MacDuff, John R. - Der Bogen in den Wolken - 17ter Tag. Der beständige Freund.
Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken.
„Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen.“
Hebr. 13, 5
Kein Freund unter den Menschen besitzt diese Eigenschaft.
Die festesten und teuersten aller Erdenbande können zerrissen werden und ach! sind zerrissen worden. Entfernungen können trennen die Zeit entfremden das Grab von einander scheiden. Liebliche Blicke, die dir einst aus den Augen teurer Angehörigen entgegenstrahlten, grüßen dich jetzt nur noch in stummem Lächeln von dem Bilde herab, das an der Wand hängt. Hier aber gilt's einen Freund, der nicht schwindet, sich nicht wandelt und nicht täuscht. Trauernde Seele! mitten unter hingewelkten Freuden, die du gerade in diesem Augenblick beweinst - siehe, hier ist eine Botschaft deines Gottes an dich: Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen! Dein Kürbis ist verdorrt, aber der, welcher dir ihn gab, ist dir geblieben.
Übergib dich nur seinen Händen. Er will dir zeigen, dass Er mit der Fülle seiner Gnaden zu deinem Heile gegenwärtig ist. Erhebt dein Herz in der Stille oft die bittere Klage: Joseph ist nicht mehr vorhanden, Simeon ist nicht mehr vorhanden!1) dann musst du dessen gedenken, der verheißen hat: den Einsamen will ich das Haus voll Kinder2) und einen Ort geben und einen bessern. Namen, denn den Söhnen und Töchtern3). Kehre um, gehe aus von dir selbst und wirf dich in Jesu Arme! Nacht ist's nicht, Nacht kann's nicht sein, wenn Er, die Sonne deiner Seele, dir nahe ist. Er kommt am Morgen mit dem ersten Strahl, der dein Kämmerlein aufsucht; und wenn die Vorhänge der Nacht allenthalben vor dir niederfallen, dann kommt an deine Seite Der, bei welchem Finsternis ist wie das Licht.4) Wachst du in stiller Nacht, und fliegen dann die Bilder deiner Abgeschiedenen, gleich Schatten an der Wand vor dir vorüber so erscheint Er, der Hüter Israels, der nicht schläft, noch schlummert, und legt dir dein Kissen zurecht und flüstert dir ins Ohr: Fürchte dich nicht, Ich bin. mit dir!5)
Vielleicht kannst du mit dem Apostel sagen: sie verließen mich Alle;6) aber ohne Zweifel wirst du dann auch, als die Not am größten war, mit ihm bezeugen müssen: der Herr stand mir bei und stärkte mich!7) Seine Gnade ist das Leben. Durch seine Liebesnähe kann Er jeden zeitlichen Verlust ersetzen, aber ohne sie muss die geringste Anfechtung dich zu Boden werfen. Ist Er bei dir in der Anfechtung, so stärkt Er dich, dass du sie ertragen kannst und für ein zeitliches und vergängliches Glück ein ewiges und unwandelbares Erbe davon trägst. Im Reiche der Natur sehen wir manchmal Wolken ohne Regenbogen im Reiche der Gnade aber ist dies niemals der Fall. Jeglicher Schmerz findet da seinen Trost - ich hatte viel Bekümmernis in meinem Herzen, aber deine Tröstungen ergötzten meine Seele.8) In der Mitternacht der Leiden scheint deine Erdensonne für immer gesunken zu sein, aber ein innerer und doch nicht minder wahrhaftiger Sonnenschein hellt die Dunkelheit deines verwundeten Herzens auf. Mag der Strom des Lebens auch an seiner Quelle von den Menschen vergiftet worden sein, so müsse der Name des Herrn gepriesen werden, wenn du, durch seine Gnade getrieben, sagen kannst: alle meine Freudenquellen sind in dir! Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele, darum will ich auf Ihn hoffen.9)
Und wenn es kommt, dass ich Wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken.