Spitta, Carl Johann Philipp - Gott hat zu uns geredet!

Spitta, Carl Johann Philipp - Gott hat zu uns geredet!

Nachdem Gott vor Zeiten manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn (Hebr. 1, 1.). O wer bedenkt es, und wer bedankt sich genug, daß Gott je und je zu den Menschen geredet hat, und noch zu ihnen redet durch sein Wort! daß er, nachdem er über die ersten Sünder sein Strafurtheil ausgesprochen, die Menschen nicht sich selbst überlassen, zu ihrem Thun und Lassen, bei ihren Freuden und Leiden nicht still geschwiegen, sondern manchmal und mancherlei Weise zu ihnen geredet hat! Und was wären wir, wenn wir durch dieses Leben hindurch gehen müßten ohne Gottes Wort! Zwas erzählen die Himmel die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk; zwar wird Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit, ersehen, so man deß wahrnimmt an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt; zwar heißt es mit Recht: „Frage doch das Vieh, das wird dich's lehren, und die vögel unter dem Himmel, die werden dir's sagen; oder rede mit der Erde, die wird dich's lehren, und die Fische im Meere werden dir's erzählen; wer weiß solches alles nicht, daß des Herrn Hand das gemacht hat?“ Aber was Himmel und Erde sammt allen Creaturen uns lehren, das macht uns doch nicht gelehrt zum Himmelreich. Das Buch der Natur ist wohl ein lehrreiches Buch, mit gar herrlichen Bildern. Aber von dem Rathe Gottes zu unserer Erlösung steht nichts darin geschrieben, und auf die Frage: „Was soll ich thun, daß ich selig werde?“ giebt es dir keine Antwort. Es ist vor dem Fall unseres Geschlechts verfaßt, darum läßt es die Gefallenen rathlos und trostlos. Denkst du aber an die Sprache und Belehrung Gottes durch dein Gewissen; so ist zwar wahr, des Gesetzes Werk ist beschrieben in der Menschen Herzen, sintemal ihr Gewissen sie bezeuget, dazu auch die Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen. Aber wenn du über all' dein Denken, Wollen, Wünschen, Begehren, Reden und Thun dein Gewissen nur einmal recht zur Sprache und zum Urtheil kommen lässest, so wird es dir alle Entschuldigung absprechen und dich schuldig sprechen, ohne dir ein Wort von deiner Erlösung zu sagen. Darum gelobet sei der Herr, unser Gott, daß Er geredet hat! Und was hat er zu uns geredet? Ist sein Wort nur ein Schreckenswort? Ja, wenn du noch sicher und sorglos in Sünden dahinlebst, oder dein Thun schmückest, daß er dir darum gnädig sein soll: dann ist und soll sein Wort für dich sein wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt, schärfer denn kein zweischneidiges Schwert, durchdringend, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens; dann ist es dir ein Schreckenswort. Aber auch so doch ein theuer werthes Wort, denn sobald du dich vor Gott demüthigst, deine Sünde erkennst, bekennst und bereuest, Gnade begehrst und suchest; so ist sein Wort für dich Evangelium, frohe Botschaft, Sprache der Liebe und Erbarmung, alles Trostes voll, Herzgewinnende, Herzerfreuende und Herzverändernde Rede deines Gottes. Dann lernst du dich freuen, daß Gott zu uns geredet hat, und fleißigest dich, ihm aufs Wort zu folgen. Amen.

Quelle: Spitta, Carl Johann Philipp - Biblische Andachten

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