Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - II. Gebet um Gottes Segen zur seligen Betrachtung des himmlischen Jerusalems.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - II. Gebet um Gottes Segen zur seligen Betrachtung des himmlischen Jerusalems.

Die Seele gibt das Leben dem Leib, aber Gott gibt das Leben der Seele.

„Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Ps. 103.). Wache auf, meine Ehre (Ps. 57,9.), dass ich reden möge von der Herrlichkeit des himmlischen Jerusalems! Wache auf, Psalter und Harfe, dass ich singen möge von der Freude, gegen welche alle Lieblichkeit ein Schmerz, alle Süßigkeit eine Unlust, alle Schönheit eine Ungestalt und alles, was sonst ergötzen möchte, eine Beschwerlichkeit ist! Erhebe dich, mein Geist, und wende alle deine Gedanken von der Nichtigkeit des Zeitlichen zu der Herrlichkeit des Ewigen!

„Ich freue mich des, das mir geredet ist, dass wir in das Haus des Herrn gehen und unsere Füße in Deinen Toren stehen werden, o du himmlisches Jerusalem“ (Ps. 122.). Ich freue mich, dass Jerusalem eine Stadt sei, da alle Auserwählten, nämlich die Stämme des Herrn aus allen Völkern und Zungen erkoren, zusammen kommen sollen, dem Namen des Herrn ohne Aufhören zu danken (Ps. 122.). Ich freue mich zu schreiben das Lob der köstlichen Perlen, zu rühmen ihren hohen Wert und himmlische Herrlichkeit, zu preisen ihren klaren Glanz und unübertreffliche Schönheit, zu besingen ihren ewigen Ursprung und unvergängliche Dauer.

Dieses aber erfordert einen erleuchteten Verstand und freudigen Willen. Denn als ein gelehrter Mann sich unterstand, die Herrlichkeit des ewigen Lebens mit seinen hohen Sinnen zu ersteigen und mit geschickter Hand zu beschreiben, musste er die Feder niederlegen, aufstehen von seinem Tisch, die Bücher zuschließen und bekennen, es sei von Gott nichts Herrlicheres gemacht worden, könne auch nichts Herrlicheres gemacht werden, als die Freude des Lebens. Und ich muss mit Jeremia rufen: „Ach Herr, Herr, ich tauge nicht zu predigen; ich bin zu jung“ (Jer. 1,6.). Denn wie soll ich predigen von dem, was mit dem Glauben nicht ganz ergriffen, mit der Hoffnung nicht völlig erreicht, mit der Liebe nicht genugsam begehrt werden kann; ja was alle Bitten und Wünsche übersteigt; was zwar erlangt, aber nicht ermessen werden kann? Darum wende ich mich nochmals zu Dir, o Herr Jesu, und bitte, Du wollest meinen verdunkelten Verstand erleuchten, das verfallene Gedächtnis aufrichten und den widerspenstigen Willen mächtig regieren. Denn Du, Herr, allein weißt des Adlers Weg im Himmel, der Schlangen Weg auf einem Felsen, des Schiffes Weg mitten im Meer (Sprichw. 30, 19.). Gib mir die Weisheit, die Besitzerin Deines Thrones, die Meisterin Deiner Geheimnisse, die Beherrscherin Deiner Lehrer, dass ich glücklich anfange zu beschreiben die himmlischen Dinge des ewigen Lebens. Die vollkommene Erzählung will ich meiner Schwachheit nicht anmuten, sondern nur bei dem Stückwerk bleiben, welches uns in diesem Jammertal zu wissen vergönnt ist. Dazu aber gib mir, o Herr, die Weisheit und verstoße mich nicht aus der Zahl Deiner Diener; denn ich bin Dein Knecht, ein Mensch von keinen Kräften und von kurzer Zeit und viel zu gering, diese himmlische Herrlichkeit zu erklären und das versiegelte Buch des ewigen Lebens aufzutun. Ach dass ich Flügel hätte wie ein Seraph! Ich wollte mit keinem die Füße bedecken, noch das Angesicht umschatten, sondern wollte, wo es Dein Wille wäre, einen Flug nach dem dritten Himmel wagen, ob es mir vergönnt sei, von dem unaussprechlichen Wohlleben auch nur den geringsten Vorschmack zu erlangen.

Siehe, Herr, ich schütte mein Herz aus vor Dir, nicht wie Öl, damit nicht etwas zurückbleibe, sondern wie Wasser, damit alles ausgegossen werde. Schaffe in mir nur ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist: so will ich Dich loben mit den Himmeln und mit allen heiligen Engeln. Ich will Dich loben mit Sonne und Mond und allen leuchtenden Sternen. Ich will Dich loben mit allem, was im Wasser sich regt, was in den Lüften sich wägt und was auf dem Erdkreis wohnt. Ich will Dich loben mit den Königen und Fürsten und mit allen Richtern auf Erden (Ps. 148.). Mit Jerusalem will ich Dich meinen Herrn preisen und mit Zion Dich meinen Gott loben.

Herr Jesu, verleihe mir von dem unendlichen Feuer Deiner Liebe ein Flämmlein, von dem unbegreiflichen Licht Deiner Gnade ein Fünklein, oder wenns Deiner Güte gefällt, von dem unerschöpflichen Meer Deiner Barmherzigkeit ein Flüsslein, Deiner heiligen Kirche zu dienen.

Regiere meine Zunge; regiere meine Hand,
Und meine Sinne führe durch das gelobte Land!

Amen.

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