Zwingli, Huldrich - Die letzte Predigt des Huldreich Zwingli zu Bern gehalten.

Zwingli, Huldrich - Die letzte Predigt des Huldreich Zwingli zu Bern gehalten.

Sintemal Eure Liebe, nachdem Euch die obsiegende Wahrheit bekannt geworden, mitten in der Entfernung der Bilder, Altäre und anderer Dinge sich befindet, hat es mir nützlich geschienen, Euch noch von der Standhaftigkeit und vom Verharren im Guten vor meiner Abreise zu predigen. Es soll demnach Eure Liebe wissen, dass Standhaftigkeit eine solche Tugend sei, dass ohne sie nichts Rechtes vollführt noch vollendet wird; ohne welche Männer als Weiber geachtet werden und die Weiber weder fromm noch treu sind. Ja Niemand kann ohne diese Tugend treu und fromm sein, ohne sie wird weder Vaterland noch Heimat beschützt, ja Nichts wird vor Schande bewahrt, wo diese Tugend nicht ist. Da aber alle Tugenden ohne Glauben und Gottesfurcht nur Heuchelei sind, so sollen wir sehen, dass wir sie nicht von uns selbst, sondern von dem Gott, in dem wir fest verharren, erbitten und er Lernen.

Diese Tugend hat unser Herr Jesus Christus nicht nur mit Worten gelehrt, sondern er hat auch uns zum Vorbilde in seinen Werken und in seinem Leben sie geübt. Er ist standhaft geblieben bis zum Tode am Kreuze, obgleich seiner Menschheit ein wenig vor dem Tode gegraut. Er hat seine Rede wegen des Trotzes seiner Feinde nicht geändert, noch ist er sanfter geworden, obgleich er zuweilen sich den Nachstellungen seiner Feinde entzogen bis seine Zeit gekommen war. So hat er auch gelehrt: „Wer ausharrt bis zum Ende, der wird selig.“ Mit diesen Worten wollte er zugleich andeuten, dass diejenigen, welche nach seinem Worte und Willen leben, trachten und darin verharren wollen, gewiss Verfolgungen, Anfechtungen und Kummer erdulden müssen. Aber solches werde Alles durch standhaftes Dulden überwunden. „Ferendo vincitur fortuna,“ das ist, „Unglück wird durch männliches Dulden und Tragen überwunden,“ das haben auch die Heiden behauptet. Auch lehrt uns Gott durch den Propheten Ezechiel, dass des Frommen Gerechtigkeit nimmermehr gedacht werde, so er falle, indem es ja viel schimpflicher ist, gleich von einer schweren Arbeit abzustehen, als sie nie anzufangen. So spricht Christus auch, dass jeder verständige Mann, bevor er zu bauen anfange, sich niedersetze und die Kosten überrechne, damit er nicht zum Gespötte werde, und man von ihm sage: „Siehe, dieser Mann hat wohl zu bauen angefangen, vermag es aber nicht zu vollenden!“ Und wer seine Hand an den Pflug legt und hinter sich sehe, sei nicht geschickt zum Reiche Gottes, das ist zum Predigtamte. Daraus sehen wir, dass er will, dass man fortfahre.

Wer ist standhafter gewesen als Moses? Wie oft haben ihn die Kinder Israels geschmäht, ja selbst ihm nachgestellt, und dennoch vermochte nichts ihn von seinem Vorsatz, dem Volke wohl zu tun, abzubringen. Als Gott sich erzürnt zeigte, wollte er lieber, dass er vertilgt werde aus dem Buche der Lebendigen, als dass das Volk Schaden leide. Darum wird dieser treue Haushalter Gottes billig vor den andern Dienern Gottes gerühmt. Hebräer III, 5. Welch trostvolles Vorbild gewährt uns dieser Mann, der vierzig Jahre lang ungebrochen und ungebeugt dasteht, und nie irgend Etwas um Menschen zu gefallen tat oder zuließ, das wider Gott und gemeine Wohlfahrt ging, der nie an Gottes Beistand verzweifelte, der in aller Not, bei Mangel an Speise und Trank sich stets an Gott wandte und nie hinter sich blickte. Wir leben jetzt, nachdem wir erwachsen sind, kümmerlich vierzig Jahre, und er hat ungeschwächt vierzig Jahre solche Mühsal erduldet, ja er ist darin gealtert und gestorben. David ist, nachdem er vom Samuel zum König gesalbt worden, beinahe vierzig Jahre auf der Flucht herumgeirrt und hat nur kurze Zeit zu Hebron geherrscht. Dennoch vermochte ihn weder Armut noch Elend dahin zu bringen, dass er den Glauben an Gott verlor und dem Königtum entsagt oder dem Saul ein Leid zugefügt, obgleich er solches ohne Gefahr hätte tun können, sondern er hat stets nach dem ihm vorgesteckten Ziel und nach Frieden mit Frömmigkeit und Redlichkeit bis ans Ende gerungen, so dass er uns ein herrliches Beispiel von Standhaftigkeit hinterlassen hat.

