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Luther, Martin -. Matthäus 18, 1

Luther, Martin -. Matthäus 18, 1

Predigten über etliche Kapitel des Evangelisten Matthäi

Das achtzehnte Kapitel V. 1.

Zu derselbigen Stunde traten die Jünger zu Jesu und sprachen: wer ist doch der größte im Himmelreich?

Diese Predigt, so allhier der Herr Christus seinen Jüngern mit großem Ernst thut, ist erschrecklich denen, die mit der leidigen Hoffarth besessen sind und etwas vor andern seyn wollen. Dann ihnen allhier ernstlich der Herr Christus dräuet, daß man in der christlichen Kirche nicht soll frech herfahren, denn er hat sein Reich nicht zu einer weltlichen Herrschaft gemacht, wie es denn der Papst samt den Ketzern dazu mißbraucht hat, der sich ins Teufels Namen hervorgethan hat und über alle Kaiser und Könige auf Erden erhaben, so doch Christus unser lieber Herr sein Blut nicht darum vergossen hat, daß er seine Christen in der Welt dadurch zu großen Herren und Junkern machte, ihnen gute Tage schaffete und sie nur allhier Geld und Gut suchten. Solches hätte Gott wohl mit der Vernunft und menschlicher Weisheit können ausrichten, wie denn die Welt pfleget; und hätte nicht dürfen einen solchen hohen Schatz an uns wenden, als seinen lieben Sohn, der sich so manchen blutigen Schweiß lässet kosten, für uns leidet und stirbet, und seine lieben Jünger, auch alle andere Christen, so an ihn glauben, verfolgen und tödten lässet, wann es nicht um etwas größers und höhers zu thun wäre.

Derhalben so hat uns Christus nicht ein solches Reich erworben, da wir in der Welt herrschen und regieren sollten, und da der Papst, der Teufelskopf, ihm läßt die Füße küssen, und will in der heiligen christlichen Kirche das Haupt seyn, denn Christus will kein fremdes Haupt darin haben. Er will es allein seyn und bleiben, und da sollen auch alle Christen gleich seyn, einer so viel haben, als der andere. Es ist ihm nicht um Geld und Gut oder zeitliche Ehre zu thun. Nach diesem Dreck (wie denn Gold und Silber anders nichts, denn Dreck ist) fraget er nicht. Des hat er wollen seinen Christen ein Bild darstellen in dieser Predigt, davor sie erschrecken sollten und nicht gedenken, große Herren zu werden, oder Herrschaften durch das Evangelium zu suchen. Denn er kann und will in seiner Kirche kein Haupt noch Herrschaft leiden noch dulden, daß ein Mensch höher und besser seyn wolle, als der andere, auch einer über sich haue und andere alle unter sich trete. Christus will es allein seyn und bleiben. So will er nun sein Reich unterschieden haben von dem Weltreiche. In der Welt muß ein Unterschied seyn der Leute, daß etliche oben an sitzen und regieren, die andern aber sich regieren lassen. Also sind auch in einem Hause mancherley Leute und Aemter. Das Weib ist dem Manne unterthänig, die Tochter der Mutter und der Sohn dem Vater gehorsam. Knecht und Magd sollen ihre Herren und Frauen ehren, und der Landsaß soll seinem Fürsten unterthan seyn. Also muß die Welt regieret werden. Aber in dem Reiche Christi gehet dieser Gestalt nicht zu. Denn sie ist auf die Welt nicht gegründet und gebauet, sondern auf das Blut Jesu Christi. Da ist einer wie der andere. Denn es ist ein Meister und Herr, der da heißet Christus. Darum wer da will der größte seyn, der soll des andern Diener werden, auf daß wir alle Christum und seinen Schatz uns erwerben, zugleich erlangen mögten. Denn da soll seyn einerley Herr, einerley Taufe, einerley Evangelium und einerley Sacrament, ja wir sollen alle einen Christum haben. Für der Welt ist es ein ungleich Ding mit den Leuten. Da gehet ein Pfarrherr oder Prediger oben an, aber er hat darum keine bessere Taufe, noch ist darum nichts besser, als irgend der geringste Bauer. Ich, alter Narr, habe keine bessere Taufe, als das junge Kind, so in der Wiege liegt und getauft ist. Denn solches Kind, das noch Milch und Brey isset, das ist sowohl abgewaschen von den Sünden durch das Blut Christi in der Taufe, als ich. Ja dasselbige ist oft frommer, als ich alter Narr. Denn es weiß nichts von der Bosheit, darin ich Alter stecke. Da findt sichs, daß wir alle gleich sind, gleich edel, gleich hochgebohren. Denn wir heißen alle zugleich Christen. Darum so will der Herr Christus in seiner Kirche gar keine Herrschaft haben, sondern alle unsre Arbeit soll dahin gerichtet seyn, ich mit Predigen und du mit Zuhören, daß wir Christum lernen erkennen. Denn wir alle einen Christum haben, gleichwie auch alle eine Taufe. Also sollen wir uns auch befleißigen, daß wir einerley Wort Gottes haben, und alle gleich seyn in der Erkenntniß und alles, was des Herrn Christi ist. Aber, daß wir äußerlich für der Welt dieser reich und jener arm ist: dasselbige gehöret nicht zum Reiche Christi, und stellet uns darum ein Bild oder Spiegel seines Reiches oder christlichen Kirche für die Augen, auf daß er es absondere und scheide von dem weltlichen Regiment, und wir diese beyde Reiche auch lernen von einander zu theilen und Acht darauf haben, welches die rechte Kirche sey oder nicht. Denn der Teufel will immerdar diese beyde Reiche in einander kochen und brauen. So hat der Papst das weltliche Reich und Kirchenregiment auch gemenget, und ist Kaiser und König in der Welt geworden. Und hätten noch gerne eine weltliche Herrschaft alle Schwärmer und Rottengeister; fangen die Sache an mit großer Heiligkeit, daß sie frömmer seyn wollen denn andere Leute, wie denn auch alle diejenigen thun, die sich gut Evangelische dünken und träumen lassen. Aber Christus will allhier in diesem Texte nicht, daß wir eine Herrschaft suchen sollen und einer Papstisch sey, der andere sonst einen Anhang sich mache. Und darum schilt St. Paulus die Corinther übel 1 Cor. 3 v. 3, 4., daß sie einen solchen Zank unter ihnen angerichtet hatten, und wollt einer besser seyn, als der andere, rühmet sich ein jeder des, von dem er gelehret oder getauft war, der saget er wäre Petrisch, der andere Paulisch, der dritte Apollisch. Da spricht St. Paulus: Was Petert ihr euch? was Pault oder Apollt ihr euch? Hat denn Petrus oder Apollo für euch gelitten? Bin ich Paulus für euch gestorben, seyd ihr in Petri Namen getauft? Es gilt allhier weder Peter noch Paul oder Apollo, sondern nur der einige Herr und Meister, der für euch sein Blut vergossen hat, und von welchem ihr allein Christen genennet werdet. Ihr heißet nicht Petristen, Paulisten oder Apollisten, sondern Christen.

Der Papst hat uns von Christo auch also abgeführet und gewiesen auf die Jungfrau Maria, dieselbige anzurufen, auch auf meine und deine Heiligkeit mich zu verlassen und auf der Heiligen Fürbitte zu trotzen und allerley Heiligen gesucht, so nie auf Erden gelebt haben, als St. Barbara, Catharina, Margaretha, St. Christophorus und St. Georgius, die nur erdichtete Heiligen seyn, damit ja von Christo nichts gelehrt würde.

Aber es lerne ein jeder Christ, daß cremen rechten Unterschied mache zwischen der Kirche, als die da ist die wahrhaftige Christliche Kirche, und sie scheide von der, die da nur den bloßen Namen der Kirche hat, und mit ihrem Schein alle Welt verführet. Die rechte Kirche weiß von keinem Herrn und Meister, denn allein von Christo. An den glaubet sie, wie auch Christus selbst saget Joh. 10, 27.: Meine Schaafe hören meine Stimme, und Johannes in seiner Epistel spricht 1. Joh. 4,2.3.: Wer Jesum Christum bekennet, daß er ins Fleisch kommen ist, der ist aus Gott, wer ihn aber nicht bekennet, daß er ins Fleisch kommen ist, der ist nicht aus Gott. In dieser Kirche sind die Christen alle gleich. Es ist hier keiner besser denn der andere. Da soll sich keiner über den andern erheben. Ob eins gleich ein klein Kind wäre, so hat es dennoch seinen Schmuck und hochzeitlich Kleid und Herrlichkeit sowohl als ein alter Mann. Ich soll mich nicht überheben, daß ich ein Doctor bin, noch ein anderer darauf stolzieren, daß er ein Fürst oder Herr ist, sondern ich muß sagen: In jenem leben ist ein Kind eben so viel als ich bin. Denn es leidet sich ganz und gar nicht, daß in der Christlichen Kirche einer höher seyn wolle, als der andere. Es heißet beydes also, nämlich: Wenn dies kleine Kind gebohren wird, so bringe es zur Mutter, der Christlichen Kirche, und so ich großer oder alter Mann irre und werde von der Kirche vermahnet, so soll ich mich zurechte bringen lassen. Dies soll das Wahrzeichen der Kirche seyn. Wo das geschiehet, da ist die wahrhaftige Christliche Kirche. Weil nun die rechte Kirche nichts anders weiß, denn von Christo, so folget daraus, daß die des Teufels Kirche ist, die uns von Christo auf etwas anders führet, wie der Papst und sein Haufe thut. Wenn die es aufs allerbeste machen wollen, so sagen sie wohl mit dem Maul, Christus sey für unsere Sünde gestorben, aber darnach lehren sie uns: wir sollen die Heiligen anrufen, derer sie so viele zusammen gebracht haben, daß da zuletzt für Heiligen angebetet und gefeyert worden, die nimmermehr zur Welt gekommen sind, wie St. Anna, St. Margaretha rc. die noch sollen gebohren werden. Allhier tritt der Papst auf und spricht: Du sollst mich für das Haupt der Christlichen Kirche achten, weiset die Leute nur auf die Anrufung Maria und spricht, glaubest du nicht an den Heiligen, so ich erhaben, und feyerst du ihn nicht, so bist du des Teufels und ewig verdammt. Denn ich habe Macht und Gewalt die Sünden zu vergeben und zu behalten, den Himmel auf, und zuzuschliessen. Wer nun ein Sünder ist, der thue dies oder das, was ich heiße, ziehe gen Rom nach Ablaß, laufe Wallfahrt zu St. Jacob. Das heißet nicht, dem Herrn Christo das Volk zuführen und unterwerfen, sondern dem leidigen Teufel. Und da antworte auch ein Christ und sage: Ich höre allhier wohl, daß du ein Teufelskopf bist. Denn du willst mich nicht zu einem Christen, sondern einen Romanisten, Jacobisten, Papisten und dergleichen Narren aus mir machen. Ich will dagegen bey dem Haufen bleiben, da man mir saget von Christo meinem Herrn und Heilande, außer welchem sonst kein anderer Helfer ist: du Papst mit deinem Haufen magst bleiben wo du kannst. Ich sehe wohl, daß du ein gewaltiger Herr bist, und dich viel Gebietens unterstehest, also war mein Herr Christus nicht. Er hat es auch nicht haben wollen, daß die Seinen in der Welt regieren sollten, und große Herren wollen seyn. Du bist nicht die rechte Kirche, die, weil du wider Christi Lehre und Gebot uns etwas anders willst bereden. Ob du gleich dich mit den Deinen nennest die Christliche Kirche, so seyd ihr doch ein Haufe Narren, die spitzige Hüte und geschmierte Platten und Kolben tragen, und ich finde in meines lieben Herrn Christi Wort und Lehre nichts davon geschrieben.

Wenn die Seligkeit auf dem Papst und seinen Satzungen stünde, als daß einer ein Romaniste oder Jacobiste müßte seyn: wie sollte doch der Christ selig werden, der in India oder am Ende der Welt wäre, der vom Papst zu Rom und allem seinem Narrenwerk nichts weiß. Aber wie jener selig wird, der am Ende der Welt ist: also werde ich auch selig werden durch Erkenntniß Christi, an den ich glaube, den ich auch bekenne, auf welchen ich getauft bin, des Wort und Evangelium ich Hab sowohl, als der in Aufgang der Sonne, Mittag oder gegen Mitternacht wohnet. Da hat keiner keinen Vortheil vor dem andern, sondern da ist ein Glaube, ein Christus, eine Taufe, und wenn einer aus India käme oder aus Mohrenland oder wo er herkäme und spräche: Ich glaube an Christum, so würde ich sagen: Also glaube ich auch und also werde ich auch selig, und stimmen im Glauben und in der Bekenntniß die Christen mit einander über, ein, ob sie sonst wohl in der ganzen Welt hin und wieder zerstreuet sind. Denn es heisset nicht eine Römische noch Nürnbergische oder Wittenbergische Kirche, sondern eine Christliche Kirche, darein denn gehören alle, so an Christum glauben.

In der Welt da ist es wohl recht, und soll also seyn, wenn ich sage: Ich bin ein Wittenbergischer Bürger; darum so bin ich Sächsisch und Churfürstisch. Ein anderer saget: Ich bin ein Bayer; darum bin Bayerisch oder Pfalzgräfisch; der dritte spricht: Ich bin ein Hesse; darum wird er landgräfisch genannt. Das ist Recht: denn nach dem Herrn des Landes werden die Unterthanen auch genannt. Aber allhier in diesem Regiment, da Christus ein Herr ist, da gilt weder Pfalzgräfisch noch Sächsisch, weder jung noch alt, weder reich noch arm, da ist alles eine Küche und ein Teig. Was da nur getauft ist und an Christum glaubt, Gott gebe er sey aus dem Morgenland oder Abend, so hat keiner keinen Vortheil vor dem andern. Darum was stolzieren wir und richten viel Wunders an, als wäre einer etwas besser, denn der andere? wie denn die Rottengeister thun, die sich von den gemeinen Christen absondern, und wollen ihnen ein eigenes machen für großer Klugheit. Es sollte mich ja demüthig machen, wenn ich bedenke, daß ich nichts mehr habe an Christo, auch nichts besser bin für Gott, denn ein klein Kind, so in der Wiege liegt. Da ist kein Vorzug oder Vortheil.

Allhier ist ein Herr, ein Meister, ein Vater, wie Christus Matthai am 23 Cap. v. 9. 10. saget: Ihr sollet nicht Meister oder Väter werden, und 1 Cor. 8, 5. Es seynd viele Götter und viele Herren. Wir Christen haben keinen andern Herrn, denn allein Christum, der ist der gewisseste Herr. Denn er ist von Gott zum Herrn geordnet. Der ist auch allein unser Vater und Meister im Himmel. Wir aber unter einander sind Brüder, und hat einer so hohe Gaben, als der andere. Denn wir haben einen Christum, eine Taufe, ein Erbtheil, und sind alle zugleich Erben Christi. Das ist die Farbe, darbey die Christliche Kirche kann erkannt werden.

Hieraus schließen wir wider den Papst, daß das Papstthum nicht kann die Christliche Kirche seyn, sondern es ist des leidigen Teufels Kirche und Braut, oder Christus müßte lügen. Denn Christus saget: Wir sollen nicht herrschen. Aber die Papisten wollen nicht allein weltlich, sondern auch geistlich herrschen, und will der Papst, daß wir glauben sollen, was er uns gebeut, nämlich: daß er das Haupt der Kirche sey, die heilige Römische Kirche und Stuhl sey eine Mutter, Lehrerin und Meisterin aller andern Kirchen in der Welt. Daher denn der Papst ein Meister und Doctor auch über Christum hat seyn wollen. Sollte ich ihm das einräumen? Das sind Meister und Lehrer der Kirchen, so allein Christum predigen, darauf wir allen unsern Trost und Zuversicht setzen. Diese will ich auch für Meister und Lehrer erkennen, nicht, die da sagen: Werde ein Mönch oder Nonne, halte die drey Gelübde, Armuth, Keuschheit, Gehorsam, rufe diesen oder jenen Heiligen an, sondern sprich: da höre ich die rechte Mutter, die liebe Kirche nicht, noch den Meister Christum, sondern den Kuckuck, nämlich den Teufel, der seinen eigenen Namen ausrufet, und die liebe Nachtigall nicht singen lässet. Diesen Vogel kennet man am Schnabel und Gesange, man höret bald, welches der Kuckuck oder die Nachtigall, der Teufel oder der Herr Christus sey.

Der Herr Christus spricht: Meine Kirche höret meine Stimme und glaubt an mich, wie St. Paulus auch zu den Corinthern saget 1 Cor. 3, 11.: Kein ander Fundament kann gelegt werden, als Christus. Item Ap. Gesch. 4,12.: Es ist kein ander Name unter dem Himmel gegeben den Menschen, selig zu werden, als der Name Christi. Und die Kirche habe keinen andern Herrn, Meister, Vater oder Haupt, als Christum selbst, sonst sey kein anderer, wie man denn dies allenthalben prediget und glaubt. Dagegen so spricht der Papst: Christus ist nicht allein der Kirche Vater, Kirchen Meister und Kirchen Herr, sondern ich bin auch der Kirche Haupt, Meister und Herr. Darum so glaube, daß ein Fegfeuer sey. Rufe die Heiligen an, so ich erhebe. Aber sage du: du bist ein Teufelskopf, ein Zerstörer, Feind und Widerwärtiger der Kirche, nicht ein Herr, Vater oder Meister, sonst ist ein ander Herr, der da saget, was man predigen soll, den soll man hören, und keinem andern folgen.

Saget denn der Papst ferner: ey die Apostel haben nicht alles gelehret und geprediget, der heilige Geist ist in der Kirche, und derselbige hat sich viel vorbehalten, das er hernach durch mich, den Papst, geoffenbaret hat. Darauf antworte du: wo stehet das geschrieben? im Rauchloch, da lies es, da es finster ist, in der Nacht. Das Papstthum ist ein großer Jammer. Ich kann davon zeugen, und danket Gott ihr jungen Leute, daß ihr darin nicht gelebt habet, noch in diesem Schlamm und Greueln gesteckt seyd, darin wir sind auferzogen. Ihr seyd noch gleich wie ein reines unbeschmutztes und unbesudeltes Schreibtäflein, gleich als ein schön weiß Papier, darein man etwas gutes von der reinen heilsamen Lehre von Christo schreiben und aufzeichnen kann. Ihr habt gar einen großen Vortheil vor uns Alten. Wir sind ein besudelt, zerklickt Papier oder ein zerrissen Makulatur, darein der Papstische Dreck eingewurzelt ist, und mit großer Mühe und Arbeit schwerlich kann ausgefeget und ausgetilget werden. Darum so seyd Gott dankbar, und sehet zu, daß ihr bey der reinen Lehre des göttlichen Wortes bleibet, und euch aus der Christlichen Kirche nicht wiederum in Papstthum oder in einen andern Irrthum reißen lasset.

Es lieset der Herr Christus in diesem Text seinen Jüngern auch ein gut Kapitel, denn sie gar in fleischlichen und weltlichen Gedanken stunden. Da sie vom Herrn Christo gehört hatten, er würde leiden und sterben, und er bisher unter ihnen als ihr Meister und Herr gewesen: da meyneten sie, daß sie auch zusehen mußten, wer nach seinem Tode der fürnehmste unter ihnen seyn sollte, dem sie die Herrschaft und Meisterschaft befehlen mögten, gedenken: bisher ist er unser Meister und wir seine Jünger gewesen, aber wer soll es nun seyn, wenn er todt ist? Wissen die armen Leute nicht anders, als daß Christus werde ein weltliches Regiment anrichten, darin sie zu großen Fürsten und Herren in der Welt gemacht würden, und von der Römer Gewalt los sollten seyn, und alle Königreiche unter sich bringen wollten. Stehen in dem Wahne, wenn Christus weg wäre, so mögte sich ein Hader und Zwietracht unter ihnen erheben über der Herrschaft, dem wollen sie jetzt als mit einem klugen Rath fürkommen, und bey dem Herrn Christo, weil er noch vorhanden ist, ein Urtheil oder Bericht holen. Denn sonst würde ein jeder einen Vorzug haben wollen, und seinen Vortheil ersehen, daß er sich des Regiments anmaßete.

St. Peter würde sagen, er wäre am ersten zum Apostelamt berufen. St. Andreas würde auch nicht wollen der letzte seyn. Denn er war St. Peters Bruder, und der andere, der zum Apostelamte berufen wurde, St. Philippus war der klügste und des Herrn Christi Kanzler. Denn er zu Christo saget: Zeige uns den Vater, so genüget uns. Und da Christus viel Volks in der Wüste speisete und ihn fraget: wie man ihm thäte, daß die Leute gesättiget würden, da hat er es bald ausgerechnet, daß für 200 Silberlinge Brodt unter sie nicht genug wäre. Er ist des Herrn Christi Rathgeber und hätte sich dieser kluge und weise Mann des Regiments nicht verzeihen wollen. Desgleichen hätte Johannes fürgewandt, er wäre noch näher dazu; denn im Abendmahl wäre er dem Herrn an der Seiten gesessen, ja auf seiner Brust gelegen. Was hatten denn des Herrn Bruder und Vetter St. Jacobus und andere gethan? Allhier hätte ein jeder etwas gehabt, damit er besser denn andere hätte seyn wollen. Gleichwie die Corinther darüber zankten, daß ein Theil sagte: Uns hat St. Paulus getauft, andere sprachen: Uns hat St. Petrus getauft, wurden mit einander uneins um der Person willen, gleich als St. Petrus besser wäre als St. Paulus. Aber St. Paulus antwortet darauf: Was Petert ihr euch? Seyd ihr nicht alle auf Christum getauft? und reißet Petrum und Paulum hinweg, und setzet Christum an die Statt, auf den sie getauft waren.

Eben solche Träume haben auch allhier die Apostel. Sie gedenken, wenn unser Meister Christus todt ist, so wird es dann heißen St. Peters Reich, St. Philips Reich, St. Andres Reich. Darum wollen wir diesem Zank, Zwietracht und großem Unrath zuvorkommen, und solle der Herr selbst einen ordnen und setzen, der unter ihnen der größte sey. Dieses ist weislich bedacht, aber es ist ein kindischer und närrischer Gedanke. Darauf antwortet der Herr Christus und gehet stracks herdurch und spricht: Ihr närrischen Aposteln, ihr habt nur jüdische Gedanken von meinem Reich. Aber immer hin, weg damit. Sie gehören nicht hieher. Was großt ihr euch? Es soll allhier einer nicht größer noch kleiner seyn denn der andere, und wer da größer seyn will, den werde ich in meinem Reiche nicht leiden. Es soll ganz gleich allhier zugehen und einer so viel Theil daran haben, als der andere. Das Regiment soll mir allein befohlen seyn. Denn in meine Hände hat es der Vater alles gegeben. Ich bin allein Meister, Herr und Lehrer. Ihr sollt nicht Meister heißen, wie er unten im 23 Kap. v. 10. saget: Denn einer ist euer Meister und Lehrer, der ist Christus; ihr aber seyd alle Brüder. Ihr sollt euch keinen Vater nennen auf Erden. Es ist einer euer Vater, der im Himmel ist. Also nimmt der liebe Herr Christus seinen Jüngern ihre Gedanken rein hinweg, stößt sie zurück, und giebt ihnen ganz eine abschlägige Antwort und spricht: Ihr sollt euer datum nicht auf Regieren setzen, noch fragen, wer der größte solle seyn. Ich will nicht Große haben, und gar keinen Meister oder Herrn wissen wollen, denn mich allein. Es kann niemand helfen, denn ich allein, sondern ihr sollet unter einander dienen, wie ich euch gedienet hab. Die Majorität und Herrlichkeit höret allhier auf. Man muß auf des Herrn Christi Wort und Lehre Achtung haben und damit sich regieren lassen. Das Wort muß es thun; sonst sind wir alle gleich. Was Paulus glaubet, das glaubet Petrus auch, und was Andreas und Philippus predigen, das prediget auch Johannes und Jacobus. Daß Johannes allein auf der Brust Christi liegt und nicht auch St. Petrus, das schadet nicht. Das Wort muß es thun. Denn sollte mit unsern Gedanken und Worten die Kirche regieret, unterwiesen und erhalten werden: so hatte sie der Teufel in einem Augenblick vorlängst umgekehrt und verschlungen. Denn wir sind zu gering und unser Widersacher, der Teufel, zu groß. Derhalben auch die Lehre von Anrufung der Heiligen den Stich nicht halt, sondern verführet uns. Denn Menschen könnens nicht thun. Christus muß es allem thun. Darum spricht er auch: Ich gebe euch mein Wort und den heiligen Geist, so ich vom Vater habe, auf daß ihr durch mich andere Leute regieren möget und mein Reich einkommet. Das ist der Unterschied Christi zwischen seinem Reich und der Welt Reich. In der Welt da ist ein Unterschied. Das Kaiserrecht ist ein anderes Recht, denn um das Recht in Frankreich oder in der Türkey und in Persien. Aber im Reiche Christi ist eben das Recht dem kleinsten Kindlein, als das sonst der größte hat, oder das St. Petrus oder ein anderer Christ hat, so im Orient wohnet. Denn der Christ, so am Ende der Welt wohnet, glaubet eben das, so ich glaube, und der Christ in India, so da höret mich das Vater Unser beten und die Artikel des Glaubens erzählen, glaubet eben das, so ich glaube, und wenn ich ihn hörte solches reden, so müßte ich sagen: das ist eben auch mein Glaube. Also erkennen sich die Christen bald unter einander, ob sie gleich allenthalben in der Welt zerstreuet sind. Darum daß sie nur einen Meister und Lehrer, als den Herrn Christum haben.

Dagegen saget der Papst: Es ist nicht genug daran, daß du an Christum gläubest, sondern wenn du mich nicht für das Haupt der Kirchen hältst, so bist du verdammt. Wenn ich oder ein anderer Christ, der in Indien oder Mohrenlande wohnet, oder sonst am Ende der Welt ist, diese Stimme höret; so glauben wir es nicht. Denn der Papst ist des Herrn Christi Feind und seines Wortes Verfolger und Widersacher. Er weiß anders nichts zu lehren, denn gehe zu St. Jacob, laufe zu St. Peter in Rom, thue dieses oder jenes. Aber es ist beschlossen, daß Christen daher kommen, wenn man an Christum, den Herrn, Vater und Meister glaubet, und lieget nichts daran, einer sey hier gegen Abend oder dort gegen Morgen daheim, denn die Kirche ist hin und wieder in der Welt zerstreuet, aber die Christen sind dennoch alle gleich und tragen alle einen Namen, und haben alle Güter Christi gemein. Es ist ein Glaube, eine Taufe, ein Christus, eine Hoffnung, Liebe und Freundlichkeit. Ephes. 4, 4. 5. Also hat es Christus eingesetzt und befohlen, und dem Papst und allen Rotten in dem zuvorgekommen, daß sie ihren Unflat nicht hinein mengeten und in die Kirche sehten ein weltliches Regiment, sondern den Christen predigten, daß dies die Kirche sey, wo man Christum den Meister höret, wer an ihn glaubet, ihn höret und anbetet, der sey ein Glied der Kirche.

Hieraus hat man nun einen gewissen Unterschied der wahrhaftigen Christlichen Kirche und der Papistischen Kirche, und ist ganz leicht zu schließen, welches die rechte Christliche Kirche ist, nämlich die von keinem andern Herrn noch von keinem andern Haupt weiß, als von Christo, und unter desselbigen Schutz und Schirm sich allein wirft und begiebt. Dagegen ist es klar, daß die Päpstliche Kirche des Teufels Kirche und nicht Christus Kirche ist, denn sie hält Christum nicht für ihr Haupt, lehret auch nicht von ihm, sondern verfolget noch dazu die rechte Kirche. Das sage ich alles darum, daß man die Päpstliche Hure erkennen lerne und sich vor ihr hüten könne. Denn sie hat nun alle ihre Wehrworte verlohren, damit sie sich zu schützen vermeinet hat. Sie sehen nun selbst, daß alle ihre Artikel in der Asche liegen und bekennen, daß viel Irrthum in die Christenheit kommen sey, und daß des Papsts Theiding mit der heiligen Schrift nicht übereinkommen, und müssen selbst in ihren eigenen Busen greifen und ihre Irrthümer anriechen. Es müssen jetzt große Fürsten selbst sagen: Wir wissen es wohl, daß viel Gebrechens und Irrthums in der Kirche ist. Aber es stehet uns nicht zu, daß wir anfangen und etwas ändern sollen und sprechen: Es sind zu Wittenberg ein Haufen loser Buben, die anders lehren denn der Papst. O das macht es nicht aus. Wenn aber ein Gemein Concilium versammlet würde, und die ganze Christliche Kirche zusammenkäme und beschlösse, wes man sich halten sollte: da wäre der Sachen gerathen. Da hangen sie noch an und schreyen Concilium, Concilium, Kirche, Kirche, damit behelfen sie sich, und gedenken nicht, wer die Kirche sey. Denn fraget man die: was heißet ihr die Christliche Kirche, so antworten sie, den Papst, seine Bischöfe und Cardinäle, weisen auf die Spitzhüte und Platten, und pochen also auf den Namen der Kirche. Deshalben so wollen wir in diesem 18 Cap. sehen, ob dieselbigen auch die Kirche seyen. Denn das machet nicht die Christliche Kirche, wenn Esel zusammen kommen, die nichts von Christo wissen, sein Wort auch nicht verstehen, sondern es wohl lästern und aufs höchste als Ketzerey verfolgen. Es wird die Kirche nicht die Babylonische oder Wittenbergische Kirche, sondern die Christliche Kirche genennet, und die hat ihren Namen von Christo. Da hat die das Wort, den Glauben und alle Güter Christi gemein. Solches wird im Papstthum nicht gefunden: darum muß man den Papisten ihren Hammer und Harnisch ausziehen und aus der Hand schmeißen, da sie rühmen: sie sind die Christliche Kirche, auf daß man in diesen gefährlichen Zeiten sich besser vorsehe, und nicht von dem großen Schein der falschen Kirche verführet werde, auch an der geringen elenden Gestalt der wahrhaftigen Kirche sich nicht argern, welcher Art und eigentliches Gemälde sonst ist (wie es Christus allhier conterfeiert und abmahlet) daß sie an Christum glaubet rc.

Diese Vermahnung hat Doktor Martin Luther im gemeinen Gebet in der ersten Predigt gethan. Es lässet sich ansehen, als könnte eine greuliche Strafe nicht lange außenbleiben um des schändlichen Undanks willen, darin wir bis über die Ohren stecken. Ihr gehet so sicher dahin und fraget nirgends nach, und sehet doch, daß die Strafe für der Thüre ist und fühlen sie täglich. Unser Herr Gott hat uns die Früchte auf dem Felde durch das Wasser wohl auf die Hälfte verderben lassen. Wie bald hat er uns die andere Hälfte auch genommen, noch wird es mit uns nicht besser. Wir thun, als sey es uns nichts darum, sogar fühlen wir auch keine Strafe nicht mehr. Wenn uns gleich unser Herr Gott eins auf den Kopf giebt, daß es klappt, so sagen wir noch dazu: wir fühlen nichts. Sind das nicht härter als eiserne und steinerne Köpfe? Wohlan, fahren wir also fort, so mögen wir zusehen, daß uns Gott nicht greulich wiederum heimsuche und entziehe uns auch wieder das göttliche Wort, da denn der Teufel gar Abt wird. Haben doch die Heiden sogar hoch geachtet eine Pestilenz, Theurung, Krieg oder wilde Thiere, und haben solche Plagen mit allerlei bußfertigem Leben rathen wollen, und wir Christen sind sogar steinern worden; daß wir weder nach Gottes Wohlthat oder nach der Strafe fragen, aber die Strafe wird einmal so groß werden, daß wir sie fühlen müssen. Darum wäre es besser, wir kehreten um und würden frömmer, dieweil noch die gnadenreiche Zeit und der Tag des Heils noch vorhanden wäre.

Quelle: Bruns, Paul Jakob - Ungedruckte Predigten Dr. Martin Luthers

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