Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 17. Ein Lohn?

Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 17. Ein Lohn?

Fürchte dich nicht: Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.

Es gibt so theure Plätzchen im gelobten Lande, da man gerne weilet, wohin man mit immer neuem Verlangen und neuer Freude zurückkehrt; es sind die gleichen Gegenstände, die nämlichen Sitze, die bekannten Stimmen, die trauten Worte, nichts Neues und doch immer neu; es sind die hohen Berge des Herrn, die Er so schön und so reich mit ihren grünen Gewanden hingesetzt, mit ihren blauen, hehren Felsen-Gestalten, so seltsam, so groß, wunderbar: Zeugnisse Seiner Macht. Es sind die weichen Krümmungen, und ihres Schmucks zarter Widerschein in der blauen, stillen Flut; es sind die Wasserquellen und ihr fließender Krystall, so frisch, so rein, so hell; die alten Bäume, das traute grüne Gebüsch, die geliebten Blumen; so auch jenseits, im theuern Südenlande, die nahen und die fernen Zauber-Gestade, welche der Sinn der Alten mit tausend Gottheiten des frischen, glänzenden Lebens, einst in Fülle bevölkert; - doch nur Einer ist da, der es Alles gemacht, es uns Alles gegeben; und dieser Eine überall, hier auf dieser Erde, und dort in diesem warmen blauen Himmel droben, - Dieser ist mir genug. Darum ist mir nun, von all jener Macht und Pracht in des Südens Fülle, von jenen unvergeßlichen Zügen, dem Zauber ewiger Anmuth und Schöne entfernt, auch mein Plätzchen unter den Bäumen im Walde so lieb, wo mich in grünender Fülle Sein Schild umschattet; im Garten, der so bescheiden, - wo doch meines Gottes Blume winkt; aber auch die traute Wohnstube, wo ich Ihn mitten unter Seinen Zeugen, Seinen Kindern, zu jeder Stunde gefunden; - auch das Kämmerlein. Wie Er sich doch an gewissen Stätten so freundlich, so groß, zu dem Aermsten herab neigt. - Er weiß, Er weiß es allein, was ich da Alles zu Ihm gesagt; ich weiß aber auch, was Er mir da geantwortet, was Er hier mir gegeben; was Er mir alle Tage neu vergeben; - und das theure Buch, Sein Wort, hier auf dem Tisch: „Wir haben nur das,“ sagte mir einst ein alter rüstiger Kriegsmann. - S' ist wahr, wir haben nur Das; aber darin heißt es auch, und den Geringsten, den Aermsten: Fürchte dich nicht: Ich bin dein Schild, und dein sehr grosser Lohn.

Eine bekannte Stimme rufet uns auch aus Gottes Worte: Ueber Alles aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts: Eph. 6,16. Kennest du den Bösewicht? Er ist allenthalben, er dringt, er drängt sich, er mischt sich durch Alles durch, wie die Sünde, wie der Staub, noch listiger und feiner, und sucht und wirkt auf allen Wegen, durch alle Anstöße, alle Ränke, alle Klippen und alle Stürme, daß die Freunde Gottes Schiffbruch am Glauben erleiden (l. Tim. 1,19. f. Eph. 6, 12. 1. Pet. 5,8.); - dann hat er's allerdings gewonnen, und das arme Schifflein unseres Lebens wird von Wind und Wogen hin und her getrieben, zum Himmel hinaufgeschwungen, und zum Abgrund hinunter gestürzt, ein armes, loses, zerrissenes Ding, das durch und durch leck und locker geworden, heute oder morgen in der Tiefe versinkt. O Schild und Hüter meines und seines Lebens, bewahre uns davor! Der Glaube wahret und decket mich vor so vielen Klippen und Gefahren dieser sichtbaren Welt; unter seinem Schilde dringe ich zu meinem Gott, in der unsichtbaren; ich finde Ihn, ich ruhe bei Ihm: Er ist mein Schild; - bleibe bei Ihm, meine Seele, bleibe bei diesem Gott: Er ist dein sehr großer Lohn.

