich eine Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün, und sorget nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern er bringt ohne Aufhören Früchte.“ Es war dies Weichen von Gott, dies Aufhören mit dem Wandeln im Glauben, dies Verlangen, sich in fleischlicher Weise auf den König von Babylon zu verlassen, was den Herrn zum Zorn reizte.
Seine nächste Sünde war sein unheiliges Schweigen von seinem Gott. Er scheint ihnen kein Wort von Jehovah gesagt zu haben. Wäre es höflich gewesen? Die Etikette verlangt heutzutage oft von einem Christen, dass er seine Religion der Gesellschaft nicht aufdringen soll. Pfui über solche Etikette! Es ist die Etikette der Hölle. Wahre Höflichkeit gegen die Seele eines Nebenmenschen lässt mich zu ihm sprechen, wenn ich glaube, dass seine Seele in Gefahr ist. Jemand klagte einst, dass Rowland hin zu eifrig sei, und dieser erzählte ihm als Antwort darauf die folgende Geschichte. „Als ich einst in der Nähe eines Dorfes eine Kalkgrube einstürzet! sah, in der sich mehrere Männer befanden, lief ich in das Dorf und schrie: ‚Hilfe! Hilfe! Hilfe!' und niemand sagte: Ach, wie aufgeregt ist der alte Herr, er ist viel zu eifrig; nun, und wenn ich eine Seele umkommen sehe, soll ich nicht um Hilfe schreien und eifrig sein? Gewiss, für Seelen soll man mehr sorgen als für Körper.“ Aber heutzutage muss man, wenn man der Mode folgen will, in allen Gesellschaften geknebelt sein. Man muss sich nicht aufdrängen, nicht zu bestimmt in seinen Meinungen sein, wenn Leute von gutem Ton gut von einem denken sollen. O Mann, wenn eine Krankheit im Lande herrscht, so ist der Arzt nie ein Aufdringlicher unter sterbenden Menschen; und ebenso werdet ihr, die ihr Christum habt, die wahre Arznei, nie in Gottes Augen Aufdringliche sein, wenn ihr mit Klugheit, aber doch mit Kühnheit von dem Evangelium Jesu Christi sprecht. Schande über eure stummen Zungen! Schande über eure schweigenden Lippen, wenn ihr nicht von Ihm sprecht! O, bei der Liebe, die Jesus am Kreuze gezeigt hat, habt etwas von dieser Liebe für eure Mitmenschen; und wie Er durch alles brach, selbst durch die Bande des Lebens und des Todes, damit Er euch erretten möge, so brecht ihr durch einige dieser nichtigen Bande, damit ihr vielleicht etliche errettet.
Mittlerweile beachtet, dass Hiskia sein Schweigen von Gott in trauriger Weise dadurch ersetzte, dass er sich selber laut rühmte. Wenn er wenig von seinem Gott zu sagen hatte, so wusste er desto mehr von seinen Spezereien, seinen Waffen, seinem Gold und Silber zu sagen; und ich vermute, dass er den Gesandten die Wasserleitung und die andren Wunder der Ingenieurkunst zeigte, die er ausgeführt hatte. Ah, Brüder, die Etikette erlaubt uns, von Menschen zu sprechen, aber von Gott müssen wir schweigen. Gott verhüte, dass wir uns solcher Regel unterwerfen. Es war so gut, als wenn er zu ihnen sagte, während er ihnen alle diese Schätze zeigte: „Seht, was für ein großer Mann ich bin!“ Er wird es nicht in Worten gesagt haben, aber das war der Sinn dabei — Selbstverherrlichung, und Selbstverherrlichung dazu gerade vor denen, die daraus Vorteil ziehen wollten.
