Schlatter, Adolf - Der Brief des Jakobus – ausgelegt für Bibelleser

Schlatter, Adolf - Der Brief des Jakobus – ausgelegt für Bibelleser

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Kap 1,1-18: Die gläubige Überwindung der Anfechtung

Jakobus hat bei seinem Briefe nicht an die Gemeinde einer besonderen Stadt gedacht, sondern an das, was der ganzen Judenschaft Not tat. Er redet die zwölf Stämme in der Zerstreuung an. Seit vielen hundert Jahren, zum mindesten seit die assyrischen Könige Samaria verbrannt hatten, war auch die Teilung des Volkes in die zwölf Stämme zerstört. Dennoch nennt Jakobus Israel noch mit diesem Namen, weil dies die ursprüngliche Einrichtung des Volkes war, die Gott ihm gegeben hatte. Er sieht auf das heilige Volk, wie Gott es gebildet hat, in seiner Gesamtheit und Vollständigkeit. Jetzt freilich war Israel in der Zerstreuung und grosse Teile waren von ihm getrennt und weithin durch die andern Völker zersprengt. Die Zwölfzahl der Stämme war verschwunden, Israel aus seinem Lande weggeführt und in viele kleine Gemeinden hin und her aufgelöst. Das hatten Gottes Gerichte gemacht, die über das Volk gegangen sind. So erinnert der Name, den Jakobus Israel gibt, sowohl an dessen alte Zeit, an seinen heiligen Ursprung und Beruf, als an die Gegenwart, die von jenem Anfang sehr verschieden ist, und in beidem liegt eine kräftige Mahnung aufzumerken auf das, was der Knecht Gottes jetzt Israel zu sagen hat.

Er teilt Israel nicht schon in der Aufschrift des Briefs in zwei Hälften, sondert die Ungläubigen und die Gläubigen, die Synagoge und die Kirche, nicht voneinander ab und trennt Jesu Gemeinde noch nicht vom heiligen Volk des alten Bunds, sondern er will, so viel an ihm liegt, zum ganzen Israel reden, weil er ein Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi ist. Deswegen soll ihn jedermann in Israel hören.

Er ist Gottes und Jesu Knecht, und das ist nicht ein zwiespältiger, sondern ein einträchtiger Dienst. Er ist Gottes Knecht, darum Jesu Knecht; er ist Jesu Knecht, darum Gottes Knecht. Er dient Jesu, bezeugt Jesu Wort, preist Jesu Namen, fördert Jesu Reich. Dadurch dient er Gott, redet Gottes Wort, verherrlicht Gottes Namen und wirkt mit zu Gottes Reich. Er ist Gott untergeben, kann Gott nicht widersprechen, sondern muss sich Gott dargeben mit seiner ganzen Person und Kraft, damit er ihn als Werkzeug brauche für seinen Willen, darum hat er in Jesus seinen Herrn gefunden, dem er sich mit seiner ganzen Existenz unterwirft, wie ein Knecht seinem Herrn gehört.

Dasselbe gilt auch für Israel: es ist nur dann Gottes Volk und Gemeinde, wenn es Jesu Volk und Gemeinde wird. Auch Israel kann nicht anders Gott dienen als in Jesu Dienst. Gottes Knechte sind Jesu Knechte. Wenn Israel Jesus verwirft und ihn nicht zum Herrn über sich haben will, entläuft es dem Dienste Gottes und ist gegen seinen Herrn abtrünnig und treubrüchig. Aber die Aufschrift des Briefes bedeckt noch den Unglauben und das Widerstreben Israels. Jakobus möchte gern ihnen allen dienen mit seinem Wort. Es ist ja das Volk, das für Christus zuvor bereitet war, die für Jesus geschaffne Gemeinde. Die an Christus gläubigen Männer gehören erst recht zu den zwölf Stämmen, denn sie sind das wahre Israel, wahrhaft und bleibend Gottes Volk. Die Scheidung zwischen ihnen und denen, die ihren Herrn verwerfen, wird der Richter bald vollziehen, welcher vor der Türe steht. Für Jakobus war’s noch Zeit, ganz Israel herbeizurufen, damit es höre, was ein Knecht Gottes und Christi ihm zu sagen hat.

Den Unterschied zwischen sich und Jesus hat er in heller Klarheit ausgedrückt. Ich bin, sagt er, der Knecht, und er ist der Herr. Es redet hier nach aller Wahrscheinlichkeit jener Jakobus, welcher ein Bruder Jesu war, und darum bei der Gemeinde Jerusalems und in der ganzen Kirche in hohem Ansehen stand. Er zeigt aber nicht auf seine Verwandtschaft mit Jesus hin. Jakobus vermischt nicht Fleisch und Geist, stützt sich nicht auf den äusserlichen Vorzug seiner Person, und stellt sich nicht nach seinem natürlichen Menschen der Kirche zur Verehrung dar. Was seinem Wort Macht und Wahrheit gibt, ist nicht dies, dass er mit Jesus verwandt gewesen und mit ihm aufgewachsen ist, sondern dies, dass er ihn zu seinem Herrn hat, und durch ihn Gottes Knecht geworden ist. Darum kann er Israel zeigen, wie es Gottes Wort bewahrt und Gottes Willen tut.

Deswegen, weil Jakobus nicht an die Heiden schrieb, sollen wir uns nicht zu argwöhnischen Gedanken reizen lassen, als hätte er die Heiden verachtet und nicht zur Kirche Christi gezählt. Die Treue, mit der die apostolischen Männer Israel das göttliche Wort trotz aller Verfolgung darboten, gehörte ebenso gut als die Heidenpredigt zu ihrem Apostelberuf und entsprach dem ausdrücklichen Gebote und Beispiel Christi. Hat sich Jakobus in besonderer Weise Jerusalems angenommen, deswegen konnte er sich doch daran freuen, dass das Evangelium auch weithin zu den Heiden kam. Für seine eigene Aufgabe hat er betrachtet, Israel Gottes Wort zu bringen, vgl. Gal. 2,9 und bei diesem seinem Beruf ist er nicht nur in seinem Brief geblieben, sondern er ist nicht von der heiligen Stadt gewichen, bis ihn die Juden töteten.

Der Brief passt vielleicht nicht zu unsern Meinungen über das, was eine heilsame und förderliche Predigt an die Juden sei. Warum erzählt er den „Zwölf Stämmen in der Zerstreuung“ nichts von Jesu grossen Werken, von seiner Geburt, von seinem Kreuz und seiner Auferstehung? Es mag uns scheinen, das hätte Israel vor allem nötig gehabt und dadurch wäre es zum Glauben an Jesus erweckt worden. Das sind trübe und voreilige Gedanken, und die grössere Weisheit wird sich bei Jakobus finden. Jakobus hatte in Jerusalem viele Juden vor sich, welche die Werke und Zeichen Christi kannten und wussten, dass ihn die Apostel als den Auferstandenen predigten, die aber deshalb doch nicht gläubig wurden an ihn. Dem hohen Rat war mächtig verkündigt worden, dass Jesus der Sohn und Gesalbte Gottes sei, von ihm selbst durch seine Auferstehung aus dem Grabe kund gemacht, aber dies hatte den hohen Rat nicht ergriffen. Auch draussen in den zerstreuten jüdischen Gemeinden ist viel über Jesus gesprochen worden. Gerade weil sich an manchen Orten Heidengemeinden bildeten, wurde auch den Juden der Name Jesu bekannt. Allein sie wurden deshalb nicht gläubig. Wo lag das Hindernis?

In seiner eigenen Gemeinde hatte Jakobus unter den gläubigen Juden Leute, die trotz ihres Bekenntnisses zu Jesus von Israels böser Art nicht frei wurden, sondern dieselbe auch in die christliche Gemeinde hineinbrachten, wie es uns die Apostelgeschichte an Anania und Sapphira, und Paulus an den falschen Brüdern in Galatien und Korinth gezeigt haben. Solche glaubten das Evangelium, ohne dass es ihnen half; wo lag hier das Hindernis?

Jakobus wusste, wie Jesus mit Israel geredet hat. Er hat ihm nicht seinen königlichen Namen ausgelegt, und nicht das Himmelreich beschrieben nach seiner wunderbaren Macht und Herrlichkeit, sondern die einfachsten Worte des Gesetzes legte er ihm aus, und mühte sich ab, den Gottesdienst Israels zu reinigen von dem, was ihn verdarb, und es zur Busse anzuleiten, damit aus gottlosen Juden fromme Juden würden. Dann erst konnten sie’s sehen und verstehen, dass er ihnen in Gottes Sendung als ihr Herr das Himmelreich bereitet hat.

Jakobus spricht mit Israel ganz ähnlich, wie es Jesus tat. Auch er reinigt die jüdische Frömmigkeit vom bösen Sauerteig, der sie durchdrang. Mit grosser Klarheit zeigt er Israels Schaden, und das, was ihn heilt. So räumt er die Hindernisse weg, welche der Erkenntnis Christi im Wege stehen, und hilft, dass diese in ihnen mit Kraft und Reinheit ihnen zur Errettung und zum Segen erwachsen kann. Wer auf Jakobus hört, wird Jesus nicht kennenlernen, ohne an ihn zu glauben, und nicht an ihn glauben, ohne dass ihm geholfen ist.

Den Gruss, der den Lesern Freude wünscht, nimmt Jakobus aus der gewöhnlichen Sitte, wie man die Briefe zu beginnen pflegte. Er hat aber für ihn seine besondere Bedeutung, da er uns die vollkommene Freude zeigen kann, die unter allem Druck stand hält und durch denselben nicht überwunden wird.

Er beginnt mit der Versuchung, einem ernsten Hauptstück in unser aller Leben. Gottes heilige Güter lassen sich nicht mit einem raschen Griff erwerben: Die Erprobung folgt jedem Anfang nach. Gottes Gaben gehören uns erst dann, wenn die Versuchung überwunden ist. Ob sie uns als Luft oder als Schmerz nahe tritt: Es kann ein starker Stoss mit ihr verbunden sein.

So war’s oft in der ersten Christenheit. Wer sich zu Jesus bekannte, nahm einen harten Kampf auf sich. Es konnten grosse Opfer von ihm gefordert werden. Das hielt viele zurück und erschütterte auch manchen Glaubenden. Darum hilft Jakobus zuerst denen, welche in der Versuchung stehen: haltet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet.

Lauter wäre unsre Freude nicht, wenn sich unser Herz teilte, und sich halb dem Schmerz und Unwillen ergäbe, und nur mühsam bedächte, dass die Versuchung uns heilsam ist. Mit einer solchen Teilung des Herzens ist Jakobus nicht zufrieden. Bringt uns unser Lebenslauf heftige Schmerzen und harten Druck, dann wird der Widerstand, den wir der Versuchung entgegenstellen müssen, freilich mühsam und anstrengend. Gleichwohl will Jakobus, dass wir unser Herz behüten, damit es sich durch diese Empfindungen nicht fangen lasse, sondern sich darüber halte und den Segen der Versuchung in einer Freude ermesse, die hell und kräftig unser ganzes Herz erfüllt.

Wenn ihr in mancherlei Versuchung fallt: das ist gegen unsre Ungeduld gesagt, die es verdriesst, wenn immer wieder in wechselnder Gestalt und unvermutet der Kampf neu anhebt und der gewonnene Sieg gleich wieder zu einer neuen Aufgabe führt, die nochmals ihre Versuchung bei sich hat. Da ficht den verzagten Sinn der Überdruss an, und er meint, es sei nun endlich genug. Jakobus sagt uns aber gerade von der Mannigfaltigkeit und wachsenden Menge der Versuchungen, dass wir uns ihretwegen freuen sollen. Zugleich wehrt er mit diesem Wort auch dem kecken Trotz, der sich selber die Versuchungen bereitet und sie nicht fürchtet, sondern sucht, und darum in denselben unterliegt. So fallen wir nicht in die Versuchung, sondern laufen in sie hinein.

Wir sollen uns an der Versuchung freuen, weil wir durch sie merken und erfahren, dass das, was dem Glauben die Bewährung bringt, Standhaftigkeit wirkt, V.3.

Hier hat Jakobus einen zweifachen Segen der Versuchung zusammengefasst. Der eine besteht darin, dass sie unsern Glauben bewährt und kräftig macht. Ob wir uns an Gott mit redlichem und festem Glauben halten, das wird durch den Stoss der Anfechtung erprobt. Sie nötigt uns, dass wir uns mit neuem Glauben Gott ergeben zu neuer Treue, und das macht sie für uns heilsam und notwendig. Damit erlangen wir weiter die geduldige Festigkeit, die beharrliche Unüberwindlichkeit, die von Gott nicht mehr weicht, und Christum nicht mehr fahren lässt, sondern wie es Paulus sagt, „alles duldet, alles trägt“, weil wir ihm fest und für immer verbunden sind. So fällt uns die Verheissung zu: wer bis ans Ende beharrt, wird erlöst werden. Wie soll uns aber die Kraft der Beharrlichkeit anders kommen als dadurch, dass wir das überwinden, und in uns tilgen, was uns von Gott abziehn will? Darum sollen wir uns herzlich an allem freuen, was uns kräftig macht, bei Gott zu bleiben, und Christum nicht mehr untreu zu werden, sondern ihm so zu gehören, dass auch die Versuchung uns umsonst angreift.

Gleich der erste Spruch unsres Briefs gibt uns einen heldenhaften Sinn. Wer zur Versuchung spricht, ob sie auch peinlich und schmerzlich sei: du sollst mir lauter Freude sein, du treibst mich doch nur zum Glauben und bringst mir die Geduld, der läuft als ein Held seine Bahn. Woher schöpft er diesen hohen Mut? Gleich dieses erste Wort macht sichtbar, wie völlig Jakobus in der Güte Gottes ruht. Er spricht: wenn ich nur dich habe! Ob dem einen Gewinn, dass er Gott mit stetem bleibendem Glauben erfasst, verwandelt sich ihm alle Not in Freude. Er schätzt Gott über alles, so hell leuchtet ihm Gottes Angesicht.

Auch dies wird gleich an diesem ersten Worte sichtbar, wie einig Jakobus und Paulus sind, ob auch beider Wort seine besondre Gestalt und Fassung hat.

Der erste grosse Hauptteil des Römerbriefes endet: „ich bin gewiss, dass mich nichts von der Liebe Gottes in Christo scheiden wird; in all dem überwinden wir weit“; Röm. 8, 37-39, und Jakobus fängt damit an, dass alle Versuchung lauter Freude sei, weil sie den Glauben bewährt und die Beharrung wirkt.

Auch der Unterschied, der das Wort beider Apostel verschieden macht, tritt schon hier klar hervor. Bei Paulus bildet das frohlockende Wort des gewissen steten Glaubens das Ende und Ergebnis einer reichen Lehre, die uns zeigt, was Christus für uns getan hat, wie er für uns gestorben und auferstanden ist, und unsrer Sünde und unsrem Fleische das Ende bereitet und uns dafür die Gerechtigkeit und den Geist erworben hat. Darum zeigt er auch, wo er des Glaubens Sieg und Freude beschreibt, ausdrücklich auf Christum hin: von der Liebe Gottes, die in Christo ist, vermag uns nichts zu scheiden, weil wir durch den überwinden, der uns geliebt hat. So macht er den Grund sichtbar, auf dem unser Glaube steht, und zeigt uns die Wurzel, aus der er erwächst. Jakobus dagegen stellt uns durch ein einziges kurzes Wort auf diese Höhe hinauf.

Paulus sprach zu den Heiden, für die der Glaube ein neues Erlebnis war, von dem, ehe sie Christum kannten, keine Ahnung in ihr Herz gekommen war. Jakobus hingegen redet zu Israel, das Gott und seine Güte kennt, und schon längst zum Glauben angewiesen war. Der Bibelvers war ihm wohlbekannt, dass Gott gut ist, weil seine Gnade ewig währt. Nun denn, wer für Gott Glauben hat, der kann sich der Versuchung nicht weigern, sondern muss sie für lauter Freude halten, denn sie macht den Glaubenden fest und bringt die Beharrung hervor.

Wir erlangen durch die Versuchung noch etwas Grösseres, was einen neuen Grund für unsre Freude gibt: die Beharrung aber habe ein vollkommenes Werk. V. 4. Ohne die Beharrlichkeit bleibt alles, was wir tun, ein blosser Anfang und Versuch. Ein ganzes, fertiges Werk, das zu seinem Ende kommt, kann nur aus einem fest und still gewordenen Geist entstehen, der das Ziel nicht mehr aus den Augen lässt und von Gottes Weg nicht schwankt und weicht.

Ein vollkommenes Werk heisst uns aber Jakobus als die höchste Gabe und das grösste Glück unsres Lebens schätzen. Er will, dass uns ein frucht- und nutzloses, träges Leben, wobei wir für Gott nichts tun mögen, eine Last sei, die uns quält; er will auch, dass wir das jämmerliche Stückwerk verabscheuen, das nur den Schein und den Namen des Fleisses und der Hingebung hat, aber immer wieder daran verdirbt, dass wir uns nicht ganz in Gottes Dienst ergeben und mit unbefestigtem Sinn in der Menge unserer Anläufe straucheln. Deshalb sollen uns auch die Versuchungen als ein Segen und Gewinn gelten, weil sie uns zum vollkommenen Werk rüsten und tüchtig machen. Wer nichts leiden will, kann auch nicht handeln, und wer sich selbst nicht überwindet, Gott nicht dienen.

Ein vollkommenes Werk kommt nicht ohne unsern Willen und Entschluss zu stand; es wächst nicht von selbst gleichsam als eine natürliche Frucht aus uns heraus. Darum spricht Jakobus nicht bloss in beschreibender Weise: die Beharrung aber hat das vollkommene Werk, sondern er mahnt: sie soll es haben. Es kommt nicht, wenn wir nicht darauf bedacht sind und es suchen.

Erst mit dem ganzen Werke sind wir selber fertig und ganz, ohne Mangel in irgend einem Stück. Jakobus zeigt uns, wie ein ganzer Mensch aus uns wird. Wie denn? Durch Glauben, nämlich durch bewährten Glauben, der die Beharrung bei sich hat und ein Werk, das ganz getan wird. Ohne das vollkommene Werk gelten wir dem Apostel als verkürzte, verstümmelte Leute, denen ein wichtiges, unentbehrliches Stück des Lebens fehlt. Er treibt uns nicht zu einer hastigen Vielgeschäftigkeit, worüber wir uns selbst verlieren, auch nicht zu einem glaubenlosen Werkdienst, der Gottes Güte vergisst und verleugnet. Das alles gibt niemals ein vollkommenes Werk. Wohl aber erlaubt er uns nicht, bloss inwendig in den Gedanken und Empfindungen unsres Herzens fromm zu sein, während das, was wir tun, hiervon nicht ergriffen und gestaltet wird. Ein unverdorbenes Auge sieht auch alsbald, dass Erkenntnis und Tat, Inwendiges und Auswendiges in unserm Leben zusammengehören, dass wir nicht das Herz Gott geben und die Tat ihm versagen können, dass unser Herz, wenn es voll ist von Gottes Erkenntnis, Glaube und Liebe, sich zum Werk hin bewegen muss, wodurch unser inwendiges Gut sichtbar und für die andern fruchtbar wird. Nur das sind die ganzen Menschen, die nach ihrem Glauben tun.

Nur Unverstand kann darüber streiten, was grösser und wichtiger sei, der Glaube oder das Werk. Es hat jedes seine Stelle in unserem Leben und eins ist an seinem Ort so unentbehrlich als das andere. Die Herrlichkeit des Glaubens besteht darin, dass er zu Gottes Gnade emporblickt und seine Gabe dankbar preist. Die Grösse und Würde des Werks liegt darin, dass Gott uns Raum gibt, in der Welt ihm zu dienen, dass wir unsere ganze Kraft daran setzen dürfen, dass sein Wille durch uns geschehe. Wer Gott den Glauben versagt und wer ihm das Werk versagt, beides sind verdorbene zerrüttete Geister. Es sterben auch stets Glaube und Werk miteinander ab.

Beide haben für uns ihre Schwierigkeiten. Wir haben einen ungläubigen Sinn, verhärten uns gegen Gottes Güte, hegen undankbare und arge Gedanken und sind blind gegen seine Werke. Wir haben aber auch einen trägen Willen und machen aus unserem Leben eine Tändelei, wollen uns selber leben und sträuben uns gegen Gottes Dienst als gegen ein hartes Joch. Dabei suchen wir für jede Bosheit einen schönen Titel und Schein. Wegen unsres vermeintlichen Glaubens versäumen wir das Werk und wegen unsrer angeblichen Werke sind wir hoffärtig und machen uns ungläubig. Deshalb steht bei den Aposteln beides, eine reiche helle Anleitung zum Glauben und ein ernster, dringender Antrieb zum Werk.

In drei Worten hat uns Jakobus den Weg zur Vollkommenheit beschrieben: Glaube, Beharrung, Werk. Aber gibt es Vollkommenheit ohne Weisheit? Vollkommenheit, wenn unsere Seele von törichten Einbildungen und finstern Gedanken voll ist? Kann denn ein törichter Mensch ein vollkommenes Werk vollbringen? Und fallen wir in der Versuchung nicht oft deswegen, weil es uns an Weisheit fehlt? Die Antwort lautet: Wenn es aber jemand unter euch an Weisheit gebricht, so bitte er den gebenden Gott, V. 5.

Deswegen kann uns Jakobus den Sieg in jeder Versuchung verheissen und uns zum vollkommenen Werk und zum fehllosen unverkürzten Christenstand anleiten, weil uns Gott mit seinem Licht nahe ist und uns seine geraden Wege zeigt. Wir wandern nicht im Dunkeln; denn die Weisheit ist Gottes Gabe.

Der allen einfältig gebende Gott – so heisst ihn Jakobus, und er wiederholt damit Jesu Verheissung: bittet, so werdet ihr nehmen, und das andere Wort: ich gebe nicht, wie die Welt gibt. Dass er allen gibt, ist das Merkmal seines unerschöpflichen Reichtums und seiner umschliessenden Gnade. Dazu kommt seine Einfalt, die von versteckten Hintergedanken frei ist, als wollte er mit seiner Gabe zugleich noch einen Vorteil für sich selbst erjagen. So ist es beim menschlichen Geben die Regel; wir kommen schwer dazu, ohne selbstsüchtige Nebenabsichten zu geben, bloss um den andern zu dienen und nicht um zugleich auch für uns noch irgend etwas zu erraffen. Man muss bekanntlich auch gegen die Gaben der Menschen auf der Hut sein; sie fangen uns auch mit ihrer Güte. Gott aber gibt einfältig, einfach dazu, damit uns geholfen sei. So gibt er auch Weisheit, wirklich dazu, damit der, dem sie fehlt, erleuchtet sei und den richtigen Weg erkenne. Auch schmäht und schilt er uns nicht. In der Bitte liegt das Geständnis unseres Mangels und unserer Verirrung. Wenn wir nun Gott wie einen Menschen behandeln, dem wir uns nicht in unserer wahren Gestalt zeigen dürfen, weil er uns schelten würde, so verschliesst uns die Furcht den Mund und macht uns zur Bitte zaghaft. Gott ist aber der einzige, gegen den wir aufrichtig sein können, ohne dass Schmach und Bitterkeit für uns dran hängt, weil Gott der einzige ist, der uns nicht schilt.

Man hat in der Kirche vielerlei Künste erfunden, um den Willen Gottes zu erkennen und Leitung zu finden, wenn es uns an Weisheit gebricht: Beichtväter und Konzilien und Päpste und Zeichen verschiedener Art. Aber nicht geglaubt hat man der Verheissung, dass der, dem es dunkel ist vor seinen Augen, Gott bitten dürfe, und dass Gott mit seiner Leitung ihm nahe sei und dem Licht und Einsicht schenke, dem es an derselben gebricht. Jetzt begreifen wir auch, warum uns Jakobus so eifrig und kräftig zum Werke treibt, er treibt uns auch zum Beten. Wessen Bitte mit fester Zuversicht nach oben geht, der hat die Kraft zum tüchtigen Werk.

Nur an eins erinnert uns Jakobus, damit unser Bitten uns wirklich in die Klarheit führe, die das Gute und Böse, Gerade und Krumme richtig zu unterscheiden weiss: er bitte aber im Glauben ohne zu zweifeln, V. 6. So hat es auch Jesus seinen Jüngern gesagt, Mk. 11, 22 f.

Der Zweifelnde spaltet seine Gedanken und Wünsche, und fasst mit einander in sein Herz, was sich nicht verträgt. Er denkt sich Gott gut und schlecht, zum Geben willig und unwillig. Er hofft auf Weisheit und verzweifelt an ihr. Er bittet und denkt, es sei doch umsonst. Da heisst uns Jakobus aufs Meer hinaus sehen, über das der Wind fährt. Nichts auf dieser weiten Fläche hat festen Stand. Alles ist in Bewegung, auf und ab, hin und wieder, ohne Ziel und ohne Ruh. Hierin hat der Mensch sein Abbild, wenn er’s im Aufblick zu Gott nicht zum Glauben bringt. Dann ist nichts mehr in seinem Herzen fest. Er hat keine Überzeugung, keine Gewissheit, keinen Willen, kein Ziel mehr. Ein Gedanke stösst den andern um, ein Wunsch den andern; Hoffnung und Verzagtheit streiten sich; jetzt ist er guter Dinge und hoffärtig und jetzt trostlos und niedergeschlagen. Er ist in der Tiefe seines Wesens verwundet, eine zerrüttete Gestalt.

Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, dass er etwas vom Herrn empfangen wird, V. 7. Ob er auch in seiner Seele voll von Vorwürfen und Argwohn gegen Gott ist, so wird er dennoch anspruchsvoll beten, uns sich bitter beschweren, wenn er’s umsonst tut. Er meint, er werde etwas vom Herrn empfangen. Jakobus streicht ihm diese Meinung durch. Er findet Gott gerade so, wie er im Grunde seines Herzens von ihm denkt. Er wirft Gott Härte und Ohnmacht vor, und klagt, dass er ihm nichts gebe; so gibt er ihm auch nichts. Er heisst das Beten nutzlos und vergeblich; so ist’s ihm auch vergeblich.

Was ist also Glaube nach der Anleitung unsres Briefs? Dass wir Gottes Macht und Güte mit ungeteiltem Herzen ehren, und seiner Gabe getrost sind ohne Einrede und all unser Denken und Wünschen gebunden halten durch den Blick auf Gott, so dass kein Widersprechen gegen Gottes Wahrheit und Gnade in uns ist. Dann findet auch der Glaube Gott so, wie er ihn erfasst. Er heisst ihn gut; Gott ist ihm gut; er heisst ihn den, der einfältig gibt; Gott gibt ihm auch.

Um uns den Schaden zu zeigen, den wir uns selbst mit unsern Zweifeln antun, heisst Jakobus den Zweifelnden einen Mann mit einer doppelten Seele, V. 8. Hätte er zwei Köpfe, so hiesse ihn jedermann eine Missgeburt und Ungestalt. Nun hat er zwei Seelen und ist dadurch nicht weniger verunstaltet. Dies hat er aber nicht durch natürliches Missgeschick, sondern durch eigene Schuld, weil er dem Namen Gottes nicht alle seine Gedanken und Wünsche unterworfen hat und von der Wahrheit Gottes nicht seine ganze Seele durchglühen liess, sondern seine finstern Gedanken der Erkenntnis Gottes entgegenstellte und seine verkehrten Begierden festhielt gegen den Zug, der ihn nach oben leitete. Gottes Name und Wahrheit ist ihm nicht unbekannt; er ist nicht blind wie einer, der gar nichts sieht; er betet ja, aber er tut es zweifelnd. Es ist ein Stück göttlicher Wahrheit in ihm, aber es erfüllt und regiert ihn nicht ganz und gar.

So hat auch Paulus als die Wurzel unsrer Verirrungen das hervorgehoben, dass wir die Wahrheit in Ungerechtigkeit darniederhalten statt ihr zu gehorchen, Röm. 1, 18, während wir im Glauben mit Abraham Gottes Zusage mit ganzem Ja ergreifen ohne Nein, Röm. 4, 19.

Mit doppelter Seele findet der Mensch in allen seinen Wegen keinen Stand. Von innen her breitet sich das Schwanken über sein Leben aus. Welchen Weg er gehen mag, Ruhe und Festigkeit findet er auf keinem. Er zerstört und durchkreuzt beständig seine eigenen Taten. Neben seine Frömmigkeit stellt er Gottlosigkeit und von der Gottlosigkeit wendet er sich wieder zum Gottesdienst. Er wechselt ab zwischen Sünde und Reue, strebt jetzt nach dem Unsichtbaren und lässt es wieder fahren, und findet doch auch in dem, was vor Augen liegt, keinen Halt. So läuft er ratlos hin und her uns seine Kraft verzehrt sich im fruchtlosen Widerstreit.

Das schreibt Jakobus an Israel, den ruhelosen Wanderer durch alle Lande. Er leuchtet damit tief in das Herz seines Volkes hinein. Wo fehlt’s ihm? Israel kann Gott nicht vergessen und verleugnen, und mag doch nicht im Glauben ihm untergeben sein. Es ehrt und entehrt Gott, preist das Gesetz und übertritt dasselbe, ist fromm und unfromm zugleich und betet eifrig und fleissig, aber glaubenslos. Der Mann mit der doppelten Seele, sagt ihm Jakobus, kommt in allen seinen Wegen nicht zur Ruh.

Jakobus öffnet uns in diesen ersten Sprüchen den Weg in die Höhe und richtet die Gebeugten auf. Er zeigt uns, wie aus der Versuchung die Freude wird und wie die uns fehlende Weisheit uns gegeben wird. Darum spricht er noch von einer andern grossen Schwierigkeit in unserm Leben, die manchen schwer bedrückt. Auch über diese hilft er uns zum Sieg. Der eine ist ein geringer Bruder, der andere ein reicher Mann. An beide tritt dadurch eine Versuchung heran. Beiden gibt Jakobus den heilsamen Rat.

Die Judenschaft war schon damals nach ihrer äusseren Lage durch schroffe Gegensätze zerteilt. Glänzender Reichtum und vollständige Armut standen grell nebeneinander, und das Geld gab der Synagoge grosse Macht.

Soll nun der geringe Bruder, dem der Vorteil und die Ehre des Reichtums fehlt, sich dadurch bedrücken lassen? Er rühme sich seiner Höhe, V. 9. Er soll sich für hochgestellt und reich begabt achten und sein Herz deshalb durchdringen lassen mit warmer Freude und dankbarem Sinn. Nicht zur Klage und zum Murren, sondern zum Dank und zum Ruhm hat er Grund, weil er trotz seiner Niedrigkeit dennoch hoch erhoben ist.

Denn auch über ihm, dem geringen Mann, steht Gottes Gnade, und seine ewigen Gaben sind ihm verliehen. Darum soll er seinen Trost nicht darin suchen, dass er sich unzufrieden seiner Armut schämt und nach Reichtum trachtet, sondern soll das für seine Ehre und seinen Vorzug achten, dass Gott auch ihm, dem armen Mann, seine Gnade offen hält und ewiges Leben gibt.

Und der Reiche? Soll er sich hoffärtig seines Reichtums wegen überheben, oder soll er erschrecken und seinen Reichtum verwünschen als ein verderbliches Geschenk? Auch ihn heisst Jakobus sich rühmen und eines dankbaren und freudigen Sinnes sein, aber nicht deshalb, weil er reich ist und den Glanz und die Macht des Geldes besitzt, sondern: der Reiche rühme sich deswegen, weil er niedrig wird, dass alle diese Güter vergänglich sind und von ihm abfallen und er aus seiner Höhe heruntersinkt zu den niedrigen hinab; das soll ihn nicht ängstigen und bekümmert machen, darin soll er seinen Ruhm suchen, das soll ihn mit Zuversicht erfüllen und mit hohem Sinn.

Jakobus spricht gegen aller Menschen Gedanken. Wie soll ein Reicher sich daran freuen, dass er aus seiner Höhe herunterfällt? Wenn er kein anderes Gut hätte, als das, welches ihm genommen wird, müsste er über seinen Verlust freilich jammern. Aber ob er auch niedrig wird und seine Schätze ihn verlassen, so bleibt ihm das, was Jakobus allein in Ehren hält: Gott verliert er nicht. Was er aber an Gott hat und wie das Ewige grösser ist als das Irdische, und der Geist mehr als das Fleisch, das sieht er gerade dadurch, dass ihm sein Reichtum verloren geht ohne Schaden, ohne dass sein wahrhaftiges Erbe sich dadurch schmälert. Darum soll er nicht mit Grauen an den Tag denken, da er sein Geld nicht mehr hat, sondern soll sich vielmehr freuen, dass er das alles verlieren kann und doch nichts verliert, weil er Gottes Kind und Erbe bleibt.

Jakobus will die Reichen und Armen beide erheben über die Gefangenheit in dem, was vor Augen liegt. Dem Armen sagt er: was trachtest du nach dem, was der Reiche hat? Sieh, wie reich du eben als Armer bist! Dem Reichen sagt er: auch du wirst ein armer Mann; dein Reichtum fällt von dir ab und dass er dahinfallen kann, ohne dass es dir Schaden bringt, das eben ist’s, was dich freuen und mit Zuversicht erfüllen soll. Jakobus macht die Reichen und Armen einträchtig im selben Ruhm, dessen Grund höher liegt, als im äusserlichen Gut.

Weil aber der Reichtum mit seinem Glanz das Auge blendet, so dass es uns scheint, nicht dadurch, dass wir ihn verlieren, sondern dadurch, dass wir ihn haben, seien wir gross, stellt uns Jakobus in einem Gleichnis dar, was aus dem Reichen wird. Wenn der Sommer vergangen und der Regen gekommen ist, dann sprosst im Morgenland ein an glänzenden Blumen reicher Rasen auf. Aber dieser Schmuck des Bodens ist vergänglich. Die Sonne kehrt wieder mit ihrer Hitze, unterstützt von den heissen Ostwinden, und die ganze Pracht verschwindet wieder rasch. In ein ähnliches Bild hat schon der Prophet die Nichtigkeit alles Fleisches auch in seiner höchsten Macht und Kunst gefasst, Jes. 50,3. Der Reiche entzieht sich durch den Schmuck und Glanz, den er seinem Leben zu verleihen vermag, der Nichtigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Wesens nicht. Er wird verwelken auf seinen Wanderungen, V. 11. Sein Geld gibt ihm die Mittel zu mancherlei Unternehmungen. Er zieht hin und her des Handels oder des Vergnügens wegen, und weil dieses alles mit Gepränge vor sich geht, zieht es die Augen auf sich. Er ist nicht an die Scholle gebunden wie der Arme. Aber er vermag mit all dem sich nicht vor dem Verwelken zu schützen. Er bleibt allen anderen darin gleich, dass er wie sie vergeht.

Jakobus benützt nur die erste nächstliegende Wahrheit, um uns vor der Knechtschaft unter das Geld freizumachen. Er gibt damit den Grund zu jenem Ruhm, zu welchem er reich und arm aufgefordert hat, noch nicht völlig an. Wüsste der Reiche nur das, dass er abdorrt und sich mit seinem Gelde nicht helfen kann, wie wollte er sich dessen rühmen, dass er erniedrigt wird? Und auch der Arme hat damit noch keinen Grund zum Ruhm. Auch er gleicht der Blume des Grases. Der Ruhm entspringt daraus, dass über dieser Nichtigkeit für uns ein Reich höherer Güter steht, wo der „Kranz des Lebens“ empfangen wird, von welchem das folgende Wort redet. Jakobus macht mit diesem ersten Spruch zunächst die Bahn frei zu jenem Ruhm, zu welchem er uns anleitet. Er führt einen Schlag gegen den Aberglauben, der das Geld verehrt, damit der Glaube entstehe, der sich Gottes freut. Diese andeutende Weise, welche verlangt, dass wir mit eigenem Nachdenken die Bahn weiter verfolgen, auf welche der Brief uns stellt, ist den Sprüchen eigen, in welchen Jakobus nach dem Vorbild alttestamentlicher Bücher zu Israel spricht.

Der irdischen Luft mit ihrem traurigen Ende stellt er den andern Weg gegenüber, der sowohl in seinem Anfang als in seinem Ende jener völlig entgegengesetzt ist. Am Anfang steht nicht das Geniessen und Behagen des Reichtums, sondern die Versuchung mit ihrer Gefährlichkeit, ihrem Kampf und ihrer Bitterkeit. Dennoch, wer die Versuchung erträgt, sich derselben unterzieht und in derselben aufrecht bleibt, dem gilt: selig ist er! denn in der Erprobung empfängt er die Bewährung und darauf den Kranz des Lebens, V. 12. Leben, nicht verwelken, ist das Ende dieses Weges. In dieses eine Wort fasst Jakobus Gottes ganze Zusage. So lange wir noch der Blume des Grases gleichen, ist das Leben für uns noch nicht erschienen. Jakobus hat es vor sich als unsere Hoffnung. Als Kranz, als Zeichen und Lohn des Siegs, wird das Leben denen geschenkt, die Gott lieben. Auch das steht wieder in bestimmtem Gegensatz zum vorangehenden Spruch. Wer sich durch das Geld blenden lässt, schätzt und ehrt andere Dinge mehr als Gott. Wer aber Gott wert hält und höher achtet als alles übrige, der hat Gottes Versprechen und Zusage für sich, dass er leben wird. Würden wir Jakobus fragen: wo hat Gott versprochen, dass wir leben werden, dann würde er auf Christi Auferstehung hinzeigen, welche die Zusage Gottes in sich schliesst, dass leben soll, wer ihn in Ehren hält.

Nun ist das erste Gebot des Briefes vollends deutlich geworden, und wir sehen, warum Jakobus jeden Kampf und jedes Opfer für lauter Freude halten kann. Er hat zuerst an die kräftigende Wirkung erinnert, welche die Versuchung auf unsern inwendigen Menschen ausübt. Nun lässt er unsern Blick noch weiter reichen zu dem, was die Zukunft für uns aufbewahrt, und zeigt uns dort den Aufgang des wahrhaftigen Lebens. Dasselbe ist der Kranz, dem Jakobus uns entgegengehen heisst, und um seinetwillen wird unser ganzes irdisches Leben ein Freudentag. Jakobus hat bisher mit gläubigem Mut von der Versuchung gesprochen, als wohl zu ertragen und zu besiegen. Er fügt noch ein Wort bei, das uns vor Versündigungen bei derselben behüten und uns zum Siege helfen soll. Die schweren Zeiten, in denen wir uns erproben müssen, werden uns dann gefährlich, wenn uns der helle, reine Blick zu Gott verloren geht, und Murren und Unwille gegen ihn in uns entsteht. Es scheint uns leicht, Gott sei unser Widersacher, der uns die Steine in der Weg lege, über die wir straucheln, und unsern Gang uns schwer und gefährlich mache, umringt von vielen Reizungen zum Bösen. Ein solcher Vorwurf gegen Gott ist des Glaubens Gegenteil. Wenn er sich im Herzen festsetzt, ist die Versuchung nicht mehr Freude und führt auch nicht zur Bewährung, sondern zur Entheiligung des göttlichen Namens. Jakobus erinnert uns zuerst an Gottes heilige Art, die von allem Bösen völlig geschieden ist. Wer andere zum Bösen reizt, ist selbst demselben zugänglich. Gott wird aber nicht versucht, noch versucht er selbst seine Geschöpfe, V. 13. Wird uns der Blick zu Gott dunkel, dann wird unser Auge auch für das blind, was in uns geschieht. Wir beschuldigen Gott und entschuldigen uns, schelten Gott als unsern Feind, und loben und pflegen den wirklichen Feind, der uns ums Leben bringt. Unser Widersacher, durch den wir fallen und sterben, ist unsere eigene Begier, V. 14.

Sie hebt sich empor vor unserm innern Auge als lockende Macht, die und einen Köder hinhält. Das ist der versuchliche, der entscheidungsreiche Augenblick. Die Lust ist unsre eigne Lust und doch in gewissem Sinne uns noch fremd, noch nicht umschlossen von unserm Willen und aufgenommen in den Kern unsrer Person. Sie steht vor uns als ein Gebilde, das wir selbst hervorgebracht haben, nun aber beschauen, ob wir’s billigen oder verwerfen, ob wir’s an uns ziehen oder wegstossen. Lassen wir uns von der Lust erfassen, dass wir unsern Willen an sie hingeben, dann empfängt sie. Sie wird befruchtet und dadurch kräftig und wirksam gemacht und ihr Erzeugnis ist die Sünde.

Die Begier, die sich erst in unserm Auge spiegelt als lockende Macht, heisst Jakobus hier noch nicht Sünde, obwohl auch sie nicht unschuldig und rein, sondern der böse Ausfluss unsrer verdorbenen Art ist. Aber mit dem Wort Sünde nennt er hier das, was unsre eigene persönliche Tat ist. Die Verfehlungen, welche uns als eigne Schuld zugemessen werden müssen, entspringen daraus, dass wir mit unsrer Begier eins werden und unsern Willen mit ihr verschmelzen, wodurch wir ihr Kraft und Wirksamkeit verleihen. Die Sünde wird nun die Mutter einer neuen Frucht. Aus ihr erwächst, wenn sie vollendet ist, der Tod. V. 15. Begier, Sünde, Tod, das ist die Reihe von Wirkungen, die wir selbst hervorbringen. Das sind nicht Gottes Werke, sondern unsre eignen Schöpfungen.

Anderwärts wird im Neuen Testament, namentlich durch Paulus, betont, dass wir mit unserm Fall und unsern Sünden der Macht Gottes nicht entrinnen, dass seine Hand uns hält und formt auch bei unserm Sündigen, dass sein Gericht unser Herz verhärtet, wenn wir ihm widerstehen und uns dahingibt in die Gewalt unserer Begierden, vgl. Röm. 1, 23; 9, 18.

Beide Sätze der Schrift müssen zusammengefasst werden und zusammen in unserm Herzen leben.

Es ist wichtig, dass wir nichts in unserem Leben von Gottes Regierung und Wirkung ausnehmen, auch unsere Sünde nicht, mit all der Zerrüttung, die sich aus ihr ergibt. Wir haben in Blick auf dieselbe den Ernst Gottes in Furcht und Beugung zu ehren, welcher uns unserer Bosheit anheim gibt, dass wir sie haben müssen. Darum wird auch in der Bibel gesagt, dass Gott den Menschen in die Versuchungen hineinleite, weshalb uns Jesus beten heisst: führe uns nicht in Versuchung! Aber ebenso wichtig ist, dass wir, wenn wir den richterlichen Ernst Gottes anschauen, keine Flecken auf ihn werfen, sondern ihn in Geschiedenheit von allem Bösen heilig halten. Und darauf dringt Jakobus. Mit dem Bösen, welches wir in uns haben, hat Gott nichts gemein. Keine Fügung unsres Lebens wäre für uns versuchlich, wenn nicht unsre eigene Begier sich an derselben entzündete. Immer kommt das Böse aus uns selbst, aus unsrer eigenen Luft, der wir Raum und Macht über uns verstatten, und unsre Anklage und Beschuldigung kann sich nur gegen uns selber kehren und niemals gegen Gott. Geht nicht irre, meine geliebten Brüder, warnt Jakobus. Er legt auf diesen Punkt ein besonderes Gewicht. Es liegt ihm daran, dass wir nicht Gott anklagen und uns rühmen, sondern über uns klagen und Gott preisen.

Israel war sehr bereit, über Gott zu klagen. Es war ein mürrischer Sinn ins Volk gekommen, wozu seine Gesetzeslehrer es verleitet haben. Es achtete sich selbst für fromm, und tat nach seiner Meinung seine Schuldigkeit gegen Gott reichlich; aber Gott tat die seinige nicht. Er machte seinem Volk den Weg schwer, stellte harte Anforderungen an dasselbe, half ihm nicht in seinen Nöten und war schuld, dass es mit Israel nicht besser stand. Geht nicht irre, Brüder, warnt Jakobus, jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, V. 17.

Gottes Gaben zeigen uns, wie er sich zu uns stellt und was wir von ihm erwarten dürfen. Sie sind gut und vollkommen. Gott gibt nichts halbes mit einer verkürzten Güte, die erlahmt, ehe sie ihr Werk zum Ziele bringt. Alles Gute und Vollkommene ist durch ihn uns geschenkt. Wir kehren dagegen die Wahrheit um: am Bösen soll Gott schuld sein, vom Guten legen wir uns selbst die Verdienste bei. Jakobus zeigt uns den wahren Gott, den Geber jeder guten Gabe. Für alles Gute heisst er uns aufwärts blicken und danken, bei allem Bösen einwärts sehen und uns selbst beschuldigen. So teilen wir richtig zwischen dem, was uns zugehört, und dem, was Gottes ist.

Von oben kommt es herab, vom Vater der Lichter. Die Lichter am Himmel braucht er zum Zeichen der Herrlichkeit Gottes, aber auch nur zum Zeichen derselben. Von diesen sichtbaren Lichtern, die den Tag und die Nacht regieren, steigt sein Gedanke zu den unsichtbaren „Lichtern“ empor, die Gottes Thron umgeben, zu den reinen herrlichen Geistern, in denen Gottes Herrlichkeit in ihrer höchsten Fülle erscheint und sein Licht offenbar wird. Darum nennt er ihn den Vater der Lichter, nicht nur ihr Schöpfer. Denn diese Lichter sind voll Leben und Gottes Verhältnis zu ihnen ist väterlich. Sie tun in der Herrlichkeit ihres Wesens kund, was Gott gibt, wie nur Gutes und Vollkommenes von ihm ausgeht und Böses nicht zu seinen Werken zählt. Der Gott, der den Himmel geschaffen hat mit der Fülle seiner Lichter, schafft auch auf Erden nicht Finsternis, Sünde und Tod.

Denn er wandelt sich nicht: bei welchem keine Veränderung ist und kein Schatten, als drehte er sich. Auch dieses Wort schliesst sich an das Himmelsgewölbe mit seinen Lichtern an und hält uns vor, wie der sichtbare Himmel noch weit zurückbleibt hinter Gottes Grösse, und seine Herrlichkeit nur in schwachem Abbild sichtbar macht. Am sichtbaren Himmel ändert es sich: seine Lichter gehen auf und unter, sie wenden sich und treten dadurch in den Schatten. Das alles hat keine Ähnlichkeit in Gott. „Er ist Licht und ist keine Finsternis in ihm“, Joh. 1, 5 und aus diesem ungetrübtem Glanze strömen uns die guten und vollkommenen Gaben ohne Wechsel zu.

Wir haben an uns selbst Gottes Güte erfahren. Denn er ist nicht nur der Vater der himmlischen Lichter, sondern ist auch uns zum Vater geworden, da er uns, weil er wollte, durch das Wort der Wahrheit geboren hat, V. 18. Wir haben das Leben von ihm empfangen; er hat es uns eingepflanzt, hat es gepflegt und geregelt und behütet, bis es Kraft und Bestand in uns gewann, so dass wir seine Kinder sind, die er für seine Gemeinschaft geschaffen hat. Das gab uns noch nicht die natürliche Geburt, sondern eine neue höhere Lebensmacht, das Wort der Wahrheit, das Gott in uns hineinlegte, damit es uns bewege und regiere und die Wurzel unsres Denkens und Wollens sei. Dieses Wort, das in uns lebt, das stammt von oben; das ist etwas Göttliches in uns, und macht uns zu Gottes Bild und ist das lebendige Band der Gemeinschaft, wodurch wir seine Kinder sind. Dieses Wort ist unser Leben; das ist das, was uns vor Gott in Ewigkeit lebendig macht.

Wie kam’s zu uns? Gott wollte es so. Es ist seine eigene Gabe allein, die uns das verliehen hat. Wir haben uns das Wort nicht selbst erworben; es kommt zu uns, fasst uns, geht ein in uns und füllt unser Herz. Gott selbst sendet es nach seinem eigenen gnädigen Willen. Und wir können ihm nur danken und uns anbetend vor seiner Güte beugen, die uns zum Besitz seines Worts bestimmt und bereitet hat.

Oben hat uns Jakobus gesagt: der Kranz des Lebens ist euch verheissen; hier sagt er uns: nicht erst dereinst im Himmelreich werdet ihr das Leben haben; ihr habt es aus Gott empfangen; es ist schon jetzt euer Eigentum. Denn ihr habt das Wort, und wo das Wort ist, ist Leben. Wer das Wort der Wahrheit in sich hat, verdirbt nimmermehr.

Ein Wort der Wahrheit hat schon Israel gehabt, das ihm den wahrhaftigen Gott verkündigte und seinen Willen in Wahrheit auslegte. Wen dieses Wort zur Liebe führte, von dem hat auch Jesus gesagt, dass er ein Kind Gottes geworden sei, Mat. 5, 45. Nun ist aber Israel das göttliche Wort nochmals durch Jesus und seine Boten verkündigt worden, und das echte Israel, welches ein offenes Ohr für Gottes Wort besass, hatte es aufgenommen. Da kann Jakobus vollends mit tiefer Verwunderung über Gottes herrliche Güte ausrufen: durch das Wort der Wahrheit hat er uns geboren nach seinem Willen.

Dadurch sind wir über die ganze Welt erhöht. Gott hat uns zu seinen Kindern gemacht, damit wir etwelche Erstlingsfrucht aus seinen Geschöpfen seien. Auch was nur Geschöpf ist, ist dazu gebildet, damit es ein Zeugnis seiner Güte und ein Spiegel seiner Herrlichkeit sei. Gottes Kinder sind aber unter seinen Geschöpfen die Erstlinge. Wie auf der Feldflur Israels die erste Frucht für Gott reif ward, und auf den Altar gebracht wurde, so hat sich Gott unter allen Werken seiner Schöpfermacht seine Kinder ausgesondert, dass sie ihm gehören, ihm dienen, ihm geheiligt seien als das Volk seines Eigentums. Das ist die Würde und Ehre der Gemeinde Gottes in der Welt; sie ist gleichsam die erste Frucht, die auf Gottes Acker für ihn reif geworden ist.

Es liegt eine weite, reiche Hoffnung in diesem Wort. Jakobus schaut aufs Himmelreich hinaus, wo nicht nur der Kreis derer, die das Wort der Wahrheit kennen, sondern auch die Schöpfung zur Freiheit und Herrlichkeit gelangt. Was für diese noch ein fernes Ziel ist, ist für uns in gewissem Mass schon Gegenwart geworden. Wir kennen Gott, haben ihn zum Vater, haben seine Gabe in uns, und sind zum Leben gekommen. Wir sind nicht mehr nur auf die Hoffnung gestellt, sondern haben im Wort eine vollkommene Gabe von oben bei uns. Wo bleibt da das Murren gegen Gott?

Der Christenweg öffnet sich durch diese Worte hoch und gross vor uns: wir dürfen die Versuchung willkommen heissen, da wir durch sie bewährt werden; Gottes Leitung ist bei uns, wenn wir mit gläubigem Bitten Weisheit suchen; weder die Armut noch der Reichtum kann uns verwirren, denn unser Ruhm entspringt nicht aus seinem Besitz, und wird durch seinen Verlust nicht zerstört; Gott steht als der gute Hirte in Vollkommenheit vor uns; gegen ihn haben wir keine Klage im Herzen; wohl aber kennen und richten wir die Verderblichkeit unsrer eignen Begier; mit dem Wort der Wahrheit kehrt aber Gottes Leben bei uns ein und wir stehn vor dem unausdenklichen Geheimnis, dass wir Gottes Kinder sind. So reich ist das Evangelium von Gottes Gnade in unserm Brief.

Kap. 1,19-27: Wie man das Wort hören soll

Während uns im Wort Gottes grösste Gabe verliehen ist, weil wir mit demselben durch Gott lebendig und ihm geheiligt werden, schätzen wir das Wort gering und verfehlen uns mannigfach an ihm. Darum gibt uns Jakobus Anleitung, wie wir dasselbe hören sollen. Das erste Übel ist, dass wir zum Hören träg und unwillig sind und statt zu hören selbst reden und mit unserm Gerede das Wort begraben, oder uns gegen dasselbe zornig erregen und es wegwerfen. Darum ermahnt er: jeder Mensch sei rasch zum hören, langsam zum reden, langsam zum Zorn, V. 19.

Dieser Spruch ist eine gute Regel für jede Lage, in die wir kommen, auch für den Umgang mit den Menschen. Doch hat Jakobus zunächst das im Auge, wie wir das göttliche Wort behandeln. Ob dem Geräusch unseres vielen Redens verlieren wir die aufmerksame Achtsamkeit auf das, was das Wort uns in unsrer besonderen Lage zu sagen hat. Es ist eine ernste Aufgabe, die unser ganzes Christenleben füllt, dass wir ermessen, was das göttliche Wort uns zeigen und geben will. Aber wir sind rasch fertig mit dem Hören, sind alsbald klug und weise, und fahren mit unserm eigenen Reden los und das göttliche Wort wird begraben unter unserm Geschwätz. Wenn Jakobus in der Synagoge Worte der Wahrheit sprach, da gab’s alsbald einen grossen Lärm, und die Disputation begann mit ihrem Streit für uns wider das Wort und das Wort blieb ungehört. In derselben Gefahr steht auch jede christliche Gemeinde. Jeder sagt seine Meinung, verficht seine Überzeugung und gibt seinen Rat; damit wird zugedeckt, was das göttliche Wort bedeutet und der göttliche Wille verlangt.

Und zugleich mit dem Gerede entbrennt der Zorn. Das Wort trifft mit seiner beugenden und reinigenden Kraft den Menschen inwendig. Er hört es nur, wenn er in die Demut tritt und sich weisen lässt. Entbrennt er zum Zorn, so hat er kein Ohr mehr. Der Zornige ist voll von seinem eigenen Recht und seiner eigenen Stärke, und nimmt das Wort nicht mehr an. Allein des Mannes Zorn vollbringt nicht Gerechtigkeit Gottes, V. 20. Als der Verteidiger und Schirmer des Rechts erhebt sich der Zornige in seinem Eifer und eilt zur Tat, die grosse Folgen haben kann. Aber was er anrichtet, ist nicht Gerechtigkeit. Er selber meint zwar, er habe Recht und das was er tut, sei Gerechtigkeit, aber es ist nicht Gerechtigkeit Gottes, die es in Gottes Augen wäre, wie sie Gott ordnet, hat und will. Der Mann fährt in seinem Zorn seinen eigenen Weg, nicht Gottes Weg, tut seinen eigenen Willen, nicht Gottes Willen; und wenn er aus seinem Zorn erwacht, muss er sich gestehn, dass er selber Unrecht tat. Er fühlt sich dabei als Mann und bäumt sich auf in männlichem Stolz; Jakobus aber heisst uns aufwärts blicken zur Gerechtigkeit Gottes. Nur wer ihr dient und so handelt, dass das, was vor Gott recht ist, daraus entsteht, langt nicht zuletzt bei der Scham und Reue an. Dazu führt uns aber nicht der Zorn, sondern das stille Hören des Worts.

Wie uns Jakobus hier mahnt, dass wir die Gerechtigkeit Gottes vollbringen, so hat uns Jesus gesagt, dass wir vor allem das Reich und die Gerechtigkeit Gottes suchen sollen, Mat. 6, 33.

Darum, weil der Zorn euch mit Gott in Zwiespalt bringt, nehmt das Wort mit Sanftmut an, V. 21, mit jenem gelassenen Sinn, der das helle Licht der Wahrheit auch mit ihrer strafenden Kraft erträgt, und die Eigenliebe und Eitelkeit opfert. Er heisst das Wort das eingepflanzte und ermuntert uns dadurch es aufzunehmen, weil es uns nahe und fasslich ist. Das Wort kommt zu uns nicht durch unser Verdienst. Gott hat es uns gebracht, nicht nur an unser Ohr, sondern auch in unser Herz, dass es uns ergriffen hat mit der Macht seiner Wahrheit und Heilsamkeit. Aber nun gilt’s, das Wort, das uns ergriffen hat, auch unsrerseits zu ergreifen; sonst ist es zwar durch Gottes Gnade in uns, aber gegen unsern Willen, und bleibt hinausgedrängt aus dem Kern unsres Lebens. Nehmen wir’s an, so haben wir selbst es als unsern völligen Besitz.

Wie unsre eigene Begier vor uns erscheint und uns lockt, dass wir sie bei uns aufnehmen, so steht auch das von Gott uns eingepflanzte Wort vor uns und spricht zu uns, damit wir es bei uns einlassen. Weisen wir es ab, dann entsteht das geteilte Herz und die doppelte Seele, wie sie Jakobus 1, 6 beschrieben hat, welche die Wahrheit umsonst besitzt.

Was er zu Aufnahme des göttlichen Worts bedarf, sagen die Worte: als die da abgetan haben allen Schmutz und Zulass der Bosheit. Wir haben inwendig etwas ähnliches nötig wie das, was unser Leib täglich wieder bedarf. Es hängt sich auch inwendig im Lauf des Lebens Schmutz an uns, der ebenso ernstlich abgetan werden muss, wie das, was sich unserm Leib anhängt. Einen Zusatz, etwas überschüssiges und unnötiges nennt er die Bosheit, weil sie etwas eingedrungenes und fremdes in unserm Wesen ist. Wir verlieren durch ihre Entfernung nichts und werden dadurch nicht verkürzt, sondern tun bloss etwas überschüssiges ab, was uns sehr entbehrlich ist.

Dafür nehmen wir mit dem Wort den Retter unsrer Seelen in uns auf. Von der Seele spricht Jakobus als vom Herd und Ort des Lebens. Sie trifft der Tod mit seiner zerstörenden Macht und in ihr blüht wiederum das Leben auf. Weil unser Weg zwischen Tod und Leben durchgeht und sich nach beiden Seiten hin wenden kann, darum bedarf unsre Seele eines Retters; und er ist für uns erschienen mit dem Wort, welches uns Leben bringt und uns in Gottes Reich erhebt.

Auch Jakobus spricht mit der ganzen Schrift: glaube nur. Denn wo Gottes Wort ist, da ist die Errettung der Seele ins ewige Leben; das Wort wird aber durch Glauben erfasst. Wir sind aber noch nicht die rechten Hörer, wenn wir bloss Hörer sind. Erst der Täter gibt dem Wort, was ihm gebührt, V. 22.

Nachdem Jakobus dem Wort den höchsten Preis gegeben und uns zum Hören gemahnt hat als zum Mittel, wodurch wir unsre Seelen retten, kann niemand mehr zur Geringschätzung des Worts bewogen werden, wenn er nun von der Tat spricht und von ihrer heiligen Notwendigkeit. Vielmehr deswegen, damit das Wort nicht von uns verachtet und verworfen werde, sondern sein Ziel in uns erreiche und seine Frucht in uns schaffe, deswegen lässt er uns nicht mit unserm Hören zufrieden sein.

Er heisst es einen Selbstbetrug, wenn wir uns gefallen in unserem Hören und uns deswegen fromm dünken und doch das Wort nicht tun. So hat uns auch Jesus diesen Selbstbetrug dargestellt im Bilde jenes Toren, der ein Haus zu haben meinte, während es ihm doch in der Wasserflut zusammenbrach, weil er es auf Sand gesetzt hatte, Mat. 7, 26. Das Wort, das wir hören, ist freilich für uns die grösste Gabe; es ist von Gott, ist Wahrheit, ist Leben. Allein das alles haben wir nur dann, wenn wir ihm mit redlichem Gehorsam untertan werden. Sonst macht uns das Wort schuldig und wird gegen uns zur Anklage, weil wir’s gekannt und ihm doch widerstrebt und es verachtet haben. Würden wir es ehren und glauben und lieben, dann täten wir’s.

Öffnen wir dem Wort nur unser Ohr, nicht mehr, dann gleichen wir dem, der einen Blick in den Spiegel wirft. Dadurch steht für einen Augenblick unsre Gestalt in heller Deutlichkeit vor uns; wenden wir uns ab, so verschwindet das Bild sofort wieder und wir können es auch in der Erinnerung nicht deutlich festhalten. Das Wort tut uns für unser inwendiges Wesen denselben Dienst, wie ihn uns der Spiegel für unser Gesicht tut, das uns angeboren ist. Es macht uns mit uns selbst bekannt und stellt uns unser Bild vor unsern Blick. Es zeigt uns, was unsre Sünde und unsre Gerechtigkeit ist, was uns fehlt und was uns durch Gottes Gnade gegeben ist. Das sollte uns doch fassen und bewegen. Aber dem, der das Wort nur hört, geht’s genau ebenso wie dem, der in den Spiegel blickt. Nur für einen Augenblick steht sein Bild vor ihm. Dann lässt er wieder alles versinken und verschwinden. Er wird durch das Wort unterwiesen, wie’s mit ihm steht, rührt sich aber stumpf und unbeweglich nicht von seinem Fleck, und handelt in der alten Verblendung über sich selbst, als ein Tor, der nicht weiss, was ihm schadet und was ihm hilft, und den man nicht aus seinem Schlaf erwecken kann.

Das Gleichnis, das uns Jakobus hier gibt, will uns nicht nur zeigen, wie flüchtig und nichtig ein solches Aufnehmen des Wortes ist, sondern uns zugleich fühlbar machen, wie widersinnig und unglaublich verkehrt eine solche Behandlung des Wortes ist. Wir vergessen uns selbst, nicht entlegene Dinge, die uns nicht ernsthaft berühren; nein, von uns selbst handelt das Wort, von unserm Tod und Leben, von unsrer Sünde und unsrer Gerechtigkeit, von unserm Gott und unserm Herrn, von dem was unsre ganze Existenz beherrscht und durchdringt. Das sollte uns doch fassen und bewegen; aber nein: wir sehen vergebens in den Spiegel, den uns Gott gegeben hat, und lassen uns in unserer Verblendung nicht stören, und verbergen uns, was wir geworden sind und was weiter aus uns werden wird.

Bei diesem Spruch des Jakobus bleibt es, auch wenn wir sehr eifrig zuhören, so eifrig, dass wir gern davon reden und gern darüber nachdenken, und unser Vergnügen darin haben, in unserm Geist das Wort zu bewegen, und es uns klar zu machen, vielleicht ein ganzes System von Erkenntnissen daraus zu bilden und dasselbe fleissig zu predigen und zu verteidigen. So sind wir immer erst Hörer, und so lange wir bloss Hörer sind, sind wir auch vergessliche Hörer. So vergessen wir das Wort gerade dann, wenn wir’s am hellsten und kräftigsten bei uns haben sollten, dann wenn wir handeln. Dann sind es andre Dinge, die uns innerlich erfüllen und unsre Begehrung erregen und unser Urteil regieren. Das Wort dagegen muss dann auf die Seite stehen, als wäre es uns unbekannt. Nur der Täter des Worts hört dasselbe wirklich so, dass er es nicht vergisst.

Wie wollen wir’s denn machen? Wer sich zum vollständigen Gesetz, das Freiheit gibt, niederbeugt, und dabei verharrt, V. 25. Im Wort ist uns unser Gesetz gegeben. Es spricht also ein heiliges, göttliches Gebot zu uns, das uns binden und führen will. Dann erst haben wir das Wort recht besehn und erfasst, wenn wir darin Gottes Gesetz erkannt haben. Wer aber im Wort das Gesetz erfasst, den führt es zum Werk.

Zwei Dinge fügt Jakobus bei: wir wollen das vollständige Gesetz ins Auge fassen, nicht nur ein Stückwerk von Geboten, das wir uns nach unserm eignen Gutdünken zurechtmachen. Er heisst uns den ganzen vollkommenen Willen Gottes anschauen; nur durch diesen finden wir das vollkommene Werk, V. 3, und werden wirklich Täter des Worts. Sodann heisst er uns Gottes Gesetz nicht fürchten, als wäre es ein lastendes Joch, da es uns vielmehr als Weg zur Freiheit gegeben ist. So lange wir das Gesetz einen harten Herrn schelten, dem wir uns nur gezwungen und widerwillig untergeben, ist unser Gehorsam nicht echt und ganz.

Jakobus schaut auf den Mangel, der Israels Gottesdienst verdarb. Es beschäftigte sich eifrig mit dem Gesetz, aber nicht mit dem vollkommenen Gesetz, sondern mit Kleinigkeiten, durch die es sich schmücken wollte, während es die Hauptsache im Gesetz zur Erde fallen liess. So wurde ihm auch das Gesetz nicht zur Pforte in die Freiheit, sondern lag als ein mühseliges Joch auf ihm, dem es sich unwillig entzog.

Kann uns das Gesetz Freiheit bereiten? Es scheint ja, als ständen das Gesetz und die Freiheit hart wider einander. Sowie aber sein Gebot von uns aufgenommen und so ins Herz geschlossen wird, dass wir’s tun, wächst uns durch dasselbe die Freiheit zu. Es wird unser eigner Trieb und Wunsch, die Lust und Freude unsrer Seele, so dass wir Gott gern und willig dienen. Und so nimmt es uns die Ketten ab, die uns sonst zur Ohnmacht binden. Dienen wir Gottes Willen mit fröhlichem Herzen, so sind wir über alle Mächte emporgehoben, die uns verderben. Sünde, Tod, Welt, Teufel, dem allem sind wir entronnen, sowie wir Gottes Gesetz untertan geworden sind. So kann uns keine Furcht mehr knechten, keine Gefahr mehr schaden. Gott ist mit uns und wir stehn als die freien Leute da.

Wer das Gesetz in seiner wahren und heilsamen Gestalt erfasst und dabei bleibt, der wird in seinem Handeln heilig sein. Denn wir gehorchen dem göttlichen Gesetz nicht umsonst. Es erwächst uns aus unsrem Gehorsam eine reiche Frucht, die macht, dass wir selig sind.

Eine und dieselbe Gnade Gottes erhört unsern Glauben und macht unser Werk zum Mittel unsrer Seligkeit. So wenig Gott uns vergeblich auf ihn trauen lässt, so wenig lässt er uns ihm vergeblich dienen. Unser Glaube bleibt nicht unerhört und unser Werk nicht unvergolten. Es ist dieselbe Gnade Gottes, die beides tut. Sie ist nicht geringer, sondern ebenso gross und gnädig, wenn sie unsre Tat mit ihren guten Gaben vergilt, als wenn sie unsrem Glauben zur Erfüllung hilft.

Paulus hält Gottes Gesetz an unsre Sünde hin; da tritt seine heilige Erhabenheit und Macht hervor. An unsrer Sünde wird es zur unüberwindlichen Mauer zwischen uns und Gott, zum Urteil, das wider uns steht, zur Waffe in der Hand der Sünde, mit der sie uns den Tod bewirkt. Jakobus hält uns auch im Gesetz Gottes Freundlichkeit vor, und zeigt es uns, wie es uns zum Dienst Gottes lockt und treibt. Da wird es unser bester Freund, unser heilsamer Führer, an dessen Hand allein die Freiheit von uns gefunden wird.

Jakobus heisst uns Gott dienen mit der Tat; dabei bedürfen wir noch einer besonderen Mahnung. In unsern Gottesdienst drängt sich viel Verderbnis ein. Wir heissen vieles „Gottesdienst“, was es gar nicht ist, und machen auch aus unserm Gottesdienst ein Mittel der Selbsttäuschung und des törichten Wahns.

Jakobus hebt einen Punkt hervor, den wir leicht übersehn und für geringfügig halten, weil er jeden Tag als unsre unaufhörliche Aufgabe wiederkehrt, während wir kindisch ans Ungewöhnliche uns hängen und dem Ausserordentlichen nachlaufen. Er erinnert an die Weise, wie wir unser Wort regieren, ob wir unsrer Zunge den Zügel angelegt haben, oder nicht, V. 26. Er kennt den unermesslichen Schaden, den der zügellose Lauf unsrer Worte stiftet, und wo immer sich eine Gemeinde bildet, die es versucht, einträchtig in herzlicher Verbindung zusammenzuleben, tritt auch diese Schwierigkeit hervor als Ursache vieler Notstände. Das ungezügelte Reden trennt die Gemüter, stiftet die Zwietracht, erregt die Begierden, verwirrt die Gewissen, und erzeugt manche Versündigung.

Wer nicht über seinen Worten wacht, betrügt sein Herz, dadurch, dass er sich dennoch in seiner Eitelkeit als fromm erscheint, während doch all die bösen giftigen Dinge, die aus seinem Reden entstehen, aus seinem Leben etwas ganz anderes machen als einen Gottesdienst. Gehört zu diesem auch die Regierung unsers Worts, dann wird er eine täglich neu uns obliegende Arbeit, mit der wir nie zu Ende kommen, und die uns niemals ein Grund zum selbstgefälligen Ruhme werden kann.

Es gibt einen Gottesdienst, an dem kein Makel haftet, so dass er Gottes Wohlgefallen hat: Für Witwen und Waisen sorgen in ihrer Not, V.27. Hier ist uns Gelegenheit gegeben, den Dienst anzubringen, den wir Gott erzeugen möchten. Wenn wir den Hilflosen die Hilfe bringen, dadurch erweisen wir uns als Gottes Diener und erstatten ihm Ehre und Dank. Mögen wir Gott opfern, was wir wollen, alle Zeit, alles Geld, das wir haben, mögen wir seine Herrlichkeit preisen in den schönsten Lobgesängen: wenn daneben die Bedrängten rat- und hilflos dem Kummer und der Entbehrung überlassen sind, so ist unser Gottesdienst bloss Einbildung.

Jakobus fügt noch ein zweites bei: wir haben auch uns selbst einen Dienst zu tun: uns selber zu bewahren, dass uns die Welt nicht befleckt. Wenn die Weise der Menschen, die Gott nicht achten, auch uns erfasst und uns ihnen gleichartig macht, und die verunreinigenden Begehrlichkeiten in uns entzündet, vielleicht unter lieblichen Namen, und doch nur in Nachahmung und unter dem Antrieb dessen, was die Welt erfüllt, auch dann ist unser Gottesdienst verlorene Müh. Das kann nicht der rechte Gottesdienst sein, bei dem wir uns selbst im Getriebe der Welt verderben.

Für die Witwen sorgen, uns selbst unbefleckt bewahren – nicht das eine oder das andere, sondern beides ist uns aufgetragen. Man hat sich oft in der Kirche in die zwei Hälften dieses Worts geteilt. Die einen leitet das erste Wort; sie treten deshalb hinaus in die Welt, und unternehmen mancherlei, was den Schwachen und Leidenden wohl tun wird. Den andern bewegt das zweite Wort, und er tritt in die Stille und hütet sein Herz, dass es sich nicht erfülle mit dem, wovon die Welt getrieben wird. Aber nicht das halbe, sondern das ganze Wort des Jakobus nennt uns unsere Aufgabe.

Dasselbe ist auch hier aus manchen Worten Jesu erwachsen. Dem Schriftgelehrten hat Jesus am Samariter gezeigt, wie man nach seinem Gesetze dient, und am Priester und Leviten, wie man Gottes Gesetz versäumt. Er hat jede Gabe auf dem Altar für wertlos erklärt, so lange uns Unrecht, das wir nicht aufhoben, vom Bruder trennt. Er hat die Sorge Israels um die Reinigkeit von der Schüssel abgezogen und nach innen gewandt zu dem, was wirklich befleckt. Jesu Wort hat Jakobus von der Heuchelei des leeren Gottesdienstes frei gemacht.

Kap. 2, 1-13: Die Christenpflicht gegen die Armen

Zwei Dinge vertragen sich nicht: Ansehen der Person und Glaube an Jesus. „Ansehen der Person“ ist ein parteiisches Verfahren, das Gunst und Ungunst ohne Recht und Grund verteilt, den einen erniedrigt, den andern erhöht, den einen hintansetzt, den andern bevorzugt, gegen die Wahrheit, nach der Willkür der eignen Lust.

Jakobus gibt uns ein Beispiel, wie er das meint. In die Versammlung kommt ein Mann, dessen Reichtum von weitem an seinen goldenen Ringen und seinem glänzenden Rocke sichtbar ist. Er wird aufs freundlichste behandelt und der bequeme Sitz wird ihm zugeteilt. Es kommt ein andrer, dessen schmutziges Kleid ihn als arm kennzeichnet. Er kann stehen oder sich „unten an meiner Fussbank“ auf den Boden setzen. Der Redende verlässt eines solchen Menschen wegen seinen Sessel nicht; mag er nicht stehen, so ist der Boden für ihn gut genug. Warum wird ein solcher Unterschied zwischen beiden gemacht? Nur darum, weil der eine reich ist, und der andere arm. Das heisst Jakobus Ansehen der Person üben in ungerechter Parteilichkeit und sagt, dass dies sich mit dem Glauben an Jesus nicht vertrage.

Er wendet sich hier an die, welche an Jesus glauben. Sie haben den Beruf, die böse Kluft, die Reich und Arm trennt, zu überwinden, und den Armen zu ehren wie den Reichen, eben weil sie an unsern Herrn Jesus, den Christus der Herrlichkeit, glauben. Sie kennen also eine andere Herrlichkeit, als die, welche der Reiche an seinen Kleidern zur Schau trägt, die, welche Gott Jesus gab. Wer diese Herrlichkeit kennt und auf sie hofft, der kann sich nicht mehr vor dem Reichen bücken, als wäre das Geld das höchste Gut, und kann den Armen nicht mehr verachten und misshandeln, als wäre ein Mensch ohne Geld ein ehrloses Wesen. Die Herrlichkeit, die Christus hat, fällt dem Reichen nicht um seines Geldes willen zu, noch geht sie dem Armen verloren wegen seines schlechten Rocks.

Wenn nun dennoch der Rock und das Geld den Wert der Menschen für uns bestimmt, seid ihr dann nicht, fragt Jakobus, bei euch selbst zerspalten und Richter geworden, die von bösen Erwägungen geleitet sind? V. 4. Wir kommen dadurch mit uns selbst in Widerspruch, und verlassen den Ort, an welchen uns der Glaube an Christus stellt. Wir verehren an Christo die himmlische Herrlichkeit und setzen unser Leben in das, was Christus gibt, und dennoch ist der Massstab, an dem wir die Menschen messen, ein ganz andrer und teilt die Ehre und Schande aus, als gäbe es keinen Gott, der Jesum, welcher kein Geld besass, zu seinem Thron erhöht und zum Herrn über alles gesetzt hat.

Jakobus dringt überall auf das eine, dass wir kein geteiltes Herz haben, dass unser Glaube Ernst sei und uns in allem, was wir tun, leite und erfülle, dass wir nicht hin- und herschwanken, jetzt die Herrlichkeit Christi und dann den goldenen Ring verehren, jetzt die Armen als mit Gottes Evangelium begnadigt rühmen und dann sie hintansetzen, als wäre jede Erniedrigung ihnen gegenüber erlaubt. Dass wir Ernst machen mit dem, was wir im Glauben erkannt und ergriffen haben, das macht uns zu Tätern des Worts und ist jenes Werk, ohne welches unser Glaube eine Lüge ist und ein totes Ding.

Wie in solch’ hartem Übermut gegen die Armen eine Verleugnung Christi und seiner Herrlichkeit liegt, zu der wir uns doch mit dem Munde bekennen, so liegt auch ein Unrecht gegen die Menschen darin. Wir machen uns dadurch zu Richtern über sie, die ihren Wert bestimmen und ihre Ehre ihnen zuteilen. Aber unser Urteil stammt so nicht aus der Wahrheit und aus gerechten Gründen, sondern aus bösen Gedanken her. Wir entlehnen den Massstab, den wir dabei brauchen, unsrer trüben verkehrten Begier.

Nicht dazu leitet uns Jakobus an, dass wir die Reichen schelten und kränken zugunsten der Armen, was dasselbe böse Spiel ergäbe wie vorher, nur in umgekehrter Richtung, auch nicht dazu, dass wir die Unterschiede, die sich in der Stellung der Menschen notwendig ausbilden, künstlich verdecken und hintanhalten, was die Einfalt und Wahrheit unsres Verhaltens zerstören würde. Was Jakobus aus unserm Leben entfernen will, ist nur die unwahre Schmeichelei einerseits, die ungerechte Härte andrerseits. Es soll in unsrem Verkehr mit den Menschen sichtbar sein, dass uns Gott mehr gilt als das Geld, und es uns deshalb wichtiger ist, wie die Menschen sich zu Gott verhalten, als wie viel Geld sie haben.

Darum lenkt Jakobus unsern Blick auf die Gabe Gottes, die auf dem Armen ruht. Die für die Welt Armen, die das nicht haben, was die Welt schätzt, und darum in ihrem Urteil nur als arme Leute gelten, hat Gott erwählt, weil er ihnen seine Gabe schenkt, und dadurch hat er sie hoch erhoben und geehrt. Die Erwählung Gottes macht durch Glauben reich, V. 5. Glaube ist Reichtum, weil da, wo Glaube ist, auch Gottes Gabe kommt, weil der Glaube keine leere Hoffnung ist, sondern empfängt, was er glaubt, und Gottes Gnade mit der Fülle ihrer Herrlichkeit zu ihm herabkommen wird. Gottes Erwählung macht ferner zu Erben des Reichs, wodurch der Arme einen echten Beruf zum Herrschen hat, da ihm Gott grosses untergeben wird, weil er als Christi Knecht in der Fülle des ewigen Lebens Gottes gnädigen Willen in weitem Kreis vollstrecken darf.

Das göttliche Reich fällt auch dem Armen zu, weil es Gott denen versprochen hat, die ihn lieben. Dass wir Gott als den höchsten und besten schätzen und in Ehren halten über allem, was sonst existiert, dazu bedürfen wir kein Geld; dasselbe kann uns vielmehr hierbei ernstlich stören und uns eine andre, falsche Liebe ins Herz zaubern, welche uns den Blick zu Gott verdunkelt, als wäre das Geld mächtiger und wichtiger als Gott.

Nun wissen wir, woran Jakobus bei der „Höhe des geringen Bruders“ dachte, von welcher er 1, 9 redete. Wir sollen ihm helfen, sich derselben zu rühmen, dadurch, dass auch wir in unsrem Verkehr mit ihm Gottes Gnade ehren, welche ihm verliehen ist.

Während die Verheissung Gottes und der Glaube am Armen uns nichts gelten, übersehen wir am Reichen seine Ungerechtigkeit und seinen Streit mit Gott, als wären das unschuldige Kleinigkeiten.

Jakobus erinnert an die böse Macht, welche in den Gemeinden Israels das Geld den Reichen gab. Sie übten harten Druck und machten sich mit ihrem Geld die ganze Gemeinde dienstbar. Es war ihnen ein leichtes, auch die, welche als Richter dem Rechte helfen sollten, sich willfährig zu machen. So wurden die Gerichtshöfe das Mittel, durch welches sie jedermann in Schrecken hielten, und den, der ihnen zuwider war, vernichteten. Es wiederholte sich die Geschichte Naboths immer neu.

Sie waren zugleich die Widersacher Jesu und seiner Gemeinde, und benutzten ihre Macht zur Verfolgung derselben. Daran erinnert Jakobus hier die, über die der gute Name genannt worden ist. Das ist der Name Christi, der Gottes Evangelium in sich hat. Er wurde über ihnen angerufen im Gebet, als sie getauft wurden, und sie dürfen sich deshalb nach ihm nennen, als ihm gehörig, als seine Knechte und sein Eigentum. Aber derselbe Name, der ihre Hoffnung und ihren Rum ausmacht, wurde von jenen Reichen mit Schmach und Lästerung entehrt. Der Nazarener und sein Kreuz waren nicht nach ihrem Sinn.

Nicht dass die Glaubenden daraus Hass und Groll schöpfen sollten, ist die Meinung des Jakobus, wohl aber, dass sie aus der kriechenden niedrigen Untertänigkeit und Furcht vor den Reichen sich erheben, und es im Umgang mit ihnen kundtun, dass der Name Christi in ihren Augen in der Tat ein herrlicher Name ist, so dass, wer ihn lästert, sich selbst das Urteil spricht.

Jakobus macht hier eine der Ursachen sichtbar, um deren willen Israels Unglaube stark geworden ist und Jesus verworfen hat: es war ein Knecht des Mammons geworden. Mit demselben bösen Feind lag auch Jesu Predigt oft im Streit. Deshalb sollen die an Jesus Glaubenden sich nicht auch mit derselben Sünde beflecken, und diese Wurzel des Unglaubens immer wieder bei sich hegen, sondern mit der Tat beweisen, dass uns der gläubige Blick auf Christus von dieser Knechtschaft erlöst.

Jakobus hat der Wahrheit und Gerechtigkeit das Wort geredet; aber die Bibel stellt noch ein anderes Gebot daneben: das der Liebe. Auch der Reiche ist in das Wort eingeschlossen, dass wir unsern Nächsten lieben sollen wie uns selbst, V. 8. Sind wir ihm somit nicht jede Rücksicht, Höflichkeit und Ehrerbietung schuldig? Wenn ich ihm dienstfertig und zuvorkommend meinen eigenen Sitz einräume, und ihm jede Gefälligkeit und Ehre erweise, fordert denn nicht das Liebesgebot mich zu solchem Handeln auf?

Jakobus stimmt bei: wenn euer Verhalten, sagt er, Gehorsam ist gegen das Gebot der Liebe, dann tut ihr recht, und er heisst das Liebesgebot das königliche Gebot, dem Worte Jesu Mt. 22,40 folgend, weil es aus der Zahl der andern Gebote hervorragt wie ein König unter den andern Gliedern seines Volkes, und die andern alle unter sich befasst und ihre Anwendung bestimmt und leitet. Das Liebesgebot darf uns nie verlassen; in seinem Gehorsam bleiben wir bei jedem Schritt, und alles, was wir den andern gewähren oder versagen, hat nach seiner Regel zu geschehen.

Wenn ihr aber, fährt Jakobus fort, ungerechte Gunst erzeigt, den Reichen trotz seiner Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit hoch erhebt, den Armen trotz seines Glaubens und der Gnade Gottes tief erniedrigt, so ist das nicht Erfüllung des Liebesgebots, sondern dann vollbringt ihr Sünde. Wir dürfen uns mit unsrer feigen, unsaubern Liebe, die das Recht und die Wahrheit leugnet, nicht unter den Schirm des Liebesgebots flüchten. Diese unreine Güte und Nachgiebigkeit hat böse eigensüchtige Wurzeln und tut auch den andern nichts gutes, so sondern Schaden. Das „Ansehen der Person“ ist im Gesetz gerade so ernst verboten, als die Liebe geboten ist. Es überweist uns der Übertretung, wenn wir keine bessere Liebe haben als solche Erweisungen einer verdorbenen Gunst.

Das Wort des Jakobus trifft zusammen mit demjenigen des Paulus: Die Liebe freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sondern freut sich mit der Wahrheit, 1.Kor. 13, 6. Es bringt Ernst und Gerechtigkeit in unsre Freundlichkeit und Höflichkeit hinein. Ohne dieselben ist das Wort Liebe viel zu gross und rein für sie.

Das Evangelium und das Gesetz stehen somit einträchtig beisammen und weisen uns auf denselben Weg. Aber Israel hat es verlernt, sich vor dem Gesetz zu fürchten. Es hat es entheiligt und sich die Übertretungen desselben leicht gemacht, weil es mit seinem Eifer, das Gesetz zu halten, die Übertretungen desselben zudeckt, und meint, jener diene ihm zur reichlichen Entschuldigung. Es ist aber ein Missbrauch des Gesetzes, wenn wir mit demselben die Sünde beschönigen und rechtfertigen, statt sie zu richten und zu verwerfen. Das Gesetz ist gegen die Sünde gegeben, um sie zu treffen und zu vernichten, nicht um sie zu schützen und zu pflegen.

Jakobus heisst uns die Bedeutung des einzigen Fehltritts ermessen, V. 10. Er ist Bruch des Gesetzes. Er gibt uns das grösste zu: alle Gebote sollen wir gehalten haben; nun kommt ein einziges, das uns nicht behagt, so dass wir’s wegwerfen, und dieser eine Fall macht uns an allem schuldig. Das übertretene Gebot ist genau eben so heilig, wie das gehaltene; es ist in derselben Weise Gottes Gebot. Liegt es mir daran, Gottes Willen zu tun, so kann ich keine Auswahl aus seinen Geboten versuchen, kann nicht jenes als verbindlich, dieses als der Übertretung fähig betrachten. Wer hier ein Gebot zerreisst, bricht nicht nur dieses eine, er bricht das Gesetz, verwirft seine Gültigkeit und Heiligkeit, leugnet Gottes Recht und Macht und beginnt den Streit mit ihm.

Es ist Blindheit, wenn wir meinen: mit dem vielen Guten, welches wir vollbringen, könnten wir unser Böses entschuldigen. Es gibt für das Böse in der ganzen Welt keine Entschuldigung, am allerwenigsten in Gottes Gesetz. Dasselbe ist verdammlich und liegt als Schuld auf uns, von der uns nichts in der Welt erlösen kann. Es ist Torheit, wenn wir meinen, wir könnten die mancherlei Gebote des Gesetzes von einander trennen, und die einen halten, die andern übertreten. Für die Sünde gilt nicht: einmal ist keinmal; hier gilt umgekehrt, dass die eine Sünde unsere ganze Existenz verdirbt und all unser Gutes wertlos macht.

Dieser Ernst in der Beurteilung der Sünde verbindet alle Apostel. Wenn Paulus dem Juden bezeugt, dass er mit allen Werken des Gesetzes doch nicht gerechtfertigt werde, warum gelten dann alle Werke des Gesetzes vor Gott nichts? Weil sich neben demselben in unserm Leben die Übertretung des Gesetzes findet und alle Erfüllung des Gesetzes auch nicht eine einzige Übertretung zu decken und zu rechtfertigen vermag. Das Gute, das wir vollbringen, ist niemals eine Ermächtigung und Erlaubnis zum Sündigen. Das ist derselbe heilige Ernst, wir ihn hier Jakobus in der Zusammenfassung aller Gebote zur unteilbaren Einheit erweist.

Das Ziel, dem beide Apostel diese Wahrheit dienstbar machen, ist nach der Art ihrer Predigt verschieden. Paulus erinnert an die Folgen jeder Sünde, damit wir mit Glauben die göttliche Gnade schätzen, welche allein unsere Sünde bedeckt und allein uns rechtfertigt. Jakobus heisst uns den Ernst jeder Sünde erwägen, dass wir vorsichtig mit den Menschen umgehen und nicht in heuchlerischer Eitelkeit uns unsres Gehorsams getrösten, und daraus einen Vorwand zum Ungehorsam machen, sondern das Gesetz gehorsam ehren in seiner unverletzlichen Majestät.

So redet und so handelt, als die ihr durch das Gesetz werdet gerichtet werden, V. 12. Das ist die rechte Art, das Gesetz zu ehren, dass wir es in allen Dingen vor Augen haben in der Gewissheit, dass uns dasselbe unser Los zumessen und unsern Platz vor Gott anweisen wird. Wer wider das Gesetz ist, der wird das Gesetz wider sich haben, als eine Macht, die ihn von Gottes Reich ausschliessen wird. Wer dem Gesetz sich unterworfen hat in Aufrichtigkeit, der wird durch das Gesetz zum Leben gebracht. Jakobus wiederholt damit das Wort Jesu, das uns sagt, dass auch das kleinste Gebot, falls wir es übertreten, im Himmelreich uns um die Ehre und Grösse bringen und uns klein machen wird, Mat. 5, 19.

Eben jetzt, wo Jakobus das Gesetz als unsern Herrn beschreibt, den niemand entthronen wird, dessen Spruch mit unerschütterlicher Macht zur Geltung kommen und über unser Geschick entscheiden wird, heisst er es absichtlich nochmals das Gesetz der Freiheit. Er erweckt uns zur Furcht vor Gottes Gebot, aber es liegt ihm daran, dass diese Furcht nicht unrein und undankbar sei, als wäre das Gesetz ein harter Herr und schlimmer Druck. Das Gesetz ist uns zum festen Grund der Freiheit gegeben. Wer nach ihr begehrt, muss das Gesetz ergreifen und nicht fahren lassen, sondern es in seinem Herzen tragen. So wird es als das Gesetz der Freiheit gerade dann an uns offenbar, wenn sein Spruch und Urteil über uns ergehen wird. Dann hebt es die, die es geehrt haben, aus aller Not und Knechtschaft zur Freiheit des ewigen Lebens empor.

Wir wissen ganz genau, wenn das Gesetz wider uns stehen und uns wie eine feurige Mauer von Gottes Reich ausschliessen wird. Für die Unbarmherzigen aber hat es kein Erbarmen, V. 13. Dasselbe hat uns Jesus gesagt: Mat. 5, 7. 6, 15. 7, 1. 18, 33.

Davon ging ja die Rede aus, dass wir die Armen oft mit einer Rohheit behandeln, die völlig ausser Acht lässt, wie Gott sich zu ihnen stellt, und hieran schloss sich die Erörterung über das Liebesgebot, seinen Missbrauch und seine rechte Erfüllung an. Diese steht eben darin, dass wir barmherzig werden gegen alle, gegen Reich und Arm, und dies nicht nur in der Rührung unsres Herzens, oder in lieblichen Worten, sondern so, dass wir Barmherzigkeit tun. Dann hört das Gesetz auf, eine schreckliche Macht für uns zu sein; vielmehr darf sich die Barmherzigkeit auch im Blick auf das Gericht mit Zuversicht und Freudigkeit rühmen. Sie geht in Gottes Gericht nicht unter, sondern wird von ihm geschützt, erhöht und gekrönt.

Fragen wir nach dem Grund, welcher der Barmherzigkeit solche Macht verleiht, so liegt er darin, dass der Spruch: die Barmherzigkeit rühmt sich gegen das Gericht, zuvörderst von Gott selber ist. Gottes Barmherzigkeit wird nicht gebunden und gefangen von seinem richterlichen Eifer, der das Böse vertilgt, sondern waltet über ihm in herrlicher Freiheit und wendet das Gericht zu unsern Gunsten und macht, dass es uns nicht zum Unheil wird. Damit fällt das Gesetz nicht zur Erde, weil ja das Gesetz selbst die Barmherzigkeit als Gottes Sinn und Regel preist.

Kap. 2, 14-26: Das Wort gegen den verdorbenen Glauben

Was uns Jakobus vorgehalten hat: die Majestät des göttlichen Gesetzes, und der Ernst des Gerichts, dem wir entgegengehen, und die helle Verheissung, die der Barmherzigkeit gegeben ist, sollte die Macht haben, unsern harten Sinn zu erweichen. Allein wir stärken unsre unbarmherzige Härte durch viele Mittel, und eine der schlimmsten Täuschungen, durch die wir uns verführen und verderben, bereiten wir uns dadurch, dass wir unsern Glauben rühmen und uns seinetwegen für geborgen achten, und damit alle Willigkeit und jeden Fleiss, Gottes Willen zu tun, ersticken.

Die Judenschaft hielt sich für gläubig und rühmte sich dessen eifrig, denn sie glaubte an den einigen Gott, während die Heiden in einem törichten Wahn über Gott befangen waren. Noch mehr wurde der Glaube in der christlichen Gemeinde gepriesen, weil Jesus seine Jünger durch Glauben an sich gezogen und ihrem Glauben die ewigen Güter zugesagt hat. So hat uns auch Jakobus von der Macht und Gabe des Glaubens Grosses gesagt, dass wir uns seinetwegen an der Anfechtung freuen dürfen, dass er uns so beten lehrt, dass unser Bitten uns Gottes Gaben bringt, dass wir durch ihn reich werden und Erben des himmlischen Reichs. Noch mächtiger hat Paulus unter den Heiden den Glauben an Christus gepredigt, als die einzige Gerechtigkeit der Sünder, die aber für sie eine vollkommene Gerechtigkeit ist, weil sie uns Anteil an allem gibt, was Christus für uns erworben und geschaffen hat. Seither wurde der Glaube in der Kirche vollends hoch gerühmt und als der Weg zur Seligkeit gepriesen. Und alles Hohe, was von ihm gesagt wurde, war nicht zu hoch, wenn es mit reinem Herzen geschah, das sich in Aufrichtigkeit Gott untergeben hat. Jakobus sieht aber, wie unsre verdrehte Art sich auch hinter dem Ruhm des Glaubens hervortun kann, und denselben zu ihrer Decke macht, wodurch uns der Glaube statt zum Segen zum Verderben wird. Darum hebt er einen ernsten Kampf an gegen jene Trägheit und Bosheit, bei der wir sagen, dass wir Glauben haben, aber Werke nicht haben, und erklärt uns rundum: ein solches Bekennen und Rühmen des Glaubens nützt nichts, V. 14.

Er redet nicht gegen, sondern für den Glauben, nicht weil der Glaube nutzlos ist, vielmehr gerade dazu, damit er nicht nutzlos sei. Er hat so gut, wie alle andern Apostel, von Jesus gelernt, dass im Glauben an ihn Gottes Gnade und Reich uns offen ist. Dass unser Glaube uns wirklich solche Frucht bringe, daran ist’s ihm gelegen und er will uns den Weg zeigen, wie er uns wahrhaft zur Errettung dient. Wir berauben uns nämlich seiner Frucht, wenn wir sagen: wir haben Glauben, und uns deswegen das Werk erlassen, wenn uns der Glaube gefällt, als ein bequemer Weg, auf dem man Gott leicht und ohne Anstrengung zufrieden macht, und nun von allem Gottesdienst in der Wahrheit und Tat entbunden ist. Vermag, sagt Jakobus, der Glaube zu erretten? Und er antwortet: nein, das vermag er nimmermehr. Ein Mensch, der nichts andres als gläubig sein will, wird sich samt seinem Glauben draussen finden und Gottes Reich sich verschlossen sehn. Er macht uns an der Liebe zu den Menschen klar, wie’s mit dem Glauben an Gott steht. Wenn wir einen Armen, dem es an Nahrung und Kleidung gebricht, mit lieben, freundliche Worten abfinden, was nützt das? Gegen den Hunger und die Kälte nützt nur die Tat, die nicht nur von der Kleidung und Speise spricht, sondern sie verschafft. So wird auch der Glaube ohne das Werk zum leeren Wort.

Wir können auch an dieser Vergleichung des nutzlosen Glaubens mit der nutzlosen Liebe sehen, wie wenig Jakobus den Glauben schelten will. Jenes Wohlwollen, das an der Not der Andern Anteil nimmt, kann etwas überaus köstliches und liebliches sein; ja, es ist das Beste, was wir einander schuldig sind und geben können. Was wird aus der Wohltat, wenn kein Wohlwollen drin ist, aus der Hilfe, wenn sie nicht einem teilnehmenden Sinn entspringt, der mit dem Schmerz des andern mitleidet? Nutzlos und schädlich wird solches Wohlwollen nur dann, wenn es das Ganze ist, was wir einander gönnen und geben. Es ist uns als Antrieb und Kraft zur Tat verliehen; lassen wir es nicht hiezu ausreifen, sondern in blossem Geschwätz verklingen, dann freilich haben wir aus dem, was gross, heilig und kräftig ist, etwas hässliches und nutzloses gemacht.

Wie das Wohlwollen, so ist auch der Glaube eine im Herzen beschlossene Regung, die zunächst im Wort ihren Ausdruck hat. Wir preisen im Glauben Gottes Wahrheit und Gnade, legen uns seine Gaben bei und freuen uns der Kindschaft in seinem Haus. Das sind richtige Erkenntnisse und Empfindungen des Herzens, durch die wir sehen, wie sich Gott zu uns hält; das ist ein Licht, das uns inwendig von oben her aufgegangen ist und mit Recht unsre Zunge bewegt, dass wir von Gott und seiner Gnade reden, sie bekennen und rühmen. Sind aber, fragt Jakobus, Worte das Ganze, was darauf erwachsen soll? Darin liegt der Antrieb und die Kraft zum Werk. Wenn du zu demselben nicht willig bist, dann ist dein Glaube für sich allein tot, genauso wie jenes Mitleiden mit dem Armen, das ihn mit Worten speist, etwas totes ist, V.17.

Wie vom Leichnam jede Regung und Wirksamkeit gewichen ist, so dass er der Ohnmacht gebunden nur noch das Schattenbild des lebendigen Leibes darstellt, so ist der tote Glaube abgeschnitten von jeglicher Frucht und Kraft, unfähig, Quelle irgend einer heilsamen Wirkung und Änderung zu sein, nur ein Schattenbild von dem, was er sein könnte, wenn er Leben in sich hätte.

Jeden Glauben, wie er sei, heisst Jakobus für sich allein, wenn er vom Werk abgesondert ist, tot. Mag er noch so reich an fester Überzeugung, hellen Erkenntnissen, warmen Gefühlen sein: wollen wir Gott nur Glaube erzeigen, nichts mehr, wollen wir nichts tun, vielmehr ihm unser Werk vorenthalten, und nicht unter sein Gebot und Wort stellen, dann wird unser Glaube uns so wenig selig machen, als ein Leichnam stehen und gehen und reden kann.

Damit fällt nicht der leiseste Schatten auf die Fülle und Grösse der göttlichen Gnade. Die Spitze dieses Wortes kehrt sich lediglich gegen unsere Heuchelei, die nicht tun mag, was uns zu tun befohlen ist, und dadurch erst recht bösartig wird, weil wir unsere Trägheit und Bosheit erst noch mit dem Glauben verbinden und durch den Glauben rechtfertigen wollen und sagen: wir hätten ja Glauben, das sei genug.

Was Jakobus hier sagt, gleicht den vorangehenden Sprüchen genau. Denen, die mit den vielen Geboten Gottes, die sie erfüllt haben, ihre Sünde entschuldigen wollen, sagte er: eure ganze Erfüllung des Gesetzes ist nichts. Die eine Sünde macht euch an allem schuldig. Denen, die sich damit decken wollen, dass sie Hörer des Worts sind, hat er gesagt: ihr betrügt euch selbst; euer Hören des Worts hilft euch nichts. So sagte er auch denen, die um des Glaubens willen sündigen möchten: euer Glaube ist nichts; eure Sünde wird euch verderben mitsamt eurem Glauben. So zerstört er alle Entschuldigungen, hinter denen sich ein verdrehtes Menschenherz in seiner Sünde schützen mag.

