Oekolampad, Johannes - Von der Liebe Gottes zu seiner Gemeinde.
(Predigt bei dem Religionsgespräch zu Bern gehalten. 1528)
Gnade und Friede von Gott, dem Vater werde uns Allen durch unsern Herrn Jesum Christum verliehen. Amen!
Unsern Text, den wir gewählt, schreibt der Apostel Paulus an die Corinther im zweiten Briefe im 11. Cap. (2. Vers).
„Ich trage Eifer gegen euch, ja göttlichen Eifer: denn ich habe euch vermählet einem Manne, daß ich euch eine reine heilige Jungfrau Christo vorstelle. Ich fürchte aber, daß wie die Schlange Eva verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der Einfältigkeit in Christo.“
Diese Worte schreibt St. Paulus seinen lieben Corinthern, die von ihm mit großer Mühe und Arbeit zum Glauben an Christum bekehrt waren. Dieweil aber, (wie gemeiniglich auf die, welche am treuesten arbeiten, der größte Neid fällt) die falschen hoffärtigen und aufgeblasenen Apostel den heiligen und getreuen Paulus und also auch seine Lehre verkleinerten, that es Noth, daß er seinen Fleiß und seine Treue, wie er sie zu Christo gebracht und welchen Eifer er stets für sie getragen, hervorhöbe, um ihnen zu verstehen zu geben, wie sie sich auch hinwieder gegen ihn verhalten sollten.
Dieses geschieht mit den vorgelesenen Worten, über die ich nun reden will, damit wir alle, sowohl die das Evangelium verkündigen, als die, welche die Lehre annehmen, an Paulus einen Lehrer und ein Vorbild haben, wie wir uns als Christen verhalten sollen. Auch den Zuhörern wird es nicht ohne Nutzen sein, zu wissen, wie sich ein Verkündiger und Diener des Wortes verhalten solle, damit sie sich desto besser vor den falschen Propheten zu hüten wissen, und den getreuen desto lieber folgen und gehorchen. Und so will ich euerer Liebe in dieser Predigt zwei vorzügliche Stücke verkündigen, nämlich zum Ersten, wie sich die Verkündiger des Wortes, und zum Zweiten, wie sich die Gläubigen darneben verhalten sollen: Darum so merke eure Liebe, daß Christus hier ein Bräutigam die Gemeinschaft der Gläubigen aber seine Braut genannt wird, wie denn dieses auch Joh. 4. Matth. 9. Ephes. 5. und im ganzen hohen Liede Salomo’s, sowie auch in vielen Gleichnissen und Parabeln der Propheten und des Evangeliums geschieht.
Diese Braut wurde von Ewigkeit her Christo vom Vater als ein Erbteil und Besitzthum übergeben, wiewohl sie nur durch den Geist dem Bräutigam zugeführt wird. Niemand kommt zu Christo, es ziehe ihn denn der Vater (Joh. 6); nämlich durch den heiligen Geist, der uns auch verleiht, Christum zu erkennen, an ihn zu glauben, und ihn zu lieben, wie Christus auch durch seinen Geist seine Gemeinde oder Kirche regiert, beschützt und erhält, und ihr als das rechte, wahre, einige Haupt, Leben und Gedeihen giebt. Daneben hat Gott etliche Diener und Knechte erwählt, daß sie als Brautführer sie holen und seinem Sohne bringen und darstellen, und auf sie wohl Acht haben und für sie Sorge tragen sollen. Wie denn Johannes der Täufer als Freund des Bräutigams den Auftrag gehabt, dem Herrn ein bereites Volk zuzurüsten, was ebensoviel bedeutet, als die Braut Christo dem Bräutigam zuzuführen. Das ist auch der Auftrag gewesen an alle Propheten, Apostel und Prediger. O liebe Herren und Brüder, es ist gar ein hohes und ehrwürdiges Amt, wie kein anderes unter der Sonne, über das wir Gott am jüngsten Tage schwere Rechenschaft ablegen müssen. Geliebte Brüder, laßt uns nicht fahrlässig, untreu und verdrossen in solchem ernstlichen Dienste erfunden werden, sondern vielmehr sehen, wie sich der heilige Paulus hierin verhalten hat, und in aller Demuth seinem Beispiele nachfolgen. Wir finden hier bei Paulus ein zwiefaches Bestreben, nämlich zuerst trachtet er, wie er die Braut dem Bräutigam zuführe und vermähle. Dieses hat er gethan, als er ihr so getreulich die überschwenglich große Wohlthat Gottes verkündigte und sie bewegte, daß sie in gutem Vertrauen zu Christo, dem Bräutigam hinzugetreten ist. Zum Zweiten zeigt sich das Bestreben darin, daß er für sie, nachdem sie ihm vermählt war, Sorge und wahren Eifer getragen, damit sie nicht verführt und überlistet werde durch falsche Lehre, und sich einem unheiligen Leben ergebe. Beides erfordert nicht geringe Mühe. Wie wir aber das Volk, wie eine Braut, Christo zuführen sollen, vernehmen wir 1 Moses 24 aus dem Benehmen des ersten Knechtes Abrahams, den dieser aussandte, um für seinen Sohn eine Braut aus seiner Verwandtschaft zu werben und sie heimzuholen.