Gewiss also lag seine Sünde darin, dass er sich auf gleiche Stufe mit diesen Babyloniern stellte. Gesetzt, er wäre hingegangen, sie zu besuchen, was würden sie ihm gezeigt haben? Nun, sie hätten ihm ihre Spezereien, ihre Waffen, ihr Gold und Silber gezeigt. Jetzt kommen sie, ihn zu besuchen, und er ist ein Anbeter des unsichtbaren Gottes, und er rühmt sich gerade derselben Schätze, auf die auch sie ihr Vertrauen setzten. Wenn ein Christ beständig handelt wie ein Weltmensch, kann es möglich sein, dass er recht handelt? Wenn die zwei Handlungen genau dieselben sind, und ihr keinen Unterschied wahrnehmen könnt, ist nicht ernste Ursache da zum Argwohn, dass kein Unterschied vorhanden ist? Denn an den Früchten sollt ihr den Baum erkennen, und wenn zwei Bäume genau dieselbe Frucht tragen, ist nicht Ursache zu dem Verdacht da, dass sie dieselbe Art von Bäumen sind? Lieben Freunde, mögen ihr und ich diese Sünde des Hiskia scheuen und nicht versuchen, uns den Sündern in Bezug auf die Freuden dieses Lebens gleichzustellen. Wenn sie sagen: „Hier sind unsre Schätze,“ so lasst uns ihnen erzählen von „der Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist“ und sagen: „Unser Schatz ist droben.“ Lasst uns jener edlen Römerin nachahmen, die, als ihre Freundin ihr all ihre Kleinodien gezeigt, wartete, bis ihre Knaben aus der Schule kamen, und auf sie deutend, sagte: „Dies sind meine Juwelen.“ Lasst ein sanftes Wort fallen, wenn ihr den Weltling sein Glück rühmen hört und sprecht: „Ich habe auch meine irdischen Annehmlichkeiten, für die ich dankbar bin; aber meine besten Freunde sind nicht hier, sie entspringen weder aus dem Korn, Wein oder Öl, und weder Spezereien, noch Gold, noch Musik könnten sie mir verschaffen. Mein Herz ist im Himmel, mein Herz ist nicht hier: ich habe mein Herz an das gehängt, was droben ist; Jesus ist meine Freude und seine Liebe ist meine Wonne. Du erzählst mir von dem, was du liebst, erlaube mir nun, dir von dem zu sagen, was ich liebe. Ich habe dich geduldig angehört, nun höre auch du eins von den Liedern Zions; ich bin mit dir über dein Besitztum gegangen, nun lass mich dich über das meine führen; du hast mir von dem Guten erzählt, dessen du dich freuest, nun schenke mir auf ein paar Minuten deine Aufmerksamkeit, während ich dir von noch besseren Dingen sage, die mein Teil ausmachen.“ Der Herr nimmt es scharf mit den Seinen, wenn sie sich der Segnungen schämen, die Er ihnen gibt, und wenn sie sich nie des Kreuzes Christi rühmen, so haben sie gute Ursache, sich ihrer selbst zu schämen. Dies halten wir also für seine Sünde. Wenn wir alles zusammenfassen, so war es Freude an weltlicher Gesellschaft; ein Anfang, sich auf einen Arm von Fleisch zu lehnen; wenig von Gott sprechen, viel aus sich selber machen, und sich auf eine Stufe mit Weltlingen stellen, indem er seinen Ruhm in dem suchte, worin sie den ihrigen setzten.
III.
Die dritte Sache wollen wir sehr kurz behandeln, nämlich die Strafe und die Vergebung.
Wir können gewöhnlich eines Menschen Sünde in seiner Strafe geschrieben finden. Wir säen die Dornen, und dann peitscht Gott, uns mit denselben. Wenn Jesus dich liebt, mein Bruder, meine Schwester, und irgend etwas in der Welt ist, das dich von Ihm zurückhält, so wird Er es hinweg' nehmen. Es mag ein Lieblingskind, es mag deine Gesundheit, es mag dein Reichtum sein; Gott hasst die Götzen und wird niemals dulden, dass irgend etwas zwischen der Liebe unsres Herzens und Ihm selber steht. Es mag eine sehr schmerzliche Operation sein, aber es wird eine sehr nötige sein, dass Gott deinen Götzen in Stücke zermalmt, und dich davon trinken lässt mit Bitterkeit und Schmerz. Überdies merkt euch, Er drohte, ihn durch dieselben Leute zu strafen, mit denen er gesündigt hatte. „Du warst so fröhlich, während du diesen Babyloniern deine Schätze zeigtest, diese selben Leute sollen sie hinwegnehmen.“ Und so, Brüder, sollen die Dinge, auf die wir vertrauen, uns täuschen; wenn wir unsre Herzen von Gott wegnehmen und sie irdischen Dingen geben, werden diese irdischen Dinge ein Fluch für uns werden. Unsre Sünden sind die Mütter unserer Schmerzen.