Damit stehen wir wieder dicht bei Paulus. Wozu macht uns Gott sein unsichtbares Wesen deutlich und gewiss? Damit du, o Mensch, antwortet Paulus, ohne Entschuldigung seiest, Röm 1, 20. 2, 1. Es liegt auch Paulus daran, uns jede Decke zu entwinden, mit der wir unsre Sünde beschirmen möchten. Und weil wir auch unsern Glauben gern zur Entschuldigung für uns brauchen, nimmt uns Jakobus auch diesen Ruhm.

Wie der Jude das Gesetz Gottes in mancherlei Satzungen zerschnitt, von denen die eine gehalten, die andere nach seiner Meinung gleichzeitig übertreten werden konnte, so löste er auch das Werk und den Glauben voneinander ab, als wären’s zwei Verdienste, von denen der Mensch das Eine oder das Andre Gott zur Ehre vollbringen kann. Er dachte sich: Gott hat ein Zweifaches geboten, dass der Mensch gewisse Lehren glaube, und dass er gewisse Gebote tue. Wenn er die Wahrheiten, welche ihm die Bibel sagt, glaube, so sei das ein Stück der Frömmigkeit und Gerechtigkeit, welches Gott angenehm sei; wenn er die Werke, welche ihm vorgeschrieben sind, vollbringe, so sei das ein andres Stück der Frömmigkeit und Gerechtigkeit, das Gott ebenfalls angenehm sei. Der eine zeichne sich durch seine Werke, der andre durch seinen Glauben aus.

In dieses Stückwerk fällt unsere Frömmigkeit stets, wenn sie unser eignes Gemächte und Gebilde und die Frucht unsrer menschlichen Bemühungen und Anstrengungen ist. Menschenwerk ist Stückwerk. Wir flicken an unsern Gedanken, damit etwas Göttliches unter ihnen sei, und flicken an unsern Werken, damit einiger Dienst Gottes zustande komme. Etwas Einiges uns Ganzes entsteht auf diesem Wege nicht. Anders ist das gestaltet, was durch Gott aus dem Geiste geboren ist. Da entspringt von innen her die lebendige Begegnung, die alle Gliedmassen unsres innwendigen Menschen erfasst und tätig macht, so dass Licht in die Gedanken kommt und Glauben ins Herz, Gehorsam in den Willen und Kraft in die Tat. Da reichen Glauben und Werk einander die Hand; eins hebt und fördert das andere. Aus dem Glauben entspringt die Willigkeit zum Werk, aus dem Werk das Vermögen und die Fähigkeit zum Glauben. Solche Einheit und Vollständigkeit ist das Zeichen und Merkmal des Lebens. Leben aber fabriziert nicht der Mensch, Leben gibt Gott.

Wer Glaube und Werk voneinander trennt, und sich damit zufrieden gibt, dass er Glauben habe, dem sagt Jakobus: zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, V. 18, das kannst du nicht. Wenn du für Gott nichts tust, siehst du genau wie ein Ungläubiger aus und kein Mensch kann es dir anmerken, dass du wirklich Gott in Ehren hältst, und seine Verheissung als wahr erfassest. Worte sind doch kein Beweis dafür, dass wir glauben, am wenigsten dann, wenn das, was wir sagen, und das, was wir tun, wider einander stehen und unser Wort durch unser Werk widerlegt und als Einbildung und Unwahrheit erwiesen wird. So lange wir uns nicht ans Werk machen, ist unser Glaube ein verstecktes Geheimnis, das sich in keiner Weise sichtbar machen kann. Eben deshalb ist er etwas totes. Denn was sich nicht offenbaren kann, sondern unter einer Hülle begraben liegt, das ist tot.

Wer das Werk hat, der hat’s besser. Er kann nicht nur sein Werk vorweisen, sondern auch seinen Glauben kundmachen. Ich will dir, sagt Jakobus, aus meinen Werken den Glauben zeigen. Bei mir sieht man’s, dass ich im Glauben stehe, und was Glaube ist und vermag, dass ich Gott nicht verleugne und Gottes Güte mir teuer ist und seine Verheissungen mir höher stehen, als alles in der Welt. Der Zeuge für meinen Glauben ist die Weise, wie ich handle. Weil ich mich redlich auf Gott stütze, darum handle ich so, wie’s nur der kann, der ihn vor Augen hat und sich tragen lässt von seinem Wort und in seiner Gnade den festen Standort hat, in welchem seine Seele ruht.

Auch hier hat Jakobus Glaube und Werk in eine innige Einheit zueinander gebracht. Er dringt aufs Werk, weil ihm der Glaube ein ernstes Erlebnis ist, das unsre Seele Gott untertan macht. Darum regiert der Glaube auch den Willen und die Tat, und bewegt uns im Grunde unsrer Person, so dass unser Verlangen und Streben aus dem Glauben heraus geboren und von ihm geformt und geleitet ist. Dadurch wird unser Glaube, ob er auch zunächst im Grund des Herzens verborgen ist, offenbar.

Wie schlimm uns aber die Trennung beider verdirbt das lässt er uns an den gefallenen Geistern sehen: du glaubst, dass Gott der einige ist, V. 19. Das war die Hauptwahrheit, die Israel geschenkt worden ist, und die sein Bekenntnis bildete und seinen Vorzug vor den Heiden. Es bleibt dies auch der fruchtbare Kern aller Erkenntnis Gottes und alles wahrhaftigen Gottesdiensts. Dass Gott der einzige und unvergleichliche ist, der weder in der sichtbaren noch in der unsichtbaren Welt etwas neben sich hat, was ihm zur Seite gestellt werden könnte, das ist der Eckstein aller Zuversicht zu Gott.

Das glaubst du, und denkst deswegen, du seist fromm, und nicht ein blinder Heide, sondern Gott wohlgefällig, da du ihn nach seiner Wahrheit vor Augen hast: auch die bösen Geister glauben und beben.

Dadurch, dass wir Gottes Wahrheit besitzen, sind wir noch nicht von der bösen Region geschieden, wo das teuflische Wesen zu Hause ist. Auch dort ist Wahrheit; auch dort wird Gott nicht geleugnet, sondern in seiner heiligen Majestät unzweifelhaft gekannt. Wissen von dem, was Gott ist, lebt auch in der Hölle. Aber dort ist die Wahrheit kein Segen und keine heilsame Gabe, sondern eine richterliche Macht. Aus dem Blick auf Gott entspringt im Reich des Teufels die Höllenangst. Die Geister beben, weil sie glauben, weil sie gewiss sind, dass Gott der Einige ist, den niemand entthronen wird. So wenig vermag der Glaube für sich allein zu erretten und selig zu machen. Er kann uns im Gegenteil zur erdrückenden Last werden, zum Quell der Unseligkeit, zur Kette, die uns in die Verlorenheit hinunterzieht.

So hatte Jakobus in der Nähe Jesu den Schrei der Besessenen gehört: Jesu, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu schaffen? Mat 8, 29. Das war Glaube, Bekenntnis der Wahrheit, eine Überzeugung, die nicht nur als lockre Meinung in der Seele der Redenden lebte, sondern sie gewaltig durchdrang. Aber es war ein unfruchtbarer Glaube, der nicht selig macht.

Warum? Die Wahrheit Gottes lebt hier in der Seele und bleibt ihr dennoch fremd. Der teuflisch zerrüttete Geist hat sich vom Gehorsam der Wahrheit losgesagt. Er stellt sich gegen Gott, den er doch kennt, in Empörung und Streit. Das ist der böse Riss, der durch sein Wesen geht. Während die Wahrheit in ihm ist, weil sie Gott ihm nicht verbirgt, sondern seinen Namen ihm kundtut, ist dennoch er selber nicht in der Wahrheit, weil er sich ihr nicht untergibt. Zu solcher Zerrüttung ist’s ein Anfang, wenn wir Gott das Werk versagen. Handeln müssen wir in irgendeiner Weise, da uns das Leben dazu nötigt. Wollen wir nicht unter dem Antrieb des Glaubens ans Werk, so werden andre Triebe und Begierden unser Werk erfüllen. Was wir nicht für Gott tun, müssen wir gegen ihn tun. Dann wird aber, was wir von Gott wissen und glauben, uns lediglich zur Qual und Last, die uns erbeben macht.

Nun greift Jakobus zur Schrift. Sie hat dem Glaubenden die höchste Verheissung gegeben und uns an Abraham gezeigt, wie Gott den Glauben als Gerechtigkeit sich wohlgefallen lässt. Dennoch ist der ein leerer Mensch, der nicht einsieht, dass der Glaube von unsern Werken abgetrennt, völlig unfruchtbar und nutzlos wird. Denn gerade Abraham zeigt, wie Glaube und Werk untrennbar beisammen sind. Ihn hiess Gott seinen Sohn auf den Altar legen, V. 21. Das war eine Tat, welche die ganze Hingabe des Herzens an Gott in sich hatte. Und dadurch wurde er der vor Gott gerechtfertigte. Weil er ihm den Sohn nicht versagte, sondern sich selbst bezwang und Gott gehorsam ward bis zum höchsten Opfer, darum gab ihm Gott das Zeugnis, dass er vor ihm gerecht sei und seinen Willen getan habe und seine Gaben empfangen werde.

Die Tat Abrahams war nicht möglich ohne Glaube. Sie entsprang daraus, dass Abraham Gott über alles stellte und Gottes Güte und Macht durch nichts verdunkeln liess. So sehen wir an seinem Opfer Glaube und Werk in Eintracht, wie sie einander dienen und helfen. Du siehst, fährt deshalb Jakobus fort, dass der Glaube zusammen mit seinen Werken wirksam ward, V. 22. Nicht das allein, was er im Herzen trug als Erkenntnis Gottes und Hoffnung zu Gott und Gewissheit der göttlichen Gnade, sondern dies zusammen mit seiner Tat, das hat ihn zum Vater Israels und zum Erben der Verheissung gemacht. Hätte Abraham Gott bloss geglaubt und, als das Opfer von ihm gefordert war, sich von ihm abgewandt und ihm den Gehorsam versagt, dann wäre er von Gott nicht gerechtfertigt, sondern verworfen worden, und seine Glaube hätte seinen Ungehorsam nicht unschuldig, sondern noch schuldiger gemacht. Weil aber der Glaube mit dem Werk zusammentrat, darum empfing er Gottes Lob und Gerechtsprechung.

Da haben wir wieder denselben Mann, der uns zum Eingang des Briefes zugerufen hat: haltet es für lauter Freude, wenn ihr in die Versuchung fallet. Ebenso preist er hier Abrahams Versuchung wegen ihrer herrlichen Frucht, weil sie, dadurch dass Abraham sie bestanden hat, das Mittel der Rechtfertigung für ihn geworden ist.

Und wie er dort gesagt hat, dass die Versuchung den Glauben bewährt mache, so fährt er hier fort: und aus den Werken wurde der Glaube vollendet. Ihretwegen wurde er nicht leer und lügnerisch, sondern innerlich gekräftigt und der Erfüllung teilhaftig gemacht. Wie hätte Abraham zu Gott irgend einen Glauben im Herzen tragen können mit einem bösen Gewissen, mit der Beschuldigung, dass er die Versuchung nicht bestanden, Gottes Geheiss verworfen und den Sohn ihm vorenthalten habe? Musste er sich selbst verdammen, wie sollte er Gott glauben? Gewiss hätte ihn Gott auch wieder aufrichten können, auch wenn er in der Versuchung fiel. Aber Gott hätte ihn wieder aufrichten müssen; er selbst konnte es nicht. Er hätte zu neuem Glauben ein vergebendes Wort Gottes bedurft, das seinen Fall getilgt hätte. So dürfen und müssen auch wir wider alle Selbstbeschuldigung und bei aller Erkenntnis unserer Ungerechtigkeit Glauben üben, weil wir in Christi Versöhnen Gottes Verzeihung empfangen. Darum dürfen wir nicht den Spruch unsres eigenen Gewissens, sondern Gottes Vergebung für wahr und gültig halten. Solcher Glaube ist uns aber nur um deswillen möglich, was Gott für uns tat; so viel an uns liegt, haben wir uns denselben durch unser Sündigen unmöglich gemacht. So hätte sich auch Abraham durch Ungehorsam den Glauben zerstört, weil er sich aber ganz an Gott ergab und zum Glauben das Werk hinzufügte, darum konnte er sich nun freudig Gottes getrösten, und mit Gewissheit auf seiner Gnade stehen. Nun war sein Glaube fest und reif.

Und der Spruch der Schrift, 1 Mos. 15, 6, war zur Erfüllung gekommen, welcher sagt: er glaubte Gott und es ward ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, V. 23. Zuerst hat Abraham nur geglaubt; denn Gott berief ihn zuerst noch nicht zur Tat, sondern hielt ihm seine Verheissung vor und redete mit ihm von dem, was Gott selbst an ihm tat. Dass Abraham dies nicht verachtete, sondern das göttliche Wort als wahr und gültig ergriff, das diente ihm zur Gerechtigkeit vor Gott. Das war aber nicht das Ende seines Wegs und nicht das letzte Wort, das Gott mit ihm redete. Dieser Spruch wartete noch auf eine Erfüllung. Es musste sich erst nochmals zeigen, ob Abraham wirklich Gott glaube und die Rechtfertigung erlange; das erprobte sich damals, als ihm Gott das Werk auferlegte, und als er jetzt dem Worte Gottes stets anhing, da war das Wort zu seiner Erfüllung gekommen, das ihn gläubig und um seines Glaubens willen gerecht genannt hat.

Und damit war auch der andre Ehrenname, der Abraham gegeben wird, dass er ein Freund Gottes sei, erst vollkommen gültig und wahr. Jakobus schaut auf den Fortschritt im Leben Abrahams und leitet unsern Blick von 1 Mos. 15 zu 1 Mos. 18 und von dort zu 1 Mos. 22. Als „Freund Gottes“ stand Abraham damals da, als ihm Gott seinen Rat über Sodom offenbarte und er vertraulich mit ihm reden und seine Fürbitte ihm vorlegen durfte. Es stand auch in den alten Übersetzungen der Bibel anjener Stelle vielfach: sollte ich verbergen vor Abraham meinem Freunde, was ich tue? 1 Mos. 18, 17. Aber wie wäre Abraham Freund Gottes geblieben, wenn er Gott nicht getan hätte, was er von ihm verlangte? Ohne das Werk wäre er zum Widersacher Gottes geworden und sein Anteil an Gottes Freundschaft dahin gefallen. So leitete Gott Abraham von Schritt zu Schritt empor zum bleibenden Besitz seines Wohlgefallens. Er gab ihm seine Verheissung und erweckte ihn dadurch zum Glauben; er liess ihn hineinblicken in seinen Rat und erweckte ihn zum Gebet; er hiess ihn das Werk vollbringen und als Abraham auch hier sich von Gott leiten liess und ihm das höchste Opfer brachte, da war sein Stand in der Gnade fest und Gott gab ihm die Rechtfertigung.

Darum warnt uns Jakobus vor der Meinung, als würden wir bloss aus Glauben gerechtfertigt, sondern aus Werken wird ein Mensch gerechtfertigt, V. 24. Handeln muss er nach Gottes Anweisung, dadurch wird ihm Gottes Gnade zuteil. Seinen Willen muss er tun; dann stellt er ihn zu den Gerechten. Nicht das sagt Jakobus, dass Gott alle unsre Werke in sein Gericht bringe und aus der ganzen Reihe unsrer Taten sein Schlussurteil ziehe. Jakobus leugnet Gottes Vergebung nicht, durch die vieles bedeckt wird, was wir taten, und nicht zu seinen Folgen kommt, weil es uns Gott verzeiht. Nicht aus den Werken, aber aus Werken, sagt er, wird ein Mensch gerecht, um deswillen was er nach Gottes Willen tut. Das ist die Weise der göttlichen Gnade, dass sie unsre bösen Werke vergibt und die Werke unsres Gehorsams uns zum Grund der Segnung macht.

Neben den Vater Israels, neben den gerechten Abraham, stellt Jakobus die Rahab, die kananäische Dirne, V. 25. Beide fanden die Gerechtigkeit auf demselben Wege. Auch Rahab hatte Glauben. Was sie von Israels Gott gehört hatte, und von seinen mächtigen Zeichen und der Erlösung seines Volks aus Ägypten, hatte sie ergriffen. Sie wandte sich ab von den Göttern ihres eignen Volkes zu Israels Gott. Aber der Glaube allein hat ihr nicht geholfen. Wäre sie noch so gläubig gewesen und hätte die Kundschafter verraten, so wäre sie untergegangen mit dem ganzen Jericho. Aber weil sie die Männer rettete und ihr ganzes Leben daransetzte und tat, wozu der Glaube sie trieb, ohne Zaudern und Furcht, darum wurde sie allein unter allen Kanaanitern in Israels Gemeinde eingepflanzt und die unsaubre, götzendienerische Dirne ward ein Glied des heiligen Volkes.

So fasst denn Jakobus seine Mahnung zum Schluss in ein durchsichtiges Gleichnis. Werk und Glaube gehören zusammen wie Geist und Leib, V. 26. Werden beide voneinander geschieden, so entsteht Tod. Ein vom Geist getrennter Leib, der zum Leichnam wird, das ist das Bild für einen Glauben, dem die zu ihm gehörenden Werke genommen sind. Wie aber der lebendige Odem des Geists den Leib erhält, bewegt und tätig macht, so fährt in unsern Glauben dann ein lebendiger Odem und macht ihn wirksam und fruchtbar, wenn wir uns mit redlichem Willen ans Werk machen. Nur durch die Werke wird unser Glaube geschützt, dass er sich nicht in eine heuchlerische Einbildung verwandle, die zuletzt mit der bittersten Enttäuschung enden muss.

Wie nun? Bricht Jakobus mit seiner Warnung irgendetwas vom Evangelium ab? Nein! Wann darf ich mit Paulus sprechen: durch Glauben bin ich gerecht? Dann, wenn ich Gott anschaue und Christum erfasse und bedenke, wie reich das göttliche Erbarmen und wie gross die Liebe Christi ist und wie mächtig und umfassend sein Versöhnen, dann darf und soll ich sprechen: deine Gnade ist vollkommen; deine Vergebung deckt meine ganze Sünde; ich kann nur glauben, und die Gabe hinnehmen, die du nach deiner eigenen Erbarmung mir schenkst; deine Gnade macht alle meine Sünde nichtig und stellt mich in eine vollkommene, ewige und vor dir bleibende Gerechtigkeit. Uns Christum nach dem Reichtum seines Werks darzustellen und uns die versöhnende Kraft seines Todes nahzubringen, das war das Amt des Paulus. Darin geht er Jakobus voran. Aber dieses selbe Wort: ich bin durch Glaube gerecht, kann eine gottlose Lüge und abscheuliche Heuchelei sein. Wann? Wenn dies die Antwort sein soll auf die Frage: was will ich Mensch für meinen Gott tun? Was soll mein Gottesdienst sein? Antworte ich: glauben, das will ich wohl, aber ein Werk vollbringen mag ich nicht, so ist das eine verdammliche Gottlosigkeit. Wenn ich erwäge, was ich meinem Gott dargeben soll, so kann ich nur antworten: alles, Glaube und Werke; nichts soll ihm vorenthalten sein. Glauben will ich, und seine Gnade als unendlich achten und sein Werk an mir preisen als die vollkommene Beseitigung meiner Sünde und meine vollkommene Erneuerung zu seinem Bild in lauterer Gerechtigkeit; aber ebenso sehr will ich tun, was mich Gott wirken heisst, damit mein Werk ein Dienst Gottes sei, und mir nicht zur Verdammung diene, sondern zur Rechtfertigung.

Wer Jesum lieb hat, der hat beide Worte im Herzen: das des Paulus und das des Jakobus. Denn es ist der Liebe Art, dass wir die Güte des Herrn preisen in ihrer herrlichen Vollkommenheit und demütig unsre eigne Verwerflichkeit und Unwürdigkeit ermessen und einzig Jesus für unsre Gerechtigkeit, unsre Ehre und unser Leben halten, und uns nur deswegen hieran Anteil geben, weil er uns gnädig ist in der Kraft seines Todes – das heisst glauben. Und wiederum ist es der Liebe Art, dass sie sich emsig und ernst an die Arbeit macht und ihm willig dient und sein Wort gerne hält. Das gibt das Werk.

Zu streiten, ob das Werk oder der Glaube unentbehrlicher sei, ist Kinderei. Wer das eine oder andere in sich tilgt, macht sich todwund und wird erfahren, dass, was ihm bleibt, nicht mehr lebt, sondern nur noch ein Leichnam ist. Wir müssen glauben, denn Gott lebt und Jesus lebt, und seine Gnade ist volle Wahrheit und wir lügen und entehren sie, wenn wir ungläubig sind. Wir müssen handeln; denn wir sind lebendige Wesen, lebendig nicht bloss durch Gottes Schöpfung, sondern auch durch Christi Erlösung, und aus dem Leben entspringt die Tat.

Unsere älteren evangelischen Lehrer, Luther voran, haben nie daran gezweifelt, dass uns das Werk notwendig sei, aber sie haben Anstoss genommen an dem Wort, dass uns Gott aus unsern Werken rechtfertige, dass er uns um deswillen, was wir tun, die Sünden vergebe und das ewige Leben zuteile. Sie fürchteten, das ziehe uns vom Glauben ab. Nun können wir freilich das Werk uns selbst zum Schaden betreiben, so dass wir uns durch dasselbe ungläubig machen, eitel und hoffärtig oder auch verzagt. Darum hat es auch seine volle Wahrheit, dass unsre guten Werke uns zur Seligkeit schädlich sein können, dann nämlich, wenn sie uns eitel machen. Nur kann ganz ebenso auch unser Glaube uns zur Seligkeit schädlich sein, dann nämlich, wenn er uns träge macht. Jakobus mahnt uns aber nicht zu solchen Werken, bei welchen wir den Glauben durch Hoffart austreiben und zerstören, und verlangt nicht, dass wir ungläubig werden, Gott verachten, Christum gering schätzen, als brauchten wir ihn nicht, uns selbst verherrlichen, als könnten wir uns selbst erlösen, und schliesslich dabei in Jammer und Verzagtheit versinken, und Gott schelten, als sei seine Gnade arm und schwach und zu unsrer Rechtfertigung nicht bereit. Mit ganzem Glauben heisst er uns zum ewigen Gott und seinem gnädigen Willen aufzuschauen, bei dem Rechtfertigung zu finden ist auch für den Sünder, für jeden, der sich ihm ergibt. Man kann das Werk falsch lehren und betreiben in ungläubigem Sinn, man kann auch falsch von Glauben reden und den Glauben haben mit bösem Sinn, und diese Gefahr ist der Kirche immer nah, und damit wir nicht in sie fallen, dazu ist Jakobus da.

Kap. 3,1-12: Das Wort gegen das böse Reden

Die Gemeinde erbaut sich durch Lehre. Die Lehre erhält das göttliche Wort lebendig bei denen, die es kennen, und führt die Unwissenden in dasselbe ein. So kamen die jüdischen Gemeinden jeden Sabbat zusammen und pflegten die Lehre; ebenso vereinigten sich auch die christlichen Gemeinden des Wortes wegen. Allein auch hier ist eine Warnung nötig: werdet nicht in grosser Menge Lehrer.

Das ist gegen das selbstsüchtige Vergnügen und Behagen gesagt, mit dem wir das Wort verwalten. Es tut uns wohl, wenn wir mit unserm Wort die andern ergreifen und unsern Gedanken Geltung verschaffen. Jakobus warnt uns davor, nach dieser selbstgefälligen Befriedigung zu haschen, und heisst uns das Urteil bedenken, dem wir entgegengehen. Wir, die wir lehren, werden ein grösseres Urteil erhalten, V. 1.

Wer sich ans Lehren macht, unternimmt ein grosses Werk. Das Wort kann tief dringen und wirksam ins Geschick der andern eingreifen, so dass es ihnen im Herzen sitzt und daselbst vieles anrichtet. Ist’s ein heilsames Wort gewesen, aus der Wahrheit Gottes geschöpft und von der Liebe beseelt, dann ist’s gut. Aber wenn unser Wort mit unsrer Torheit erfüllt war und aus unserm Unverstand entsprang oder unserm Zorn und Hass zur Waffe diente, dann wird die mächtige Wirkung unsrer Rede für uns unheimlich und ernst.

Wir werden ein grösseres Urteil empfangen, weil wir grösseres wagten, als die, welche still und bescheiden ihren Christenlauf vollbringen. Tun wir’s in der Demut und Furcht Gottes, seiner Wahrheit untertan mit treuem Ernst, so mag unser Reden und Lehren uns auch ein grösseres Lob und Erbe bringen. Aber Jakobus heisst uns bedenken: dass wir alle oft straucheln, und dies gerade in der Weise, wie wir das Wort brauchen. Wenn einer im Wort nicht strauchelt, der ist ein vollendeter Mann, V. 2.

