Müller, Heinrich - Von der göttlichen Hilfstunde.
Alles aus.
Alles verloren. Ich muß verzagen. Nein, liebstes Herz, da sei Gott vor! Wenn die Erde still schweigt, so antwortet der Himmel. Wenn Menschenhilfe am schwächsten, ist Gottes Hilfe am nächsten. Hilf, Helfer, hilf! das Wasser geht mir bis an die Seele. Die Mutter Gottes meint, ihr Sohn sollts doch nicht zum Garaus kommen lassen, sondern Wein schaffen, weil noch Vorrath da wäre. Nein, sagt Christus: Meine Stunde ist noch nicht kommen. Joh. 2, 4. Wenn alles aus ist, so ist die rechte Zeit. Lazari Schwestern gedachten, wenn der Herr kommen wäre, da ihr Bruder noch lebte, so hätte es keine Noth gehabt, nun er aber gestorben, wär ihm nicht zu helfen; das Widertheil beweist Christus in seiner Auferweckung. Wenn alles aus ist, so hilft Jesus. Wenn dem Hiskias der Tod schon aus den Augen guckt, wenn das Capernaitische Weiblein all das Ihrige verarzt, wenn die Wittwe zu Nain ihren Sohn zum Thor hinausbringt, so kommt Jesus und beweist sich als ein Wundermann, der allein helfen kann, wenn Alles aus ist. Du sprichst: Gott Lob, ich habe noch Korn auf dem Boden, noch Bier im Keller, es hat noch so große Noth nicht. Ist gut, weil Noth nicht da ist, hat Jesus auch da nichts zu schaffen. Die Noth tritt an, dein Korn geht auf, dein Bier ist bald aus, der Muth entfällt dir, ach, sprichst du, wird mir nun nicht bald geholfen, so ists verloren. Warte liebes Herz, bis alles aus und auf ist, so will Jesus kommen; wenn kein Körnlein mehr auf dem Boden, kein Tröpflein mehr im Faß, so will Jesus helfen und was schaffen, wo nichts ist. Hat er nicht aus nichts alles gemacht? Die Kunst kann er noch und beweist es in der Noth. In der Wüste thut Gott Wunder, da läßt er Manna vom Himmel regnen und Wasser aus dem Felsen fließen, da muß der Engel Brunnen weisen und der Rabe Speise bringen; da sättigt er 5000 Mann mit 5 Broden und läßt noch 12 Körbe Brocken aufheben; wenn alles um dich her wüste und öde ist, die Nahrung ist wüste, das Haus ist wüste, und du ganz sorgfältig beginnst zu sagen: Woher nehme ich Brod in der Wüste, daß ich esse mit meinen Kindern? so schickt Gott Brod. Entweder muß Brod vom Himmel regnen, oder die Engel müssen dirs zutragen, oder der Hunger muß dir anstatt des Brodes nährlich sein. Laß dichs nicht wundern, was ich sage. Gott thut noch Wunder alle Tage. Glaubst du es nicht, so geschiehts nicht. Gottes Wunderhand streckt sich nach deinem Wunderglauben. Ach, daß du Gott rathen ließest! Wenn alles auf ist, hat seine Kammer doch noch Brod und seine Brünnlein Wassers die Fülle. Wenn das Wasser geht bis an die Seele, so zieht er aus der Tiefe heraus. Warte du der rechten Zeit; die Stunde Mariä muß sich richten nach der Stunde Christi und nicht die Stunde Christi nach der Marien. Es muß deine Noth Jedermann bekannt werden, so hat Gott Ehre von seiner Hülfe. Was ist des Eilens noth? Wenn wir nur glauben, dürfen wir nicht fliehen und eilen. Jes. 28, 16. Gott säumt nicht, ob dichs gleich dünkt, er eilet im Weilen, er ist der allerweiseste alsdann zu wirken, wenn seine Stunde da ist, und diese Stunde ist, wenn die Sache aufs Höchste und Letzte kommen, wenns scheint aus zu sein. Wie spricht David: Die Stimme des Herrn ist da, denn sie haben sein Gesetz verworfen. Ps. 119, 126. Und Gott selbst beim Jesaia: Nun will ich mich aufmachen, nun will ich mich erheben, nun will ich hoch kommen. Jes. 33, 9. 10. Warum denn eben nun, liebster Gott? Weil die Sache desperat ist, weil das Land kläglich und jämmerlich liegt und Basan und Carmel öde ist. Nun, wenn mich alle Welt aufgibt und spricht: es ist aus, will ich an Gottes Allmacht nicht verzweifeln, sondern sagen: Herr, hilf mir, deine rechte Hand kann Alles ändern; er läßt das Kind nicht, das ihm trauet. Ich weiß es.