Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 5, 11-6, 20 - Der mahnende Zwischenabschnitt.

Über Jesu Priestertum, das nicht auf der Stufe Aarons bleibt, sondern der Stellung Melchisedeks entspricht, will uns der Brief noch vieles sagen, und wir sehen ja sofort, dass die begonnene Vergleichung der alttestamentlichen Priester mit Jesus noch nicht beendigt ist. Es ist uns gesagt, dass das, was die früheren Priester der Gemeinde wertvoll und wichtig machte, Jesus nicht fehle. Damit ist aber der tiefe, große Unterschied noch nicht gezeigt, der beide voneinander trennt. Und doch hat die Beschreibung des alten Priesters, 5, 1-4, diesen Unterschied bereits berührt. Dort amtet der Mensch als Priester und der Sünder, der für sich selber opfern muss. Damit hat Jesu Gehorsams- und Gebetsopfer wohl Ähnlichkeit, aber zugleich ist ja sein Opfer von anderer und höherer Art und gibt seinem Priestertum unendlich größeren Wert. Wir sollen auch diesen Unterschied verstehen lernen. Wie uns der Brief von Mose nicht nur sagte, dass Jesus auch treu sei so gut wie Mose, sondern wie er weiter Mose neben Jesus verschwinden lässt, wie das Haus verschwindet neben dem, der es bereitet hat, so wird er uns nun zeigen, wie Aarons Priestertum dahinfällt und nutzlos wird neben Jesu priesterlicher Macht.

Das ist jedoch eine schwierige Aufgabe, schwer zur Darstellung für ihn, schwer zum Verständnis für sie. Sie ist schwer, weil sie nicht hören mögen, V. 11. Darum schickt er der Fortsetzung der Betrachtung einen mahnenden Zwischenabschnitt voran, der diese inneren Hindernisse zu beseitigen versucht. Es handelt sich um den Tod Jesu und um seine unsichtbare Verborgenheit. Sie sollen im Tode Jesu das Opfer erkennen, das er für sie gebracht hat, und in seiner Verborgenheit seinen priesterlichen Gang ins Heiligtum. Eben das sind die Dinge, an denen ihr Anstoß und Zweifel entspringt und ihre Unlust, bei Jesus zu bleiben. Allein so deutlich er ihnen Jesu Tod darstellen und so groß er ihnen den Segen desselben vormalen mag, das lässt sich nicht ändern, dass sie jetzt noch nicht im Genuss des himmlischen Wesens und Lebens stehen, sondern zum Glauben und Hoffen sich bequemen müssen. So lange sie dessen überdrüssig sind und etwas anderes suchen, kehren. sie ihr Ohr unwillig ab von allem, was er ihnen über Jesu Priestertum sagen mag. Darum tritt der Brief zuerst mit ihrer inneren Willensrichtung in einen ernsten Kampf. Nur wenn hier der Sieg gewonnen ist, findet das Wort, das Jesu Kreuz ihnen deutet, bei ihnen eine gute Statt.

Diese Mahnung besteht aus vier Worten. Voran geht ein Strafwort, 5, 10-6, 3; dann folgt ein Drohwort, V. 4-8, dann ein Trostwort, V. 9-12, und den Schluss macht eine Verweisung auf Gottes Wort und seine Festigkeit, das uns zu einer lebendigen Hoffnung zu erwecken vermag, V. 13-20.

Der Tadel lautet: ihr solltet lehren können, und habt noch nötig, dass man euch lehrt, 5, 12. Es ist beim Evangelium nicht auf endloses Hören abgesehen, so dass man uns dieselben Dinge immer und immer wieder sagen muss; sondern wir sollen sie so hören, dass wir sie fassen und sie uns aneignen, uns zum inwendigen Eigentum. Damit sind wir dann befähigt, sie auch andern weiterzugeben. Allerdings bleibt die Predigt der Kirche die Wiederholung des einen und selben heilsamen Worts in seiner schlichten Einfachheit. Denn es wachsen ihr ja stets wieder Kinder und Unmündige zu, Unmündige der verschiedensten Altersstufen, welchen sie den Weg zu Christo zu zeigen hat. Und auch uns selbst wird mit der Entfaltung und dem Wachstum unsers inneren Lebens die Grundlage unsers Christenstands niemals leer und kraftlos, gleichsam abgenützt und aufgebraucht, sondern sie bleibt das allezeit bedeutsame und kräftige, der Eckstein, auf dem der ganze innere Bau ruht, die Wurzel, die alles Wachstum erzeugt und unterhält, das, wohin wir immer wieder zurückzukehren haben, was wir in allen Fortschritt der Erkenntnis mit hineinnehmen, was wir nie so überschreiten dürfen noch wollen, dass wir es hinter uns zurückließen. Aber es soll unser eigen werden und uns nicht immer wieder schwankend und unsicher werden, sondern von uns erkannt und mit uns verwachsen sein, um noch einmal den früheren Ausdruck des Briefs zu wiederholen: gemischt mit uns selbst.

Nicht auf das Lernen fällt der Tadel. Denn der Wahrheitsschatz Gottes ist unerschöpflich und das Lernen darum ein bleibendes Element unseres Lebens, das nicht aufhören kann. Der Tadel fällt vielmehr auf ihre Unlust zum Lernen, die sie immer noch des Lehrers bedürftig macht, auf ihre Ratlosigkeit, die sich nicht selbst vorwärts helfen kann und sich nicht selbst in Gottes Wegen zurecht zu finden weiß, die man immer wieder spornen, stoßen und treiben muss, wenn kein Stillstand oder gar Rückgang eintreten soll.

Und nun bedürfen sie des Lehrers sogar noch für die elementaren Anfangsgründe des göttlichen Worts, V. 12. Der Brief setzt nicht den ganzen Inhalt des göttlichen Worts in dieselbe Linie, so dass alles in einer Fläche nebeneinander läge, sondern er unterscheidet in demselben Stufen, elementare, grundlegende Dinge und einen darauf sich erhebenden Reichtum von Einsicht und Verständnis Gottes und Christi. Er stellt diesen Unterschied mit demselben treffenden Bilde dar, welches auch Paulus verwandt hat, 1 Kor. 3, 2, indem er den Stufenbau der Unterweisung mit dem Fortgang der leiblichen Ernährung vergleicht. Dieses Gleichnis ist darum so treffend, weil es eine Abstufung und einen Fortschritt im göttlichen Wort anzeigt, ohne doch einen Tadel und Makel auf die Erstlingsgestalt desselben zu werfen. Der Säugling ist keineswegs schlecht genährt, wenn er Milch erhält. Eben das ist's, was er bedarf, was ihn am Leben erhält und wachsen macht. Man würde ihn ja mit fester Speise töten. So sind auch die Elemente des göttlichen Worts nichts Leeres, Schwächliches, Verächtliches; nein! sie sind das, was der Mensch in seinen inneren Lebensanfängen bedarf, was ihm allein zuträglich ist. Aber sie sind nicht das Ganze, was uns Gott zur Erkenntnis und Aneignung dargereicht hat.