Ein solches Wort soll uns nicht einschüchtern, dass wir feig verstummen, wenn es gilt, den Namen Gottes und Christi mit unserm Wort zu preisen und andern Mahnungen und Unterweisung darzubieten. Wir sollen nicht unter das scharfe Wort fallen, welches Jesus gegen den Knecht geredet hat, der das Talent seines Herrn verscharrt. Aber vorsichtig machen will uns ein solches Wort, und unsern Leichtsinn brechen, der unser Reden als etwas geringfügiges behandelt, was leichthin abgemacht werden kann, während uns nichts so schwer fällt, als das richtige, fehllose Wort.

Wer es kann, vermag den ganzen Leib am Zügel zu halten. Wer Herr über sein Wort ist, der ist völlig Herr über sich selbst. Den ganzen Leib, heisst es, leitet er; denn dessen Regierung ist unser erstes und wichtigstes Geschäft, aus dem sich alles, was wir sonst in der Welt wirken, ableitet. Von unsern Gliedern geht der Trieb nach innen, wo er die Begehrung erzeugt, und die Wirkung nach aussen, indem sie die Tat erzeugt. Darum ist es unser Beruf, unsre Glieder zu regieren, und Jakobus heisst nur den einen fertigen, vollkommenen Menschen, der nicht in seinen Leib versunken und von ihm gefangen ist, so dass ihn der Leib mit seinem Trieb und Stoss regiert, sondern der seinen Leib sich unterworfen hat, dass er ihm gehorchen und nach dem Trieb des Geistes seinen Dienst ausrichten muss. Dabei ist aber das Hauptstück, wie wir unser Wort regieren. Ist es gezügelt und regiert, dann haben wir sicher auch die andern Triebe unsers Leibs dem Geiste willfährig und gehorsam gemacht.

Wie ein Reiter durch den Zügel im Mund eines Pferdes dessen ganzen Leib wendet, wie er will, so üben wir, wenn wir unsern Mund beherrschen, das Regiment über alles, was in uns ist, auch über unser Auge, dass es uns nicht verlocken kann, und über unsre Hand, dass sie nicht nach verbotenem greift. Denn alles, was durch unsre Seele zieht, spiegelt sich im Worte. Unsre Zunge regt sich nach dem Triebe aller unsrer Glieder und begleitet jede Bewegung unsrer Natur. Was aus derselben an Empfindung und Begehrung hervorbricht, sei es gut oder böse, giesst sich auch ins Wort. Hier gilt’s, das Regiment zu üben; dann zieht unser Zügel unser ganzes Leben und Handeln in den Gehorsam Gottes hinein.

Die Zunge gleicht darum dem Steuer, das auch bloss ein kleines Gerät am grossen Leib des Schiffes ist und doch dasselbe leitet trotz dem mächtigen Drang des Sturms. Das Steuer, das unserm Leben die Richtung gibt, nach oben oder unten, ist das Wort.

Nun überdenkt Jakobus die Menge von Bosheit und Zerrüttung, die aus dem Wort von der Zunge her entspringt, so dass sie einem Feuer gleicht, das von einem kleinen Anfang aus einen ganzen Wald verheert, V. 5. Suchen wir bei irgend einem zerrütteten und verdorbenen Lebenslauf den Anfang und Grund des Elends, immer sind Worte dabei im Spiel, die den Anstoss gaben. Sie sind die Funken, die den Brand in die Seele brachten und ihn wieder aus ihr heraustragen in die andern hinein. Darum heisst er die Zunge die Welt der Ungerechtigkeit, den Ort, wo alles Unrecht wohnt, und seine Heimat hat. Wo immer Menschen geschädigt, verletzt und zertreten werden, wo Gottes Ordnung und Recht zerbrochen wird, da hat die Zunge eine ihrer Taten verübt. Wenn sie dem Zügel nicht entränne, gäbe es kein Unrecht in der Welt. Nun steht sie aber mit ihrer feurigen Macht und der Fülle von Unrecht, das sie bei sich aufbewahrt, mitten unter unsern Gliedern, als Teil unsres eigenen Wesens. Wo ist nun der, der sich rühmen könnte und nicht reuig bekennen müsste: wir straucheln vielfältig? Sie haftet ja an uns selbst, ficht uns nicht nur von aussen an, sondern ist unser Glied und Eigentum, sie, die den ganzen Leib befleckt, und auf alles, was wir tun, die bösen Flecken spritzt, und das anerborne Rad in Flammen setzt, V. 6.

Der Lauf und die Bewegung unsres Lebens lässt sich recht wohl mit einem Rad vergleichen, das nicht stille steht, sondern stetig seinen Kreislauf vollzieht vom Ruhen zum Wirken, vom Empfangen zum Geben, vom Schmerz zur Freude, von innen nach aussen, vom Blick zu Gott zum Blick in die Welt. Allein dieser Lauf unsres Lebens bleibt nicht in seinem geordneten, richtigen Gang, sondern dreht sich wie ein feuriges Rad in erhitzter Unruhe und sprüht seine Funken umher. Diese böse Unruhe kommt in unsern Lebenslauf durch die Zunge hinein. Sie ist die Brandstifterin, die alles in Verwirrung bringt.

Es widerfährt ihr, was sie verdient. Wie sie die böse Glut um sich verbreitet hat, so wird sie auch von der bösen Glut verzehrt. Sie, die des Lebens Lauf in Flammen setzte, wird auch selbst von den Flammen ergriffen in der Hölle, gleichwie uns Jesus warnt: deiner Worte wegen wirst du verdammt werden, Mt. 12, 37.

Die Tiere macht sich der Mensch untertan, auch die wilden unter ihnen, und diejenigen, die durch ihren Wohnort vor ihm geschützt scheinen, wie die Bewohner des Meers. Dennoch werden sie alle vom Menschen bewältigt und sind ihm unterworfen durch die Ordnung Gottes von der Schöpfung her. Aber der Herr über alle Dinge um sich her ist ein schwaches Wesen, wenn er seine eigne Zunge bewältigen sollte. Hier wird der kühne Held und Weltbezwinger zum ohnmächtigen Sklaven, dem nichts übrig bleibt, als sich reuig anzuklagen, wenn wieder ein böses und törichtes Wort Unheil stiftend in die Welt hinaus gedrungen ist, und die Zunge sich wieder erwiesen hat, als ein böses Ding, das weder Ruhe noch Halt gewinnen kann.

Jakobus erinnert an die zerfahrne unstete Art unsres Worts. Es flackert hin und her; jetzt ist’s fromm, dann unfromm, jetzt lieblich, dann giftig, jetzt freundlich, dann durchsäuert von Hass und Neid. Es will uns nicht gelingen unser Wort einträchtig zu machen, so dass einzig der Geist der Wahrheit und Liebe in ihm wohnt. Geist und Fleisch bemächtigen sich seiner; was von oben und von unten kommt, giesst sich darin aus; wir geben es Gott und dem Teufel zum Werkzeug hin. Darum ist es ein haltloses Übel, in dem ein hässlicher Zwiespalt zu Tage tritt, V. 8.

Jakobus spricht zu frommen Leuten, die den Herrn und Vater preisen. So wird ihnen die Zunge zum Werkzeug des Gottesdienstes. Sie vollbringt Gottes Anbetung. Und dicht daneben steht das Fluchwort, das mit bösem Hass erfüllt gegen die Menschen losfährt. Segen und Fluch wechseln ab! Gepriesen sei Gott, der einige und ewige! Das war bei manchem Anlass eine Israel vertraute Sprache und es war ihm oft ernst mit seinem Lobpreis Gottes. Und doch behielt es seine scharfe Judenzunge mit ihren giftigen Verleumdungen, bereit den Fluch zu sprechen über Heiden, Samariter und Zöllner, über alle, die ihm widersprachen und weh taten. Die Häupter Israels, die frommen Rabbiner und Priester, die Gott täglich lobten, haben dennoch mit leichtem Herzen gesagt: verflucht ist das Volk, das nichts vom Gesetz versteht, Joh. 7, 49.

Der segnende Lobpreis galt freilich Gott, der Fluch den Menschen. Aber der Mensch ist in Gottes Ähnlichkeit geworden. Würden wir Gott wahrhaftig heilig halten, so würden wir auch sein Bild ehren an den Menschen um uns her. Unser Fluch lässt Gottes Ehre nicht unverletzt, weil er wider den losfährt, den Gott werthält und zu seinem Abbild gestaltet hat.

Es ist nicht notwendig, sagt Jakobus, dass dies so geschehe, V. 10. Wir meinen leicht, es gehe nicht anders, wir kämen nicht allein mit dem Segen durch, der Fluch müsse auch dabei sein als die scharfe Waffe, mit der wir uns der Menschen erwehren. So wollen wir einer Quelle gleichen, die süsses und bittres Wasser gleichzeitig sprudeln lässt, als hätte nicht jedes Gewächs seine Frucht, die seiner Art entspringt, und jedes Gewässer seinen bestimmten Geschmack, sei es salzig oder süss.

Jakobus wiederholt hier Jesu Wort von der festen Einheit, die unser ganzes Wesen umspannt, so dass nichts böses aus gutem Grund erwachsen kann, Mat. 7, 16; 12, 31. Er spricht auch hier gegen das geteilte Herz, welches mit einander Gott lieben und die Menschen hassen, Gott dienen und die Menschen verderben möchte. Es wird uns keine solche Teilung unsrer selbst gelingen. Entweder ergeben wir uns redlich Gott und machen unsre Zunge zum Werkzeug des Segens, und tilgen den bösen Brand, der in sie fährt, oder unsre Anbetung Gottes wird uns nichts helfen und unsrer Zunge widerfahren, was ihr Jakobus V. 6 androht. Er rückt uns auch hier wieder unsren herrlichen Beruf vor’s Auge, dass wir ganz Menschen werden sollen, deren Wort völlig ohne Wechsel und Wandel der göttlichen Gnade und Güte dient. Zum Segnen sind wir berufen, nur zum Segnen. In diesem Beruf liegt Gottes reiches, ganzes Evangelium.

Kap. 3,13-18: Gegen die verdorbene Weisheit

Vom Hören zum Glauben, zum Reden, zum Erkennen und Wissen, das ist der Weg, den der Brief des Jakobus in wohlgeordnetem Gang durchmisst. Und überall streitet er gegen den Stolz und übermütigen Leichtsinn, der unter frommem Schein und Namen Böses hegt und pflegt. Auch in die Weisheit und Einsicht mag sich eine Schlimme Zutat mischen, die sie gänzlich verdirbt. Wer ist weise und verständig unter euch? Er weise durch den löblichen Wandel seine Werke vor in der Sanftmut der Weisheit, V. 13.

Jakobus braucht denselben Prüfstein, um die Weisheit damit zu erproben, mit welchem er den Glauben geprüft hat, ob er etwas Totes oder Lebendiges sei. Zeige die Werke, sagt er dem, der sich für weise gibt; nicht deine Worte lass mich hören, nicht deine tiefen, schimmernden Gedanken; deine Werke allein zeigen, dass du weise bist. Alle Begabung, die wir innerlich von Gott her empfangen, gilt Jakobus als unsre Ausrüstung zur Tat. Wenn mir die höchsten Erkenntnisse gegeben wären und an Klarheit des Blicks alle überragte, macht mich das nicht fruchtbar in meinem Werk, so bin ich, je weiser ich bin, nur um so mehr ein Thor.

Aus dem löblichen richtigen Wandel sollen diese Werke hervorgehen, nicht nur bei besonderer Gelegenheit als eine Ausnahme in unserm Leben auftreten, sondern das Ergebnis unsres Wandels sein, und hervorwachsen aus der Art, wie wir uns stets unter den Menschen bewegen und mit ihnen umgehen.

Aber noch eine andere Bedingung fügt Jakobus bei: in der Sanftmut der Weisheit. Weisheit, sagt er, macht hoffärtig, hart und herrlich. Weisheit macht gelassen, biegsam und still. Wenn deine Werke nicht das Gepräge der Sanftmut haben, dann leite sie nicht aus der Weisheit ab.

Aber nun hält er uns den Spiegel vor, wie’s der Weisheit unter den Menschen geht. Ist irgend wem ein Stück Erkenntnis gegeben und sein Geist reich geworden durch irgend einen hellen Blick, nun erhebt sich alsbald die bittere Eifersucht und das eigennützige, parteisüchtige Treiben. Wir recken und strecken und erhöhen uns selbst und erniedrigen die andern und das Gezänk um den Ruhmeskranz hebt an. Wenn ihr dergleichen im Herzen habt, - im Herzen, sagt er, auch wenn ihr’s sorgfältig verbergt und über eure Gebärden und Worte wacht, dass es niemand merken soll, wie gern ihr alle andern verdunkeltet und allein mit Bewunderung und Verehrung bedeckt wäret, - auch wenn ihr’s nur im Herzen habt, so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit, V. 14. Denn Weisheit formt und füllt das Herz; sie lässt in demselben für die schwarzen Regungen des bösen Eifers keinen Raum. Ein scharfes Auge mögt ihr haben, und mehr wahrnehmen, als andere sehen, mögt einen weiten Horizont umspannen, eure Gedanken höher steigen lassen und einen kräftigeren Geist haben als andre, der mehr umfasst; aber diese Weisheit kommt nicht von oben herab, ist also keine gute noch vollkommene Gabe, K. 1, 18.

Es gibt Weisheit, die von oben kommt, die uns Gottes Licht in unsre Seele strahlt, die ein gnadenvolles Geschenk der ewigen Wahrheit ist. Aber diese löscht die Eifersucht und bläht nicht auf, eben weil sie die Gabe ist, und Gnade von oben. Darum beugt sie und setzt die Seele in den stillen seligen Dank, dass sie die Weisheit nicht als ihren Raub ergreift, sich selbst zur Verherrlichung. Darum erleuchtet das, was von oben kommt, nicht bloss, sondern heiligt und reinigt auch zugleich.

Wenn unsre Weisheit uns durch Hoffart vergiftet und fallen macht, dann ist sie irdisch, seelisch, teuflisch. Die von oben hernieder kommende ist dagegen himmlisch, geistlich, göttlich.

Irdisch ist sie, auf der Erde gewachsen und nur das Irdische umfassend. Ihre Kenntnis ist durch die Erde begrenzt. Gott ist ihr verhüllt und verdeckt. Aber eine Weisheit, der Gott im Schatten steht, ist ja der Gipfel der Narrheit. Sie ist seelisch, durch die Regsamkeit der Seele erworben, unser eigens Gebilde, wie es durch die in unserer Seele liegenden Kräfte zustande kommt, abgeschieden vom Walten und Wirken des göttlichen Geistes, der allein uns in den Anteil an der Wahrheit Gottes leiten und Gedanken in uns erzeugen kann, die mit Gottes Sinn zusammenstimmen. Oder wenn das, was in unsrer Seele ist, nicht aus uns selber stammt, dann ist’s teuflisch. Dann kommt es, ob wir’s wissen oder nicht, aus einer finster gewordenen geistigen Region, und wir sind von bösen Mächten geleitet und geformt.

Es kreuzen sich in der Menschheit zwei verschiedene geistige Ströme; der eine entspringt oben, der andere unten. Beide geben inwendig Klarheit, Macht, Steigerung unsres seelischen Lebens. Aber der eine heiligt, der andre verdirbt.

Wo die Eifersucht lodert und die unreine Gier, aus der Weisheit Ehre und Vorteil zu ziehen, da ist Haltlosigkeit, V. 16.

Jakobus legt den Finger wieder auf dieselbe Stelle, wie dort, wo er uns den Schaden der Glaubenslosigkeit und die Entartung unsres Worts vorhielt, 1, 6; 3, 8. Er zeigt auch hier auf den zerfahrenen, widerspruchsvollen Gang dessen hin, der sich durch fleischlichen Eifer regieren lässt. Seine Weisheit ist kein ruhig und beständig scheinendes Licht. Er schwankt, weil er den flüchtigen und nichtigen Interessen des Augenblicks nachjagt. So kommt es zu jedem schlimmen Ding. Mit dem Eifer, der für die eigne Ehre streitet, wird uns alles Schlechte möglich. Wir haben uns der Zucht und Leitung entzogen, die uns beschirmen würde, und die Waffe weggeworfen, mit der wir uns wehren könnten. Wir haben unser Auge krank gemacht; drum gibt es für uns keine Grenze mehr, die uns vom Bösen trennt.

Die Weisheit, die droben ihren Ursprung hat, ist zuerst keusch, V. 17. Sie hat eine zarte, unverletzte Weihe. Ihre reine Art, welche ihren Missbrauch verbietet und uns sorgsam mit ihr umgehen heisst, in der Furcht, dass wir sie nicht verlieren, wenn wir sie entweihen, ist das Merkzeichen und Siegel an allem, was von oben kommt. Göttliches sieht stets so aus, dass man dasselbe nicht mit unsauberen Händen anrühren darf.

Sodann ist sie friedfertig, weil Gottes Gaben keinen Streit entflammen, nachgiebig und anspruchslos, offen für den Rat der andern, während eine selbstische Weisheit eigensinnig macht, da sie den Dünkel bei sich hat, allein weise zu sein, voll von Erbarmen, während uns die niedere Weisheit hart macht und zu strengen Zuchtmeistern gegen die, die uns unmündig scheinen. Und mit dem Erbarmen kommen die guten Früchte im Unterschied vom nutz- und fruchtlosen Gedankenspiel und Wortgeklingel, in welchem sich die falsche Weisheit verzehrt. Damit hat uns Jakobus beschrieben, wie sie an den Menschen handelt und im Verkehr mit den Menschen sich bewährt. Nun deutet er noch mit zwei Worten auf die Ordnung und den Frieden hin, den sie in unsrer eigenen Seele schafft. Sie bringt nicht Zweifel hervor. Fehlt der lebendige Hauch des Geistes der Erkenntnis, so mag es leicht geschehen, dass viele Gedanken viele Zweifel schaffen und mit dem Steigen des Wissens die Gewissheit weicht. Ein weiterer Raum liegt offen vor unserem Blick, der uns vieles sichtbar macht, und dieses Viele zieht den Geist hin und her, und er verliert die Einfalt und den innern Schluss, und kann die ihm dargebotene Wahrheit nicht mehr fest ergreifen und darauf stehen. Solcher Schaden stammt nicht aus Gottes Weisheit. Sie raubt der Seele die Kraft des Glaubens nicht, stellt sie vielmehr kräftig unter Gottes Regiment, dass sie ungeteilt in Glaube und Gehorsam ihm ergeben ist. Endlich ist sie ohne Heuchelei und deckt sich nicht mit leerem Schein und falschen Worten. Sie kommt ans Licht.

Von der Weisheit geht Jakobus über zur Gerechtigkeit. Beide sind beisammen. Wer in der Weisheit lebt und wandelt, dem erwächst die Frucht der Gerechtigkeit; er vollbringt, wie es 1, 19 heisst, Gerechtigkeit Gottes. Die Frucht der Gerechtigkeit, sagt er, wird aber im Frieden gesät, nicht im Zorn und Parteitreiben, für die, die Frieden schaffen, V. 18.

Er sieht auf die Gemeinden hin, die in der Judenschaft und Christenheit um der heiligen Wahrheit willen zusammentaten. Nun ist’s für uns Menschen schwer, eine Gemeinde zu bilden und miteinander zu leben ohne Streit und Zank. So waren die jüdischen Gemeinden entzweit durch allerlei Parteiung und vor allem in Hader und Streit gegen die Christenheit; wiederum gab’s in der Christenheit von Anfang an manche Schwierigkeit, welche die Gemüter aufregte und Reibungen erzeugte, oft auch harten Streit. Da sagt Jakobus allen und zumal denen, welche als die Weisen gelten, und es nicht nur scheinen, sondern es auch sind: wer Frieden zu schaffen weiss, dem erwächst als köstliche Frucht die Gerechtigkeit. Ist’s euch darum zu tun, dass euer Werk mit Gottes Recht und Willen im Einklang sei und vor Gott euch zur Gerechtigkeit gerechnet werde, dann seid auf Frieden bedacht. Im Streit lässt sich der Same der Gerechtigkeit nicht ausstreuen, sie gedeiht nur im Frieden. Denn der Zorn des Mannes vollbringt nicht Gottes Gerechtigkeit, und wo die Eifersucht brennt, ist jedes schlimme Ding.

Kap. 4,1-10: Gegen die, welche mit einander und mit Gott hadern

Eben noch sprach er vom Frieden, wie unter seinem Schirme die Gerechtigkeit gefunden wird. Israel aber war keine friedliche Schar. Woher rühren die Kriege und Kämpfe unter euch? Jakobus antwortet: von euren Ergötzungen, die in euren Gliedern Krieg führen, V. 1. Ihr wollt euch ergötzen und macht daraus eure Beschäftigung, euch Vergnügen und Lust zu bereiten. Ihr braucht viel Vergnügen, sonst wird es euch weh ums Herz. Sollte das, mögen wir fragen, sündlich sein? Nun, die bösen Folgen sind handgreiflich; das bringt euch gegeneinander in Kampf und Krieg, und macht, dass ihr alle mit einander verfeindet seid.

Es braucht wenig Einblick ins Leben, um die Wahrheit dieses Wortes zu bemerken. Auf unserm Lauf nach Lust und Ergötzung, stossen wir zusammen, und nun verwandelt sich die Begier nach der Lust in den Eifer und Zorn wider den, der sie uns zu rauben oder doch zu schmälern scheint.

Aber Jakobus lenkt unsern Blick alsbald nach innen: Der Krieg ist unter euch, weil er in euch ist. Ihr verliert, sagt er, bei euch selbst den Frieden. Denn eure Ergötzungen führen in euren Gliedern Krieg. Sie setzen sich bei euch fest und nehmen eure Glieder in Beschlag, so dass euch von eurem Leibe her das Verlangen und der Hunger nach Lust und Ergötzung zieht und plagt und nicht zur Ruhe kommen lässt, vielmehr euch beständig hetzt und stört und in euerm wahren Wohl euch schädigt.

Und nun malt er die Verwirrung und die Unseligkeit ab, die so in einem Menschenherzen um sich greift. Es ist voll hungriger Begier, aber es hat nicht, V. 2. Die Begier kann es nicht sättigen; so wird sie ihm zum Stachel und zur Qual. Nun mordet und eifert ihr. Die, welche uns im Wege stehen und am erträumten Glück verhindern, müssen weg. Die Pläne und Ränke des Hasses spielen. Aber das sind trügliche Mittel, welche uns dem erwünschten Ziel nicht näher bringen. So gibt es nur Streit und Krieg. Wir geben einander Schuld an unserm Missgeschick, und wer uns glücklicher scheint, als wir selbst, gilt uns als unser Widersacher. Und bei all diesem heftigen Tumult und dieser mühevollen Anstrengung ist das Ende doch: ihr habt nicht. Mit leeren Händen stehen wir da, als arme Leute. Und doch sind uns Gottes gute Gaben so nah: ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet. Nicht morden und streiten, sondern bitten öffnet uns die Türe zum Glück, nach welchem wir verlangen, weil es Gottes Gabe ist. Er gibt Freude, Lust und Seligkeit ins Herz und wir Thoren suchen sie, wo sie nie zu finden sind, und stürzen uns aufeinander, um einander zu berauben und zu beerben, und Gott, der uns gern mit seinem Segen fröhlich machte, ist uns so nah, aber wir vergessen ihn.

Nun war aber Israel ein eifrig betendes Volk. Ja wohl, fährt deshalb Jakobus fort, ihr betet, aber übel, um es in euren Ergötzungen aufzuzehren, V. 3. Suchen wir Gottes Gaben zur Befriedigung unsrer eignen Lust, das heisst übel beten. Wir wollen sie für uns selbst verbrauchen und dazu ausnützen, damit wir gute Tage haben. Einem solchen Beten ist die Verheissung nicht gegeben. Hier gilt: ihr bittet und empfanget nicht. Denn Gott wird nicht der Diener unsrer eigensüchtigen Begier.

Ehebrecherinnen heisst Jakobus solche Beter. Er redet nicht von Weibern, die in böser Gier die Scham töten und die Treue brechen, sondern den Mann heisst er so, der mit seinem geteilten Herzen solchen Weibern gleicht und wie sie eine doppelte Liebe und Freundschaft sucht, die Freundschaft Gottes und der Welt zugleich.

Der Spruch scheint mit einem raschen Sprung auf einen neuen Weg zu treten. Eben war noch vom Zank und Krieg unter den Menschen die Rede, wie er aus ihrer bösen Begehrlichkeit entsteht, und jetzt schilt Jakobus die Freundschaft mit der Welt, die nicht in Zwiespalt mit ihr kommen mag, sondern bei ihr in Ehren stehen und ihre Gunst geniessen will und darob die Freundschaft Gottes verliert und uns zu Feinden und Widersachern Gottes macht. Es liegt aber nur scheinbar in der Rede eine Lücke vor. Jener Streit und diese Freundschaft sind zwei Schosse aus demselben Stamm; beidemal ist die kranke Lust unsere Führerin. Wir wollen uns vergnügen; darum gesellen wir uns zur Welt, und werben um ihre Gunst und Ehre, weil sich unser Herz hieran nähren will; und wenn sie uns dies nur kümmerlich gibt, und wir uns mit andern in ihr Glück teilen müssen, dann gibt’s den Streit. Deswegen lassen wir’s aber nicht, der Welt Freund zu sein. Wir versuchen es nur an einem anderen Punkt. Denn in die Ehre, Gunst und Lust der Welt haben wir unser Ziel und unsere Seligkeit gesetzt.

Jakobus heisst uns bedenken, was wir damit gewinnen. So werfen wir Gottes Freundschaft weg und treten dreist und trotzig als seine Widersacher auf. Er hat bei Abraham an den herrlichen Namen erinnert, dass er Gottes Freund genannt ist. Denselben Namen bietet Gott auch seinen Kindern als ihr Gut und ihre Ehre an. Er hält ihnen seine Liebe offen, und hat es ihnen erlaubt, traulich zu ihm emporzusehen und alles Gute von ihm zu erwarten. Das heisst ihn zum Freunde haben. Aber das bindet auch unsre Liebe an ihn, und stellt uns in die Pflicht ihn zu schätzen, seinen Willen heilig zu halten, ihm zu Dienst zu sein, ihm zu leben.

Wie uns Jesus sagt, dass wir nicht zwei Herren dienen können und nur dann im Dienste Gottes stehen, wenn wir ihm ganz untergeben sind, so sagt uns Jakobus, dass wir nicht nach zwei Seiten hin Freundschaften pflegen können, sondern nur dann mit Gott Freundschaft halten, wenn er allein unser Freund bleibt. Die Welt zieht ihre Regel aus des Menschen blinder böser Art. Wenn ich sie gleichwohl neben Gott ehre und meine Hoffnung und meinen Trost bei ihr suche, so führt mich das unvermeidlich, einerlei ob es mir gelingt, die Freundschaft der Welt zu erjagen oder ob ich von ihr misshandelt und zurückgestossen werde, in den Streit und Hader mit Gott. Das ist nun einmal der Preis, um den uns die Welt ihre Freundschaft verkauft, wir müssen dabei Gott vergessen und seinem guten willen widerstreben. So treten wir Gott als seine Widersacher in den Weg, und werden ihn wider uns haben, wie wir wider ihn sind, und werden es spüren, dass er unserm bösen Trachten kräftig widersteht.

Jakobus sagt es noch mit den Worten eines andern Mannes , welche völlige Hingebung Gott von uns verlangt und wie reichlich er sie lohnt: missgünstig verlangt er nach dem Geiste, dem er bei uns Wohnung gab; aber er gibt grössere Gnade, V. 5. Gott will, dass der Geist, den er uns gegeben hat, sein Eigentum bleibe, und lässt nicht zu, dass wir ihn anderswohin wenden und an andre Dinge verknechten. Das ist eine Art heiliger Missgunst, die es keinem andern gönnt, dass er über unsern Geist Herr sei und unsre Liebe an sich kette und unser Leben sich unterwerfe. Wir sollen einzig ihm gehören; er teilt sich nicht mit andern in das Regiment über das Menschenherz. Sein Recht hierzu steht darin, dass unser Geist und Leben gänzlich seine Gaben sind. Er verlangt nur nach dem, was sein eigen ist, weil er’s uns gab. Dieser feste Griff, mit dem Gott uns völlig an sich zieht, und uns keine Freiheit lässt, von ihm zu weichen, ist Gnade. Denn er gibt ungleich Grösseres als das, was er uns versagt. Nicht um uns zu verkürzen, sondern um uns den Reichtum seiner Gaben zu verleihen, zieht er uns mit diesem festen Band an sich. Das sagt aber jener Spruch nicht leer, nicht ohne Grund und Wahrheit. Er spricht Gottes Sinn und Regel aus, und darum darf man mit Gottes Freundschaft nicht spielen, als hätte daneben auch noch der Welt Freundschaft Platz.

Deswegen lautet Gottes Regel so: den Hoffärtigen Widerstand, den Demütigen Gnade, V. 6. Wer Gottes Zug nicht gehorcht, sondern mit seiner Liebe in die Welt hinausfährt und bei ihr seine Gönner und Freunde sucht, der bläht sich und tritt hoch daher. Er meint, sogar Gott entbehren zu können. Gegen die Hoffart tritt auch Gott als der Hohe auf in seiner Majestät und richterlichen Gewalt, die es dem Menschen zeigen kann, dass er nicht grösser wird als Gott, wie er sich auch in seiner Hoffart dehnen und strecken mag. Aber den geringen und gebeugten hebt er empor, empor in seine Gnade und empor in seine Herrlichkeit.

Das ist der Weg, den Israel zu gehen hatte, und wir auch. Sein Unglück war, dass Gott nicht seine einzige Liebe war, in der es still sein reiches Genügen hatte, sondern dass es zugleich lüstern nach der Welt haschte. Stattdessen gilt es sich Gott zu unterwerfen, V. 7. Es war freilich willfährig, aber an der falschen Stelle: nachgiebig gegen den Teufel, hartnäckig und widerspenstig gegen Gott. Jakobus sagt: Gott sollt ihr unterwürfig sein, dem Teufel aber widerstehn. Hier hat die unbeugsame, aller Lockung verschlossne Festigkeit ihren Platz. Und Jakobus gibt uns die grosse Verheissung: Dass unser Widerstand nicht vergeblich ist. Wir sind gegen die Mächte, die von unten stammen, sicher, sowie wir uns von ihnen abwenden. Unter das satanische Regiment fällt nur, wer unter dasselbe fallen will. Nur gilt’s, nicht zu vergessen: widerstehen dem Teufel heisst Gott sich unterwerfen. Wer seinen Willen gegen Gott weich und biegsam macht, der macht ihn gegen den Teufel fest und hart.

Sich Gott unterwerfen, heisst zu Gott nahen, V. 8. Wer wider ihn in der Auflehnung verharrt, tritt von ihm ab und macht eine grosse Trennung zwischen sich und Gott. Dann fehlen uns freilich Gottes gute Gaben und das Gebet führt nicht zum Empfangen und Gottes guter Geist verschliesst dem bösen Geist den Zugang nicht, so dass er uns ungehindert mit seinen blendenden Verlockungen erfassen kann. Warum? Doch nur darum, weil wir ferne stehn von Gott. Tritt herzu zu ihm, so tritt er zu dir.

Hiermit ist uns wieder das ganze Evangelium vorgelegt. Das ist die Zusage mit der vollkommenen Gnade mit ihrer Vergebung und Offenheit für alle, wie sie Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn uns versprochen hat. Nähern wir uns Gott, so lässt er sich finden. Er trägt es uns nicht nach, dass wir in die Ferne traten, und nötigt uns nicht in der Ferne zu bleiben, nachdem wir von ihm gewichen sind. Die Ferne verschwindet, sowie wir uns nähern. Das ist die Gnade; deren Botschaft hat Jakobus bei Jesus gelernt.

Wie nähert man sich Gott? Reinigt die Hände, ihr Sünder, weiht die Herzen, ihr Männer mit doppelter Seele, V.8. Alle trüglichen Mittel, welche uns zu Gott herzubringen sollen, wirft Jakobus weg. Wie wird ein Mensch ferne von Gott? Er sehe seine Hand an, die zum Werkzeug für Unrecht und Bosheit ward. Er beschaue sein Inwendiges, wie es in zwei Hälften zerteilt ist, wie neben der Erkenntnis Gottes der Hader gegen ihn steht und neben dem Segen der Fluch, und neben dem Gebot die lüsterne Gier. Die Flecken an der Hand und der Krieg in der Seele scheiden von Gott. Dadurch wissen wir auch, wie man ihm nahe kommt. Das Unrecht mit seinem bösen hässlichen Flecken muss weg von der Hand und die argen Gedanken hinaus aus dem Herzen. So wird ein Mensch Gott nahe bei sich finden; ein andres Mittel Gott herbeizulocken, gibt es nicht. Dazu hat uns Gottes Gnade den Schmerz der Reue gegeben. Der Schmerz hat lösende Kraft. Er trennt von dem, was die Hände befleckt und die Herzen zerreisst. Darum mahnt Jakobus: jammert und trauert und weint; euer Lachen wandle sich in Trauer und die Freude in Betrübnis, V. 9. Wir sollen solchen Schmerz nicht fliehen, weil er uns heilsamer ist als jene Lust, die in unsern Gliedern streitet und den Krieg in der Welt und in uns selbst erregt. Sind wir aber dem Zauber des Lustgetriebes entronnen und haben den Schmerz in uns empfangen, dass uns die Zerrüttung unsrer Seele weh tut, und sind ihm nicht feig und lügnerisch entwichen, sondern liessen ihn Wurzeln schlagen und sein reinigendes Geschäft vollbringen, dann sind wir vor Gott demütig geworden. Der stolze Sinn weicht, die Ansprüche verstummen und die Meinung ist zerronnen, die alles kann auch ohne Gott. Es ist ein armes und geringes Wesen aus uns geworden, das auf Gott geworfen ist und von seiner Gnade lebt. Jetzt wird er uns erhöhn, V. 10. Den vor ihm gering und arm gewordenen, deckt er mit seiner Gnade, in der Leben und Herrlichkeit enthalten ist.

Jakobus legt uns hier jene Worte Jesu aus, durch welche er Israel zur Umkehr berief: selig die Armen im Geist, die Leidtragenden, die Sanftmütigen, nach der Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden; seliger der Zöllner, den ein böses Leben zu Boden drückt, als der aufgeblähte Gerechte, der sich an sich selber freut. Denn wer gering und leer sich Gott ergeben muss und auf das gewiesen ist, was Gott ihm gibt, an dem wird Gottes Gnade gross.

Kap. 4,11-5,6: Gegen allerlei Formen des Übermuts

Wo Menschen beisammen leben, entsteht das böse Gerede, durch das wir einander erniedrigen und die Mängel und Sünden vorhalten. Jedermann sieht die giftige Wirkung desselben in der vielfältigen Zertrennung und Entfremdung der Leute von einander. Denn solche bösen Worte tun weh und machen, dass sich jeder vor dem andern hüten muss. Jakobus zeigt uns das sündliche dieser Reden von einer neuen Seite her. Wir wollen die andern schlagen und ihre Sünde beschuldigen, und bedenken nicht, wie weit unser Wort reicht. Es trifft das Gesetz. Wer gegen den Bruder redet oder den Bruder richtet, der redet gegen das Gesetz und richtet das Gesetz, V. 11.

Es ist das Gesetz, das dem Menschen zumisst, was ihm obliegt und gebührt. Handelt er recht, so hat ihm das Gesetz den Weg gezeigt und seine Pflicht bestimmt. Wenn mir das nicht gefällt und ich ihn schelte und verlästere, so trifft meine Rede das Gesetz, dem er dient und das ihn tun heisst, was ich schelte. Sündigt er, so dass er Grund zur Klage und Beschwerde gibt, dann ist es wiederum das Gesetz, das ihm zumessen wird, was ihm gebührt. Damit ist aber unser gehässiger Sinn nicht zufrieden; wir glauben nicht, dass das Gesetz mit heiliger Macht der Sünde widersteht, und machen deswegen uns selber dran, den Fehlenden zu erniedrigen und zu kränken. So schelte ich wiederum das Gesetz, als sei es ohnmächtig und lässig und tue nicht, was seines Amtes ist, als müsste ich ihm helfen, die Bosheit zu verdammen und den Schuldigen zu treffen, als wäre es ohne meine böse Zunge mit seiner Herrschaft schlimm bestellt. Du sollst das Gesetz nicht richten, sondern tun. Uns dünkt es aber angenehmer, unser eignes Urteil so hoffährig an die Stelle des Gesetzes zu stellen, als ein Täter des Gesetzes zu sein.

Jakobus hat einen tiefen Blick in das Wesen und die Macht des göttlichen Gesetzes, in seine Unverletzlichkeit, Gültigkeit und siegreiche Wirksamkeit nach der Weise aller Worte Gottes, welcher spricht und es geschieht. Das macht ihn still. Ihm gilt das Gesetz als von Gott gesetzt; drum setzt es sich durch mit unaufhaltsamer Kraft. Aber wir in unserm Übermut tun, als ob es keine heilige Gottesordnung gäbe, die trefflich scheidet, was gut und böse ist, der jeder Mensch unterstellt ist und der sich keiner entziehen kann. Dieses kräftige und wirksame Gottesgesetz regiert ohne die Hilfe unsrer bösen Zungen, und macht das Gute offenbar und bindet das Böse. Aber wir glauben nicht an seine Heiligkeit, und dies gerade dann, wenn wir uns scheinbar für dasselbe ereifern und über die Fehlenden schelten, und dadurch versündigen wir uns an dem, der das Gesetz gegeben und ihm seine Macht verliehen hat.

Einer ist der Gesetzgeber und der Richter. Mit unserm unbedachten Reden stellen wir uns selbst als die Gesetzgeber und die Richter dar und setzen uns dadurch an Gottes statt. Diese Hoffart demütigt Jakobus. Er lässt Gott sein Amt, zu bemessen, was jeder seiner Knechte soll und darf, und wie er seine Widersacher beugen wird. Gott hat die Macht zu beidem: zu erretten und zu verderben. Gott kann retten: das vergisst, wer mit hartem Sinn die andern aufgibt, als gäbe er keine Aufrichtung für sie. Gott hat die Macht zu verderben: das bedenkt der nicht, der die Fallenden mit seinen Quälereien plagt und schilt. Gottes Hand wird treffen, was sich nicht erretten lässt, und die Schläge seines Zorns sind schwer. Wer das bedenkt, wird, wenn er die andern sündigen und fallen sieht, still.

Und wie wir Gott bei solchem Reden aus dem Auge verlieren, so vergessen wir auch uns selbst und unsre eigne Art: wer bist denn du, du richtender?

Nun beschreibt uns Jakobus den auf Erwerb und Gewinn bedachten Übermut, der seine Pläne auf Jahre macht und über seine Zeit und Kraft verfügt, als wäre er ihr Herr, und völlig vergisst, von wie engen Grenzen jedes Menschenkind umschlossen ist. Was ist euer Leben? Ein Hauch, V. 14. Nicht mehr Festigkeit und Dauer wohnt in euch. Wir wissen alle, wie gebrechlich und zerstörbar das menschliche Wesen ist und wie rasch und völlig wir verschwinden.

Das will nicht vergessen sein und wehrt, wenn’s bedacht wird, dem hoffärtigen Übermut. Die Erinnerung an die Nichtigkeit unsres Lebens ist freilich nicht das einzige, was uns die Bibel sagt. Mit dieser Erkenntnis wären wir noch nicht beraten. Sie könnte uns träg und stumpf machen und in eine willen- und tatenlose Ergebung setzen, die alles kommen lässt, wie’s eben mag. Wir sind zum Handeln berufen, und zur umsichtigen Tatkraft, die ihre Pläne entwirft und mit Rüstigkeit der Zukunft entgegengeht und für sie sorgt. Jakobus will uns auch nicht ins schlaffe, trübe Brüten versenken: macht eure Pläne, fasst eure Entschlüsse, handelt in regsamer Ausnützung eurer Zeit; aber vergesst nicht, dass ihr am Willen Gottes hängt, V. 15., dass er euch euer Leben bemisst, und dass ihr mit eurer gesamten Kraft von seinem Wink abhängig seid. Das tötet die Tatkraft nicht, wohl aber den Übermut, und hindert uns, dass wir uns rühmen in unsrer Prahlerei, und uns gross dünken mit unsrer eingebildeten Kraft und Tüchtigkeit. Solcher Ruhm ist nicht wahr und darum böse; wir vergessen dabei wieder einmal Gott.

Diese tätigen Leute, die auf Jahre hinaus ihre Pläne fertig haben, und wissen, wo und wie man den Gewinn erhascht, sind im nächsten Augenblick träg, schlaff, unwillig irgend etwas zu tun, stumpfsinnig und unbeweglich, dann nämlich, wenn es gilt, gutes zu tun. Da ist ihre Tatkraft plötzlich verraucht.

Darum wer da weiss Gutes zu tun und es nicht tut, auf dem liegt Sünde, V. 17. Was ist das für ein darum? Darum, weil du tausenderlei mit Eifer tust, und hoch einherfährst in deiner energischen Arbeitsamkeit, wo’s deinen Vorteil gilt, und damit prahlst und prunkst, darum liegt es auf die als Sünde, wenn du Gutes siehst, das im Bereich deines Vermögens liegt und recht gut von dir getan werden könnte und es doch nicht tut. Gerade unsre Emsigkeit im Dienst unsres Vorteils macht uns unsre Trägheit in allem Guten zur Sünde, bei der uns Gott behaften und die er uns als Schuld anrechnen wird.

Hier tritt erst der letzte Grund zu Tag, warum Jakobus jenem gewinnsüchtigen Übermut die Nichtigkeit unsrer natürlichen Existenz entgegenhält. Jenes zu viel von Arbeitsamkeit und Tatkraft hat ein zu wenig neben sich. Derselbe Mann, der mit Vergnügen für ein Jahr nach dieser oder nach jener Stadt wandert, um dort einen Gewinn zu machen, versündigt sich dadurch, dass er sich mutlos und kraftlos vom Guten abwendet, das ihm vor den Händen liegt, wenn er sie nur regen wollte.

Es sind uns dadurch zwei gänzlich verschiedene Lebenswege vorgezeichnet. Der eine zielt auf das Gute. Wir werden zu demselben dadurch ausgerüstet, dass uns Gott den Blick für dasselbe schenkt und uns zeigt, wie’s zu machen ist. Ist uns ein solcher Blick geschenkt, der weiss gutes zu tun, so liegt hierin die Berufung zu emsigem Fleiss und rüstiger Tat. Dadurch ist uns der Weg gewiesen, auf dem unsre Kraft für die andern und für uns selber fruchtbar wird.

Den andern Weg zeigt uns unsere selbstsüchtige Lust. Da bewegen sich unsre Pläne und unsre Arbeit um unseren eignen Vorteil und Gewinn. Das bringt zuerst eine rege Verwendung unsrer Kräfte und eine emsige Ausnützung unsrer Zeit hervor. Allein wir stellen dadurch unsern ganzen Bau in die Luft. Wir haben uns selbst gedient, und sind doch nicht mehr als ein flüchtiger Hauch, und haben die Hand, die uns hält, vergessen, und das, was Gott uns tun heisst, nicht getan. Darum endet jene Regsamkeit und Tatkraft beim nichts.

Wir werden uns nun nicht verwundern, dass uns Jakobus auch über den Reichtum noch etwas besonderes zu sagen hat. Er erscheint ihm in einem andern Licht als der gewöhnlichen Meinung der Leute. Ein reicher Mann ein glücklicher Mann, denken diese, und die Reichen selbst stehen leicht unter der Herrschaft dieser Meinung und lassen den Strom der Lust voll durch ihr Leben rauschen. Weint und jammert, sagt Jakobus, über euer Elend, welches kommt, V. 1.

Dieses Elend kommt vom selben Ort, aus welchem sie ihre Lust zu ziehen meinten. Das, was aus ihren Schätzen geworden ist, bringt ihnen den Jammer. Sie häuften sie auf und liessen sie verderben. In ihre prächtigen Gewänder kam die Motte; sie hatten sie nur, um sie zu besitzen, und brauchten sie für sich selber nicht, noch weniger für andere. An ihr Gold und Silber setzte sich der Schmutz und Rost des Alters an. Dieser Rost, sagt Jakobus, wird gegen euch als Zeuge und Verkläger reden. Er überführt euch, dass die Mittel, die Gott euch gab, unbenützt in eurer Hand verdarben, weil sie nur euch selber dienen sollten. Ihr wusstet Gutes zu tun, und tatet es nicht.

Jakobus heisst die Reichen nicht deswegen heulen, weil sie viel Geld haben, sondern auf die Weise, wie sie ihr Geld brauchen, zeigt er hin. Jakobus weiss so gut wie wir, dass Reichtum ein grosser Vorteil sein kann, der uns die Mittel zu Grossem bietet, nicht nur zu viel Genuss, sondern auch zu grossem Werk und reicher Frucht, die als ein edler und reiner Gottesdienst Gott preist und dem Bruder hilft. Er warnt uns aber vor dem Betrug des Reichtums, vor dem Wahn, als sei er uns dazu gegeben, damit wir ihn haben, als sei er der Zweck und nicht das Mittel, als wäre er uns nur für uns selbst gegeben. Die Reichen, die Jakobus jammern heisst, haben nicht verstanden, warum Jesus den ungerechten Haushalter uns zum Vorbild setzt, haben vielmehr pünktlich und emsig den Interessen ihres Geldes gedient. So machen wir uns freilich aus Geld und Gut den Strick, der uns erwürgt. Jener Rost am Gold, der zeigt, dass es in Ruhe und Frieden ungenützt in euren Kammern lag, wird euer Fleisch wie Feuer verzehren. An solchen Schulden verdirbt Leib und Seele unter Gottes scharfem Gericht.

Schätze habt ihr gesammelt in letzten Tagen, V. 2. Jakobus ist erfüllt vom Ernst der Zeit. Christus war gekommen und hatte Israel eine letzte Frist gebracht. Ernst stand seine Warnung über dem Volk und deutete auf die eilende Vergeltung Gottes und den Schluss des Weltlaufs hin. Die Zeit war kostbar und kam nicht wieder, wenn sie unbenützt verstrich. Es waren letzte Tage. Wie brauchte sie Israel? Die Thoren häuften Schätze auf. Aus der kurzen Frist, die ihnen als Geschenk der göttlichen Geduld noch gegeben war, zogen sie als nichtiges Resultat nichts andres als einen Haufen Gold.

Nicht nur kein Segen, sondern ein Fluch ist ihr Reichtum für die Menschen geworden. Die Macht, die er ihnen gab, haben sie zum Druck und Unrecht gegen die, welche ihnen dienen mussten, benützt. In den Hütten ihrer Bauern, denen die Feldarbeit auf ihren Gütern übertragen ist, regiert die Not. Jakobus sagt, auf dergleichen Unrecht habe Gott acht. Sie selbst haben sich alles gegönnt und ihre Herzen gefüttert V. 5, und sie mit einem reichen Mass von Lust und Wohlbehagen vollgestopft. Guter Dinge waren sie auf der Erde. Das ist ein bedeutsamer Wink. Er sagt dasselbe, was Jesus am reichen Manne darstellte, der herrlich und in Freuden lebte, auch auf der Erde, weiter nicht. Darum endete die Herrlichkeit jählings. Die schonliche Sorgfalt und kluge Kunst, mit der sie ihr Herz vor jedem Schmerz behütet und mit der Erfüllung jedes Wunsches beglückt haben, trieben sie am Schlachttage, während das rächende Schwert ihnen schon nahe war und es galt, das Leben zu erretten.

Noch eine Schuld hat ihnen Jakobus vorzuhalten. Die Macht, welche ihnen das Geld gibt, hat sie auch zu Verwaltern des Rechts bestellt. Sie haben dies missbraucht, um den, dessen Sache gerecht war, zu vernichten. Er litt es geduldig und gab seine Sache Gott anheim; deswegen ist sie nicht begraben. Die Schuld fällt auf sie und wird sie erdrücken.

Wenn er vom Gerechten spricht, der sich muss töten lassen, und es willig tut, ruht sein Blick sicher auch auf Jesus. Aber er spricht nicht von ihm allein. Was Israel ihm tat, war nicht ein einmaliger Fall und eine besondere einzelne Verirrung. Das Geld hat Israel verblendet, dass es für den, der eine gerechte Sache hatte, oft genug zur Mördergrube ward. Das brennt als starker Schmerz im Herzen des Jakobus und macht ihn weinen, und darum möchte er, dass auch Israel mit ihm weinte, und seine Reichen vorne an.

Kap. 5,7-20: Die Hilfe von oben

Harter Übermut und Ungerechtigkeit und das stille Dulden derer, die der Gerechtigkeit dienten, sind uns beschrieben. Darob wird das Herz leicht erregt zu leidenschaftlicher Wallung und erbittert sich gegen die übermütigen Reichen und wird verdrossen gegen Gottes Regierung und lässt sich die dankbare Freude an seiner Gnade verderben. Jakobus leitet uns zu einem andern Ziel. Seid darum geduldig bis zur Ankunft des Herrn, V. 7.