Der Römer Kornelius Scipio war noch zu jung, als dass er in die Ratsversammlung genommen werden konnte. Als aber die Schlacht bei Cannae gegen Hannibal verloren war, und die Vornehmsten, die davon gekommen, ratschlagten, wie sie Italien verlassen und über Meer sich flüchten wollen, und Scipio von diesem Ratschlage hörte, trat er mit Etlichen unberufen in die Ratsversammlung und zwang sie mit gezücktem Schwerte zu schwören, dass sie nicht Italien und Rom, ihre Heimat, verlassen, sondern sie vielmehr bis zum Tode verteidigen wollen. Und solche Standhaftigkeit zeigte er sein ganzes Leben hindurch bis zum Tode. Kurz, es ist keine Tugend wahrhaft eine Tugend, wenn sie nicht mit Standhaftigkeit gepaart ist.

Da nun Eure ehrsame Weisheit und Liebe den Götzenschmuck und Messprunk und andere Dinge tatsächlich angegriffen, so bedürft Ihr keines Rates noch Mittels mehr als der Standhaftigkeit. Denn zum Ersten haben wir solche, die den Schein haben wollen, sich ernstlich des Wortes Gottes anzunehmen, und dennoch gar vorwitzig sagen: man solle die Götzen zuerst aus den Herzen, und dann erst aus den Augen entfernen. Dieses ist einigermaßen richtig, denn gewiss lässt sie Niemand äußerlich entfernen, wenn sie ihm nicht früher aus dem Herzen entfernt worden. Solches bezeuge ich mit dem Gewissen derjenigen, die da wissen, wie sehr sie dieselben geliebt. Diese hätten früher nicht zugegeben, dass man sie nur anrühren, und da es ihnen nun auch gleichgültig ist, dass man sie aufscheitert, so ist es ein Zeichen, dass sie ihnen nicht reuen. Daher sind sie jetzt schon aus den Herzen ausgereutet; daher sind das nur vorwitzige Reden von Solchen, die gerne etwas Besonderes haben möchten. Dass man sie aber nicht früher aus den Augen entfernen solle, bis Niemand dadurch verletzt werde, ist gleich, als wenn wir behaupten wollen: Christus hätte Unrecht daran getan, dass er die Stühle und Wechseltische umgeworfen, und die Wechsler und Krämer mit der Geißel ausgejagt; denn sie waren in ihrem Herzen auch noch nicht belehrt, dass sie Unrecht tun, da sie ja zu ihm sprachen: „Was tust du für ein Zeichen, dass du solches tust?“ So hätte Christus auch diese Dinge stehen lassen müssen, bis sie alle belehrt gewesen wären.

Zum Andern haben wir viele Widerspenstige, die das Wort Gottes entweder nicht hören, oder es nicht annehmen wollen. Diese zwei Klassen werden Euch viel zu schaffen machen; denn sie sind gewöhnlich nicht ohne Arglist und so bereiten sie täglich neue Schrecknisse und Drohungen. Diese sollt Ihr aber nach dem Worte Christi nicht fürchten; denn er hat die Welt überwunden. Und wir werden es wohl erfahren, dass sie in seiner Gewalt ist, da er uns alle Zeit den Sieg verleiht. Solches soll aber Niemand so missverstehen, dass er nicht alle Zeit wachen und sorgen solle; denn Christus heißt uns selbst stets „wachen“ und „beten.“ Aber das will ich Euch nicht vorenthalten, dass ich nicht zweifle, Gott werde Euch solche Gefahren begegnen lassen, damit Ihr inne werdet, dass Er mit Euch wirke und Euch beschütze. Wenn daher die Gefahren kommen, so erschreckt nicht, denn Gott will Euch dadurch bewähren und stärken, damit Ihr, die Ihr allein die Ehre Gottes sucht, seine gewisse Hilfe desto besser erkennt. Denn wenn Er Such in solche Not führt, daraus Ihr Euch selbst nicht zu helfen getraut, und Er Such aber daraus hilft, so seht Ihr klar, dass alle Dinge von Ihm abhängen, und dass Er Euch gewiss hilft.

Wenn aber Einige jetzt zu Euch sagen, es werde Euch leicht gehen, da Ihr Vorgänger in dieser Sache habt, so lasst Euch nicht beirren, denn ich habe noch kein Gottes-Werk so ohne allen Anstand zu Stande kommen gesehen, dass Gott es nicht selbst mit seiner Gnade und Kraft hätte müssen zum rechten Ende bringen. Da liegen die Altäre und Götzen im Tempel.