Warum ist es denn ein Tadel, wenn sie immer noch bei diesen ersten göttlichen Worten stehen? Sie sind ja die seligmachende Gotteskraft. Was bedürfen wir mehr? Ja wohl sind sie eine köstliche Speise. Aber wer nur Milch genießt, ist unerfahren und steht noch in einer geistigen Kindheit drin mit ihrem engen, beschränkten Horizont, ihren blinden Urteilen, ihren ärmlichen Hoffnungen und törichten Befürchtungen, ihrer Träumerei und Unselbständigkeit. Er ist unerfahren im Worte der Gerechtigkeit. Bei Christi Wort handelt es sich nicht nur um irgendwelchen Luxus des Geistes, der uns etwa nur zum Genuss diente und als geistiges Prunk- und Prachtstück den inneren Hausrat zierte. Jesus zeigt uns vielmehr in seinem Wort, was Gerechtigkeit ist, und greift also unmittelbar in unsern Beruf und unsere Lebensarbeit ein. Unmündigkeit im Verstehen ist darum auch Schwäche im Handeln, Unfähigkeit zum Dienst, den wir Gott in Christo an den Menschen um uns her zu erweisen haben. Solche Trägheit, die sich mit den Anfängen zufrieden gibt, ist darum nichts Unschuldiges, sondern sie ist gewissenlos. Sie hat die Gerechtigkeit nicht lieb. Sie trägt es mit Leichtigkeit, wenn es auch unrichtig und ungerecht in unserm Leben zugeht. Wer auf die Gerechtigkeit sein Trachten richtet, der muss in seiner Einsicht wachsen wollen zur Vollkommenheit, zu einem reifen, ausgewachsenen Lebensstand.

Die Eigenschaft und das Kennzeichen des reifen ganzen Christenstandes sind die zur Unterscheidung des Guten und Bösen geübten Sinne, V. 14. Wir werden auch hier auf den Lauf der natürlichen Entwicklung verwiesen als auf das Bild des inneren Wachstums. Wir können unsere natürlichen Sinne, das Sehen und Hören, Schmecken und Lasten, durch Übung überaus schärfen und kräftigen, so dass auch das, was uns zuerst nur einen verworrenen, dunkeln Eindruck machte, scharf und deutlich auseinander tritt und aufs Bestimmteste unterschieden werden kann. So erscheint uns auch das Gute und Böse zunächst in einem verworrenen Bild und wir täuschen uns beständig selbst. Vielleicht bewegt uns im Grunde nur der sündige Trieb des Herzens und wir halten es doch für die allerschönste Frömmigkeit. Vielleicht handeln wir nach unserer Meinung im Glauben, und es ist Übermut; oder wir unterlassen es wiederum nach unserer Meinung im Glauben, und es ist Trägheit. Oder wir meinen, dies oder jenes sei die allergrößte Torheit und ganz verkehrt, und es ist doch Gottes guter und gerader Weg. Und doch haben wir nicht nur Sinne zur Unterscheidung der Farben und Töne, sondern ebenfalls einen Sinn, der die Bosheit des Bösen und die Güte des Guten empfindet und beide voneinander scheidet. Eben hierzu ist uns das Wort der Gerechtigkeit gegeben, dass es diesen unsern Sinn errege und erfülle und zu seiner Arbeit befähige, gleichwie das Licht das Auge und der Schall das Ohr erfüllt und zum Sehen und Hören bringt. Im Wort ist uns das Richtmaß gegeben, an welchem wir prüfen und unterscheiden lernen. Mit ihm ists möglich, einen hellen Blick zu gewinnen in das, was gut und was böse ist, so dass uns nicht mehr alles neblig durcheinander fließt, sondern wir auch durch den Schein. und die Verhüllungen hindurchschauen, und merken, woher die geistigen Kräfte kommen und wohin sie zielen. Aber das gewinnen wir nur durch den Gebrauch auf dem Wege der Übung. Erraffen, erträumen lässt sich das nicht; es muss erarbeitet sein. Worin besteht diese Arbeit? Das Wort muss gehört und ergriffen sein und ernstlich angewandt werden auf uns selbst und alles, was uns bewegt. Wir müssen es hinein kommen lassen in uns selbst mit seiner richtenden Macht, mit der es die Gedanken und Begehrungen scheidet. Das setzt den inneren Sinn in Bewegung und Übung und erzeugt die Klarheit und Sicherheit des Blicks, die nicht mehr schwankt, während die Trägheit, die des Wortes überdrüssig ist, uns Kinder bleiben lässt.

Erst dann, wenn das Wort diese Arbeit in uns erregt und zu ihrem Ziel geleitet hat, und das innere Unterscheidungs- und Urteilsvermögen in uns herangebildet ist, erst dann sind wir fester Speise fähig. Dann wächst das Evangelium vor unsern Augen und vorher ungeahnte Schätze der Erkenntnis Gottes öffnen sich für uns und wir dürfen etwas vom Reichtum seiner Weisheit sehen.

Warum können wir dies erst jetzt, nachdem wir unsere Sinne so geübt haben? Weil wir solche Gabe erst jetzt brauchen und verwenden können. Wir empfangen keine Gaben, die unnütz und unfruchtbar in uns liegen blieben, oder nur uns selber dienten, um uns selbst damit zu zieren. Was wollten wir aber mit der Weisheit Gottes beginnen, so lange wir noch Kinder sind und urteilslos Gutes und Böses durcheinander mengen und nicht wahrnehmen, was das Ziel und der Wert unserer Wege ist? Auch uns selbst bringen wir lediglich in Gefahr, wenn wir die Milch verlassen, ohne auf die Übung unserer Sinne bedacht zu sein. Wir lassen uns von unserer Torheit betrügen, steigen auf Höhen, die doch nur Höhen der Einbildung sind, schweifen in die Weite im Traum und sitzen in Wahrheit doch nur in unserm engen Winkel, meinen, wir hören Gottes Stimme, und horchen doch nur dem Geplauder unseres Herzens zu. Was schützt uns davor, Irrlichtern nachzulaufen und Steinchen zusammen zu lesen, um schließlich zu entdecken, dass alle unsere Mühe eitel und unser Leben nichtig und nutzlos war? Hier heißt es: übe deine Sinne, damit du an ihnen einen Wertmesser hast, der dich sicher leiten kann.

Was schließt sich nun aber an diesen Tadel an? Lautet sein Ende so: ihr habt noch Milch nötig und seid noch Kinder, so müssen wir also bei den Anfangsgründen stehen bleiben und auf den Fortgang der Lehre verzichten und können nichts Ganzes und Reifes anfassen? Nein! Unser Brief führt uns zum entgegengesetzten Schluss: darum wollen wir jetzt die Anfangsgründe lassen und uns zur Vollkommenheit wenden, 6, 1. Aber stimmt denn dies miteinander? Gewiss! Es würde nicht stimmen, wenn das vorangehende nur eine Klage wäre. Aber es ist ein Tadel, der so ernst gemeint ist, wie er lautet, und den behaftet, dem er gilt. Zur bloßen Klage wäre das entsprechende Ende freilich dies: leider seid ihr noch Kinder und bleibt es wohl auch. Der Tadel dagegen hat seinen geraden Fortgang darin: nun hört die Kinderei auf und mit der geistigen Trägheit ists nun aus; jetzt fängt etwas Neues an; jetzt gilts ins Ganze zu wachsen und das Vollkommene zu ergreifen. Der Brief weicht nicht vor der Unwilligkeit der Leser zurück und ergibt sich nicht mutlos in dieselbe. Seines Herzens Wunsch und seiner Arbeit Ziel ist dies, sie in Bewegung zu bringen. nach der Vollkommenheit. Und er hat ihnen ja gesagt, wie solche Mehrung ihrer Erkenntnis ihnen fasslich und nützlich sein wird. Er hat sie gemahnt: übt eure Sinne, damit ihr Gutes und Böses unterscheiden könnt.

Die elementaren Grundlagen der Christenstellung werden in sechs Punkte gefasst, von denen je zwei und zwei zusammengehören: Buße und Glaube, Taufe und Handauflegung, Auferstehung der Toten und ewiges Gericht, V. 1 u. 2. Da lernen wir die apostolische Missionspredigt kennen, und hören, was einem Manne vorgelegt wurde, wenn er zur Gemeinde Christi herzu gerufen und Jesus ihm zum ersten Mal verkündigt wurde. Das Erste, was ihm gesagt wird, zielt in sein inneres Wesen und Leben hinein; hier hat die Botschaft von Christo zunächst ihr Werk an ihm auszurichten. Er muss sein Sinnen und Trachten von den toten Werken lösen, von seinem unfruchtbaren, eitlen, gottlosen Tun und Treiben, das von Geist und Leben verlassen ist, andern nicht ins Leben hilft und ihn selbst ums Leben bringt. Diese toten Werke können mancherlei Form und Farbe haben. Sie können gottesdienstlicher Art sein oder sie können der Weltlust frönen; einerlei! was tot ist, das muss er fahren lassen. Denn nun wird ihm der Lebendige verkündet, der lebendige Gott und lebendige Christus, in welchem er selbst zum ewigen Leben berufen ist. So entsteht in seinem Inwendigen für etwas Neues Raum. Dieses Neue ist der Glaube, der sich an Gott hält. Das ist die Gabe, die er durch das Evangelium empfängt: nun lernt er, fröhlich und herzlich auf Gott zu vertrauen, seine Verheißung zu ergreifen, um Christi willen getrost zu sein und des Himmelreichs zu warten. Das ist aber zugleich auch die Aufgabe, in die ihn das Evangelium stellt. Er kann sich nicht anders zu Jesus bekennen als dadurch, dass er Gott trauen lernt, und in seinem Vertrauen unerschüttert bleibt, trotz allem, was um ihn her und in ihm selbst die Macht und Größe Christi verhüllt und zu widerlegen scheint.

Nun kommt ein zweites, nämlich die Mahnung: lass dich taufen. Mit der Taufe wird jene innere Gesinnung und Herzensbewegung in eine Tat zusammengefasst und dadurch festgemacht. Sie bringt die Buße und den Glauben zu einem inneren Schluss, welcher der Anfang eines neuen Lebens werden kann. Wenn von „Lehre über die Taufen“ gesprochen wird, also von mancherlei Taufen, deren Unterschied durch Lehre deutlich gemacht wurde, so haben wir wahrscheinlich daran zu denken, dass einem jüdischen Manne das Taufen eine altgewohnte Sache war. Er trieb es, wenn er sich zu den Pharisäern hielt, jeden Tag. Täglich wusch er sich nach dem Gesetz, um jede Unreinigkeit abzutun und ein reines Glied der Gemeinde Gottes zu bleiben. Wozu denn, musste er fragen, noch eine neue Taufe? Jawohl! ward ihm zur Antwort, eine neue Taufe, eine einzige statt deiner vielen, eine solche, die nicht auf die Befleckung von außen zielt, sondern auf dein ganzes Sündigen allzumal, die Taufe Christi, die dir Jesu Gnade bringt, in sein Werk dich einschließt und in den Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung. Mit der Taufe werden wir die Handauflegung eng zu verbinden haben, wie wir aus der Apostelgeschichte sehen, dass über den Getauften unter Handauflegung gebetet wurde, dass Gott ihnen die Gaben seines Geistes verleihen möge, Ap. 8, 15-17. 9, 17. 19, 6. Auch solche Handauflegung schloss eine Verheißung ein. Sie war die Versichtbarung und Darstellung der segnenden Fürbitte, und diese ist nicht unkräftig, sondern es ist ihr Verheißung gegeben. Die apostolischen Männer segneten im Glauben und ließen sich im Glauben segnen, d. h. als solche, die der Gabe Gottes gewiss waren und wussten, dass die Fülle Christi und der Reichtum des göttlichen Geistes über ihnen stand, aus dem sie Gnade um Gnade nehmen konnten. Aus solcher Zuversicht heraus legten sie segnend die Hand auf den, der durch die Taufe neu zur Gemeinde hinzugetreten war, damit auch er wisse, dass er ein Gesegneter des Herrn sei, bei dem Christus und Gottes Geist Wohnung macht.

Nun ward ihm aber noch ein Drittes gesagt, nämlich dies: du bist nun aufgerichtet und kannst wandeln; jetzt fasse das Ziel ins Auge. Du gehst der Auferstehung entgegen, dem, der dich erwecken wird aus Tod und Grab in sein Reich zu ewigem Leben. Und auch dies bedenke: du wirst in ihm deinen Richter finden. Halte dir gegenwärtig, dass sein Urteil ewige Geltung hat und dein Geschick für immer bestimmt. Darnach handle! nun geh ans Werk!

Damit war in der Tat der Grund zu einem rechtschaffenen Christenstand völlig und ausreichend gelegt. Das war kräftige Milch, an der sich ein Mensch Gottes ernähren kann. Es war ihm damit die Güte und Gabe Gottes vorgehalten zu Glaube und Hoffnung, und der Ernst Gottes bezeugt zu Buße und Gottesfurcht. Aber auch wenn ich meine toten Werke von mir tat und Gott mir gewiss und teuer ward in herzlichem Vertrauen, wenn ich die Kraft der Taufe und die Macht der Segnung und des Gebetes kenne, wenn ich das Auge auf das himmlische Ziel gerichtet halte und auf die enge Pforte, die zu demselben führt: welch weites Feld liegt noch vor mir, das mein Blick noch nicht umspannt! wie viel fehlt noch, dass ich nun schon die Länge, Breite, Tiefe und Höhe der Gabe Gottes und Liebe Christi erfasst hätte! Darum wollen wir, sagt der Brief, den Grund nun gelegt sein lassen und uns höher heben. vorhergehende und

Wohin haben wir nun die folgende Unterweisung, die uns die Größe und Herrlichkeit des Priestertums Jesu sichtbar macht, zu rechnen? zur „Milch“ oder zur „festen Speise“? zu den Grundlagen des Christenstands oder zu der tieferen Erkenntnis, die uns erst mit dem Fortgang desselben erreichbar wird? Unsre Stelle enthält zwei Aussagen, einmal die, dass die Leser noch Unterricht über die Elemente des göttlichen Worts bedürfen, und sodann die, dass jetzt nicht nur von diesen Elementen die Rede sein soll, sondern der Lehrende und die Lernenden miteinander ein vollkommenes suchen wollen. Beiden Aussagen entspricht die folgende Darstellung; sie dient diesen beiden Zwecken zugleich. So lange ich mich an Jesu Tod ärgere, und sein Kreuz mir ein dunkles, leidiges Rätsel scheint, so bleibt mir feiner der eben aufgezählten Ecksteine des Christenstandes fest. Solcher Anstoß bringt sie alle ins Schwanken, und wirkt zerstörend in die Grundlage meines Christenlebens hinein. Denn es ist Jesu Kreuz, das uns von den toten Werken löst und zum Glauben aufrichtet; auf seinen Tod sind wir getauft, und kraft der Vergebung und des neuen Bunds in seinem Blut erwarten wir von ihm das ewige Leben. Wenn uns darum unser Brief zu der Einsicht hilft, dass der Ausgang Jesu seine Zubereitung zum Hohenpriestertum für uns ist, so dass uns sein Tod nicht mehr ein finsteres, drückendes Ereignis bleibt, sondern ein Glied in seinem Heilandswerk wird voller Kraft und Gnade, so macht er eben damit jene Elemente des Christenstandes in uns fest. Nun spricht er aber im Folgenden über Jesu Tod und Erhöhung nicht nur dazu, um uns Christo in Buße und Glauben zu verbinden und so die Grundlage eines christlichen Lebens in uns zu legen, sondern er betrachtet den Tod Jesu unter großen, weitreichenden Gesichtspunkten, die den verborgenen Hintergrund desselben aufdecken, und seine Beziehung zum alttestamentlichen Wort, zur himmlischen Welt, zu Christi ewigem Wesen, zu Gottes verborgenem Leben und Willen beleuchten. Er will uns den Reichtum der göttlichen Weisheit sichtbar machen, wie er sich im Ende Jesu offenbart, und uns dadurch bewegen, ob ihm, der für uns gestorben ist, alles andere zu vergessen, weil nun all unser Wünschen und Begehren in seiner Gabe befriedigt ruht. So dient er dem Streben der Gemeinde nach Vollkommenheit. -