Mein Lohn? - ich und ein Lohn? Es ist mir, diese zwei passen nicht zusammen: oder ich zittere und bebe, sobald ich nur an eine Vergeltung gedenke. - Aber Er spricht zu Seinem Freunde: Ich bin dein sehr großer Lohn. - Gewiß, der theure Mann gedachte es nicht, und er begehrte es auch nicht also; das sind aber seltsame Dinge: auf Gottes Wegen kommt man allmählig zu ganz andern Leiden und so auch zu ganz andern Freuden, als man's je gedacht. Weiß nicht, wie's hier einem Jeden gehen mag, oder zu Muthe war von Anfang, und wie Einem zu Muthe wird nach und nach; gewiß aber glaube ich, daß, Wer einmal wirklich auf Seinen Wegen gehet, und wandelt in Gehorsam vor Seinem Angesicht, wenig mehr an Lohn gedenket. Man begehret Etwas; man bittet in seinem Gemüthe um manche Wohlthat, um manche Gabe oder Gnade, um Segen im irdischen Beruf, um das tägliche Brot, um der Kinder Gedeihen, um des Hauses Bewahrung; man sagt aber auch alle Tage und von ganzem Herzen: Dein Name werde geheiliget, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. - Man hat manches Anliegen, groß oder klein, manchen Seufzer zu Gott, wie auch zu Ihm manchen Preis und Dank, so wie jeder Tag seine Plage hat, und auch seine Freude; - es gehet aber in all diesen Sachen immer bescheidener und stiller, auch immer demüthiger und vertraulicher zu; aber an Lohn denket man nicht; der Lohn findet sich auf allen Wegen und Schritten; man erntet, wo man gesäet; man sammelt auch, wo man gestreuet hat, ja, selbst hie und da, wo man nicht gestreuet hat; es gehet von Segen in Segen, von Frieden in Frieden, aber so auch durch manche Erkenntniß und allerlei Erfahrung; man staunet, man schämet sich, man hat es nicht gesucht und es nicht begehrt; man sucht in Allem Ihm zu gefallen, man möchte Ihm leben, möchte Ihm Alles geben, mit Allem Ihm dienen; möchte Etwas zu Seinem Preise werden, ein Lob Seiner Herrlichkeit und Gnade: Eph. 1,6.12. - es gehet von Licht zu Licht, aus Glauben in Glauben; man hat sich Gott gegeben: wir für Ihn, und Er für uns; wir Ihm ganz und gar, und Er uns: unser Gott, unsere Freude, unser Theil; wir in Ihm, und Er in uns; unser, Sein Gottes-Friede, Seine Liebe, Seine Treue, Seine Himmel… - Genug, mein Freund; - bist du da? Siehe, das sind Sachen, so hoch, der Boden so heilig; man ziehet seine Schuhe aus, man betet an und schweigt; man verstehet Etwas von jenem Worte: Ich bin dein sehr großer Lohn; - aber so als durch Zittern und Beben: Mein Herr und mein Gott, Du mein Lohn? O schone meiner, und erbarme Dich mein!

Doch, es ist wahr, es kann auch nicht wohl anders sein; nicht weniger und nicht mehr: Gott muß unser Lohn, unser sehr großer Lohn sein; einen andern gibts für uns nicht. Verstehest du mich, mein Freund? der Mensch, nach Gottes Bilde erschaffen (1. Mos. 1.2.), geboren, Gott zu erkennen, Ihn zu lieben, Ihm zu dienen allein, - der Mensch, von Gott gemacht für Ihn, zu Ihm, kann in die Länge Gottes nicht ermangeln; so sündlich er sein möge, so undankbar, ungöttlich, unrein, und wenn auch noch so sehr von dem Leben Gottes entfremdet (Eph. 4,18.), - seine Natur begehret, nach ihrem Grundkeime, nach ihrem Grundverlangen, diesen Gott; Gott ist, was er noch so sehr dagegen sagen oder lästern mag, - Gott ist ihr erstes, ihr bestes Bedürfniß, ihres Lebens Macht, ihres Lebens Leben; diese vergängliche Erde ist uns zu klein; diese große Welt, so stolz, so schön, so reich, ist uns zu arm und leer, sie kann uns nicht genügen; wir brauchen Gott, unseren Gott, wir brauchen Ihn ganz; wir müssen mit Ihm wieder versöhnet, mit unserem Urquell wieder vereiniget werden, müssen in Seiner Liebe, durch Ihn, mit Ihm, in Ihm, unsere Freude, unseren Frieden, unser Leben haben; Seine Himmel müssen unsere Himmel, Seine Ewigkeit unsere Ewigkeit, Seine Güter unsere Güter sein, sonst gehen wir doch leer aus; wir sind, ohne Ihn, ewig leer, arm und jämmerlich, und elend, und blind, und bloß. Freund, wie stehet's da mit uns?

Herzlich lieb habe ich Dich, Herr, meine Stärke; Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf Den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils, mein Schutz. - So konnte David sprechen (Ps. 18.); und Assaph: Wen habe ich im Himmel (außer Dir)? und bei Dir begehre ich nichts auf Erden: Ps. 73. - Hast du's, meine Seele, gehöret?

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