Wem darob nun graut, doch nicht im Gewissen, der sieht nun, ob wir die Götzen für Etwas gehabt oder nicht. Es muss aber dieser Unrat und Wust hinaus, damit die unsäglichen Kosten, die Ihr vor andern Menschen an das Götzennarrwerk gehängt, künftighin an die lebendigen Bildnisse Gottes verwendet werden. Es sind das gar schwache oder zänkische Gemüter, die sich über das Abtun der Götzen beklagen, da sie jetzt ja offenbar sehen, dass sie nichts Heiliges an sich haben; sondern wie anderes Holz und Gestein fallen und krachen. Hier liegt Eines, dem das Haupt, dort Eines, dem ein Arm abgeschlagen worden. Wenn nun die Seligen, die bei Gott sind, dadurch verletzt worden wären, und sie die Gewalt besäßen, (die wir und nicht sie selbst) ihnen zugeschrieben, so hätte wohl Niemand sie von der Stelle zu bewegen, geschweige denn sie zu enthaupten und zu verstümmeln vermocht.

Ich habe Euch auch das zu berichten, dass Disputieren denjenigen, die zänkisch oder schwach sind, den Geist nicht mehrt; denn beim Zanken kann es nicht fehlen, dass der eine Teil immer Unrecht hat. Wenn nun derselbe ebenso frech ist, als der, welcher die Wahrheit versieht, so trösten sich dessen die Zanksüchtigen, die Schwachen werden aber dadurch noch schwächer. Wo aber ein wohlgesinnter, unentwegter Geist ist, der die Wahrheit annimmt, woher sie ihm nur entgegenkommt, der sieht gleich, was die Farbe der Wahrheit trägt, und was nicht, und geht demnach fröhlich heim. Dennoch kann er nicht mit solcher Ruhe die Wahrheit betrachten und sich ihrer ergötzen, als wenn er allein oder wenn ein anderer allein die Schrift erforschte und auslegte. Ist daher Jemand in der Disputation verletzt worden, so soll er sich darob nicht ärgern, das Gespräch ist darum gehalten worden, damit den Zänkern, wenn nicht das Herz, doch die Kühnheit wider die Wahrheit zu reden genommen werde, und der christlichen Gemeinde und Obrigkeit Ruhe gewährt werde, fortan ungehindert und unverhöhnt göttlich, ehrbar zu handeln. Ihr seid mit gottesfürchtigen, frommen und gelehrten Propheten und Prädikanten versehen; horcht mit Ernst auf sie, wenn sie Euch die göttlichen Verheißungen und Drohungen verkündigen; so werden Eure Gemüter in allem Tun und Lassen mit Gottes Wort allwegen sicher gemacht und es kann Euch nicht fehlen.

Darum so erkennt die Freiheit, die Euch Christus verliehen hat, und besteht darin nach der Ermahnung des Apostels Pauli Gal. V, 1 und lasst Euch nicht mehr unter das Joch der Leibeigenschaft oder Knechtschaft drängen. Ihr wisst, welchen Überdrang wir in unsern Gewissen gelitten haben, da man uns von einem falschen Trostmittel zum andern geführt; die aber unsere Gewissen nur beschwert, sie aber nicht frei gemacht noch getröstet haben. Nun aber seht Ihr, welche Freiheit und welchen Trost Ihr in der Erkenntnis und im Vertrauen genießt, das Ihr auf den alleinigen Gott setzt durch Jesum Christum, seinen Sohn. Von dieser Freiheit und Erlösung des Gemütes lasst Euch nimmermehr reißen. Es wird dazu eine Tapferkeit gefordert, wie bei keiner andern Sache. Wie nun unsere Vorfahren, Gott sei gelobt, in der Beschirmung der leiblichen Freiheit tapfer und unentwegt gestanden sind; so solltet Ihr auch vielmehr in der Freiheit, die uns hier im Gewissen frei und dort ewig fröhlich macht, unentwegt bestehen; fest vertrauend, dass der Gott, der Euch erleuchtet und gezogen hat, auch unsere lieben Nachbarn, die übrigen Eidgenossen, zu seiner Zeit ziehen werde, dass wir in wahrer Freundschaft, die mit Gott bestehen kann, einträchtiger werden als je. Das verleihe uns und ihnen der Gott, der uns Alle erschaffen und erlöst hat. Amen.

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autoren/z/zwingli/zwingli-religionsgespraech_zu_bern_2.txt · Zuletzt geändert: von aj
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