Aus Israel, zu dem auch jene kecken Krämer und gottvergessenen Reichen gehörten, hebt sich ihm ein engrer Kreis hervor, den er in besonderem Sinne seine Brüder heissen kann. Ihm kann er einen Trost geben, der das Herz stille macht und vor aller Erbitterung bewahrt. Der Herr kommt. Es kommt die Zeit, wo er wieder bei euch ist; darauf wartet. Lasst das Schelten, Richten; lasst das weichliche Verzagen; seid zum leiden willig; geht euern Weg, ohne euch an der Welt zu beflecken. Wenn der Herr wieder gegenwärtig ist, dann wird alles gut; dann hat der Druck ein Ende und das Leiden trägt euch reiche Frucht und der Glaube führt euch zum Empfang der Herrlichkeit.

„Bis der Herr kommt,“ so konnte Jakobus jedermann in Israel mahnen und trösten. Sie warteten alle auf den von Gott gesetzten Herrn und König Israels. Aber diese Hoffnung hatte verschiedene Gestalt und Kraft bei denen, die Jesus noch nicht kannten, und bei denen, die Jesus ihren Herrn nannten, ihn erwarteten, und sich darauf freuten, dass er mit seiner Gnade und Macht wieder bei ihnen sei. Für sie war der Trost von der Ankunft des Herrn hell und durchsichtig; sie wissen, auf wen sie hoffen, kennen seine Verheissung und wissen, dass sie ihm verbunden sind. Ihnen, die Jesum kennen, die auch in besonderem Mass am Leiden und Druck Anteil haben, ihnen gilt auch dieses Wort zunächst: seid geduldig bis zur Gegenwart des Herrn.

Jakobus holt sich ein Gleichnis vom Landmann, der mit aller Ungeduld zum Wachstum der Frucht nichts beizutragen vermag, sondern sich stille fügen muss, bis der Regen kommt, der Frühregen, der den Winter beginnt und die Bestellung des Ackers möglich macht, und der Spätregen, der die aufgekeimte Saat befeuchtet und sie wachsen macht. Ohne diese Regen ist alle seine Arbeit umsonst. Darum muss er auf sie warten und erst dann, wenn sie ihm gegeben sind, fällt ihm die reiche Ernte zu.

Wenn der Herr kommt, dann ist die Zeit der Ernte. So hat auch Jesus den Tag, wo er in der Herrlichkeit Gottes uns offenbar werden wird, den Erntetag genannt und hat uns damit einen grossen Trost gegeben. Mit dem Ausblick auf die Ernte können wir unser Herz fest und beharrlich machen, und die törichte Begehrung abtun, welche augenblicklich den Genuss und die Frucht von allem haben will, was wir Gott zum Dienst vollbringen, und ihm seine Zeit nicht gönnt, dass er nach seiner Ordnung die Erntezeit an Christi Tag herbeiführe.

Stützet die Herzen, V. 8, mahnt Jakobus, wenn sie eine verzagende und aufbrausende Regung ins Wanken bringt, dass sie mit Festigkeit und Einfalt auf die Vereinigung mit Christo stehen. Diese ist euch nah. Jakobus hat wie alle Apostel innig auf Jesus gehofft. Nun hat sich freilich Gottes Weltregierung anders entfaltet, als er es damals wusste. Wird es nicht dennoch dabei bleiben, dass sie von Christi Offenbarung nur durch eine kurze Frist getrennt gewesen sind? Ihnen wurde der Anblick Christi und die Vereinigung mit ihm bald geschenkt.

Es darf dem Missmut und Zorn nie gelingen, in uns die Liebe zu töten. Seufzet nicht gegen einander, V. 9. Für einander, nicht gegeneinander darf Gottes Barmherzigkeit und rettende Macht anrufen, nicht seine richtende Gewalt. Wer den Richter gegen die andern anruft, ruft ihn auch gegen sich selber an. Denn er handelt ohne Ansehen der Person mit fehlloser Gerechtigkeit an uns allen. Soll seine Barmherzigkeit dem Gericht die Bahn frei lassen, dann trifft dasselbe auch unsre eigne Sünde, nicht nur die fremde, die uns drückt. Jakobus erinnert nochmals an den Spruch, dass nur die Barmherzigkeit sich gegen das Gericht zu rühmen vermag.

Und der Richter steht vor der Türe, im Begriff zu uns hereinzutreten. Was uns zum Trost gesagt ist, dass wir Christum sehen werden, hat seinen tiefen Ernst bei sich. Wer Christum sieht, sieht den Richter. Jakobus will nicht, dass wir uns am Trost bloss erquicken, sondern der Ernst der Hoffnung, der uns reinigt, darf nicht von ihm gesondert sein. Derselbe macht barmherzig, weil er uns nicht zulässt, dass wir in verstocktem Leichtsinn das Gericht gegen die andern anrufen.

Der Weg ist uns vorgezeichnet durch die Propheten. Ihr Amt war, dass sie im Namen des Herrn redeten, V. 10. Sie standen mit ihrem Wort auf dem Auftrag und Befehl des Herrn und mussten sich auf ihn berufen und seinen Namen über ihre Rede setzen. Das war ihre Ehre und Auszeichnung. Aber es galt dabei, sich ins Leiden zu fügen und den Schmerz nicht zu fliehen und das Herz in Geduld zu fassen und zu warten, bis Gott ihnen half. Sie haben sich aber am göttlichen Wort Stille und Festigkeit geholt und es jedem vorgemacht, wie er als ein weiser Ackersmann den Dienst, den ihm Gott übertragen hat, ausrichten und auf die Ernte warten soll.

So hat auch Hiobs Beispiel eine grosse, stärkende kraft. Jetzt preist ihn jedermann selig, weil wir das Ende, das der Herr ihm bereitete, sehen und vor Augen haben, wie die Barmherzigkeit Gottes an ihm offenbar war und seiner Anfechtung ein Ende setzte und seine Güte ihm reichlich zu kosten gab. Zu diesem Ende kam Hiob jedoch nur darum, weil er in Geduld sein Leiden trug und in der Versuchung standhielt, weil er Gott nicht den Abschied gab, als sein Segen von ihm wich, und ihn nicht verleugnete, als er seine Gaben von ihm nahm, sondern Glauben in seiner Seele trug, welcher Gottes Güte nicht mit Augen sah und doch ehrte, und seinem Regiment sich unterwarf, auch als er ihn erniedrigte. Es ziemt sich nicht, wenn wir zwar diejenigen preisen, die geduldig sind, und selbst uns weigern mit Beharrlichkeit zu tragen, was als Last uns zugewiesen ist. Wer die selig nennt, die wie Hiob duldeten, der mache auch sein eigenes Herz stets zur Geduld.

Zu solcher Unterwerfung unter Gott gehört auch die Vermeidung des Eids. Es ist stets eine zarte Sache, einen Eid zu leisten, der frei ist von Überhebung und sich an Gottes königlicher Erhabenheit nicht vergreift. Wir brauchen leicht Gottes Namen so, als wären wir Herr und Meister über Gott und Gottes Werke, als stände es uns zu, ihm vorzuschreiben, was er tun und lassen muss. Wir setzen Dinge zum Pfand, die ihm eigen sind, und nicht uns gehören, unsre Seele, deren Heil und Leben an Gottes Willen hängt, und nicht an unserm Wort und Beschluss, oder wie’s die Juden taten, den Himmel und die Erde, über die der Mensch nicht zu verfügen hat.

Jakobus erinnert, dass mit einer solchen Verhüllung des Schwurs nichts gebessert ist; man spricht zwar nicht mehr von Gott, dennoch ist er angerufen. Denn der Himmel oder die Erde sind darum das Eidespfand, weil sie Gottes Werke sind und nicht des Menschen Habe und Eigentum. Ein Ja, das ein Ja ist, ein Nein, das ein Nein ist, das sei euer Wort. Wer drum schwören muss, weil es ein Gesetz von ihm verlangt, der sehe zu, dass er es mit reinem Sinne tue, als einer, der vor dem allwissenden und gegenwärtigen Gotte spricht, in der Unterwerfung unter seine Herrschaft und seinen regierenden Willen.

Es gibt andre Anrufungen Gottes, die rein und ihm wohlgefällig sind, durch welche wir ihn ehren ohne Versündigung und die unser Leben mit reichem Segen füllen. Sie passen für die Tage des Leidens und für den frohen Sinn. Leidet jemand, so bete er; ist jemand wohlgemut, so preise er Gott mit einem Psalm, V. 13. Alles, was uns bewegt, kann nach oben dringen. Sitzt der Stich einer Not oder eines Unrechts, das wir leiden, in der Seele, so führt uns das zu dem, dessen Hilfe grösser ist als alle Not. Erfüllt uns ein froher Mut, weil wir von Gottes Gaben umringt sind, so soll uns auch der Mund aufgehen und der Psalm ertönen, als das Zeugnis, dass wir nicht nur Gottes Gaben schätzen, sondern dankbar empor zu seiner Güte sehen.

Wenn aber die Krankheit unsere Kraft lähmt, und wie’s oft genug geschieht, auch unsern Geist umfangen hält, auch dann soll uns der Segen und die Hilfe des Gebets nicht fehlen, V.14. Hier hat die Fürbitte ihren Ort. Als die, welche beten können und der Fürbitte als einem heiligen Geschäft obliegen, nennt Jakobus die Alten in der Gemeinde, denen das Alter Erfahrung gebracht hat und Befestigung im Glauben, die auch durch ihr Alter das Vertrauen der andern erworben haben und darum an der Spitze der Gemeinde stehen und mit der Fürsorge für sie betraut sind. Dann, wenn Schwachheit und Krankheit den Einzelnen ohnmächtig macht, soll er’s zu geniessen haben, dass er in eine Gemeinde gepflanzt ist, die für seine Schwachheit eintritt, und von Männern geleitet ist, die für ihn beten können.

Jakobus mahnt die Alten, nicht nur das Wort zu verwalten, sondern dem Kranken noch eine andre Hilfe zu bieten, dadurch, dass sie zum Wort das Zeichen fügen: sie sollen ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Sie sollen es ihm durch die Salbung mit dem lindernden Öle sichtbar machen, dass Gott die heilende Macht nicht fehlt, die seine Krankheit wohl zum Leben wenden kann. So wird das Innerliche und Unsichtbare auch ihrem Auge nahe gebracht, und es dadurch ihrem Herzen leichter gemacht, mit festem Griff Gottes Hand zu fassen durch einen Glauben, welcher der Hilfe Gottes sicher ist.

Solche Salbung war mehr als ein Gleichnis, weil sie im Namen des Herrn geschah. Dadurch war in dieselbe eine Verheissung eingeschlossen, die aus der hilfsbereiten Gnade Gottes fliesst, und beiden, dem Betenden und dem Kranken, Gottes Leben erhaltende Macht vorhielt, dass er sich auf sie verlasse und um sie bitte. Jedoch hat Jakobus nicht die Salbung als eine Art unfehlbar wirksames Heilmittel betrachtet. Denn nicht das Öl, sondern das Gebet des Glaubens, sagt er, wird den Kranken aufrichten. Gläubiges Gebet stellt sich aber bescheiden unter Gott und wartet auf seine Hilfe und ist mit Gottes Führung zufrieden, welchen Weg sie uns leite, zum Leben oder zum Tod.

Jakobus erinnert die Gemeinde daran, dass sie auch gegen die Krankheit nicht ohnmächtig ist, weil sie glauben und beten darf. Es schwebt ihm auch hier Jesu Bild vor Augen, wie er der Krankheit ein Ende machte durch sein herzliches Erbarmen in Gottes Macht.

Dabei ist noch ein besonderer Punkt zu besprechen. Es können Sünden des Kranken im Wege stehen. Das Krankwerden ist der Anfang zum Sterben; zwischen unserm Sterben und Sündigen besteht aber ein sehr bestimmter Zusammenhang. Wird uns das Leben genommen oder doch geschwächt und durch Krankheit belastet und eingeengt, so kann’s ein Gericht Gottes sein, das uns wegen unsern Versündigungen trifft.

Wie nun? Lähmt das unsere Fürbitte? Sollen wir, weil wir nicht wissen, ob der Kranke gesündigt hat und deswegen heimgesucht worden ist, vom Gebet abstehen? Jakobus sagt: betet im Glauben und wenn ihr für einen Sünder betet, so ist deshalb euer Bitten nicht umsonst. Der Herr kann vergeben und wird es tun, weil ihr ihn bittet, und wird ihn von der Last lösen, die er ihm seiner Sünden wegen zur Zucht und Beugung auferlegt hat.

Weil aber Jakobus hier den innerlichsten Punkt unsrer Gemeinschaft unter einander berührt, wo das gemeinsame Gebet und der gemeinsame Glaube bis zu meiner Sünde sich erstreckt und mir zur Hilfe wird, die mich von ihren bösen Folgen löst, so stellt er auch die zarte, tiefdringende Forderung, ohne die solche Gemeinschaft ein Schein und Name bleibt und nicht in Wahrheit zustande kommt: bekennt darum einander die Sünden und betet für einander, damit ihr geheilt werdet.

Wenn ich die Fürbitte in Anspruch nehme, die für mich Gottes Vergebung sucht und empfängt, dann darf ich mich nicht in einen lügenhaften Schein hüllen, und meine Sünde bedecken und verheimlichen; hier gilt’s Aufrichtigkeit. Wie wir gegenüber dem Arzt nach der Regel handeln, dass dem Arzt nichts verschwiegen werden darf, so gilt’s noch viel mehr gegen die, die ihre Liebe und Gemeinschaft im Geiste vor Gott uns schenken sollen, dass wir ihnen Wahrheit schuldig sind. Sie sollen wissen, für wen sie beten, und was in unserm Leben geschehen ist, weshalb uns Gottes schwere Hand getroffen hat. Da ist alle Verstellung und Unaufrichtigkeit ein unwürdiges und frevles Spiel mit Gott.

Wir haben freilich recht, wenn wir wünschen, dass das was an uns sündig ist, verborgen und nicht vor den Augen der Menschen ausgebreitet sei. Gott hat die Scham dem Menschen ins Herz gepflanzt als einem Wächter, der ihn fürs Böse empfindlich machen soll. Das Bekenntnis, welches hier Jakobus fordert, ist kein schamloses Überströmen des Unrats unsrer Seele ans helle Licht. Ein rechtes Bekenntnis tut weh und demütigt. Es ist selbst ein Stück Strafe, denn es nötigt uns die bittern Folgen unsrer Verkündigung zu tragen und macht aus der bösen Lust ein Leid. Eben darum ist es heilsam. Es ist die Bewährung der Reue und die ernste Anerkennung unsrer Schuld; darum lösen wir uns im Bekenntnis von unsrer Sünde und ziehen unsern Willen aus ihr heraus. So können wir nun auch gläubig um Gottes Vergebung bitten, und der Regel der göttlichen Gnade froh werden, dass sie die nicht richtet, die sich selber richten.

Wir haben auch in diesem Stück unsern Weg ohne Künstelei in Einfalt zu gehen, wie Gott und führt. Wenn Gottes Gnade unsre Sünde bedeckt, dass uns die Verheissung zufällt: wohl dem Mann, dem die Sünde bedeckt ist, da sollen wir nicht mit selbst erwählter Büssung sie offenbaren. Wenn uns Gottes Ernst niederbeugt und die Bosheit unsrer Taten uns sichtbar und fühlbar macht in schweren Heimsuchungen, so dass wir die Hilfe der andern bedürfen, so sollen wir unsre Sünde nicht mit verstocktem Stolz ableugnen, sondern in aufrichtigem Geständnis Gott die Ehre geben und uns der Zusage getrösten, dass denen die sich vor ihm erniedrigen, Erhöhung wiederfährt.

Die Kirche hat versucht, was Jakobus uns hier vorschreibt, in ihre Ordnungen zu fassen. Die katholische Kirche schickt ihre Priester mit einem Ölfläschlein zu allen Sterbenden und zwingt ihre Glieder zur jährlichen Beichte im verschlossnen Beichtstuhl. Die evangelische Kirche liest ihre Beichtformulare bald sonntäglich, bald jeweilen vor dem Abendmahl, und teilt die Gemeindeglieder dem Pfarrer als seine Beichtkinder zu. Das sind freilich nur dürftige und schwache Versuche, ins Leben zu setzen, was Jakobus uns als Pflicht, Recht und Macht der Glaubenden beschreibt. Was Jakobus meint, ist nicht Formel und Gesetz, sondern aus der Wahrheit und dem Geist geborne Tat im Bekennenden wie im Fürbittenden. Wir haben solchen kirchlichen Ordnungen auch dann, wenn sie ärmlich und mangelhaft sind, uns willig zu fügen, sollen aber aus der Schrift lernen, dass es etwas grösseres und höheres gibt als diese ärmlichen Satzungen.

Jakobus richtet unsern zweifelnden Sinn auf, der unser herrliches Vorrecht, beten zu dürfen, nicht gebrauchen mag, weil er dasselbe für zu hoch und zu erhaben hält. Gebet, ruft er uns zu, ist eine Macht; dass ihr beten dürft, ist eine unschätzbare Gabe. Das Bitten des Gerechten, das seine Wirkung tut, vermag viel. Das Gebet des Gerechten, sagt er, und lenkt dadurch unsern Blick nach innen zur Selbstprüfung, ob unsere Sache eine gerechte sei und unser Verlangen eins sei mit Gottes Recht und Willen, ob wir nicht sündigem Begehren Raum geben und mit unserm Gebet Gott widerstreben. Als die Gerechten haben wir vor Gott zu stehen, die auf geradem Wege gehen unter Gott, von ihm geführt und darum auf dem Wege der Gerechtigkeit. Das Gebet des Sünders fällt dahin. Da müssen wir nun freilich, soll uns die Freudigkeit zum Gebet nicht schwinden, nicht vergessen, dass Gottes Gerechtigkeit nicht nach menschlichen Gedanken beschaffen ist, dass es auch für uns mit vielfältiger Schuld belastete Menschen ein Gerechtsein gibt vor Gott, das uns zuwächst, so wie wir seiner Gnade und seinem Gebot durch Glauben und Gehorsam untergeben sind. Er sagt vom Bitten: es werde tätig und greife seine Arbeit an und vollbringe sein Werk, nicht als fügte er zum Bitten hier noch ein besonderes Werk hinzu; das Bitten selbst heisst er hier eine wirksame Sache und kräftige Tat. Es ist kein Spiel und kann nicht im Schlaf des Leichtsinns geschehen. Es führt uns vor Gottes Thron und stellt uns vor den Blick des Allerhöchsten, und steht darin, dass unser Herz sich zu einem gläubigen Begehren aufrichtet und unsere Seele sich gürtet zu einem zuversichtlichen Wort an Gott. Darum ist Regsamkeit, Bewegung, Tätigkeit im Bitten, und dann, wenn unsre Seele sich zu Gottes Thron mit gläubigem Verlangen hinbewegt, dann wird grosses Erreicht. Jakobus hält uns Elia vor mit der verwundbaren Macht seines Worts, der dem Volk den Regen nahm und gab, und Dürre und Fruchtbarkeit zuteilte. Er hatte diese Macht durch sein Gebet. Sie haftete nicht an ihm; Gott rief er an, Gottes Werk war’s und Elia empfing dasselbe, weil er bat. So hat ihn uns schon die alttestamentliche Geschichte beschrieben, wie er auf dem Karmel sass und sein Haupt verbarg in dringendem Gebet, bis die Wolke aufstieg überm Meer und der Regen kam.

Elia aber war ein Mensch wie wir. So stellt ihn Jakobus dicht neben uns, damit wir nicht sagen: Elia hat Gott erhört, uns erhört er nicht; Elia konnte beten, wir können es nicht. Als ein Mensch wie wir, war er in dieselbe Enge und Schranke der menschlichen Bedürftigkeit und Schwachheit gesetzt. Freilich war er ein Prophet und betete darum um Gaben Gottes, wie er sie als Prophet bedurfte, um ein götzendienerisches Geschlecht zum Herrn zurückzurufen. Du bist kein Prophet und brauchst nicht die Hilfe, die dem Propheten widerfuhr, sollst darum auch nicht eines Propheten Gebet an Gott richten. Aber für das, was du bedarfst, ist dir Gottes Ohr offen, wie es Elia offen stand.

Jakobus lässt es aber nicht dabei bewenden, dass wir einander in der Krankheit beistehen und die Not der Leidenden mit Glaube und Gebet umfassen. Es gibt noch eine andre Notlage schlimmerer Art, und darum noch eine andre Hilfe grösseren Werts, die wir einander bringen sollen. Darüber spricht er noch ein Wort; dann hört er auf.

Wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, V.19. Das ist das schlimmste Unglück, das uns widerfahren kann. Vorher sprach er davon, dass uns die Gesundheit, jetzt dass uns die Wahrheit verloren ging. Ob dem Verlust der Gesundheit jammern wir, derjenige der Wahrheit rührt uns nicht. Gerade deshalb ist er das grössere und schlimmere Unglück.

Abgeirrt sein von der Wahrheit bringt finstere, lügenhafte Gedanken ins Herz. Dann ist uns Gott bedeckt. So lange sein Name unsrer Seele heilig ist, ist der Kern und die Summe aller Wahrheit noch bei uns. Aber wenn finstere Gedanken wie Wolken uns den Blick zu Gott verschliessen, dann hat die Wahrheit ihre Macht über uns verloren und unser Leben wird zur Irrfahrt in der Dunkelheit.

Hier, sagt Jakobus, helft, ihr, die ihr in der Wahrheit steht. Lasst es den Irrenden erfahren, dass ihr barmherzig geworden seid durch Gottes Barmherzigkeit und Gottes Diener, die gerne das Werkzeug seiner Gnade sind. Wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt und es bringt ihn jemand zurück, dann ist ihm etwas grosses widerfahren. Jakobus heisst uns bedenken, wie herrlich und gross ein solches Erlebnis ist: erkennt, dass wer einen Sünder aus der Verirrung seines Weges zurückgebracht hat, seine Seele vom Tode retten und die Menge der Sünden bedecken wird, V. 20.

Dir selbst, sagt Jakobus, ist damit Heil widerfahren. Du hast dem andern geholfen und seine Seele vor dem Tode bewahrt; du hast auch dir selbst geholfen. Bist du der Bote der rettenden Gnade für die andern geworden, so wird deine Seele kein Tod ergreifen und deine Sünde, die doch wahrlich gross ist, vor Gott nicht offenbar werden. Dein Lohn ist, dass du deine Seele davon trägst zum ewigen Leben und deine Sünde bedeckt bleibt unter Gottes Vergebung.

Es gibt eine hoffärtige Art, den andern mit der Wahrheit zu dienen, wobei wir im Glanz derselben als die Reichen zu den Armen treten, als die Erleuchteten zu den Irrenden. Das ist nicht die Weise des Jakobus. Er erinnert uns daran, dass es jedem unter uns obliegt, dem Tode zu entgehen, an dem auch uns unser Weg vorüberführt, und die Decke zu gewinnen, die unsre Sünde in die Verborgenheit versenkt, weil sie uns schändete und aus dem Himmelreich vertriebe, wenn sie offenbar werden dürfte. Er beruft uns zum Dienst der Liebe als solche, die selbst der Hilfe bedürftig sind.

Liebe und Wahrheit setzt er in innige Eintracht. Er heisst uns in der Wahrheit das Mittel erkennen, durch welches unsre Liebe den andern wirklich dienen kann, und heisst uns in der Liebe das Mittel sehn, durch welches die Wahrheit uns heilsam wird und uns selig macht.

Die Türe zum Himmelreich zeigt er uns mit seinem letzten Wort weit offen und nah. Willst du ins ewige Leben, sieh, hier sind die Irrenden, welche die Wahrheit Gottes verlassen haben; hilf ihnen, bringe sie zurück; lass sie nicht verderben. Wer andern ins Leben hilft, geht selbst nicht verloren. Wer aber der Wahrheit nur für sich selber froh ist und in ihrer Erkenntnis sich hoch dünkt und die Irrenden verderben lässt mit hartem Sinn, dessen Seele wird des Todes Raub und die Menge seiner Sünden bricht offenbar an ihm hervor.

So schliesst Jakobus mit der herrlichen Verheissung des Evangeliums. Freilich versieht er sie nach seiner Weise mit der ernsten Warnung Jesu, dass der Knecht, der sein Pfund vergräbt, in die Finsternis geworfen wird. Wie aber Jesus neben den unwilligen Knecht die getreuen stellt, die das Wort, das er ihnen gab, für die andern fruchtbar machten, und darum seine Freude mit ihm geniessen dürfen, so hält uns Jakobus zum Schlusse vor, dass wir durch den Dienst an den Brüdern Gottes herrliche Gnade erlangen, durch die unsre Seele dem Tod entronnen und die Menge unsrer Sünden begraben ist.

Quelle: Schlatter, D. A. - Erläuterungen zum Neuen Testament, Teil 4

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