Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - IX. Von dem triumphierenden Einzuge der auserwählten Seele in das himmlische Jerusalem.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - IX. Von dem triumphierenden Einzuge der auserwählten Seele in das himmlische Jerusalem.

Was wäre die Geburt Christi, wenn Er nicht für uns gestorben wäre? Was wäre das Sterben Christi, wenn Er nicht für uns auferstanden wäre? Was wäre die Auferstehung Christi, wenn Er nicht für uns aufgefahren wäre? Was wäre die Auffahrt, wenn Er uns nicht nachholen ließe?

Wer sich bedünken ließe, er könne die Glorie des himmlischen Jerusalems genugsam beschreiben, der täte nichts anderes, als ob er den äußersten Himmel mit einer Hand umspannen, das große Weltmeer in eine Nussschale fassen oder die gewaltige Erdkugel in ein Kästlein verschließen wolle. Es ist zu hoch; er kann es nicht ersteigen. Es ist zu weit; er kann es nicht ermessen. Es ist zu tief; er kann es nicht ergründen.

Ich ergötze mich oft in meinen Gedanken, indem ich mir den triumphierenden Einzug der auserwählten Seele in den Himmel vorzustellen mich bemühe; und obgleich ich den tausendsten Teil dieser Herrlichkeit nicht zu erreichen vermag, so lasst es mich doch versuchen, solche Herrlichkeit in einem geringen Gleichnis ein wenig abzuschatten.

Wenn bei den alten Römern ein Kriegesfürst des Vaterlandes Schmach gerächt, die Feinde mit hohen Ehren überwunden und Land und Leute gewonnen hatte: so wurde ihm der Ruhm eines Triumphzuges zuerkannt.

Da wurde denn zuvor die Stadt an allen Orten und Enden gesäubert; die Häuser wurden mit Zweigen und Kränzen geschmückt, die Gassen mit Blumen bestreut, und mit dem süßen Duft köstlichen Räuchwerks erfüllt. Teppiche hingen aus den Fenstern. Ehrenpforten wurden errichtet. Alle Geschäfte ruhten. Aller Sorgen vergaß man. Jeder schmückte sich nach Stand und Vermögen aufs Beste. Alles war voll Freude, und die ganze Stadt schien aus einer Wohnung der Menschen schier ein Tempel Gottes geworden zu sein. Dann nahte der Siegesfürst samt seinem ganzen Volke; voran die Kriegsmänner in köstlichen Waffen und prächtigen Kleidern; die Fahnen mit Lorbeerkränzen umwunden; erst die Reiter auf stattlichen Rossen, dann die Fußknechte. Sie zogen einher unter dem wirbelnden Brausen der Pauken, dem schmetternden Hall der Trompeten, dem scharfen Klang der Posaunen, dem starken Ton der Krummhörner, nebst der anmutigen Stimme, der Flöten und dem Jauchzen und Freudengeschrei der Soldaten. Nun folgten diejenigen, welche durch den Siegesfürsten aus dem Gefängnis erlöst waren. Sie lobten ihn und rühmten seine Taten. Dann kamen die, welche sich im Krieg besonders tapfer gehalten und von dem Feldobersten mit güldenen Kronen, mit Armbändern, mit Schilden oder anderen köstlichen Kleinodien geschmückt waren. Hierauf wurden an hohen Stangen vorgetragen die Bilder der bezwungenen Städte und Schlösser, und der vornehmsten Feinde, welche erschlagen waren. - Sodann ward auf schwerbeladenen Wagen der Raub und die Beute an Silber, Gold, Edelgesteinen und anderen Schätzen daher geführt, zum Teil auch von den schönsten Knaben getragen. Endlich folgte der Siegesfürst in Purpur gekleidet, das Haupt mit einem Lorbeerkranze umwunden, auf überaus prächtigem Wagen von stolzen Rossen in güldenem Geschirr gezogen. Nebenher wurden viel goldene Kronen getragen, welche Könige und Fürsten dem Überwinder als Ehrengeschenke gesendet hatten. Hinter dem Wagen des Siegers mussten einhergehen die Gefangenen in eisernen Ketten gefesselt. Und den ganzen Zug schlossen wieder Reiter und Fußvolk.

Das war nun freilich eine große Herrlichkeit, aber doch nur eine flüchtige. Ein Triumph war es, aber mit kostbarem Menschenblut erworben.

Viel reiner und höher ist die Herrlichkeit, wenn die auserwählte Seele nun ihren Einzug in die himmlische Stadt hält. Da strahlen alle Gassen und Straßen in reiner Klarheit. Alle Wege sind mit Palmen geziert, und alle Paläste sind mit dem köstlichen Räuchwerk des Dankgebets der Heiligen erfüllt, und alle Orte und Enden mit unerforschlicher Freude. Ich bilde mir ein, wie voran ziehe eine große Schar der heiligen Engel in himmlischem Schmucke, welche die überschwängliche Barmherzigkeit Gottes mit vollem Lobe verkündigen, vor inniglicher Wonne die Flügel schwingen und das ganze Sieges-Heer zur höchsten Freude anmahnen. Danach folge die Schar der heiligen Märtyrer und Märtyrerinnen, aus allen Geschlechtern und Zungen versammelt, aus allen Ständen und Orten erlesen, mit Palmen in den Händen, mit Psalmen im Munde. Da höre man nichts anderes als die Lieder Davids, die Pauke Mirjams, die Harfe Assaphs, die Posaunen der Engel, die allerreinste Stimme der unschuldigen Kinderlein, der keuschen Jungfrauen, und wie das „Heilig, heilig, heilig ist unser Gott“ von vielen hundert tausend Mal tausend Chören gesungen würde. Nächst diesen kämen die Patriarchen und Erzväter, auch Erzmütter samt allen frommen Königen und Fürsten und Obrigkeiten und Bürgern, angetan mit weißen Kleidern, wie sie die himmlische Offenbarung beschreibt. Sodann zögen daher die hocherleuchteten Propheten und Apostel, die andächtigen Priester und Leviten, welche, weil sie viele zur Gerechtigkeit gelehrt, wie des Himmels Glanz leuchten und wie die Sterne des Firmaments (Dan. 12.). Hinter diesen schaue man die Schutzengel, welche der auserwählten Seele aufgewartet, bei dem heiligen Abschied gewesen, und dieselbe bis hierher begleitet haben.

Ich dürfte fast in die Gedanken geraten, die Cherubim bildeten in sichtbarer Gestalt die Marter ab, welche die auserwählte Seele überstanden, die Ketten, die sie getragen, das Gefängnis, das sie erduldet, desgleichen die Länder und Reiche, in denen die auserwählte Seele bei ihres Leibes Leben das Elend hat bauen und groß Unglück hat leiden müssen; ja sie bildeten sogar ab in sichtbarer Gestalt die Tyrannen, die Neider, die Hasser, die Verleumder, die Wucherer, die ungerechten Richter und andere Gottlose, welche die gläubige Seele in die Kreuzschule geführt und übel geplagt hätten. Da sei zu lesen, wie Saul verfolgt, Ziba belogen (2 Sam. 9,2.33. 16,1.33.), Herodes getobt, Diokletianus gewütet, Cain gewürgt, Nabal geschunden, Potiphars Weib gebuhlt habe, aber der auserwählten Seele nichts abgewonnen. Ich bilde mir ein, wie der auserwählten Seele vorgetragen werde der Becher der Trübsal, der unbewegliche Anker des Glaubens, die weißen Lilien der Keuschheit, die umstachelten Rosen der Geduld, die niedrigen Violen der Demut. Darauf folge die Auserwählte selbst auf dem Triumphwagen Eliä. Sie hätte unter den Füßen den Mond, wäre um und um mit der Sonne bekleidet, mit einer Krone von 12 Sternen geschmückt (Offenb. 12.), von feurigen Rossen und Reitern geführt.

Menschliche Gedanken können diese Herrlichkeit nicht erreichen, sondern wie Kinder müssen sie an Bildern sich begnügen. Ohne allen Zweifel aber wird der triumphierende Einzug der gläubigen Seele mit unzählbarer Menge der Auserwählten beschlossen werden, die mit himmlischen Lobgesängen sie begleiten.

Herr Jesu, Dich soll loben Dein unbegreifliches Wesen, Deine unaussprechliche Allmacht, Deine unerforschliche Weisheit, Deine unendliche Süßigkeit, die unermessliche Heiligkeit! Dich soll loben die überschwängliche Gütigkeit, die überflüssige Barmherzigkeit und die ewige Wahrheit! Zeuch ein allhier zeitlich bei mir, auf dass ich dort ewig eingehe bei Dir. Amen.

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