MacDuff, John - Bethanien - XIII. Der Stein vor der Grabestür.
“Macht Bahn! Macht Bahn! Räumt den Weg, hebt die Anstöße aus dem Weg meines Volkes!“
Nun sind sie zum Grabe gekommen. Die Leidtragenden folgen dem Herrn. „Siehe, wie hat er ihn so lieb gehabt!“ sprachen die Juden, als sie ihn weinen sahen. Jesus, als der Herr des Lebens, will die Bande des Todes sprengen und sich auch hier als den Todesüberwinder beweisen. „Tod, ich will dir ein Gift, Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein; Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“ Zuvor nun der Herr seine große Tat vollbringt, spricht er zu den Umstehenden: „Hebt den Stein ab!“ Warum gab der Herr diesen Befehl, da er, der allmächtige Herr, doch auch dies Hindernis durch sein Machtwort beseitigen konnte? Er, der auf dem See Tiberias dem Sturme gebot, dass er aufhörte, der den bösen Geistern befahl, dass sie ausfuhren, der den Schlüssel des Todes und Grabes in seiner Hand hat, konnte er nicht auch die Grabestüre aufschließen? Obwohl der Herr es konnte, tat er es nicht, und gebrauchte die Hände der Menschen, um den Stein zu entfernen. Ja, nachdem es geschehen, bedient er sich wieder der Menschen, die Grabtücher zu lösen. Was will er uns damit sagen? Wir denken dies: obwohl wir vom Herrn allein abhängig sind, und er allein unsere Hilfe ist, so gebraucht er doch dabei gerne Menschenhände, als seine Werkzeuge. Das ist uns zum Vorbild geschehen. Jesus allein kann die Seele aus dem Sündenschlafe aufwecken und ihr neues Leben schenken. Die Neugeburt eines Herzens ist allein Gottes Werk von Anfang bis zu Ende. Dennoch bedient sich der Herr auch bei diesem größten Wunder menschlicher Hilfe und segnet die Gnadenmittel seiner Kirche: Wort und Sakrament; dennoch gebraucht er Menschen als Verkündiger seines Evangeliums zur Predigt der Buße und Bekehrung. Es stand nicht in der Macht des Naeman, sich von seinem Aussatz zu reinigen, dennoch musste er sich siebenmal im Jordan waschen. Die Israeliten konnten sich von den Schlangenbissen selbst nicht heilen, aber sie konnten ihren Blick auf die eherne Schlange richten, um geheilt zu werden. Wir wollen hierin durchaus die Macht der Gnade des Heilandes nicht beschränken. Nein, alles ist Gnade, von Anfang bis zu Ende nichts als Gnade. Der Mensch hat gar kein Verdienst, aber dennoch bleibt es wahr, dass Gott sich der Mittel bedient, und dass eine Vernachlässigung derselben eine große Verantwortung zur Folge hat. Paulus hatte die Versicherung durch einen Engel empfangen, dass bei dem Sturm auf dem adriatischen Meere aus seinem Schiffe nicht ein Menschenleben verloren gehen sollte. Aber durfte darum etwas vernachlässigt werden? Wurde darum nicht mit Recht alle Mühe aufgeboten, alles zu tun, was in menschlicher Macht stand? Ja, als einige versuchten, ins Boot zu steigen und zu entfliehen, gebot Paulus denselben, zu bleiben, da sonst niemand gerettet werden könnte!
Wir müssen alles tun, was wir können, um gerettet zu werden, obwohl wir die Überzeugung haben, dass es Gott allein ist, von dem wir abhängen, und der „in uns wirkt, beides, das Wollen und Vollbringen.“ (Phil. 2,12.13.) Jesus ermahnt uns, durch die enge Pforte zu gehen. Nun müssen wir nicht warten, bis sich dieselbe öffnet und untätig zusehen. Seine Ermahnung lautet vielmehr: Kämpft! klopft an! ringt danach! Ich arbeite,“ sagt Paulus, aber nicht ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.“ „Schafft eure Seligkeit mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirkt.“ Du kannst sicher sein: Gott wird dir keine unnötige Last auflegen, nicht mehr, als du tragen kannst. Er wird dich nicht rufen, zu ihm aufs Wasser zu kommen, ohne dir zugleich Kraft und Stütze auf den Wellen zu geben. Lass vor allen Dingen auf deinem Gewissen keinen Bann, auf deinem Herzen keinen Stein liegen, ruhe nicht, bis er hinweggetan. Alles, was dich von Christo trennt, muss schwinden, damit du getrost und freudig dem Tage entgegensehen kannst, wo seine allmächtige Stimme auch zu dir sprechen wird: Komm heraus! und seine Engel den Befehl erhalten: „Löst ihn auf und lasst ihn gehen!“
Bereitet doch fein tüchtig
Den Weg dem großen Gast.
Macht seine Steige richtig!
Räumt weg, was ihm verhasst.
Die Täler füllet aus,
Erniedriget die Höhen!
Und lasst ihm offen stehen
Ein jedes Herz und Haus!“