Petri, Ludwig Adolf - Der Glaube in kurzen Betrachtungen - 1.

Petri, Ludwig Adolf - Der Glaube in kurzen Betrachtungen - 1.

Ich will den Glauben betrachten. Ich will meine Schuhe ausziehen und hineingehen in das Heiligtum, und die Augen meines Geistes sollen sich weiden an der hehren Wahrheit, der keuschen Einfalt und heiligen Schönheit, die mich hier umgibt; meine Seele soll sich füllen mit den Kräften der zukünftigen Welt, die hier walten, und der Friede Gottes soll in meinem Herzen regieren. Offenbare Dich, mein Gott, und erkenne mich, dass ich Dich erkenne und Deinen Namen verkündige.

Wie viel tausendmal Tausend haben vor mir des Glaubens gelebt, den Glauben bekannt und bezeugt, durch den Glauben Gott gefallen, die Welt überwunden und den Himmel eingenommen! Denn so lange eine heilige christliche Kirche auf Erden war, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, so lange ist der Glaube die Gemeinschaft der Heiligen gewesen. Denn es ist der apostolische Glaube, der mir vorgegeben ist; ich habe einen guten Grund, den weise Baumeister gelegt haben; niemand kann einen andern legen1). Denn sie haben es von dem Herrn empfangen, und was sie gehört haben und was sie gesehen haben mit ihren Augen, was sie beschaut haben und ihre Hände betastet haben, das haben sie uns verkündigt als geschickte und treue Zeugen, denn Dein Geist, mein Gott, hat sie in alle Wahrheit geleitet und seine Worte in ihren Mund gelegt. Darum haben sie auch durch des Glaubens Predigt den Glauben angezündet und alle Vernunft gefangen genommen unter den Gehorsam Christi2). Und ich setze mich freudig und zuversichtlich zu den Füßen der hohen Apostel und höre ihrer Predigt zu.

Sie führen auch zu meiner Versicherung allzumal einerlei Rede und das Zeugnis dieser auserwählten Zeugen stimmt zusammen; ein Herr, ein Glaube, weil auch nur ein Geist in mancherlei Gaben, der Geist der Wahrheit. Und dies meint auch die treuherzige Legende, dass die heiligen zwölf Boten, bevor sie hingingen, die Völker zu lehren, diesen einen Grund des einigenden Glaubens gelegt und ein jeder von ihnen einen Satz dieses Bekenntnisses bekannt und einen Stein zu dem Heiligtume gefügt habe, davon es nun den Namen der zwölf Artikel trage, von dem ersten Petrus angehoben, welcher sprach: ich glaube an Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde, bis zu Matthias herab, dem letzterwählten unter ihnen, der da beschloss und das Gebäude bekrönte mit dem ewigen Leben. Damit haben die Gläubigen der Anfangszeit deuten wollen die Einigkeit des Geistes in dem edlen Chor der Apostel und das Zusammenstimmen ihres Zeugnisses, von St. Paulus versiegelt: es sei nun ich oder jene, also predigen wir und also habt ihr geglaubt3). Es sind die heiligen Apostel und Propheten, die Lehrer der Welt, welche diesen Grundstein gelegt haben in Einigkeit des Geistes; sie haben jeden Artikel und jedes Wort eines Artikels gepredigt - die Schrift, die Predigt mit Tinte und Feder für alle Zeit, beweist es - und die das Wort göttlicher Predigt aufnahmen, die haben im Glauben auf den Glauben geantwortet.

Es ist der apostolische Glaube, und ich habe unumstößlichen Grund; ich behaupte nicht, ich leugne nicht, dass sie alle oder die letzten und längstlebenden von ihnen diese Worte des Glaubens gestellt und zusammengestellt haben, denn ich weiß es nicht; aber den Glauben in diesen Worten haben sie gegeben und gepflanzt, wie die alten Väter rühmen und sich getrösten und meine eigenen Ohren hören und meine eigenen Augen sehen in der apostolischen Schrift. Wahrheit aus Gott, Wahrheit von Anfang, Wahrheit in Ewigkeit das ist der Glaube, das soll er mir sein, dazu will ich ihn lernen und das ewige Leben haben mit allen Heiligen und Auserwählten.