Überhaupt besteht der Fortschritt und Stufengang des Evangeliums nicht darin, dass es sich in verschiedene Stücke zerteilen ließe, so dass dort von jenem, hier von diesem Gegenstand die Rede wäre. Der Gegenstand des Evangeliums ist ein einiger, unteilbarer: der Gott und Vater Jesu Christi, der in ihm unser Heiland ist. Um dieses Eine bewegt sich die ganze apostolische Lehre und der Fortschritt liegt in der Weise, wie wir diesen einigen Gegenstand desselben uns aneignen und in unsere Erkenntnis und Liebe aufnehmen. Darum ist auch der Einblick in den Tod Jesu das Mittel, welches beides wirkt, sowohl den Anfang als das Wachstum unsers Christentums. Es ist der einige Christus mit seinem Sterben und Auferstehen, dessen Erkenntnis die Grundlage unseres Christenstands bildet und uns sodann in die Vollkommenheit erhebt.

Wir wollen, hieß es, uns zur Vollkommenheit wenden. Das bedarf aber noch einer Einschränkung: wenn es Gott erlaubt, V. 3. Versteht es sich denn nicht von selbst, dass Gott uns das erlaubt und verstattet? Sind wir denn nicht dazu berufen, uns in einen reifen, ganzen Christenstand zu erheben? Will uns das Evangelium nicht eben dazu locken und bewegen? Warum braucht es denn hier einen solchen Vorbehalt? Derselbe, antwortet der Brief, hat seinen großen Ernst. Das ist keineswegs von vornherein zweifellos, dass uns der Weg nach oben offen steht. Gott kann ihn auch verschließen. Die Rechnung, wir könnten in unserer Trägheit und Unwilligkeit verharren, so lange wir wollten; Gott sei ja immer noch da und der Fortschritt zu einem rechtschaffenen Christentum uns immer noch möglich, sowie wir nur Lust dazu hätten, könnte uns bitter betrügen. Wir könnten an eine verschlossene Türe klopfen und die Antwort empfangen: zu spät. Wir stehen unter einer göttlichen Rechtsverwaltung, die nicht nur gewährt und gibt, sondern auch versagt und entzieht, nicht nur begnadigt, sondern auch vergilt. Das gibt jenem Tadel, der die schlaffe Stumpfheit der Leser rügt, seine Schärfe und sein Gewicht. Er lässt sich nicht mit einem unfruchtbaren Bedauern erledigen, oder gar leichtsinnig überhören. Hier hat nur der tiefste Ernst Play; denn es handelt sich um die größte Gefahr.

Wir können uns unheilbar verderben und in eine Tiefe fallen, aus der es keine Aufrichtung mehr gibt, V. 4-6. Bedenken wir, was wir in Christo empfangen. Wir sind durch ihn erleuchtet worden. Es wurde hell in unserm Bewusstsein und das Auge ging uns auf. Unsere lügenhaften Einbildungen und unser gedankenloses Brüten ward durchbrochen. Wir sahen, was der Mensch ist, in welcher Gefahr er steht, und mit welcher Güte Gott ihn gesucht und errettet hat. Wir sahen Jesus als unsern Herrn und Erlöser und wurden zum Glauben an ihn bewegt. Mit Absicht steht gerade in diesem Zusammenhang unter den Gaben Gottes die Erleuchtung voran. Das Licht, in das wir gestellt sind, macht unsere Verantwortlichkeit aus. Es gibt uns Freiheit zum Handeln, Macht zu einem ganzen bewussten Wollen. Das verleiht unserer Entscheidung Gewicht und folgenreiche Gültigkeit. Licht ist aber nicht die einzige Wirkung, die von Jesus ausgeht, sondern es ist mit demselben die himmlische Gabe verbunden, Lebenswirkungen himmlischer Art. Da Jesus von oben kommt, hat auch alles, was wir aus ihm schöpfen und empfangen, himmlischen Ursprung und himmlisches Ziel, ewigen Wert und unvergängliche Dauer. Was er uns bringt, das ist das, was uns aus dem Himmel her in unser irdisches Leben hineingelegt wird. Wir empfangen durch ihn Geist und Wort und Kraft: Geist (3) denn Christus vollbringt sein Werk im Heiligen Geiste an uns, und so gewiss wir ihm verbunden sind, so gewiss haben wir Anteil am Heiligen Geiste Gottes erlangt Wort, und zwar das gute Wort Gottes, da Jesus uns das Wort dessen redet, der ihn sandte, das Wort seiner Freundlichkeit und Gnade, das uns kräftig erfassen und sich in uns wirksam erweisen kann, so dass wir es kosten E und schmecken Kraft, denn sein Wort ist nicht fern und geschieden von der Kraft, wie wir ja wissen, dass es lebendig und wirksam ist, und zwar bringt es die Kräfte der zukünftigen Welt mit sich, die Kräfte, welche die ewige Weltgestalt schaffen und bereiten, welche Leben wecken und Herrlichkeit erzeugen; und in ihren Bereich und unter ihre Wirkung sind wir durch Jesus gestellt. Das ist unsere Ausrüstung; das sind die Pfunde, die wir aus Jesu Hand empfangen. Wir haben hier eine Beschreibung des Christenstands nach seiner inneren Größe vor uns, doch nicht so, als wäre hier nur von einer besonderen geistlichen Vollkommenheitsstufe die Rede. Die Worte wenden sich ja zunächst an solche, die wegen ihrer Unmündigkeit getadelt werden müssen und die Mahnung bedürfen: nun ist es endlich Zeit, dass es einen tüchtigen Fortschritt bei euch gibt. Natürlich wird auch nicht von einem erträumten eingebildeten Christenstand gesprochen, der nur auswendig nachgeahmt wird und nur in christlichen Worten und Farben besteht. Vielmehr ist davon die Rede, dass Jesus in unserm Leben eine Macht geworden ist, und uns nicht ein toter Mann und leerer Name blieb, sondern in die Mitte unsers Lebens trat, so dass uns seine Gabe nicht unbewusst blieb, sondern in uns Wohnung machte und wir sie sahen und schmeckten und sie unser Empfinden durchdrang und Erfahrung und Erlebnis geworden ist.

Und nun fallen wir. Was uns zu Fall bringt, woran wir stürzen, das ist hier nebensächlich. Es kann auf mancherlei Art geschehen. Für das Resultat, das sich für uns daraus ergibt, ist der Anlass gleichgültig. Wir fallen; jene Erleuchtung und Begabung hält uns nicht aufrecht, trägt uns nicht über die Sünde hinweg, bindet uns nicht an Gott. Wir brechen aus ihr heraus. Unser Herz reißt sich von ihr los, unser Trachten senkt sich in die Tiefe, ins Böse, und wird dessen voll. Dann haben wir uns für immer verdorben, und die Erneuerung unseres Herzens ist unmöglich geworden. Der Schaden ist geschehen und wird nicht mehr geheilt. Einmal wird der Mensch ins Licht und Leben geboren, nicht zu zwei, drei oder vielen Malen.

Wir haben nicht an einzelne Regungen der sündigen Begierden zu denken, die wir in uns erleiden, nicht einmal daran, dass wir uns oftmals durch sie verlocken, überwinden und zu Fehltritten hinreißen lassen. Der Blick der Stelle ist auf den Grundwillen in uns gerichtet, auf den Kern unserer Persönlichkeit, auf ihre Stellung zu Gott und Christo, ob wir aufgerichtet bleiben zu ihm hin oder in die Macht der Sünde herunterstürzen.

Beschränkt dieses Wort die unerschöpfliche Größe der göttlichen Gnade, die jeder reumütigen Bitte zugänglich ist? O nein! Es steht nicht so, dass wir uns zwar bußfertig wieder aufrichteten, aber Gott uns nun in seinem rächenden Zorn darnieder drückte. Sondern die Unheilbarkeit des Schadens besteht darin, dass man uns zu keiner Buße mehr bringen und unser Begehren nicht mehr aus der Bosheit herausziehen und auf Gott hinwenden kann. Da hilft keine Mahnung und Lehre mehr und das zur Buße rufende Wort ist für uns ohnmächtig geworden. Wir kennen ja bereits all das, womit es uns locken will, und haben das alles schon erprobt, aber umsonst. So kann es uns nicht mehr bewegen. Wir haben das Wort innerlich entweiht und entkräftet; so bietet es uns keinen Stützpunkt mehr, an dem unser Herz Halt gewinnen, und sich zu Gott erheben kann. Die Umkehr wäre allerdings die Erneuerung unsers Herzens und das Aufstehen des Geistes aus seinem Fall. So lange uns diese innere Wendung noch möglich ist, so lange ist uns der Zugang zur Gnade Gottes offen und damit ist jeder Schaden heilbar und alle Macht der Sünde zu überwinden. Wenn der verlorene Sohn sich aufmacht und zum Hause des Vaters zurückkehrt, dann klopft er sicherlich nicht umsonst an des Vaters Türe. Aber die Gefahr ist die, dass er nicht mehr aufstehen und das Vaterhaus nicht mehr suchen kann, dass er todesmatt in der Fremde liegen bleibt, stumpf und hart vielleicht, vielleicht auch höchst reuig, elend und verzweifelnd, aber in diesem und jenem Fall unfähig, nun der Fremde zu entlaufen, wie er einst dem Vaterhause entlief, unfähig zum Verlangen, wieder einzutreten doch wenigstens als Tagelöhner in des väterlichen Hauses Ordnung und Glück.

Warum ist solcher Fall unheilbar? So kreuzigen wir Christus für uns selbst und werfen Hohn und Schmach auf ihn. Es ist ein ähnlicher Vorgang wie er im Saal des hohen Rats geschah und vor Pilatus und auf Golgatha, nur noch weit sündiger. Christus stand vor uns und bezeugte sich uns und wir wussten, was er und seine Gabe ist, und wir stoßen ihn weg, binden ihm die Hand, rauben ihm seine Macht und legen ihn mit Hohn und Spott ins Grab. Wir töten freilich nur sein Werk in uns, aber das trifft eben ihn. Wir verderben seine Gabe, aber der Geber und die Gabe sind untrennbar. Wir können nicht seine Gabe wegwerfen, ohne damit ihn zu verwerfen. Es handelt sich hierbei um das, was er selbst uns wert ist. Entledigen wir uns seiner Gabe, so stellen wir uns unter die Zahl derer, die ihm den Tod wünschen und mit Schmähung antworten.

Ein solcher Angriff auf Christus ist für uns umso sündlicher und verderblicher, je weniger uns die Entschuldigung gilt: sie wissen nicht, was sie tun. Israel, das Jesus kreuzigte, hüllte sich in seine blinden Vorurteile, in seine törichte Schriftgelehrsamkeit, in seinen leeren Gesetzesdienst und scheinbare Frömmigkeit ein und unter dieser Decke sah es die Herrlichkeit Jesu nicht. In dieser seiner Blindheit und Unwissenheit hatte es nach der einen Seite hin einen Schutz. Sie bewahrte es vor dem tiefsten Fall und hielt ihm den Rückweg zu Jesus offen, wenn die Decke von seinen Augen genommen ist. So hat ein Paulus, so eifrig er Jesus verfolgte, ihn doch nicht sich selbst gekreuzigt. Wenn aber wir im Rat unsers Herzens über Jesus das Todesurteil sprechen und die Schmach des Lügners auf ihn werfen, der uns getäuscht und betrogen habe, so wissen wir, was wir tun. Wir handeln als die, die erleuchtet worden sind.

Wie in den Tagen seiner irdischen Erscheinung, so lässt sich Jesus auch von uns kreuzigen. Er fällt dem Recht und Gericht Gottes nicht in die Arme und wehrt deshalb dem nicht, der ihn mit Schmach und Schimpf antastet. Wir sollen nur das eine wissen: töten wir ihn, so haben wir damit unsern Heiland getötet, den, der uns allein hilft, ohne den es für uns keine Herstellung gibt. Wir haben den Balsam verschüttet, den uns Gott dargereicht hat; so bleibt die Wunde offen und wir sterben an ihr. Wir haben den Priester umgebracht; so ist das Heiligtum uns verschlossen und uns kein Altar mehr zugänglich.

Das Evangelium bleibt, die Gnade bleibt, der Wille Gottes bleibt, dass allen geholfen sei. Das alles ruht und steht aber gerade darin, dass Gott Christum ehret und verherrlicht an denen, die ihm gehorchen. Wenn wir Gott sagen: entweder Christus oder wir, so sollen wir wissen, dass Gott nicht Jesum preisgibt und verleugnet, sondern uns. Wir sollen es bedenken, dass uns unsere Seligkeit in ihm gegeben ist und seinetwegen, nicht unsertwegen. Ihn soll ich eben nicht töten, nicht umbringen, nicht meinen Spott mit ihm treiben; ihn soll ich leben lassen, für mich in mir. Ihn soll ich ehren, so gewiss er meine einige Hilfe ist. So will Gott mein Heil. Das ist die Gnade, die er mir und aller Welt erweist, das die Wahrheit, die er von mir erkannt wissen will und in der er mich selig macht.

Wir würden freilich Unrecht tun, wenn wir dieses Wort auf irgendjemand anwenden wollten, um ihm zu sagen: mit dir ist es vorbei! Damit würden wir das Gebot Christi brechen: richtet nicht. Auch den ersten Lesern des Briefs ist dies keineswegs dazu gesagt, damit sie das auf sich beziehen und sagen: für uns gibt es keine Hoffnung mehr. Der Brief fährt eben deshalb nachdrücklich fort: ich stelle euch keineswegs unter dieses Wort. Die Grenze zwischen demjenigen Sträuben und Trotzen, demjenigen Lügen und Sündigen, das unter der Geduld Gottes steht, und demjenigen Ungehorsam, der den endgültigen Schnitt vollzieht und eine Antastung Christi in sich hat, die ihm ans Leben greift und darum dem Menschen das Leben kostet, diese Grenze bestimmt Gott allein. Er wird seine Langmut und seine Rechtsverwaltung jedem Menschen gegenüber in eine vollkommene Einheit bringen und zur Erscheinung und Offenbarung einer fleckenlosen Gerechtigkeit machen. Aber wie er nun beides jedem einzelnen gegenüber abmisst und einigt, das ist seine Sache allein und nur seinem Auge aufgedeckt und nicht uns, für deren Auge der innere Lebenslauf der Menschen um uns her gänzlich undurchsichtig und verborgen ist.

Ja, dies gilt auch für unsere eigne Selbstprüfung und Selbstbeurteilung. Wir haben auch für uns den Richter allein in Gott zu suchen und mit dem Apostel zu sprechen: ich richte mich selber nicht, 1 Kor. 4, 4. Aber wie, wenn wir uns trotz unsers Glaubens, trotz des Wortes und Geistes Christi, vielfältigen Fallens und Sündigens beschuldigen müssen? Fällt dann nicht dieses Wort als eine erdrückende Last auf uns? Ein Gleichnis mag zur Antwort dienen. Es ist ganz zweifellos und gewiss, dass einer für immer lahm werden kann, so dass es keine Heilung mehr für ihn gibt. Soll ich nun, wenn meine Füße mich schmerzen, mich hinsetzen und jammern: viele Leute wurden unheilbar lahm; sicherlich bin ichs auch! sicherlich kann ich nicht mehr gehen? Mache das Experiment! versuche aufzustehen! suche die Heilung! dann wird es sich zeigen, ob du heilbar bist oder nicht. Ganz ebenso haben wir bei aller Versündigung und bei jeglichem Falle aus unserer Stelle nur die Weisung zu ziehen, dass wir mit ganzem Ernst die Buße suchen. Es gilt auch hier das Experiment zu machen, ob wir unser Herz noch von unserer Bosheit trennen können und dieselbe zu richten und zu hassen vermögen, ob wir noch zu Jesus herzutreten können und ihn zu bitten vermögen: sei mir nicht tot! nein, sei mir der Lebendige! nicht der Geschmähte, sondern der Hochgelobte ewiglich. Es ist unter allen Umständen, mögen dieselben für uns noch so sehr belastend sein, ein Missbrauch unsers Worts, wenn wir es dazu benützen, um uns die Umkehr zu verschließen oder zu erschweren und von Gott und Christo fernzubleiben in unserm Elend drin. Gerade solche verzweifelnde Unbußfertigkeit verleugnet Christum und behandelt ihn als tot. Unser Brief spricht so ernst und offen von der Gefahr, an deren Rand wir wandeln, nicht damit wir uns hineinstürzen und in ihr verderben und in den Wogen der Verzweiflung untergehen, sondern damit wir uns mit umso größerem Ernst und Eifer von ihr abkehren, und aus aller unserer Sünde herausstreben zu dem, neben dem es keinen andern Namen unter dem Himmel gibt, in welchem uns geholfen wird.

Übrigens steht unsere Stelle im neuen Testament nicht vereinzelt, sondern hat namentlich in den Worten Jesu manche Parallelen. Den Pharisäern, die ihn keck und verwegen lästerten, sagte er: hütet eure Zunge! wenn ihr mich lästert und einen Fresser und Säufer, einen Freund der Zöllner und Sünder und dergleichen nennt, so ist zwar auch dies Sünde; aber es soll euch vergeben sein. Allein den Heiligen Geist lästert nicht. Da wo euch der Geist Gottes ins Auge leuchtet, wo euch Gott ohne Hülle in seiner offenbaren Macht, Majestät und Heiligkeit entgegentritt, da beugt euch und schweigt; und wenn ihr gleichwohl zu lästern wagt, so habt ihr die Brücke zerstört, die euch zu Gott bringen könnte, und euch um das ewige Leben gebracht. Allerdings ist ein Unterschied zwischen beiden Stellen. Jesus redet von jenem Widerstand gegen ihn, der das Evangelium gar nicht an sich herankommen lässt, sondern sich mit aller Macht der Bezeugung des göttlichen Geistes entzieht und sie nicht hören will. Dieses Widerstreben sieht sich schließlich bis zu einem Punkt getrieben, auf dem ein bleibender, unheilbarer Bruch geschieht. Hier wird dagegen von demjenigen Widerstand gegen Jesus gesprochen, der sich in uns anheben kann, nachdem wir das Evangelium kennen, dadurch, dass wir uns ihm wieder entziehen und der Hand wieder entschlüpfen, die uns ergriffen hat. Auch dieser Kampf gegen Christus setzt sich nicht endlos fort, sondern führt schließlich zu einem endgültigen Sturz. Jesus hat aber nicht nur mit seinen Feinden so ernst geredet, sondern ganz ebenso auch mit seinen Jüngern. Denken wir an jene Törinnen, (2) die auf das Hochzeitsfest warten, aber in ihrem Leichtsinn den Ölkrug daheim lassen, und nun abgewiesen werden, wie man einen unbekannten Menschen abweist, der in der Nacht an die Haustüre klopft; oder an jenen Knecht, der (3) seines Herrn Geld empfangen hatte wie die andern, aber nicht im Besitz seiner Gabe blieb und nicht zur Freude seines Herrn kam, weil er in seinem Unmut die empfangene Gabe unbenützt ließ; oder an jenen Mann, der zum Gastmahl des Königs geladen war, aber kein festliches Kleid für nötig hielt und darum ins Gefängnis geworfen ward; oder an jene Schlosse am Weinstock, die nicht Frucht bringen und darum abgeschnitten und verbrannt werden: so haben wir in all dem dieselbe Warnung, wie sie unsere Stelle ausspricht. Wie denn auch Johannes von einem Sündigen innerhalb des Christenlebens spricht, das zum Tode führt, vor dem die Fürbitte verstummen muss, weil ihr die Gewissheit und Zuversicht der Erhörung fehlt, 1 Joh. 5, 16.

Wir sollen am Acker das Bild des inneren Lebens sehen. Derselbe bedarf, auch wenn ihn die menschliche Hand bestellt hat, des befruchtenden Regens, der ihm von oben kommt. Das entspricht jener inneren Ausstattung, die als himmlische Gabe durch Christus uns verliehen wird. Wächst nun dadurch die brauchbare edle Saat auf dem Acker heran, so entspricht dies der Bewahrung der empfangenen Gabe im Glauben und Gehorsam, wodurch sie zu ihrem Ziel und Ende in uns kommt. Auf einem solchen Acker ruht Gottes Segnung zu neuer Fruchtbarkeit. Das heißt: die bewahrte Gabe, durch die wir uns zu redlichem Dienst Gottes haben leiten lassen, erhält uns unter Gottes Gnade mit ihrer reichen Vergebung und steigenden, fortschreitenden Begabung.

Wenn dagegen Dornen und Disteln auf dem Acker wachsen, soll denn der befruchtende Regen immer wieder zu demselben zurückkehren? Soll Gott Dornen und Disteln nähren? In die Dornen gehört der Brand und ein solcher Acker wird billig zur Wildnis. Das Bild will uns lehren, dass keine Gabe Gottes bloß dadurch, dass wir sie empfangen, uns sicher stellt und ein Segen für uns ist. Wenn wir sie ungebraucht verstoßen, so verlieren wir sie. Wir können uns jeden Segen in Unsegen verwandeln, auch den Segen Christi, wenn wir ihn nicht zu seiner Frucht und seinem Ziele kommen lassen, dadurch dass er unser Wollen und Wirken, Trachten und Handeln erweckt, treibt und regiert. Wir stehen unter jenem Gesetz und werden es nicht zerbrechen, welches Jesus am unfruchtbaren Feigenbaum betätigt hat: was keine Frucht trägt muss verdorren.

Nun erst nachdem die Warnung ohne Rückhalt in ihrer ganzen Schärfe ausgesprochen ist, folgt ein tröstliches Wort. Ich bin überzeugt, sagt der Verfasser, dass es mit euch besser steht, V. 9. Woher nimmt er diesen Trost? Aus ihrem Werk, aus ihrer Liebe, die sie dem Namen Gottes erzeigt haben, dadurch dass sie seinen Heiligen dienten und noch dienen. Ist das nicht Ruhm der Werke? Gewiss. Was soll er denn rühmen? Etwa ihre Trägheit, ihre Lieblosigkeit, ihr leeres Geschwätz? Nein, das rühmt er nicht. Oder ihren Glauben? Auch dann, wenn der ihr Herz nicht brennen macht für den Namen Gottes und ihre Hände nicht regsam macht für seine bedrückten Heiligen? Nein, solchen Glauben. rühmt er nicht. Sondern daran, dass sie einst und jetzt mit Ernst und Eifer sich ans Dienen machten, und sich des göttlichen Namens nicht schämten noch seiner Gemeinde, daran richtet er seine Zuversicht auf und das darf auch ihnen Zuversicht zu Gott geben. Sie sollen es Gott zu trauen, dass er ihren Dienst nicht vergisst, sondern reichlich lohnt, und dieser Lohn, den sie von ihm suchen und erwarten sollen, besteht eben darin, dass er sie in der Gemeinschaft mit Christo erhält, vor dem Fall behütet, ihre Trägheit und Schwachheit ihnen vergibt, und sie immer wieder sein freundliches Wort schmecken lässt und sie dadurch zu neuem Eifer reizt.

Wird hierdurch der Glaube verkürzt? Nimmermehr. Sie sollen nicht dazu ihres Werks gedenken, um ungläubig zu werden und ihre Zuversicht von Christo abzuziehen, als wären sie sich selbst genug, als könnten sie der Gnade und Gabe Christi entbehren wegen ihres Werks; sondern sie dürfen auf ihr treues Werk zurückblicken, damit sie Mut fassen zu glauben, Mut, Gottes Vergebung und Bewahrung zu suchen und mit Freudigkeit zum Thron der Gnade herzutreten. Es ist wohl wahr, dass das Werk aus dem Glauben kommen muss, soll es ein rechtschaffener Gottesdienst sein; aber es ist ebenso wahr, dass der Glaube aus dem Werk kommt, weil du nicht zu Gott herzutreten kannst, wenn du ihm nicht treu gehorchst, weil dein böses Gewissen kein Vertrauen zu ihm aufkommen lässt, weil du dich von deiner Sünde lösen musst, wenn du Jesu glauben willst. Das ist das innige, unzerbrechliche Gefüge des Lebens. Beidseitig ist es ineinander geschlungen und sein Faden läuft hin und her, vom Glauben zum Werk, vom Werk zum Glauben, und keines besteht ohne das andere.

Mit Bedacht sagt der Brief: dem Namen Gottes habt ihr Liebe erzeigt, V. 10. Wollen wir Gott nicht nur in Worten, sondern in der Wahrheit und im Werke lieben, wie wollen wirs machen? Wir sehen ihn nicht. Aber sein. Name ist bei uns. Er hat seinen Namen in uns hineingestellt als eine Macht, die uns zur Gewissheit und zur Freude ward, und seinen Namen finden wir auch in den andern um uns her, die er wie uns selbst in sein Licht berufen hat. Bewegt uns Gottes Name nicht, wie wollen wir denn Gott lieben? Was wir seinem Namen tun, zeigt, wie unser Herz zu Gott sich stellt.

Nun gilt es aber nicht nur einmal und nicht nur früher vom Eifer der Liebe sich bewegen zu lassen. Vielmehr bittet der Brief: denselben Eifer erhaltet in euch! Lasst nicht nach! geht nicht zurück! kämpft gegen die Erkaltung eurer Liebe. Wenn ihr zurückgeht, so nähert ihr euch jener Gefahr, die den für immer begräbt, der in sie fällt. Lasst die Liebe nicht nur nicht erlöschen, sondern auch nicht abnehmen. Das ist eure Sicherung.

Nur dann könnt ihr völlig hoffen, V. 11. Wenn ihr euch selbst beschuldigen müsst, dass euer Eifer geschwunden sei, wie soll da die Hoffnung ihr volles Maß und ihre ganze Kraft behalten? Kein Wunder, wenn uns die Verheißung nicht mehr zieht und bewegt, da wir uns im Bewusstsein unserer Untreue vor Christi Urteil fürchten müssen! Bleiben wir aber ernst und treu im hingebenden Dienst, zu dem uns Gott beruft, dann wird mit jedem Schritt auf unserm Wege die Hoffnung lebendiger, weil wir erfahren, dass uns das Leben Erprobung bringt.

Und dann lösen wir in der Kraft unsers zum Hoffen aufgerichteten Eifers auch die Glaubensaufgabe, V. 12. Dann können wir gläubig warten, geduldig harren, und treten zu der Zahl derer hinzu, die vor uns sich vertrauend an Gott halten mussten, aber auch erfahren haben, dass solches Trauen und Warten nicht zuschanden, sondern zum Erben der verheißenen Güter macht.

Die dreifache Gestalt des christlichen Lebens ist uns hier in einer andern Ordnung gezeigt als im ersten Korintherbrief, 13, 13. Dort heißt es: glauben, hoffen, lieben; hier: lieben, hoffen, glauben. Jene Ordnung ist die, in der das Christenleben anhebt. Dadurch dass ich Christum gläubig fasse, komme ich zum Hoffen und werde meine selbstsüchtige Begierde los und die Liebe wird in mir geboren. Aber auch unsere Ordnung ist richtig und wahr, dass nämlich an der Liebe, die wir üben, das Hoffen entspringt, und das Lieben und hoffen Glaubenskraft gibt. Diese Ordnung zeigt, wie sich das Christenleben erhält und zunimmt, da wo es begründet ist. Da heißt es: diene dem. Namen Gottes an den Menschen; dann kannst du hoffen und im Hoffen glauben, auch dann, wenn das Gehoffte in die Ferne tritt und der sichtbare Lebenslauf ihm nicht entspricht.

So wollen uns diese Worte zur Selbstprüfung anleiten, ob wir im Eifer der Liebe nicht kalt und lässig geworden sind. Aber wir sollen den Blick nicht so auf uns selber richten, dass er an unserer Person haften bleibt. Der Glaubensgrund, der unserm Hoffen und Glauben Inhalt, Kraft und Erfolg verleiht, liegt nimmermehr in uns, sondern steht über uns in Gottes Wort. Darum schließt dieser mahnende Zwischenabschnitt damit, dass er uns auf die Festigkeit des göttlichen Worts verweist, das gerade so beschaffen ist, dass es uns zum geduldigen, gläubigen Warten geschickt und tüchtig macht, V. 13-19.