Da lesen wir zuerst, daß ihn Abraham erwählte und auf höchste beschwor seinem Befehle getreulich nachkommen zu wollen. So ist auch Paulus von Gott als ein außerordentliches Werkzeug und Gefäß erwählt worden, daß er seinen Namen Königen und Völkern verkündigen solle. Und so sollen auch wir Alle, die das gleiche Amt verwalten, keinen Weg einschlagen, wir seien denn von Gott berufen und verordnet, indem er uns die Gaben seines Geistes reichlich verleiht. Denn nicht Jeder ist zu solchem Amte geschickt noch in demselben getreu. Etliche wären wohl darin beflissen genug, aber es fehlt ihnen die Gnadengabe der Kunst, der Beredsamkeit und Freundlichkeit. Andere wären beredt und gelehrt genug, es mangelt ihnen aber an Fleiß. Es gehören verständige Leute dazu nicht Tröpfe, Narren und ungelehrte Esel, die ihr Lebtag nichts gelernt haben, als fischen, jagen, den Pferdestall besorgen und dergleichen. Abraham erwählte den ältesten und vornehmsten unter seinen Knechten. So erwählet auch Gott seine besonders guten Freunde und Diener dazu, und wenn sie auch nicht alt an Jahren sind, so müssen sie gereift an Einsicht und Verstand sein, wie der heilige Timotheus es war. Es kommt auch allen Lehnsherren, die Pfründen zu verleihen haben, zu, wohl darauf zu achten, daß sie nicht solche Pfründen den Unwürdigen verleihen und dabei die Würdigen hintansetzen. Denn daran ist sehr viel gelegen.
Zum Andern nahm dieser Knecht Abrahams, wie wohl ihm keine Braut mit Namen bezeichnet war, die Geschenke seines Herrn für dieselbe an und machte sich in gutem Vertrauen zu Gott gehorsam auf den Weg, dem Befehle sein Herrn nachzukommen. Solches gebühret auch uns zu thun, und wenn wir schon nicht wissen, welche Frucht unser Wort, das wir verkündigen, tragen wird, sollen wir dennoch darin dem Herrn unserm Gott vertrauen, dem wir hierin dienen, und zu ihm hoffen, Er werde unsern Dienst nicht vergebens sein lassen. Doch sollen wir seine Gaben und Geschenke nicht dahinten lassen, das ist das verliehene Pfündlein, das Gold der göttlichen Weisheit und das Silber des göttlichen Wortes nicht verwahrlosen und müssig liegen lassen, denn durch solche Gaben verschaffen wir uns Gunst und Zutritt bei der Braut.
Zum dritten, da dieser Knecht zu der Stadt kam, in welcher die Braut Rebekka wohnte, die ihm aber unbekannt war, wandte er sich im Gebete zu Gott, und rief ihn an, und dieser gab ihm auch in den Sinn, wie er sich halten solle. Also sollen auch wir, liebe Brüder, allezeit Gott ernstlich anrufen, daß er uns verleihe, in unserm Dienste getreu erfunden zu werden, und daß er unser Werk zum Preise seines Namens zu einem glücklichen Ende führe. Ja wie er ein wahrer Gott ist, wird er uns zur rechten Zeit gewähren, wie denn Christus verheißen hat: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, das wird er euch geben.
Zum Vierten, da Gott angerufen ward, wirkte er, daß Rebekka ausging, Wasser zu holen, und da sie die Kameele tränkte, fand der Knecht Abrahams sie so demüthig, so dienstfertig und freundlich, daß er ihr die Ohrenringe und Armspangen gab. So liebe Brüder lasset uns Gott anrufen, und so er will, daß sein Volk durch uns erbauet werde, so wird er es selbst willig machen, daß es uns entgegen komme und den Frieden Christi nicht verwerfe. Es wird dann ein demüthiges Volk sein, und dienstwillig, begierig des Wassers, der Lehre des heiligen Geistes und würdig, daß ihm die Perlen und Kleinodien, der Friede und das Geheimniß der göttlichen Verheißung nicht vorenthalten werden.
