MacDuff, John R. - Bethanien - IV. Der Bote.

MacDuff, John R. - Bethanien - IV. Der Bote.

Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir, Herr, höre meine Stimme.
(Ps. 130,1.)

Kann der abwesende Heiland nicht geholt werden? Martha und Maria wussten, wohin er gegangen war. Wahrscheinlich hatte er es ihnen bei seinem letzten Besuche mitgeteilt, und sein längeres Wegbleiben ihnen angekündigt. Es war damals nach dem Laubhüttenfest, als ihn die Juden zu greifen suchten, und er ihnen entwich. Damals war Lazarus wohl noch ganz gesund. Aber bald änderte sich alles. Lazarus wurde krank. Vielleicht war anfangs keine Ursache vorhanden zur Besorgnis, doch bald mehrten sich die Anzeichen der Gefahr. Die Möglichkeit, dass ihr geliebter Bruder von ihnen genommen werden könnte, durchfuhr die Seele der Schwestern. Menschliche Mittel halfen nicht mehr. Einer, und nur Einer in der ganzen Welt konnte von dem nahenden Tode erretten. Sein Wort, das wussten sie, konnte ihn gesund machen. Aber Jesus, der große Arzt, war 50 Meilen von Bethanien entfernt.

Doch sie dürfen nicht mehr zögern. Es findet sich gewiss ein Freund, der bereit ist, nach Jericho zu eilen mit der kurzen, aber dringenden Botschaft: „Herr, siehe, den Du lieb hast, der liegt krank.“ Erhält der Herr diese Botschaft noch zeitig genug, so ist ihnen geholfen. Mögen andere an seiner Allmacht zweifeln, sie haben die feste Überzeugung, dass er ihren Schmerz mitfühlt und ihr Seufzen hört, ja dass er jeden Herzschlag seines kranken Freundes kennt. Sie haben geglaubt auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war (Röm. 4,18), sie hoffen zuversichtlich auf seine Treue. Er hatte sich so oft als Bruder und Freund erwiesen, sollte er nun in dieser schweren Stunde nicht helfen?

Wohl wissen sie, dass dem allmächtigen Heiland diese Stunden der Sorge und Angst nicht verborgen sind, und doch senden sie den Boten. Welch eine Lehre für uns! Gott kennt all unsere Sorge, er hört unser Seufzen (besser als wir selbst), er sieht jede Träne, welche wir weinen, alle unsere Kümmernisse sind ihm bekannt, „das Verlangen der Elenden hörst du, Herr, und ihr Herz ist gewiss, dass dein Ohr darauf merkt“ (Ps. 10,17). „Doch er will gebeten sein, soll er etwas geben.“ So ist es sein Wille. Das ist der Weg, seines Segens teilhaftig zu werden.

Jesus würde seinem Freunde wohl geholfen haben, auch ohne die Botschaft an ihn, wir dürfen seiner Gnade keine Schranken setzen. Gelobt sei sein Name! Er wird oft gefunden von denen, die ihn nicht suchten. Aber er verlangt nach solcher Botschaft, er wünscht das kindliche Vertrauen der Seinigen, welche in der Stunde der Anfechtung betend ihre Last auf ihn werfen und ihre Seufzer nach dem Throne der Gnade senden. O dass wir diese gesegnete Verbindung mit dem Himmel doch mehr schätzten und benutzten! sonders in Zeiten der Not, wenn kein Mensch helfen kann, lasst uns zu unserem himmlischen Arzte aufblicken. Er kann helfen - und will es auch. Gebet bringt die Seele näher zu Jesu und Jesum näher der Seele. Mag der Herr auch mit der Antwort zögern, wie hier am Jordan, er hat dabei nur weise Liebesabsichten. Sollte die Antwort anders ausfallen, als wir es wünschen, so ist es doch so tröstlich, dass wir unsere Sache und all unsere Not vor ihn gebracht und in seine Hand gelegt haben.

Wir wollen zu ihm sagen: „Herr, Du siehst, was mich drückt, nimm Du meine Last auf Dich, Du kennst mein Leid, ich bin zufrieden, wie Du es mit mir machen willst, tue wie es Dir gefällt. Der, den ich liebe, und den Du auch liebst, ist krank. Der Lazarus meiner irdischen Hoffnung und Liebe liegt am Rande des Todes, mein irdisches Glück und Freude werden mit ihm dahin sein. Aber es ist mein Vorrecht, Dir in all meiner Not zu vertrauen, ich habe mich und alles, was mich betrifft, in die Hand dessen gegeben, der meine Seele in aller Unruhe stille machen wird. Ja, wenn meine Pläne durchkreuzt, meine süßesten Hoffnungen vernichtet werden, selbst wenn meine Gebete keine Erhörung finden, so weiß ich doch, dass Du, Herr, recht tust allezeit.“

In der Geschichte des kananäischen Weibes heißt es: „Und er antwortete ihr kein Wort,“ es heißt nicht: „er hörte kein Wort“ ein großer Unterschied. Auch sein Schweigen ist eine Antwort: „Halte an am Gebet!“ Der Herr hält die Türe nur verschlossen, damit du anklopfen und immer wieder anklopfen sollst.

Die trauernden Schwestern in Bethanien machen dem Herrn keine Vorschriften - sie senden nur in Eile ihren Boten, aber sie lassen den Herrn nicht bitten, zu kommen, sie legen alles getrost in seine Hand. So sollen auch wir seiner Weisheit vertrauen, dass sein Weg und sein Wille der allerbeste ist, dass wir nur zu seinen Füßen ruhen sollen, um auf ihn zu warten. Unser Gebet sei nur: „Herr, was willst Du, dass ich tun soll?“ (Apg. 9 6.) so gehe dieser Kelch von mir; „Ist es möglich, doch nicht, wie ich will, sondern wie Du willst.“ (Matth. 26,39.)

So sende auch du fleißig deine Gebete als heilige Boten zum Herrn in allen deinen Anliegen. Ihm darfst du alles sagen. Das ist der Seinen Vorrecht. Suche fortwährende Gemeinschaft mit Jesu. „Bete ohne Unterlass!“

Heilige deine tägliche Arbeit durch Aufblick zu ihm und bleibe in seiner Liebe. Ein unaussprechlicher Segen liegt in dem ununterbrochenen Umgang mit dem Herrn. Kein irdischer Freund versteht dich so, wie er, vertraue ihm alles an. Kein Kummer ist zu gering für ihn, keine Last zu klein, sie vor den Gnadenthron zu bringen.

Durch Gebet wird der Segen dir zu teil. Darum bete, so lange du lebst, denn nur so lange du betest, lebst du. „Weinst du, er zählet die Tränen, klagst du, er gibt dir Gehör.“.

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autoren/m/macduff/macduff_bethanien/macduff_bethanien-iv._der_bote.txt · Zuletzt geändert: von aj
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