Rieger, Carl Heinrich - Micha - Das sechste Kapitel
Diese durchdringende Buß-Predigt hat drei Teile, die Ach merklich unterscheiden; nämlich einen gewaltigen Eingang zur Erweckung der Herzen, eine freundliche Unterweisung zu Gewinnung der Herzen, und eine scharfe Bestrafung und Bedrohung über die verschlossenen Herzen.
I. Der gewaltige Eingang zeigt, wer hier rede, und an wen die Rede gerichtet sei, und was GOtt darunter suche.
1. Hört doch, was der HErr sagt: Mache dich auf, und schilt die Berge, und lass die Hügel deine Stimme hören. 2. Hört ihr Berge, wie der HErr strafen will, samt den starken Grundfesten der Erde; denn der HErr will sein Volk schelten, und will Israel strafen.
Auf Bergen und Hügeln hat sich das Volk allermeist verschuldet; darum werden diese nun aufgefordert, des HErrn Strafen und Schelten zu hören, wie Er nämlich mit Seinem Volk abrechne, unter Vorhaltung der an sie gewendeten Gnade und ihres undankbaren Ungehorsams, sie zur Buße auffordere, mit noch immer untermengtem neuen Gnaden-Antrag.
II. Mit ausnehmender Herunterlassung fängt nun GOtt Sein Abrechnen so an, dass es doch ja zu Gewinnung ihrer Herzen gereichen sollte.
3. Was habe ich dir getan, mein Volk? Und womit habe ich dich beleidigt? Das sage mir. 4. Habe ich dich doch aus Ägyptenland geführt, und aus dem Diensthause erlöst, und vor dir her gesandt Mose, Aaron und Mirjam. 5. Mein Volk, denke doch daran, was Balak, der König in Moab, vorhatte, und was ihm Bileam, der Sohn Beors, antwortete, von Sittim an bis gen Gilgal; daran ihr ja merken solltet, wie der HErr euch alles Gutes getan hat. 6. Womit soll ich den HErrn versöhnen? Mit Bücken vor dem hohen GOtt? Soll ich mit Brandopfern und jährigen Kälbern ihn versöhnen? 7. Meinst du, der HErr habe Gefallen an viel tausend Widdern? Oder am Öl, wenn es gleich uns zählige Ströme voll wären? Oder soll ich meinen ersten Sohn für meine Übertretung geben? Oder meines Leibes Frucht für die Sünde meiner Seele? 8. Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der HErr von dir fordert, nämlich GOttes Wort halten, und Liebe üben, und demütig sein vor deinem GOtt.
Hierbei geht es eigentlich her, wie bei einer Abrechnung. Der HErr fangt an, das Volk redet dazwischen, und der HErr behauptet Sein Recht. Seine bisher spät und frühe an sie verwendete Mühe stellt Er ihnen als Zeugnisse Seiner Treue vor, von welcher Er sich nichts habe abwendig machen lassen. Dem Propheten Micha selber muss das einen tiefen Eindruck gegeben haben, woraus noch am Ende seiner Weissagung die zuversichtliche Erklärung geflossen: du wirst dem Jakob die Treue, und Abraham die Gnade halten, wie du unseren Vätern vorlängst geschworen hast. Aber das Volk antwortet auf eine Weise, die schon ihr verkehrtes Herz. verrät. Es kommt nämlich heraus, wie wenn sie sagten, ja, das begehren wir ja nicht zu leugnen, aber wie soll man es denn angreifen, dass es ein Genüge tut; wie man etwa heutigen Tages seine Unlittigkeit gegen den Dienst GOttes im Geist und in der Wahrheit so ausstoßt, dass man sagt: es weiß einer fast nimmer, was man tun soll, man will ja mit nichts mehr zufrieden sein. Aber GOtt sagt es ihnen kurz und deutlich: lasst nur das Wichtigste nicht dahinten, das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben. Es in Allem ernstlich, gerichtlich, nach dem was göttlich ist und nicht nach dem, was menschlich ist, nehmen, und dabei dem Wort GOttes seine richterliche Kraft lassen; Barmherzigkeit mit Lust üben, und in demütigem Glauben vor und mit GOtt wandeln: das kann ein Jeder mehr in seinem Herzen und Gewissen finden.
III. Zuletzt aber muss die Predigt doch auf eine scharfe Bestrafung und Drohung über die verschlossenen Herzen ausgehen.
9. Es wird des HErrn Stimme über die Stadt rufen; aber wer deinen Namen fürchtet, dem wird es gelingen. Hört ihr Stämme, was gepredigt wird. 10. Noch bleibt unrecht Gut in des Gottlosen Hause, und der feindselige geringe Epha. 11. Oder sollte ich die unrechte Wage, und falsches Gewicht im Säckel billigen, 12. Durch welche ihre Reichen viel Unrechts tun? Und ihre Einwohner gehen mit Lügen um, und haben falsche Zungen in ihrem Halse. 13. Dars um will Ich dich auch anfangen zu plagen, und dich um deiner Sünde willen wüste machen. 14. Du sollst nicht genug zu essen haben, und sollst verschmachten. Und was du er haschest, soll doch nicht davon kommen; und was davon kommt, will ich doch dem Schwert überantworten. 15. Du sollst säen, und nicht ernten; du sollst Öl keltern, und dich mit demselben nicht salben; und Most keltern, und nicht Wein trinken. 16. Denn man hält die Weise Amri, und alle Werke des Hauses Ahabs, und folgt ihrem Rat. Darum will ich dich zur Wüste machen, und ihre Einwohner, dass man sie anpfeifen soll; und sollt meines Volks Schmach tragen.
Anzeige künftiger Dinge hat GOtt nie zum Futter des menschlichen Vorwitzes aufgeschüttet; sondern Besserung im Gegenwärtigen damit zu wirken, ein Steuern wider die Ungerechtigkeit zu tun sich angelegen sein lassen. Die wichtige Anzeige von künftigen Dingen war nur in das so eingeflochten, wie es am Besten seinen Zug tun konnte, im Gegenwärtigen Frucht zu schaffen, oder den Gerechten zur Verwahrung zu dienen, dass sie ihre Hand nicht auch ausstreckten zur Ungerechtigkeit.