Fünftens. Nachdem der Anfang so glücklich gewesen, und der Knecht in das Haus geführt worden, wollte er weder essen noch trinken bis er sein Anliegen vorgebracht. Damit werden auch wir ermahnt, keine zeitliche Freude, weder Lust noch Gewinn so lieb uns sein zu lassen, daß wir des Befehls vergessen, wie es diejenigen thun, welche nur für sich sorgen und allein darnach fragen, ob sie eine gute Pfründe und viel Einkommen erhalten und gut essen und trinken mögen. Es wird bei dem Austheilen der Geheimnisse Gottes gefragt, wer getreu ist. Denn „ein Jeglicher, spricht Paulus, der kämpft, enthalte sich aller Dinge, damit er die Krone erlange“. Solches gilt vorzüglich uns.
Zum Sechsten führte der Knecht eine kluge Rede, indem er die Reichthümer seines Herrn, Abrahams, pries, so wie seinen Erben, den Sohn Isaak, dem er Alles übergeben hätte, was er besitze und daß er nun diesem Sohne auch ein Weib zu geben wünsche. Darum bittet er um seines Herrn willen, alle Gnade anzunehmen.
Hier lernen wir das Evangelium predigen. So wir in ein Haus kommen das des Friedens empfänglich ist, sollen wir das Volk von seinen alten Gewohnheiten abbringen und es dem Glauben unterwürfig machen. Es ist nicht recht, daß wir Gott zu einem Tyrannen machen, sondern wir sollen seine große Macht, den unaussprechlichen Reichthum seiner Barmherzigkeit, seine unergründliche Güte und seine inbrünstige Liebe gegen uns Menschen darthun und wie er Alles seinem Sohne übergeben habe. Joh. 4. Der Vater hat den Sohn lieb, und hat ihm alle Dinge übergeben. Dieser ist, seiner Menschheit nach, ihm spät geboren, nämlich nach dem Gesetze und den Propheten, und für diesen wünscht er das christliche Volk zur Braut. Dieser ewige Rathschluß Gottes, daß wir vollkommene Verzeihung unserer Sünden, Versöhnung mit unserm himmlischen Vater, das ewige Leben und alles Gute erlangen, zieht diejenigen, die es wahrhaft erkennen zu einem rechten Glauben und gewissen Vertrauen zu Gott, daß sie den Entschluß fassen, Alles zu verlassen und Christo dem Bräutigam in wahrer Zuversicht anzuhangen. Die nun nichts predigen und loben als Menschengebot, mit denen man doch Gott vergebens ehrt, als zum Beispiel von Opfern, Zehnten, Vigilien, Jahreszeiten und Messen und dergleichen Gaukelwerken, ferner die nichts anderes predigen, als das Gesetz, und uns auf unsere Werke weisen, mit Hintansetzung und Verschweigung der frohen Botschaft des Evangeliums, wie daß Gott uns durch seinen geliebten Sohn Christum alle unsere Sünden verziehen habe, und uns zu Kindern aufnehmen wolle, was ebensoviel sagen will, als zu seiner Braut; und wie wir auch durch seine Gnade aller Gutthaten, so Christus hat, theilhaftig werden und zwar durch den Glauben; – alle sage ich, die solches den Menschen vorenthalten und es nicht lehren, die laufen und predigen vergebens, und richten die Botschaft gar nicht aus, die ihnen aufgetragen worden. Der Knecht soll klug und verständig sein, und ernstlich seines Herrn Ehre und Lob verkündigen und also getreu die Braut dem Bräutigam zuführen. Wenn man aber andere Geschöpfe loben und preisen und sie hoch erheben will wider den, dem allein Ehre, Macht und Preis zukommt, so begeht man Abgötterei und schwere Verführung. Solches thut man aber, indem man sich eigener Werke rühmt, wie der Fasten, der Beichte, des Kirchenschmückens, der Messen, der Wallfahrten, des Kerzenbrennens, Götzenbilderaufrichtens, Altarstiftens, und indem man auf die Elemente des Brotes und Wassers seine Hoffnung setzt, und Unterschiede macht zwischen Speisen, Tagen, Festen, Kleidern, Städten und Personen, und zwar Alles wider das Wort Gottes. Wenn man so darneben seines Herrn Ehre und Preis unter die Bank stellt, seine Befehle in den Wind schlägt und Kinderspielen nachgeht, so folgt man nicht dem Knechte Abraham nach, führt nicht die Braut dem Bräutigam zu, wie denn jeder Rechtgläubige es wohl ermessen kann. Solches Werk wird nicht in einer unverständigen Sprache, nicht mit leeren Ceremonien oder mit dem bloßen Gesetze aufgerichtet. Weiter spricht Paulus diese Worte: Euch und den einigen Manne Christo mit besonderem Nachdruck, als wollte er sagen: Euch die ihr vormals Sünder waret, dem Zorne Gottes unterworfen, und nahe der ewigen Verdammniß, euch habe ich zu solcher Würde gebracht, daß ihr durch den Glauben vermählt worden nicht mit dem alten Adam, der Sünde oder der bösen Gewohnheiten, sondern dem neuen Adam Christo, der da ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, diesem Manne habe ich euch getraut. Dieweil nun Gott die Gnade verliehen hat, daß wir das Volk zum Glauben bringen, so müssen wir großen Eifer und Ernst anwenden, damit uns der Schatz nicht entführt werde. Es ist eben so schwer gewonnenes Gut zu erhalten, als es zu erwerben. Darum sollen wir Fleiß anwenden, daß das Volk nicht allein gläubig, sondern auch heilig werde; das ist, daß es sich vor aller Unreinigkeit hüte und sich in guten Werken übe und so von Tag zu Tag reiner werde. Denn so lange wir auf Erden sind, lässt Gott stets noch in uns einen Anhang und eine Neigung zur Sünde, das ist, den alten Adam, und zwar geschieht dieses aus dem Grunde, damit wir in Demuth und Furcht den Glauben täglich mit rechtschaffenen Werken, ihm zu Gefallen, üben. Wie wir daher zum Glauben ermahnen, also treiben wir auch durch den Glauben zu guten Werken und zu einem heiligen Leben. Die eine Braut Christi sein will, soll sich von der Sünde reinigen und in einem neuen Leben wandeln und dazu thut Sorgfalt Noth, denn der Teufel bereitet stets Nachstellungen in seiner List, indem er uns die Seligkeit mißgönnt und Ränke schmiedet, um uns Seelen abzugewinnen und sie zum Fall zu bringen. Darum, liebe Brüder, laßt uns zum Voraus wachsam sein, daß sich das Volk wohl halte in Leben und Lehre. Das sei der erste Theil dieser Predigt.
Es soll unsere Lehre leuchten wie eine Fackel und als ein gutes Salz sich erweisen, damit unser Eifer erkannt werde. Nun vernehmet wie sich die Braut und Gemeinde Christi verhalten solle. Diese ermahnt Paulus den Glauben, das ist, die Treue an Christum zu bewahren, und sich stets zu üben, den alten Adam zu zügeln, die bösen Begierden abzulegen und sich so heilig und rein darzustellen. Das Wichtigste ist, daß er uns zur Vorsicht ermahnt, damit unser Vertrauen, welches wir zu Christo haben, nicht durch die List der Schlange von dem ersten Einfall wankend werde; denn so viel daran liegt, daß unsere Begierden einfältig seien, so warnt der Apostel doch vielmehr, daß unser Verständniß und Sinn nicht von der Einfalt abweiche. Denn darauf geht der Teufel los, daß er neben der Erkenntniß Christi des wahren Gottes und wahren Menschen unter einem guten Schein etwas einführe, damit er den Menschen zu einem Narren mache, kindisch am Verstande und also den Glauben nach und nach auflöse. Gelingt ihm dieses, so hat den Sieg errungen. Denn je reiner die wahre Erkenntniß Christi ist in den von Gott Gelehrten, desto größer ist auch das Vertrauen. Demnach soll nun solcher Glaube in uns erfunden werden, daß der Allmächtige uns seinen eigenen Sohn zu unserem Bruder gegeben und geschenkt habe, daß er wahrer Mensch, ohne Sünde gewesen durch seinen Tod unsere Sünden hinnehme, daß er wieder auferstanden sei, und nach seiner Himmelfahrt, seinen Geist den Aposteln zugesandt habe, und daß er der zukünftige Richter der Welt sei. Die Christum nicht für einen wahren Menschen halten, was haben die für eine Hoffnung? Worin ist ihr Glaube versichert? Wenn Christus nicht wahrer Mensch gewesen, so verliert auch die Auferstehung ihren Werth; wenn aber nicht wahrer Gott, wie könnten wir uns im Glauben, so hoher Zusagen getrösten? Wer aber das Wahrhafte glaubt, weiß, daß es nichts Hohes gibt, deß wir uns nicht zu Gott versehen dürften. Die aber neben Christo noch ein anderes