Melanchthon, Philipp - An den Stadtrath zu Rottenburg.
Gottes Gnade rc. Ehrbare, günstige Herren. Erstlich wünsche ich, wiewohl eine arme geringe Person, doch als einer, der von Herzen begehret, daß der ewige Gott, Vater unser Heilandes Jesu Christi, recht erkannt und angerufen werde, und daß viel Menschen selig werden, daß die Kirch in E. löblichen Stadt durch Gottes Gnade erhalten und seliglich regieret werde. Denn das ist ja das höchste Gut im Himmel und auf Erden, Gott recht erkennen. Wo ich E. W. dienen kann, bin ich darzu willig, denn es ist ja Gottes Wille, daß seine reine Lehre von seinem Sohne Jesu Christo und rechter Anrufung ewiglich erhalten werde; dazu ich gern dienen wollte, und sind alle Menschen dazu zu dienen zum höchsten schuldig, wie unser Heiland Christus spricht Joh. 15.: „damit wird mein Vater gepreiset, so ihr viel Frucht bringet, und werdet meine Jünger das ist, so ihr die Lehre des Evangelii helft pflanzen und erhalten. Dieweil denn Gott E. W. diese Gnade gegeben, so sollen wir billig ihm darum danken und bitten und hoffen, er werde auch forthin euch leiten, regieren und schätzen, und wirken, daß das Evangelium vielen zur ewigen Seligkeit diene, wie St. Paulus spricht: Wo Gott den Willen gegeben hat, da gibt er auch das Vollbringen, damit etwas Gutes zu seinem Wohlgefallen geschehe. Denn die gottlose Welt thut nichts, das Gott gefällig ist. Das geschieht in seiner Kirche, das ist, wo sein Evangelium recht gelehrt wird. Denn da allein ist sein Wort, wie St. Paulus spricht: ihr seid auf das Fundament der Propheten und Apostel gebauet, das ist auf das Wort, das ihnen Gott gewißlich gegeben hat. Darauf ist eure Kirche jetzund auch gebauet, und Gott, der ewige Vater unseres Heilandes Jesu Christi wolle dieses sein Geben in eurer Kirche allzeit erhalten. Am Tag der Geburt Mariä.
Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren