Luther, Martin - Niederschrift für die Verhandlung mit Miltitz
4. oder 5. Januar 1519
Scheint Bruchstück und in Spalatins Hause über den Stand der Sache sogleich bei der ersten Zusammenkunft mit Miltitz geschrieben.
Die Artikel sind diese:
- Der erste, daß das Volk verführt wäre, daß es nu fürder eine unrechte Meinung und Verstand vom Ablaß hätte.
- Der andere, daß D. Luther dieser Verführer oder Irrthums Anfänger wäre.
- Der dritte, daß Johann Tetz D. Luthern dazu hätte Ursach gegeben.
- Der vierte, daß der Bischof zu Magdeburg um Gewinnsts willen Johann Tetzel zu diesem Handel vermocht und getrieben hätte.
- Der fünfte, daß Johann Tetzel in diesem aufgelegten Handel ihm zu viel gethan hätte.
Darauf sagte ich und sprach, es hätte niemand größer Schuld daran, daß solche Uneinigkeit und Zwietracht übern Ablaß entstanden, denn eben päbstliche Heiligkeit selbst, derhalben wäre sie allein dieser großen Klage des Ungehorsams wider die römische Kirche eine Ursach. Denn der Pabst, wie sein Amt fodert, hätte entweder sollen dem Bischof zu Magdeburg verbieten und wehren, daß er für seine Person nach so vielen Bisthumen nicht hätte sollen trachten, oder ja dieselben ihm umsonst (wie ers von dem Herrn empfangen) verleihen. Weil nun aber der Pabst des Bischofs Ehrgeiz gestärkt und seine Geldsucht gebüßet, da er so viel tausend Gülden für die Pallia, das ist, die Bischofsmäntel, und Dispensation genommen, hätte er den Bischof zu Magdeburg genöthiget und verursacht, durch den Ablaß Geld zu marken und auf diese Weise seinen Ablaßpredigern Ursach geben, das Volk Christi aufs Schändlichste (durch den Ablaßkram) zu schinden; dazu der Pabst stillgeschwiegen, und damit des Bischofs Handthierung mit dem Ablaß gebilliget hätte, und sich also der dritten Sünden schuldig gemacht. In dieser Noth aber ist der Bischof verursacht worden, nach einem solchen Gesellen, als Johann Tetzel war, zu trachten, so das Handwerk, Geld zusammen zu scharren und kratzen, und dem Volk Haut und Haar abzuziehen, viel Jahr getrieben und derhalben deß ein geübter Meister wäre, doch sonst zu nichts anders tüchtig. Endlich hat derselbe Johann Tetzel, daß er des Bischofs Hoffnung und Begehr genug thun, und seiner auch dabei nicht vergessen wollte, des Ablaß Kraft so rein geschäumet und geläutert, das ist, so groß und hoch gelobt und erhaben, daß nu hin und wieder alle Welt ein Gräuel davor hat. Da ward ich erstlich ungeduldig über die jämmerlichen Verüfhrungen, großen Schatzungen und Beschwerungen des armen Volks, vielmehr aber über der Florentiner Geiz, dies des Pabsts gut einfältig Herz, wohin und wozu sie wollten, beredten, ja in allerlei Unglück und höchste Fahr trieben. Denn die Erfahrung giebts, daß ihr schändlicher Geiz und Geldsucht weniger zu sättigen ist, denn die Hölle. Da mir nun dazumal Gelegenheit und billige Ursach geben ward, der Romanisten Geiz anzutasten, hab ich dieselben nicht wollen vorüber gehen lassen, und das, so vorhin gedruckt, und hernach folgen wird, wider den Ablaß lassen ausgehen.
Quelle: De Wette, Dr. Wilhelm Martin Leberecht - Dr. Martin Luthers Briefe, Sechster Teil