Haupt einsetzen, das die Kirche regieren soll, werden in ihrem Glauben geschwächt. Denn es ist ihnen als ob Christus sie nicht mit seinem Geiste regiere. Es ist ja offenbar, daß kein Mensch außer Christo, als Haupt der ganzen Welt gegolten hat. Das Reich Christi ist zu groß, als daß ein Geschöpf es regieren könnte; denn es erstreckt sich vom Anfang der Sonne bis zu ihrem Niedergange, wie möchte wohl ein einziger Mensch einem solchen Reiche vorstehen? Es hat solches auch weder St. Peter noch irgend ein anderer gethan. Wer so auf das Papsttum die Kirche baut, der würde sie auf ein Geschöpf und auf Sand bauen. Es ist auch dieses keine Aufrichtigkeit gegen Christum, wenn ich eines Andern Gebot dem Ausspruche Christi zuwider annehmen würde, als wäre es der Seele nützlich, denn wie würde ich ihn da noch als Herrn meiner Seele anerkennen? Wenn Christus unsere Gerechtigkeit ist, wo bleibt die Einfältigkeit, wenn ich auf mein Werk Vertrauen setze? Wenn ich im Brote des Abendmahles Christi Leib als gegenwärtig annehme, wie werde ich einfältiglich glauben, daß er dem Leib nach gen Himmel gefahren sei? Und wenn ich vermeine, daß Christi verherrlichter Leibe an so vielen Orten sei, wie darf ich hoffen, daß mein Leib bei der Auferstehung ihm gleich verherrlicht werde? Heißt das einfältiglich von der Menschheit Christi geredet? So soll ich auch sprechen, die Messe sei ein Opfer zur Tilgung unserer Sünden, und sei die Versicherung des Bundes, den wir mit Gott haben, wie sollte dieses nicht dem einfältigen Glauben schaden, der sich auf das einzige und vollkommene Opfer, das am Kreuze geopfert wurde, verläßt? Wo bleibt aber da das wahre vollkommene Vertrauen, wo man andere Mittler und Fürsprecher als Christus annimmt? Wie bekennt man einfältiglich, daß Christus für unsere Sünden genug gethan habe, wenn wir daneben für dieselbe genug thun und bezahlen müssen im Fegefeuer? So verhält es sich auch in allen andern Stücken, die alle daher fließen, daß man sich nicht einfältiglich auf Christum vertröstet, auch weder ihn noch seine Güter erkennt, was der Teufel auf mancherlei Weise zu Wege zu bringen trachtet, indem er so die Welt verblendet. Davor warnt aber der Apostel getreulich. Wo er nur immer kann, da bricht der Teufel ein und sucht die Schwächsten auf, wie die Eva, macht einen schönen Schein mit lieblichen Reden, dahinter aber nichts als lauter Betrug und Bosheit steckt. Wer aber Christum wahrhaftig erkannt hat und seines Geistes theilhaftig geworden ist, und die frohe Botschaft angenommen hat, der muß in seinem Herzen bekennen, daß ihm nichts verkündigt werden könne, als was er schon im Evangelium vernommen habe. So lieb euch daher Christus und euer Seelenheil ist, nehmt euerer fleißig wahr, damit ihr nicht von der reinen Lehre, von der Erkenntniß und Barmherzigkeit Gottes von Christo abgeführt werdet. Und so das Auge des innern Menschen also erleuchtet ist, wendet auch Fleiß daran, euch von den unreinen Begierden und Bestrebungen zu reinigen, damit ihr eine rechte Liebe habet gegen Gott, und ihr nichts mehr fürchtet und auf nichts mehr vertrauet als auf ihn. Euere größte Seligkeit und Freude sei Gott wohl zu gefallen und seine Ehre zu fördern. Es werden zwar nicht ausbleiben allerlei Anfechtungen, wer aber sich wahrhaft auf Christum verlässt, mag ihn nicht mehr verlassen, noch kann er von ihm verdrängt werden. Er herrscht und wird ferner herrschen, und kann und will euch bewahren, daß ihr nicht verworfen werdet. Dieser hilft zu allem Guten, zum wahren Frieden und zur wahren Seligkeit, die wir mit Christo in der Ewigkeit genießen werden. Solches verleihe uns Christus nach seiner Gnade. Amen!
In Betreff der Demagorien über den ersten Brief des Johannes (Lebensbeschreibung S. 45) verweisen wir auf Oekolampads Bibelstunden, volksfaßliche Vorträge über den ersten Brief Johannes, a. d. Latein. von R. Christoffel. Basel 1850.