Als Strafgerichte gedroht wurden, demütigten sich Hiskia und das Volk. Wenn ihr und ich der Züchtigung entgehen wollen, so müssen wir uns demütigen. Das Kind, das seinen Rücken der Rute darbietet, soll nicht sehr hart geschlagen werden. Unterwerfung wendet die Schläge der Hand Gottes leichter ab, als irgend etwas andres. Doch obgleich Gott die Strafe hinwegnahm, soweit es Hiskia betraf, so nahm Er doch nicht die Folgen hin- weg. Ihr seht, die Folgen davon, dass er den Babyloniern die Schätze zeigte, waren diese: sie gingen zurück und erzählten ihrem König: „Dieser kleine Fürst hat einen sehr großen Vorrat von Spezereien und Waffen und allerlei Kostbarkeiten; wir müssen binnen kurzem einen Streit mit ihm anfangen und seinen reichen Bienenstock plündern. Wir müssen diese kostbaren Schätze nach Babylon bringen, sie werden uns die Mühen des Krieges lohnen.“ Das war das gewisse Resultat der Torheit Hiskias; und obgleich Gott die Sünde vergaß und verhieß, die Strafe von Hiskia abzuwenden, so nahm Er doch nicht die Folgen für eine andre Generation hinweg. So mit uns. Manche Sünde, die ein Gläubiger begangen, hat Gott vergeben, aber die Folgen kommen darum doch; auch mag die Schuld verziehen werden, aber die Sünde könnt ihr nicht ungeschehen machen, die bleibt, und eure Kinder und Kindeskinder mögen für die Sünden zu leiden haben, die Gott euch vergeben hat. Einem Verschwender mag seine Vergeudung vergeben werden, aber Er sendet einen Strom von Armut hinab zur nächsten Generation. Einige Sünden tun besonders viel Schaden in dieser Art, und ich zweifle nicht, dass alle Sünde unvermeidlich dem, der sie begeht, Unheil bringt und allen um ihn her in einem Maße, und dass Gott, der die Sünde vergibt, die Folgen sich vollziehen lässt. Das ist eine sehr ernste Sache, nicht wahr? Ihr lasst den Fluss frei, er wird immerdar stießen. Die Handlung von heute wird auf alle Zeit einwirken; mehr oder weniger entfernt wird sie auf jedes kommende Jahrhundert einwirken; denn du wirkst auf einen andren Menschen ein, und dieser andre Mensch auf einen andren, und die Ewigkeit selbst wird ihre Hallen entlang das Echo zittern hören von der Tat eines Augenblicks, die du vielleicht gedankenlos gegen den lebendigen Gott begingst. Dies sollte uns sicherlich sehr sorgsam in unsrem täglichen Wandel machen.
IV.
Ich habe nun zu schließen, indem ich euch bitte, nachdenkend die Lehren aus dieser Erzählung zu entnehmen, denn ich finde, dass ich keine Zeit habe, es zu tun, ausgenommen in ein paar Winken. Diese Erzählung ist von Unterweisung. Sie brauchte ein halb Dutzend Predigten statt einer. Die Lehren indes, welche obenauf liegen, sind diese. Seht also, was in jedes Menschen Herz ist. Dies war in Hiskias Herzen, er war einer der besten Menschen; das Gleiche ist in eurem Herzen. Du bist heute demütig, du wirst morgen so stolz sein wie Satan, wenn Gottes Gnade dich verlässt. Du kennst wenig, mein lieber Bruder, selbst wenn du eine neue Kreatur bist, du kennst wenig die Schlechtigkeit deiner alten Natur. Vielleicht ist es für keinen von uns möglich, seine ganze Fähigkeit zur Sünde zu kennen. Lasst nur die zurückhaltende Hand der Vorsehung und der Gnade weggezogen werden, und der Weiseste von uns mag ein Wahnsinniger durch die Wut der Sünde werden. O Gott, lehre uns unsre Herzen kennen und hilf uns, daran zu denken, wie schwarz sie sind, lass uns nie stolz sein.
Ferner, zittert vor allem, was dieses Übel eures Herzens zu Tage treiben kann. Vor allem seid bange vor dem Wohlergehen; seid dankbar, aber seid nicht übermäßig froh; wandelt demütig mit eurem Gott. Lasst eine doppelte Wache vor eurem Herzen stehen. Ein Seeräuber greift selten ein Schiff an, das ohne Ladung ausgeht. Das vollbeladene Schiff ist es, das der Pirat zu gewinnen sucht, und so ist es mit euch: wenn Gott euch mit Gütern beladet, so wird der Teufel versuchen, euch zu kapern, wenn er kann. Stellt eine doppelte Wache aus, und haltet eure Barke so weit aus seinem Kurs wie ihr könnt; und wenn ihr in Versuchung gestoßen werdet, und mit Weltmenschen verkehren müsst, dann seid vor allem wachsam, damit ihr nicht in dem Netz gefangen werdet. Reichtum und weltliche Gesellschaft sind die zwei Krebsgeschwüre, die das wahre Leben der Gottseligkeit verzehren. Christ, sei auf der Hut vor ihnen!
Sollten wir nicht ans dieser Erzählung lernen, jeden Tag gegen Ruhmredigkeit zu kämpfen. Ach, es sind nicht nur die, welche an hervorragenden Stellen stehen, die in Gefahr sind, sondern alle andren. Ich erinnere mich, einmal einen Schuss mit weit mehr Erfolg, als ich wusste, abgefeuert zu haben. Eine gewisse Person hatte oft zu mir gesagt, dass sie ernstlich für mich bete, dass ich mich nicht überhöbe, denn sie könne meine Gefahr sehen, und nachdem ich dies so viele Male gehört, dass ich es wirklich auswendig wusste, machte ich die Bemerkung, ich dächte, es würde meine Pflicht sein, auch für sie zu beten, dass sie sich nicht überhöbe. Es amüsierte mich sehr, als die Antwort kam: „Ich habe keine Versuchung, stolz zu sein; meine Erfahrung ist so, dass ich in gar keiner Gefahr bin, aufgeblasen zu werden;“ sie wusste nicht, dass ihre kleine Rede ungefähr die stolzeste Behauptung war, die gemacht werden konnte, und dass jedermann sie für die zudringlichste und stolzeste Person auf zehn Meilen in der Runde hielt. Glaubt ihr nicht, dass ebensoviel Stolz in Lumpen sein kann, als im Kleide eines Ratsherrn? Ist es nicht möglich, dass ein Mann ebenso stolz auf einem Kehrichtwagen sein kann, als wenn er in der königlichen Karosse führe? Ein Mann mag ebenso stolz sein mit einem Fußbreit Landes, wie Alexander mit all seinen Königreichen, und ebenso hochmutig mit ein paar Groschen, wie Krösus mit all seinen Schätzen. Betet gegen den Stolz, lieben Freunde, wer ihr auch sein mögt. Der Stolz wächst auf einem Dunghaufen sowohl wie in des Königs Garten. Betet gegen Stolz und Ruhmredigkeit, und Gott gebe euch Gnade, sie niederzuhalten.
Und dann, gesetzt, ihr hättet diesem Raum gegeben, seht auf das Leid, was es euch bringen wird, und wenn ihr diesem Leid entgehen wollt, so ahmt dem Hiskia nach und demütigt euch. Herunter! Mann, herunter! „Gott widerstehet den Hoffärtigen“: so lange ihr oben seid, widerstehet Er euch, „aber den Demütigen gibt Er Gnade.“ Wenn Gott mit dem Stolz des Menschen ringt, mag der Mensch sich sträuben, wie er will, Gott wird ihn niederwerfen; aber wenn der Mensch unterliegt, so erhebt Gott ihn. Niemand ist so bereit, einen gefallenen Feind aufzurichten als unser Gott. Beuge dich also, Christ, und wenn du dir nicht irgend eines besonderen Stolzes bewusst bist, sei demütig, weil du dir dessen nicht bewusst bist, denn Stolz ist wahrscheinlich da. Wenn wir meinen, demütig zu sein, dann sind wir am stolzesten, und vielleicht mag es sein, dass wir, wenn wir über unsren Stolz trauern, wahrhaft demütig sind. Lasst uns durch Jesum Christum zu Gott gehen, und Ihn bitten, unsren Stolz zu erforschen, wenn er vorhanden ist, und uns am Fuße des Kreuzes niederbeugen.
Zuletzt, lasst uns Gott anrufen, uns nie zu verlassen. Herr, nimm Deinen Heiligen Geist nicht von uns! Ziehe nicht Deine zurückhaltende Gnade von uns ab! Du hast gesagt: „Ich, der Herr, behüte ihn und feuchte ihn bald, dass man seiner Blätter nicht vermisse; ich will ihn Tag und Nacht behüten.“ Herr, behüte mich allenthalben. Behüte mich in dem Tal, damit ich nicht über meinen niedrigen Stand murre! Behüte mich auf dem Berge, damit ich nicht schwindlig werde aus Stolz, so hoch erhoben zu sein! Behüte mich in der Jugend, wenn meine Leidenschaften stark sind! Behüte mich im Alter, wenn ich mir auf meine Weisheit etwas einbilde, und deshalb ein größerer Tor sein mag, als selbst die Jungen! Behüte mich, wenn es zum Sterben geht, damit ich nicht an, letzten Ende Dich noch verleugne! Behüte mich im Leben, behüte mich im Sterben, behüte mich in der Arbeit, behüte mich im Leiden, ' behüte mich im Kampfe, behüte mich in der Ruhe, behüte mich überall, denn überall habe ich Dich nötig, o mein Gott.
Der Herr behüte uns im Aufsehen auf Jesum und im alleinigen Vertrauen auf sein vollendetes Werk. Wenn wir noch nie Christo vertraut haben, so möge der Herr uns dahin bringen, dass wir uns jetzt auf seinen lieben Sohn verlassen! O Sünder! es ist nur eine Tür der Hoffnung für dich, und diese ist offen. Vertraue Jesu und liebe Ihn. Amen.