Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 22. Versetzte Blumen und Bäume.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 22. Versetzte Blumen und Bäume.

Gotthold sah einem Gärtner zu, der zur ersten Frühlingszeit etliche Nelken zu versetzen geschäftig war und dabei berichtete, daß er aus der Erfahrung hätte, wie eine einfache Blume durch wiederholte Versetzung verdoppelt, und eine doppelte durch Versäumung könne verringert werden, maßen denn es sich auch befinde, daß ein junger Baum von seinem Ort herausgenommen und an einen andern verpflanzt lustiger wachse und zeitlicher fruchte. Dabei erinnerte sich Gotthold, daß es mit manchen Menschen sich also verhalte, daß der in seinem Vaterlande kaum zu einer einfachen Blume gediehen wäre, durch die von Gott verhängte Versetzung in die Fremde zu einer vielgedoppelten werde, und der in seinem Boden ein verachtetes Reislein hätte bleiben müssen, der breite im fremden durch Gottes Segen seine Zweige fröhlich aus und trage Frucht zu vieler Vergnügen. Im Vaterlande wird selten von einem geurtheilt, wie er ist, sondern wie es entweder den Freunden, oder Feinden gut dünkt. Ist einer vornehmen und ansehnlichen Geschlechts, so kann leicht seiner Freunde Licht seine Finsternis) erleuchten, und schwimmt oft eine leere Blase empor; hingegen ist einer von geringen Eltern, und ist etwa der erste oder der andere, der seinem Geschlecht das Licht der Ehren und Künste zugebracht hat, so helfen die andern alle, so viel möglich ist, solches verdunkeln aus Mißgunst und Furcht, weil sie meinen, daß, so viel andere emporkommen, sie fallen müssen. Also gilt einer denn, so viel ihn Liebe, Haß, Freundschaft, Feindschaft, Gunst, Mißgunst will gelten lassen. In der Fremde aber sieht man mehrentheils den Mann an, und nicht das Kleid, und man macht es oft wie ein Gärtner und Blumenliebhaber, der mit ausländischen schönen Gewächsen seine Krautbeetlein am liebsten ziert. Mein Gott! ich danke dir, daß du mich auch über alles Vermuthen aus meinem Boden in einen fremden versetzt, und mich bisher mit deiner Gnade überschattet, und mit deinem Segen befeuchtet hast! Gieb, daß ich dir und meinem Nächsten viel Früchte trage, und täglich mit Jakob spreche: Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinem Knecht gethan hast. 1. Mos. 32, 10.

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