Wir werden hierzu an einen besonderen Punkt erinnert in der Art und Weise, wie Gott mit den Vätern, insbesondere mit Abraham, geredet hat. Diese Väter sind ja vor andern ein Beispiel der gläubigen Geduld. An sie erging auch das göttliche Wort in einer Weise, die eben hierauf berechnet war, sie in ihrem gläubigen Harren zu unterstützen, nämlich verbunden mit einem Eid,

V. 13. Ein Eid scheint für Gott unmöglich zu sein, da er ja eine Berufung auf einen Höheren ist. Wir Menschen wenden uns mit dem Eide an Gott als an den, in dessen Macht wir stehen, in der Macht seines Wissens, da er als der unbestechliche Zeuge unser ganzes Handeln kennt, und in der Macht seines Gerichts, da er als der Wächter über dem Rechte hält und dem Unrecht seine Vergeltung entgegenstellt. Das ist der Ernst in jedem Eid. Er ist nicht ein leeres Wort, weil Gott nicht vergeblich angerufen wird. Wir haben damit unsere Sache mit Gottes Namen verknüpft und in Gottes Hand gelegt, und das bindet, einerlei, ob wir in unserm Leichtsinn und unserer Gedankenlosigkeit diese Bindung uns zum Bewusstsein bringen oder nicht. Wessen Wahrheit und Gerechtigkeit soll nun Gottes Wort fest und gewiss machen? Er hat niemand über sich, auf den er sich berufen könnte. Und dennoch schwur er, nämlich bei sich selbst, und setzte Abraham sein eignes Leben zum Pfande ein und sagte ihm: so gewiss ich lebe, wirst du das verheißene empfangen. Und auf ein solches Wort hin, das ihm Gott eidlich bekräftigt hatte, fasste Abraham den Mut, geduldig zu warten, und warf das Misstrauen und Verzagen aus seinem Herzen weg, und harrte aus, ob sich auch die Verheißung verzog, und behandelte sie dennoch als eine untrügliche Macht, dessen gewiss, dass sie dennoch geschehen werde, und sein Warten täuschte ihn nicht: das Verheißene kam, V. 15.

Der Wert des Eides, weshalb ihn auch Gott in sein Wort aufnimmt, besteht darin, dass er jeder Einrede ein Ende macht. Ich kann dem, der mir einen Eid entgegenstellt, nicht mehr widersprechen, wenigstens nicht, ohne dass ich ihn beschuldige, er treibe mit dem Höchsten und Heiligsten ein frevelhaftes Spiel, er sei gottlos ganz und gar, er zerstöre alles, verachte Gottes Regiment und stürze sich selbst in die Verdammnis hinein. Zu einem solchen Widerspruch bin ich nur berechtigt, wenn ich nicht anders kann, weil mich die Macht der Tatsachen zwingt. Sonst aber muss ich meine Einrede einstellen. Der andere hat sich hinter Gott geflüchtet und sich in Gottes Hände geworfen; nun ist die Sache mir entzogen und liegt bei Gott.

Eben dies ist auch der Zweck beim göttlichen Eid. Gott sieht voraus, dass ihm der Mensch widerreden wird: deine Verheißung bleibt aus; dein Wort erfüllt sich nicht; kann ich auf dich bauen? lässt du mich nicht im Stich? All solcher Einrede kommt Gott zuvor und schneidet sie ab, indem er spricht: sieh, mich selbst, meine Gottheit, Macht, Wahrheit und Gerechtigkeit mache ich zum Bürgen meines Worts; ich will nicht leben, wenn mein Wort sich dir nicht erfüllt. Nun können wir sein Wort nicht fahren lassen, ohne ihn selbst für nichts zu achten ganz und gar. Gott macht uns durch seinen Eid Zweifel und Unglaube zur Gottlosigkeit und lässt uns nur den einen Weg offen, dass wir seine Verheißung bewahren in Geduld.

So haben wir also zwei unwandelbare Dinge vor uns, die uns den Rat Gottes bezeugen: sein Wort, das schon an sich unwandelbare Festigkeit hat, und seinen Eid, und sind dadurch aufs kräftigste zum Hoffen gemahnt. Denn um das, was unsere Hoffnung ausmacht, handelt es sich ja bei all dieser Bezeugung und Versicherung und bei dieser Herablassung Gottes, die des Eides sich nicht weigert. Es ist nicht eine schwere Pflicht, ein hartes Opfer, wozu uns Gott so nachdrücklich ermahnt. Nein! eine Hoffnung legt er uns vor und diese Hoffnung macht unsere einzige Zuflucht aus. Was sollten wir ohne diese Hoffnung beginnen? Wo hätten wir sonst irgendwelchen Trost und

Hilfe? Hier ist sie uns angeboten, und wir dürfen uns zu ihr flüchten und in ihr geborgen sein. Nur das eine gilt es, dass wir sie festhalten und bewahren. Und damit wir sie nicht wegwerfen, fügt Gott zu seinem Wort noch seinen Eid. Was könnte er mehr tun? V. 18.

Die Hoffnung ist der feste Anker unserer Seele, V. 19. Die Leser schwanken in müder Ungeduld. Solche Stöße mögen der Seele wohl kommen. Furcht und Zweifel mögen sie schütteln und der Druck und die Lust der Welt sie heftig erregen zum Murren wider Gott im Unglauben. Aber wie das Schiff in den Wellen dennoch durch den Anker am Meeresgrund festgebunden ist, so ist auch unsere unruhige Seele gehalten durch ein Band, das nicht reißt; das ist die Hoffnung, die Gott uns dargeboten hat. Sie stillet jene Ungeduld und überwindet jene Erschütterungen und hält uns fest an Gott. Denn zu ihm reicht sie hinauf in sein verborgenes Allerheiligstes. Wohl liegt für uns ein Vorhang über Gottes Thron, dass wir ihn nicht sehen, noch mit unserm Fleisch und Blut in sein Licht herzuzutreten vermögen. Aber dieser Vorhang hindert unser Hoffen nicht; es geht durch ihn hindurch und ruht in Gott und erhält uns darum auch in unserer irdischen Abgeschiedenheit von ihm bei ihm.

Wie kommt unser Hoffen dazu, so hochzusteigen? Warum muss es nicht draußen vor dem Vorhang bleiben? Jesus ging ins Allerheiligste, nicht für sich allein, sondern als unser Vorläufer, V. 20. An Jesus haftet unser Hoffen; er ist der Grund desselben. Mit ihm geht es bis zu Gottes Thron, und durch ihn ist unsere Seele verankert in Gottes Heiligtum. An ihm sehen wir, was wir hoffen dürfen, nämlich, dass auch wir ins Heiligtum Gottes treten werden. Aber dieser Vorläufer, der für uns in den Tempel Gottes geht, damit er auch für uns geöffnet werde, das ist der Priester, und dieser Gang Jesu zu Gott, der unserm Hoffen die Bahn nach oben frei macht, das ist sein priesterliches Werk. So hat uns der Brief wieder zu der Stelle zurückgeführt, von der wir ausgegangen sind.

Werden wir nun willig sein ihn zu hören? Der Brief hat über die Stumpfheit und Unreife der Leser geklagt, die nicht hören mag. Ist diese überwunden durch das, was er uns inzwischen vorgehalten hat? Er hat alle Saiten ihrer Seele in Bewegung versetzt. Er hat getadelt und gelobt, aufs tiefste erschreckt und aufs höchste beruhigt und getröstet. Er hat ihnen den Schaden ihrer Trägheit gezeigt, welche das Wort nicht fassen und verarbeiten will, und zugleich auch den Schaden ihrer Lauheit, welche den Eifer der Liebe erkalten lässt. Er hat ihnen die Größe der Gabe enthüllt, die sie schon empfangen haben, und die Gefahr des Falls, der ihr Leben für immer zerstören würde, aber auch die Sicherheit der Hoffnung, die Gott ihnen aufs festeste bezeugt und verbürgt hat. Muss uns das alles nicht zum Hören und Forschen treiben? Ist die Furcht in uns erweckt, Christum zu verlieren, und die Hoffnung in uns entzündet, ihm nachzugehen ins Allerheiligste, dann werden wir wach; dann öffnet sich unser Ohr, dann blicken wir gern auf den, der unsere Hilfe und Hoffnung ist, und freuen uns an allem, was uns Einblick verschafft in sein priesterliches Werk für uns.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/schlatter_a/schlatter-hebraerbrief/schlatter_hebraerbrief_5_11-6_20.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain