Meinhold, Karl Heinrich Joachim - Seid stark in dem HErrn!

Predigt am Reformationsfest, den 21. Sonntag n. Trinit. 1868.

Im Dom zu Cammin gehalten von Meinhold, Pastor und Superintendent.

Ep. Eph. 6, 10-18. (Vom Altar verlesen.)

“Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem Herrn, und in der Macht Seiner Stärke. Zieht an den Harnisch GOttes, dass ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Um des willen, so ergreift den Harnisch GOttes, auf dass ihr an dem bösen Tage Widerstand tun, und Alles wohl ausrichten, und das Feld behalten mögt. So steht nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit, und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Und nehmt den Helm des Heils, und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort GOttes. Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist, und wacht dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.“

Hauptlied: Ein feste Burg ist unser GOtt. Eingangs-Gebet.

A. T. Text (von der Kanzel verlesen.)

1. Sam. 17, 32-51.

**“Und David sprach zu Saul: Es entfalle keinem Menschen das Herz um deswillen; dein Knecht soll hingehen, und mit dem Philister streiten. Saul aber sprach zu David: Du kannst nicht hingehen wieder diesen Philister, mit ihm zu streiten; denn du bist ein Knabe, dieser aber ist ein Kriegsmann von seiner Jugend auf. David aber sprach zu Saul: Dein Knecht hütete der Schafe seines Vaters und es kam ein Löwe und ein Bär, und trug ein Schaf weg von der Herde. Und ich lief ihm nach, und schlug ihn, und errettete es aus seinem Maul. Und da er sich über mich machte, ergriff ich ihn bei seinem Bart, und schlug ihn, und tötete ihn. Also hat dein Knecht geschlagen beide, den Löwen und den Bären. So soll nun dieser Philister, der Unbeschnittene, sein gleich wie derer einer; denn er hat geschändet den Zeug des lebendigen GOttes. Und David sprach: Der HErr, der mich von dem Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem Philister. Und Saul sprach zu David: Gehe hin, der HErr sei mit dir. Und Saul zog David seine Kleider an, und setzte ihm einen ehernen Helm auf sein Haupt, und legte ihm einen Panzer an. Und David gürtete sein Schwert über seine Kleider, und fing an zu gehen, denn er hatte es nie versucht. Da sprach David zu Saul: Ich kann nicht also gehen, denn ich bin es nicht gewohnt; und legte es von sich, und nahm seinen Stab in seine Hand, und erwählte fünf glatte Steine aus dem Bach, und tat sie in die Hirtentasche, die er hatte, und in den Sack, und nahm die Schleuder in seine Hand, und machte sich zu dem Philister. Und der Philister ging auch einher, und machte sich zu David, und sein Schildträger vor ihm her. Da nun der Philister sah, und schaute David an, verachtete er ihn; denn er war ein Knabe bräunlich und schön. Und der Philister sprach zu David: Bin ich denn ein Hund, dass Du mit Stecken zu mir kommst? Und fluchte dem David bei seinem Gott, und sprach zu David: Komm her zu mir, ich will dein Fleisch geben den Vögeln unter dem Himmel, und den Tieren auf dem Felde. David aber sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des HErrn Zebaoth, des GOttes des Zeuges Israels, den du gehöhnt hast. Heutiges Tages wird dich der HErr in meine Hand überantworten, dass ich dich schlage, und nehme dein Haupt von dir, und gebe den Leichnam des Heers der Philister heute den Vögeln unter dem Himmel, und dem Wild auf Erden, dass alles Land inne werde, dass Israel einen GOtt hat; und dass alle diese Gemeine inne werde, dass der HErr nicht durch Schwert noch Spieß hilft; denn der Streit ist des HErrn, und wird euch geben in unsere Hände. Da sich nun der Philister aufmachte, ging daher und nahte sich gegen David, eilte David, und lief vom Zeuge gegen den Philister. Und David tat seine Hand in die Tasche, und nahm einen Stein daraus, und schleuderte, und traf den Philister an seine Stirn, dass der Stein in seine Stirn fuhr, und er zur Erde fiel auf sein Angesicht. Also überwand David den Philister mit der Schleuder und mit dem Stein, und schlug ihn, und tötete ihn. Und da David kein Schwert in seiner Hand hatte, lief er und trat zu dem Philister, und nahm sein Schwert, und zog es aus der Scheide, und tötete ihn, und hieb ihm den Kopf damit ab. Da aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie.“

Heiliger Vater, heilige uns in Deiner Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit! Amen.

Es war am 31. Oktober 1517, als unser ehrwürdiger Vater St. Martin Luther die 95 Sätze gegen den Ablasshandel an die Türen der Schlosskirche zu Wittenberg anschlug. Das war der Funke, welcher das große Feuer der Kirchen-Reformation anzündete; darum man alljährlich in unseren Kirchen das Reformations- oder Lutherfest feiert am 31. Oktober oder sonntags darauf.

David gegen Goliath - ich weiß keine passendere Initiale, kein passenderes Anfangsbild für unsere heutige Predigt als dies. Denkt euch: Luther gegen Tetzel, hinter dem der Kurfürst von Mainz stand, Kardinal-Erzbischof Albrecht von Brandenburg, Generalpächter des Ablasses für Deutschland, und hinter diesem wieder der Papst als Inhaber und Spender alles Ablasses! Denkt euch Luther in Augsburg vor Kardinal Cajetan, der sehr gnädig und herablassend zu Luther spricht: Mein Sohn Du irrst, Ich sag's dir, darum musst du's glauben und widerrufen, und Luther kühnlich fordert: „Beweis aus der Bibel;“ dass jener endlich zornig ruft: Ich will nicht mehr disputieren mit dieser Bestie, denn er hat tiefe Augen und wundersame Spekulationen in seinem Kopfe! Denkt euch sein Gespräch in Leipzig: Luther mit der Bibel streitend gegen Dr. Eck und die ganze scholastische Theologie und gegen die Unfehlbarkeit des Papstes und der Kirchen-Versammlungen! Denkt euch Luther im Kampf gegen Papst Leo, dessen Bannbulle verbrennend; denkt euch Luther zu Worms vor dem stolzen Spanier, der von deutscher Art und Frömmigkeit leider Nichts, gar Nichts verstand, dem großen Kaiser Karl V. und allen Fürsten und Ständen des Deutschen Reichs, mit seinem: Ich widerrufe nicht, wo ich nicht aus der Bibel widerlegt werde; hier stehe ich, ich kann nicht anders, GOtt helfe mir! Denkt euch überhaupt Luther im Kampf gegen Kaiser und Reich, gegen den Papst und seine ganze Klerisei, gegen den Teufel und die ganze Welt überall habt ihr David gegen Goliath; und dass er in dem allen nicht unterlegen ist, dies Rätsel löst uns einfach Davids Wort V. 45: Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild; ich komme zu dir im Namen des HErrn Zebaoth. So weit wir kämpfen im Namen des HErrn Zebaoth, so weit wir mit und in GOttes Worte sind, so weit ist GOtt mit uns, und sind wir des Papstes, der Welt, ja des Teufels Meister.

Luther hat den Papst den Antichrist selbst genannt; es steht sogar in einer Bekenntnisschrift unsrer Iutherischen Kirche, und in den von Luther verfassten Schmalkaldischen Artikeln. Allerdings hat sich das Papsttum was gebessert seit jenen Zeiten: Der Papst Pius VII., der allein vor Napoleon I. nicht zitterte, auch der jetzige Papst Pius IX. sind, wie ihr Name lautet, fromme und ehrwürdige Männer. Aber Zweierlei hält der Papst im klaren Widerspruch gegen Christum und sein Wort, also in antichristischer Weise, auch heute noch fest: Erstlich, dass die ihm untergebene Kirche allein die Kirche sei, die Catholica d. h. die allgemein und allein geltende, dass alle anderen Abteilungen der Einen heiligen christlichen Kirchen Schismatiker (Abtrünnige) oder Häretiker (Ketzer) seien und dass Er der Papst mit seiner Priesterschaft unfehlbar sei. So wird die Verheißung, welche der Heiland seiner Kirche im Ganzen gegeben und auch treulich gehalten hat, dass Sein Geist sie in alle Wahrheit leiten soll, auf Einen Stand, die Priesterschaft, ja auf Einen Menschen, den Papst gedeutet, die doch oft geirrt haben und noch irren, wie Jedermann mit Händen greifen kann, der ihre Lehren mit denen des HErrn JEsu selbst und seiner Apostel vergleicht. Der zweite Haupt-Irrtum des Papstes ist, dass Er der Papst der von Christo selbst verordnete Fels sei, auf welchem die Kirche stehe, der Nachfolger Petri, der Statthalter Christi, der alleinige Inhaber des Priester-Amtes, von welchem alle anderen Bischöfe und Priester nur Stellvertreter sind, und dem jeder sich unterwerfen müsse, der da wolle in den Himmel kommen. Aber der Heiland hat nicht bloß Petro (Matth. 16.) sondern auch allen anderen Aposteln (Matth. 18.) und Predigern des Evangeliums (2. Kor. 5, 20.) die Schlüssel des Himmelreichs gegeben, und nicht bloß den Petrus, sondern nach ihm, neben ihm, über ihm auch den Paulus zum Ersten der Apostel verordnet; und mit viel größerem Rechte als der Papst sich den Nachfolger Petri nennt, dürfen wir Prediger des Evangeliums uns Nachfolger Pauli nennen.

Der jetzige Papst nun hat auf den 8. Dezember 1869 eine allgemeine Kirchen-Versammlung (Konzil) nach Rom ausgeschrieben, zu welcher er auch die Bischöfe der griechischen Kirche und auch uns Protestanten eingeladen hat. Jene, die Griechen, weichen in der Lehre nur wenig von den Römern ab; ihre Haupt-Abweichung ist, dass sie den Papst nicht als von GOtt eingesetztes untrügliches Oberhaupt der ganzen Christenheit erkennen; diese kleine Abweichung sollen sie fahren lassen und dann an der Kirchen-Versammlung zu Rom Teil nehmen. Wir Protestanten aber weichen auf jedem einzelnen Punkte der christlichen Lehre vom Papste ab, nämlich so viel überall seine Lehre von derjenigen des HErrn JEsu und seiner Apostel abweicht. Uns nun mutet der Papst zu, wir sollen erst alle unsere Abweichungen von der Lehre der Kirche (d. H. von seiner Lehre) reumütig erkennen und abtun, und uns seiner väterlichen Autorität demütig unterwerfen; dann will er uns verlorene Kinder gnädig annehmen, und wir sollen mittagen auf seinem Konzil zu Rom, und dann bricht die goldene Zeit herein! Mit Recht hat unser Evangelischer Ober-Kirchen-Rat als kirchliche Oberbehörde der größten evangelischen Kirchen-Gemeinschaft auf dem Festlande diese Einladung des Papstes als eine Anmaßung zurückgewiesen in einem öffentlichen Erlass, und etwa gesagt: Wir stehen auf der Bibel, der Papst und die Seinen daneben; uns ist Christus allein Manns genug seine Kirche zu regieren und braucht dazu weder Statthalter noch Stellvertreter; der Papst muss erst evangelisch werden, wenn wir sollen katholisch werden, d. h. wenn die Spaltung aufhören und eine Herde unter Einem Hirten werden soll. Es ist in der katholischen Kirche allerdings auch eine evangelische, christliche Strömung neben der jesuitischen, papistischen. Männer wie Sailer, Diepenbrock, Boos, Gossner haben jener angehört. Aber die jesuitische, römische Strömung scheint immer mehr die Oberhand zu gewinnen, und der Papst selber kann ihr nicht Widerstand tun, weil er nicht auf dem Fels des Wortes steht, sondern in der Wolke seiner Einbildungen. So hat dieser jetzige Papst der frommen demütigen Maria, der Mutter unsres Heilandes, die Schmach angetan, den Irrtum zur Kirchenlehre zu erheben, dass auch sie, gleichwie ihr hochgelobter Sohn, ohne Sünde empfangen und geboren und ohne alle Sünde geblieben sei ihr Leben lang. Wie wird sie errötet sein vor Scham, die demütige Magd und begnadigte Sünderin, als sie im Himmel erfahren von dieser Schmach, damit ihre so genannten Verehrer ihre Demut gekränkt haben. Der Papst aber glaubt sich dadurch in besonderem Maße die Gnade und den Schutz der Maria verdient zu haben. Die wollen wir ihm gönnen, dem armen alten Mann, der von seinem hohen Stuhl längst heruntergefallen wäre, wenn fremde Krieger ihn nicht hielten; und wollen uns an unsres hochgelobten und vielgeliebten HErrn und Heilandes JEsu Christi Schutz und Gnade genügen lassen. Haben wir den, so können wir der Gnade und des Schutzes der Maria, des Petrus und des Papstes entbehren, und wollens auch.

HErr JEsu, Dir leb' ich, HErr JEsu, Dir sterb' ich, mein allerliebster HErr JEsus, Dein bin ich und Dein bleib ich tot und lebendig, zeitlich und ewig! Dabei solls bleiben! Amen!

Indem ich mich nun anschicke, Geliebte, euch die Epistel des heutigen Sonntages auszulegen, stelle ich als Überschrift für die Predigt die Worte der Epistel hin: Zuletzt meine Brüder seid stark in dem HErrn.

I.

„Zuletzt“ schreibt St. Paulus, weil sein Leben (er schrieb im Gefängnis zu Rom) vielleicht bald zu Ende ging; weil sein Testaments-Brief, sein Rundschreiben an seine Gemeinden in Klein-Asien, welches nach dem Vorort, der es zuerst empfing, Ephesus, Brief an die Epheser genannt wird, zu Ende ging, denn nach unsrer Epistel folgen nur noch 6 oder 7 Verse. „Zuletzt“ rufe auch ich euch zu; denn wenn nicht alle Zeichen der Zeit trügen, so gehen wir mit starken, schnellen Schritten dem Ende aller Dinge zu. Auf allen Gebieten spannen sich die Gegensätze dermaßen, dass ein baldiges Brechen des Bogens als unvermeidlich erscheint. Auf politischem Boden der Gegensatz der Revolution und des Despotismus; auf sozialem des Überreichwerdens Einzelner und der Verarmung Aller; auf kirchlichem des Romanismus und des Materialismus; - auf theologischem der Erhebung der Bibel zum Lehrbuch auch für alle natürlichen menschlichen Wissenschaften (Naturlehre, Sternkunde rc.) und dagegen die Erhebung der menschlichen Vernunft auf GOttes Thron, usw. Jeder muss auf jedem Gebiet Partei und eine feste Position nehmen. Helf uns GOtt, dass wir sie nehmen in GOtt und Seinem Worte (seid stark in dem HErrn), dann dürfen wir keinen Kampf, keine Niederlage, keinen jüngsten Tag, kein Gericht und keine Hölle scheuen. Auch hier heißt es wieder: HErr JEsu, Dir leb' ich, HErr JEsu, Dir sterb' ich, Dein bin ich tot und lebendig!

II.

Zuletzt meine Brüder. In jedem Kampf und Krieg ist ein Zusammenhalten der Gleichgesinnten notwendig; der Einzel-Kämpfer, auch der Tapferste, unterliegt. So gibts ja denn auch heute Parteien, Rotten, Brüderschaften genug in der Welt. Unsre Brüderschaft ist die große Schar der Gotteskinder und Jesusjünger in der ganzen Christenheit auf Erden und in allen ihren Abteilungen. Auch unterm Papsttum hat GOtt gewiss viele Kinder und der HErr JEsus viele rechtschaffene Jünger; es wäre ja entsetzlich, wenn das nicht wäre; das sind Alle, die den HErrn JEsum aufs Erste und Höchste vertrauen und lieben, und Maria, den Papst, eignes Verdienst und dergleichen zurücktreten lassen in ihrer Gesinnung. So hat GOtt auch unter Russen und Griechen, unter Calvinisten und Anglikanern, ja auch unter Baptisten, Quäkern u. a. Sektionen, seine Kinder, und Alle, die JEsum glauben und lieben und in diesem Glauben mit uns das Vater-Unser beten, die wollen wir gern anreden „Meine Brüder,“ und mit ihnen zusammen stehen und zusammen kämpfen, gegen die bösen Geister, die in der Finsternis dieses Zeitalters herrschen, gegen alle antichristischen, materialistischen, fleischlichen Richtungen; denen gegenüber bildet Alles, was JEsum bekennt, Eine große Armee in Einem Geist und Glauben, deren gemeinsames Feldzeichen die heil. drei Artikel des apostolischen Glaubens sind. Aber unsre Abteilung, Division oder Regiment, das ist die lutherisch-evangelische Kirche, unsre Fahne, das lutherisch-evangelische Bekenntnis, unser Feldgeschrei: David gegen Goliath; hier Schwert des HErrn und Gideon; GOttes Wort und Luthers Lehr, vergehen nun und nimmermehr!

III.

Seid stark! V. 11-13.

1. Der Teufel, die alte Schlange, der brüllende Löwe, ist stark und listig; wie es scheint das höchste aller geschaffenen Wesen. Er ist böse geworden, aus dem Himmel geworfen auf die Erde und hat die Menschen, nach GOttes Bilde geschaffen, verdorben. Da ist der Stärkere gekommen und der allein weise; GOtt der Sohn ist Mensch geboren, gelebt, gelitten, auferstanden, sitzet zur Rechten GOttes, richtet jetzt und wird einst richten. Er streitet mit und für uns, so lange wir glaubend festhalten Ihn und sein Wort. Mit unsrer Macht ist Nichts getan das Feld muss er behalten.

2. Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, d. h. nicht bloß mit Fleisch und Blut, nicht bloß mit unsrer und anderer Menschen Sünde, Torheit und Bosheit; sondern in aller Bosheit und Torheit der Menschen hat der Teufel sein Wirken und Wallen und gilt unser Kampf gegen Fleisch und Blut zugleich und zumeist dem bösen Feind. Wir haben also mit Fleisch und Blut zu kämpfen; Neigung zu allerlei Fleischeslust, zu Mammonsdienst und allerlei Augenlust, sowie Hoffart und Selbstüberschätzung ist uns allen eigen, angeboren und angewöhnt, und wir müssen dagegen kämpfen unser Leben lang, in täglicher Reue und Buße den alten Adam mit allen seinen Sünden und bösen Lüften bekämpfen und ersäufen; jeder Sieg über die eigene böse Neigung ist ein Sieg zugleich in GOttes Kraft über Satans List und Gewalt Matth. 18, 8. 9. Wir haben zu kämpfen gegen Fleisch und Blut, gegen Bosheit und Torheit anderer Menschen, gegen Unglauben und Aberglauben, gegen Leichtglauben und toten Glauben gegen allerlei Missglauben, Schande und Laster, gegen Trotz und Aufsässigkeit, gegen Leichtsinn und Versuchungen aller Art, gegen Lug und Trug, gegen Zorn und Gewalt; ach ja, wir haben sehr gegen Fleisch und Blut zu kämpfen (Matth. 18, 7.) Aber alle bösen oder leichtsinnigen Menschen sowie unsre eigenen verkehrten Neigungen und Gewohnheiten sind lauter Genossen und Dienstleute des Satans. Der Teufel wird von Vielen geleugnet. Aber es ist ein Teufel, es gibt viele böse Geister, sonst wären die Apostel und der HErr JEsus selbst Lauter Lügner gewesen. Auch Luther hat seinen Kampf stets als einen Kampf gegen den Satan betrachtet; denkt nur an sein Lied, das wir gesungen. Und grade heute hat der Teufel recht sein Wesen in der Finsternis dieser Welt und die bösen Geister sind losgelassen unter dem Himmel. Wenn man denkt nur an alle die Lügen, welche so schamlos sich breit machen im Treiben und Kämpfen der Parteien auf allen Gebieten menschlichen Tuns und Lebens, und die Köpfe so verwirrt haben, dass meist Einer gar die Sprache des Andern nicht mehr versteht, wer, der überhaupt noch sehen kann, sollte darin nicht Satans böse Hand erkennen? Ach ja, wir haben nicht bloß mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten unter dem Himmel (V. 12.)

Dagegen gilt es GOttes Harnisch täglich von Neuem ergreifen im Glauben und Gebet, wachend aufpassen auf das böse Stündlein, d. h. zu welcher Zeit und von welcher Seite der Versucher und die Versuchung kommt; tapferen Widerstand tun mit Daransetzung von Leib und Leben; Alles wohl ausrichten, uns nicht mit halben Siegen begnügen; ausharren bis aufs Äußerste und Letzte, damit wir das Feld behalten und unser Sieg ein völliger sei.

IV.

Seid stark in dem HErrn und in der Macht Seiner Stärke.

1. Paulus beschreibt uns nun im Folgenden den Harnisch GOttes, der unsere Stärke ist, ausführlich nach der Art, wie ein Römischer Krieger gekleidet und gerüstet war. 1. So steht nun, ruft er; nicht sitzt, nicht liegt; steht! Keine Bequemlichkeit, keine Halbheit. Kein Kämpfer wird gekrönt, er kämpfe denn recht. Kämpfer müssen wir, nicht wie Erasmus, der kluge, aber feige Gelehrte, der erst voran war unter den Kämpfern gegen Aberglauben und Dummheit, dann aber absprang, als er sah, dass es Leib und Leben kosten könne. Kämpfen müssen wir wie Luther, der da ruft: Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib Lass fahren dahin, (hilf GOtt, dass wir das nicht bloß singen!) sie habens keinen Gewinn, das Reich (d. h. der Sieg) muss uns doch bleiben.

2. Umgürtet eure Lenden (Hüften) mit Wahrheit. Der Gürtel fasste die Kleider stramm zusammen und schützte, aus Draht geflochten, zugleich den Bauch des Kriegers. Stehen, Mannhaftigkeit fordert Paulus aufs Erste, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit gegen sich selbst und gegen Andere aufs Zweite. Kein zerfahrendes Wesen, sondern strenge, knappe Haltung; keine Selbsttäuschung und Träumerei, sondern nüchterne Selbstprüfung, ernstes Selbstgericht; kein Lügen und Trügen im täglichen Verkehr, im Reden und Schweigen, im Schreiben und im Tun. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme, spricht der Heiland zu Pilatus, und zu Nikodemus: Wer die Wahrheit tut, kommt ans Licht. Ach, das Sich-Aufraffen aus Verschwommenheit und Unklarheit, aus Selbsttäuschung und Träumerei, aus Gedankenlosigkeit und Unwahrheit ist eine rechte Hauptsache, besonders heute so nötig, so nötig! Denkt euch nebeneinander den weltlich gerichteten, religiöshalben und unklaren Kaiser Karl V., oder den verlogenen hoffärtigen Dr. Eck und daneben Dr. Luther so demütig und so aufrichtig, so derb und so wahr; daran lernt, was es heißt: Umgürtet eure Hüften mit Wahrheit.

3. Angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit. Wie der Krebs um sein weiches Fleisch seine harte Schale trägt, so trug der Krieger eine Jacke von Erz über seiner Brust, das war sein Krebs, Panzer oder Kürass. Unser Krebs und Panzer, der unsere Brust umgibt und unter dessen Schutz unser Herz gar warm und fröhlich schlägt, das ist Christi Verdienst und Gnade, welches wir im Glauben ergriffen haben, so dass wir nun singen und sagen können:

Christi Blut und Gerechtigkeit,
das ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
damit will ich vor GOtt bestehen
und zu des Himmels Freud eingehn. 1)

Die Gewissheit des Glaubens, dass man durch JEsum Gnade bei GOtt und Vergebung seiner Sünden habe, das ist unsre Gerechtigkeit, Panzer und Harnisch. Das war ein Hauptstreitpunkt zwischen Katholiken und Protestanten, und ist es noch zwischen Vernunftleuten und Glaubens-Menschen, ob ein Mensch in diesem Leben je seines Glaubens gewiss werden könne und müsse oder nicht. Jene sagten und sagen: Ein Mensch kann und darf nie gewiss sein im Glauben, dass er Gnade und Vergebung schon habe, das macht ihn stolz, sicher und faul; er muss mit allem sittlichen Ernst danach ringen, und täglich darum beten und flehen, dass er Vergebung und Gnade bei GOtt erlange. Wir Evangelischen aber sagen mit dem Grundbekenntnis unsrer Kirche (Augsb. Conf. 20): Wiewohl nun diese Lehre bei unversuchten Leuten sehr verachtet wird, so befindet sich doch, dass sie den blöden und erschrockenen Gewissen sehr tröstlich und heilsam ist; denn das Gewissen kann nicht zu Friede und Ruhe kommen durch Werke, sondern allein durch den Glauben, so es bei sich gewisslich schließt, dass es um Christi willen einen gnädigen GOtt habe, wie auch Paulus spricht Röm. 5, 1: „So wir durch den Glauben sind gerecht geworden, haben wir Ruhe und Frieden mit Gott.“ Darum singen wir auch mit Paul Gerhard: Ist GOtt für mich, so trete usw. V. 2-6. Stellt euch vor den Luther, wie er im Kloster mit seinem Fasten, Beten und Kasteien sich fast zu Tode martert und ringt dennoch mit der Verzweiflung; und der Luther, der zu Eisleben in der Stunde seines Todes ruft: Also hat GOtt die Welt geliebt usw. und „Vater in Deine Hände befehle ich meinen Geist, denn Du hast mich erlöst Du treuer GOtt,“ und also selig und fröhlich stirbt; - da habt ihr die Brust, welcher der Krebs der Gerechtigkeit fehlt, und die Brust, die ihn hat. HErr lass mein Ende sein, wie das Ende dieses Gerechten!

4. V. 15. Wo Christi Verdienst und Gnade unser Brustharnisch ist, da wohnt in uns auch rechte JEsus-Liebe und Menschen-Liebe, da sind auch unsre Beine gestiefelt, reisefertig und bereit euch Andern das Evangelium des Friedens zu bringen, damit wir selbst bereitet sind (Jesaj. 52, 7). Ob Priester oder Laie, nur die eigene Gerechtigkeit in Christo macht Jemanden fähig und begierig, auch andere zu lehren und zu bekehren. Proselyten-Macherei für die Wahrheit, zu der die Liebe treibt, in der Welt verachtet, ist eine große Tugend vor GOtt. Seht Luther an und seine Gegner: Luther schreibt Ein Buch übers andere, und die Buchdrucker vervielfältigen es zu Tausenden, seine Gegner verbrennen seine Bücher, statt sie zu widerlegen; Luther übersetzt die Bibel, der Papst verbietet die Verbreitung derselben; Luther lehrt im GOttesdienst deutsch und deutlich predigen, beten und singen, in der katholischen Messe wird Alles noch heute lateinisch hergeleiert. Wohlan, lernt's von Luther, eure Bibel fleißig lesen, eure Gottesdienste fleißig nutzen, und Rechenschaft geben Jedermann des Glaubens, der in euch ist.

5. V. 16. Wie mit dem Schild der Krieger die gefährlichen, oft vergifteten, tödlichen Pfeile des Feindes auffing, dass sie daran machtlos abprallten, so ist uns der Glaube, nicht jeder Glaube, sondern der Glaube an den HErrn JEsum, dieser Glaube, der das Herz gerecht, den Mut getrost und das Ange umsichtig macht, der Schild, an welchem des Teufels Versuchungen und Verfolgungen macht- und wirkungslos abprallen. Der Teufel sucht, welchen er verschlinge, schreibt S. Petrus, dem widersteht fest im Glauben. Je fester wir im Glauben uns an den HErrn JEsum halten, je mehr Er unsre Gerechtigkeit, Trost und Friede ist, desto getroster und unverzagter sind wir im Kampf gegen Teufel und Welt, Sünde und Lüge, Not und Tod. Wie glaubensmutig waren Jesaja und Hiskia, als Sanherib sie belagerte (vgl. Psalm 46), und Luther, als seine Genossen in Augsburg bekannten und er in Coburg betete und sang: Eine feste Burg ist unser GOtt, ein gute Wehr und Waffen; oder als er in Worms vor Kaiser und Reich stand. Wer da glaubt, der fleucht2) nicht, der fürchtet sich nicht, der fällt nicht, und wenn er fällt, so ist sein Fall und Tod Sieg und Leben, Halleluja. Ich glaube, ja! lieber HErr, hilf Du meinem Unglauben.

6. V. 16. Und nehmt usw. Das Schwert, damit allein der Teufel kräftig verwundet werden kann, ist GOttes, des Heiligen Geistes, Wort, das S. Paulus darum das Schwert des Geistes (nicht jedes Geistes, sondern des Heiligen Geistes) nennt! GOttes Wort war Luthers Macht gegen Papst, Schwärmer, Sakramentierer, gegen die Welt und ihren Fürsten. Er übersetzte die Bibel, er durchlas sie alle Jahre zweimal, alle seine Bücher sind Schrift-Auslegung, sein Doktor-Eid (die Schrift allzeit verteidigen zu wollen gegen Jedermann) war, was ihn immer getrost hielt, auch wenn Kampf und Spaltung immer klaffender wurde. Ach, ließen wir Lutheraner uns nicht von unseren reformirten Mitchristen so sehr übertreffen an fleißigem Bibellesen! Sucht in der Schrift, ruft euer Heiland, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin, und sie ist es, die von Mir zeugt.

7. Wer das gute Schwert und den festen Schild in seinen Händen hat, der darf sein Haupt kühn, stolz, frei und fröhlich tragen; nehmt den Helm des Heils. Der Helm ist des Kriegers Schutz und Schmuck für sein Haupt. Des Christen Helm ist die Hoffnung der Seligkeit (1. Thess. 5, 8), ist die Gewissheit seines Heils; die Zuversicht, dass ihm, der GOtt liebt, alle Dinge zum Besten dienen müssen; die Hoffnung, dass selbst der Tod für ihn kein Tod ist, sondern Übergang zum Leben. Darum ist er fröhlich und guten Mutes auch in Nöten und Schwachheiten: Wie fröhlich war Luther in seinem Glaubensmut, und offenbarte dies in Lied und Sang, in Predigt und Schrift, im Familien- und im Freundeskreise, in seiner ganzen privaten und öffentlichen Wirksamkeit. Nicht Wein, Weib und Gesang, wie die Welt-Menschen singen, sondern Christi Blut und GOttes Gnade und des Heiligen Geistes seligmachendes Worts war's, was Luthers Herz und Sinn fröhlich machte. Und wer diese heilige Drei ins Herz fasst, der darf mit Paul Gerhard singen, selbst in der größten Not, ja im Tode singen:

Mein Herze geht in Sprüngen
und kann nicht traurig sein,
ist voller Freud und Singen,
sieht lauter Sonnenschein.
Die Sonne, die mir lachet,
ist mein HErr JEsus Christ,
das, was mich singen macht,
ist was im Himmel ist. 3)

8. V. 18. Wo der Glaube lebt, da lebt auch die Liebe und die Fürbitte; wo der Glaube lebt, da betet man fleißig, brünstig, zuversichtlich. Wie hat Moses seine Juden, wie hat Luther seine Deutschen geliebt, gescholten, für sie gebetet! In Koburg lag er manchmal ganze drei Stunden im Gebet vor GOtt. Betet ohne Unterlass, ruft Paulus; wacht und betet, ruft der Heiland selbst. Betet, betet, betet! Fleißig gebetet ist halb studiert, hat Melanchthon gesagt, und fleißig gebetet ist ganz gesiegt, Luther. O lernt von Luther glauben, so werdet ihr von ihm auch beten lernen. Lernt von ihm lieben, so werdet ihr auch von ihm heilig schelten und segnen und bitten lernen.

So war Luther ein GOttesheld, ein David gegen Goliath. Wie sind wir? Wir nennen uns Evangelische, sind wir's auch? Danken wir GOtt, wie wir sollen, für sein Heiliges Wort und Evangelium? Brauchen wir sein Wort und Evangelium fleißig, täglich, immer? Wir nennen uns Lutheraner. Folgen wir auch Luther nach, nicht in Grobheit und Eigensinn, wohl aber in Glauben und Mut, in Glaubensgehorsam und Demut, in Offen- und Entschiedenheit, in Zähigkeit und Treue, Liebe, Freude und Friede im heiligen Geist. O mein GOtt wir danken Dir für Dein liebes Evangelium, wir sind's wahrhaftig, HErr, nicht wert! Wir schämen uns unsrer Trägheit und Undankbarkeit, o HErr, vergib, vergib, vergib um Christi willen! Wir geloben Dir fleißigere Evangelische und bessere Lutheraner zu werden. Hilf uns dazu durch Deine Gnade und Kraft, Amen.

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