Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 143. Psalm.
1. Ein Psalm Davids. HErr, erhöre mein Gebet, vernimm mein Flehen um deiner Wahrheit willen, erhöre mich um deiner Gerechtigkeit willen; 2. Und gehe nicht ins Gericht mit deinem Knechte: denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. 3. Denn der Feind verfolgt meine Seele, und zerschlägt mein Leben zu Boden; er legt mich in das Finstere, wie die Toten in der Welt. 4. Und mein Geist ist in mir geängstet; mein Herz ist mir in meinem Leibe verzehret. 5. Ich gedenke an die vorigen Zeiten, ich rede von allen deinen Taten, und sage von den Werken deiner Hände. 6. Ich breite meine Hände aus zu dir; meine Seele dürstet nach dir, wie ein dürres Land, Sela. 7. HErr, erhöre mich bald, mein Geist vergeht; verbirg dein Antlitz nicht von mir, dass ich nicht gleich werde denen, die in die Grube fahren. 8. Lass mich frühe hören deine Gnade; denn ich hoffe auf dich. Tue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll; denn mich verlangt nach dir. 9. Errette mich, mein GOtt, von meinen Feinden; zu dir habe ich Zuflucht. 10. Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn Du bist mein GOtt; dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn. 11. HErr, erquicke mich um deines Namens willen; führe meine Seele aus der Not um deiner Gerechtigkeit willen; 12. Und verstöre meine Feinde um deiner Güte willen, und bringe um alle, die meine Seele ängstigen; denn ich bin dein Knecht.
Der 143. Psalm hat 1) die Überschrift: Ein Psalm Davids. Darin hält David in einem umständlichen Eingang und Vorbereitung um die Erhörung seines Gebets an, und stellt seine Not und den zu GOtt gerichteten Ernst seiner Seele vor, V. 1-6. 2) Hernach schüttet er sein Herz mit wirklichem Beten und Flehen vor GOtt aus, und bezeugt seine gute Zuversicht wegen der Erhörung und Gewährung seiner Bitten, V. 7-12. Gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knecht, war des sel. Arndts Seufzer noch auf seinem Totenbette. Wo Gerechtigkeit nicht durch Gnade und Wahrheit temperiert wäre, so gäbe es ein Gericht ab, das sich ein Knecht des HErrn abbitten darf. Aber auf die mit Gnade und Wahrheit temperierte Gerechtigkeit, besonders wie sie jetzt im Evangelio geoffenbart ist, kann man sich getrost im Leben und Sterben einlassen. Und an diese hängt sich auch David im Psalmen als an die gute Hand, die ihn nicht nur aus der Not herausführen, sondern bis ins Land der Lebendigen leiten und bringen werde. Nach derselbigen geschehe auch an uns und durch uns alles Wohlgefallen GOttes auf Zeit und Ewigkeit!