Denn mit diesem apostolischen Glauben und durch denselben bin ich gekommen zu der Gemeine der Erstgeborenen, deren Namen im Himmel angeschrieben sind, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten4), und mein Name ist mit dem Namen aller Auserwählten in das Buch des Lebens eingeschrieben und den Bürgern des himmlischen Jerusalems beigeschrieben; ich bin gewiss, dass ich denen nachkomme, die bereits vollendet und hingefahren sind. Ich grüße die lieben Alten, meine Vorgänger in demselben Glauben, denn ich bin mit ihnen eines Volks, des heiligen Volks, denn ihr Glaube ist mein Glaube. Ich grüße die teuren Märtyrer, die ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tod und mit ihrem Blut unserm Glauben Zeugnis gegeben haben, denn ihr Glaube ist mein Glaube, und da die Welt mit Schwert und Feuer wider sie stritt, haben sie die Welt überwunden durch den Glauben, und haben meiner Schwachheit die Kraft Christi in den Schwachen versiegelt. Ich grüße die heiligen Väter und Lehrer im Anfang und welche der Herr je und je zu Lichtern in seiner Kirche gegeben hat; ich lerne von ihnen und bin ihr Jünger, aber in demselben Glauben, den wir unter einander haben. Und alle die Stillen im Lande, die Unbekannten und doch bekannt, alle die je in allen Zeiten und allen Landen im Glauben gelebt, gekämpft und überwunden haben, ich grüße euch, meine Brüder und Schwestern, denn im Geist höre ich euch in euren Sprachen und Zungen dieselben großen Taten Gottes loben, die ich lobe, und werde samt euch getröstet durch euren und meinen Glauben, den wir unter einander haben. Mit dem Glauben trete ich in die Gemeinschaft der Heiligen.

Denn der Glaube ist der Eckstein der bekennenden Kirche, darauf sie Alle stehen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Der Glaube ist das Band der Vollkommenheit, das alle Zeiten, Länder und Völker Einigkeit umschlingt. Der Glaube ist die Einlasskarte bei der heiligen Taufe; er ist auf der ganzen Pilgerfahrt der Reisepass, den Welt und Teufel erkennen müssen; er ist der Ausweis vor der engen Pforte und der Freibrief im Gericht des großen Tages und der Bürgerbrief für das neue Jerusalem. Selig die da sagen: ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tag, der gerechte Richter, geben wird5).

Und bis dahin, in der Christenheit auf Erden, ist der Glaube die sonntägliche Predigt in allen Kirchen; denn so viel Propheten Du sendest und so viel Zeugen Du ausrüstest und so viel Knechte und Diener Du bestellst, Du einiger ewiger Meister, die predigen den Glauben in Deinem Namen und alles Dein Bolt jagt Amen. Und in unzähligen Häusern hin und her, wenn der Hausvater mit den Seinigen in Deinem Namen versammelt ist, ist der Glaube das Morgengebet zur Stärkung auf den Tag und der Abendsegen zum Frieden für die Nacht, und wenn sie den Glauben bekannt und ihre Seele priesterlich gekleidet haben, alsdann treten sie mit aller Zuversicht hinzu: Vater unser, der Du bist im Himmel, und werden auch erhöret durch den Glauben in Deinem Namen.

Der Glaube, wenn er im Herzen gezündet und mit dem Geiste sich verschmolzen hat, ist die Kraft der Gesunden und die Erquickung der Kranken; er ist die Armut der Reichen und der unerschöpfte Schatz der Armen, den Fröhlichen die Freude des Herzens und den Betrübten ihr Licht und Trost; er ist aller Angefochtenen Wehr und Waffe und wider des Teufels Pfeile der deckende Schild. Wer sie auch sind, in welcherlei Umständen immer, es hat keine Not, es ist ihnen geholfen, sobald sie nur diese Worte ergreifen und aus dem Herzen bekennen: ich glaube an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist.

Denn siehe doch, meine Seele, die Höhe und Tiefe und Länge und Breite in diesen Artikeln, die ein Kind mit Einfalt und Wahrheit betet, und ich alter Mann zerbreche mir den Kopf über diesen offenbaren Geheimnissen, und je länger ich darin weile und betrachte und sinne, desto höher und höher wölbt und weitet sich das Heiligtum. Es ist hier alles, alles beisammen und in die kurze Summe dieser drei Artikel befasst. Drei Artikel, denn zu oberst im Glauben regiert der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist; die hohe ewige Majestät zeigt mir ihr Angesicht in diesem Spiegel, und ich schaue und glaube, und glaube und schaue, und ich kenne Dich, mein Leben, Gott, der Du mein Vater bist, Den der sich für mich gegeben, kenn ich, der ist Jesus Christ; Ja ich kenne meinen Führer, Der mir Deine Wege weist, Das ist Gott der Heilige Geist. Denn eben dass ich, Deine arme Kreatur, Dich erkennen, verstehen, begreifen möchte, Du wunderbares Wesen, Du unergründliches Meer von Leben und Liebe und Wahrheit und Heiligkeit - eben dazu hast Du Dich leutselig und freundlich dem Glauben ergeben und in seliger göttlicher Demut in diese schlechten menschlichen Worte fassen lassen, damit auch der Einfältigste unter uns Dich wissen und das ewige Leben haben sollte. Gleichwohl wohnst Du in einem Licht, dazu kein Mensch kommen kann; sollte ich Dich erkennen? Ich tröste mich, dass Du mich kennst, wenn ich von Deiner Ehre stammle und Deinen Ruhm mit kindischen Worten erzähle. Ich begreife auch Deine großen Werke und hohen Wundertaten nicht, die ich hier im Glauben bekenne und preise: Schöpfung, Erlösung, Heiligung; denn obwohl ich die Werke sehe, erfahre und erlebe, ja selbst unter Deinen Werken nicht das kleineste bin, so erreiche, ergründe und erschöpfe ichs doch nie mit den Gedanken meines Herzens. Ich habe aber meine Lust an diesen Werken und will sie glauben, forschen, loben und genießen, so lange ich lebe. Groß sind die Werke des Herrn; wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran.

Weiter aber erzählt mir der Glaube die Geschichte der Welt von ihrem ersten Hervorgehen unter den Händen Gottes an, da er Himmel und Erde schuf und machte, bis zum Tage der Erscheinung des großen Richters, da die Himmel zergehen werden mit großem Krachen, die Elemente aber vor Hitze zerschmelzen, und die Erde und die Werte die darinnen sind verbrennen; und was die Geschichte dieser Welt erfüllt hat und noch erfüllt an großen, schweren Kämpfen und Leiden der Sünde und des Todes, da niemand helfen konnte als Gottes eingeborener Sohn, und an Vergebung der Sünden und ewigem Leben, die niemand geben konnte als derselbe mein Herr Jesus Christ; ich höre von der Hölle, die zerbrochen, und vom Himmel, der eingenommen ist für mich. Mein Geist erstaunt, und wenn ich ihm nachgehe und nachdenke, so muss ich einmal über das andere ausrufen: O welch eine Tiefe der Ratschlüsse, Werke und Wunder Gottes in diesen wenigen und einfältigen Worten. Aber das ist das Siegel der Wahrheit und meine Freude an dem Glauben.

Der Glaube ist ein Wohnhaus des lebendigen Gottes, und ich glaube, dass ich zu Gott komme. Er ist ein Schafhaus seiner Werke und Wohltaten, und ich glaube, dass ich ihrer genieße. Er ist eine Freistatt wider Sünde und Tod, und ich glaube, dass ich Vergebung der Sünden habe. Er ist die eröffnete Schranke, darin ich nach dem Kleinod jage, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu, und ich glaube, dass ichs ergreifen werde, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin. Er ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, und ich glaube, dass ich das ewige Leben habe.

So will ich den Glauben betrachten. Mein Geist soll forschen und fragen was Wahrheit ist, und ich will zusammenwachsen in Eins mit der Wahrheit und ein Licht werden in dem Herrn. Ich will ihm nachsinnen und nachgehen und die Weisheit von oben lernen und mich scheiden von der schädlichen Weisheit der Welt und wider alle listigen Anläufe und falschen Künste mich schützen. Ich will mich dadurch stärken im Bekenntnis der Wahrheit und den Teufel schlagen und das Ende des Glaubens davon bringen, nämlich der Seelen Seligkeit.

Mein Gott, Du bist Gott der uns erleuchtet und in Deinem Lichte sehen wir das Licht. Gib mir erleuchtete Augen meines Verständnisses, und entzünde mein Herz in Deiner Liebe, denn wer lieb hat, der ist von Gott geboren und kennt Gott.

1)
1. Kor. 3,10.11
2)
2. Kor. 10,5
3)
1. Kor. 15,11
4)
Hebr. 12,23
5)
2. Tim. 4,7.8
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