Luther, Martin - Misericordias Domini
Johannes 10,12-16
Ich bin ein guter Hirte; ein guter Hirte läßt sein Leben für die Schafe. Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen, und verläßt die Schafe, und flieht; denn er ist ein Mietling, und achtet der Schafe nicht. Ich bin ein guter Hirte, und erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen; wie mich mein Vater kennet, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle. Und dieselben muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte werden.
Dies Evangelium kann man, gleichwie die anderen Werke Christi, auf zwei Weisen deuten: erstens vom Glauben, und danach von der Liebe. Nach dem Glauben hat es die Meinung, daß Christus allein der rechte Hirte ist, der für seine Schafe stirbt, und sonst niemand. Denn zu diesem Werk, darum Christus für uns stirbt, ist kein Mensch, kein Heiliger, noch Engel tüchtig gewesen, daß er den Menschen, der vom Teufel durch die Sünde im Paradies erwürgt, hätte frei machen können. Dieses ist dieses Hirten Werk, daß ihm niemand nachtun kann, damit er sich offenbart hat, daß er Gottes Sohn ist.
Darum kann niemand diese Worte reden, die Christus hier redet: «ich bin ein guter Hirte; ein guter Hirte läßt sein Leben für die Schafe.» Will damit uns zu sich ziehen und lehren, daß wir glauben sollen, daß aller Heiligen Leiden mit seinem Leiden nicht zu vergleichen sind. Moses und die Propheten sind große Leute gewesen, die haben recht gepredigt und gelehrt, was man tun und glauben soll. Haben auch viel darüber gelitten. Aber zu dem Werk, von dem Christus hier sagt: für die Schafe sterben, sind sie eitel Mietlinge, und können die Schafe vor dem Wolf nicht erretten. Denn da sieht man, daß Moses und die Propheten, wenn sie lange gepredigt und ihr Bestes getan haben, so bleiben Sie doch tot und können sich selbst nicht retten. Wie wollten sie denn ein Schaf retten oder ihm helfen gegen den Wolf, den Teufel und den Tod? Es geht, wie Christus sagt: «ein Mietling, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, der sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe, und flieht, und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Der Mietling aber flieht, denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht.» Darum der in solch einer Gefahr bestehen, und vom Wolf, dem Teufel, nicht zerrissen werden will, der hüte sich, daß er sich nicht verlasse auf das Gesetz, oder auf gute Werke, auf diesen oder jenen Heiligen. Denn das Gesetz hält nicht, es weicht; ja, noch viel mehr, es ist wider uns und verdammt uns. Die guten Werke halten auch nicht, ja sie verschwinden. Darum soll man den ganzen Trost auf heiliges Leben und gute Werke fallenlassen, und lernen, daß man sich durch einen rechten Glauben sich zu dem Mann findet, der hier sagt: «ich bin ein guter Hirte, und lasse mein Leben für meine Schafe.» Denn dieser flieht vor dem Wolf nicht, und läßt sich eher zerreißen, ehe er dem Wolf ein Schäflein ließe. Darum sollen wir in solcher Gefahr auf ihn allein sehen und uns zu ihm halten, und wissen, daß wir durch ihn wieder Teufel, Sünde und Tod, als durch den treuen Hirten unserer Seelen, zum ewigen Leben erhalten werden sollen. Das ist ein Stück, daß man mit dem Glauben fassen muß: da können wir sonst nichts zu tun; sondern er, der gute Hirte, unser Herr Christus, hat es alles getan und ausgerichtet, und uns befohlen, wir sollen uns annehmen und mit festem Glauben daran hängen.
Die andere Lehre ist, daß unseres lieben Hirten tun uns auch alles zum Beispiel vorgestellt ist. Denn eben wie Petrus vom Glauben sagt, 1. Petrus 2,24. 25.: «Christus hat unsere Sünde selbst geopfert an seinem Leibe auf dem Holz, auf das wir der Sünden los seien und der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden seid ihr Heil geworden; denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehret zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen «: -also sagt er weiter nach auch von der Liebe, und spricht: «Christus hat gelitten, und uns ein Vorbild gelassen, daß ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen.» So wie Christus für uns gestorben ist, daß er uns errette durch sein eigen Werk, ohne unser Zutun, von Sünden und ewigen Tod: also sollen wir auch einer dem anderen dienen, und nicht darauf sehen ob es ihnen darüber übel gehen möchte. Das heißt denn dem Beispiel Christi folgen, und wird ein jeder Christ auch ein guter Hirte. Denn ob ich schon mit meinem Tode andere vom Tode und von Sünden nicht erretten kann; denn solches ist das eigene Werke des einigen rechten Hirten Jesu Christi, wie ihr eben gehört habt: so kann ich doch mein Leben darüber lassen, daß andere durch solch ein Beispiel zum Wort gelockt und zum Bekenntnis Christi gebracht werden. Denn wir sehen, wie die Welt und der Teufel dem Wort feind sind; besonders aber der Papst wendet alle seine Macht dahin, daß er das Wort mit Gewalt dämpfen möge. Da müssen sich die frommen Hirten leiden und zum Teil auch darüber ihr Leben lassen.
Darum gehören fromme, treue Prediger dazu, weil sie durch den Tod Christi erlöst sind, daß sie schnell dem Beispiel Christi nachfolgen, und sterben auch um der Schafe willen und lassen den Hals über dem Wort. Solches Sterben macht die anderen nicht selig. Denn Seligkeit kommt allein durch den Tod Christi Jesu. Aber dennoch stärkt es die anderen; und wird also Gott durch mein Blut und Sterben gepriesen, und der Nächste wird im Glauben dadurch gestärkt, obwohl er nicht durch den Tod erlöst wird. Denn dasselbe muß zuvor geschehen sein durch den Tod des einigen und rechten Hirten, Christi Jesu, wie jetzt oft gesagt worden ist.
Hier finden sich denn auch Mietlinge und Wölfe. Zuvor, in der ersten Lehre vom Glauben, sind Moses, das Gesetz, die Propheten und alle Menschen Mietlinge, sie sind gleich so fromm Sie immer wollen. Denn von dieser allen kann sich keiner selbst schützen, ich geschweige andere, vor dem Wolf, dem Teufel und der Sünde. Aber hier, in der Lehre von der Liebe, heißen Wölfe die falschen Lehrer und Tyrannen, welche die Lehre verfolgen und verdammen. Wo nun ein frommer Christ ist, der läßt sich nicht abschrecken, wenn er denn Wolf sieht, sondern ehe er seinen Nächsten des Wortes und der rechten Erkenntnis Christi ließe beraubt werden, ehe ließe er seinen Leib und Leben darüber. Wie die Heiligen Apostel und lieben Märtyrer getan haben: die sind nicht geflohen, sondern dem Wolf in den Rachen gelaufen.
Also soll es noch sein. Wer da will ein Prediger sein, der meine es mit ganzem Herzen, daß er allein Gottes Lehre und seines Nächsten Besserung suche. Sucht er sie aber nicht allein, sondern will bei solchem Amt seinen Nutzen oder Schaden bedenken, da darfst Du nicht denken, daß er stehen bleiben wird. Entweder er wird schändlich davon fliehen, und die Schafe allein lassen und davon laufen; oder er wird schweigen, und die Schafe ohne Weide, das ist, ohne das Wort gehen lassen. Das sind die rechten Mietlinge, die um eigenes Nutzen und Geizes willen predigen, und lassen sich an dem nicht genügen, welches ihnen Gott täglich zur Nahrung gibt als ein Almosen. Denn wir Prediger sollen doch nicht mehr von unserem Amt haben, denn Hülle und Fülle. Die aber mehr haben wollen und um Geldes und Gutes willen predigen, das sind Mietlinge, welche der Herden nicht achten. Dagegen aber ein frommer Prediger alles darüber läßt, auch sein Leib und Leben.
Das ist die andere Lehre vom Beispiel; und geht nicht allein auf die, so in den Kirchenämtern sind, sondern auf alle Christen. Denn sie alle sollen das Wort bekennen, und eher Leib und Leben lassen, ehe sie vom Wort auf Abgötterei sich bringen lassen wollten. Denn sie wissen, daß sie einen Hirten haben, der darum sein Leben gelassen hat: ob sie ihres schon auch lassen müssen, daß sie es doch durch ihn wieder empfangen und in Ewigkeit nicht mehr verlieren sollen.
Nun spricht der Herr weiter und tut eine Predigt von seinen Schafen, und unterscheidet sie von allen anderen Schafen. Will damit auch seine Lehre von Ketzerei und aller anderen Lehre scheiden, und spricht: Ich bin ein guter Hirte, und erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen; wie mich mein Vater kennet, und ich den Vater kenne. Und ich lasse mein Leben für meine Schafe.
Als wollte er sagen: Es ist alles darum zu tun, wenn ihr wollt meine Schafe sein, daß ihr mich, euren Hirten, recht kennet; so wird es nicht Not um euch haben.
Darum soll ein guter Prediger den Leuten anderes nicht vortragen, denn allein Christus, daß man ihn lerne erkennen, was er sei und gebe; auf das niemand von seinem Wort komme, und er allein für den Hirten gehalten werde, der sein Leben lasse für seine Schafe. Das soll man fleißig predigen. Danach soll man auch das Beispiel treiben, auf das, wie Christus um unseretwillen alles getan und gelitten hat, wir auch um des Wortes willen alles gern tun und leiden sollen. Wer solche zwei Stücke nun hört und versteht sie, den nennt Christus Schaf. Wie er oben auch gesagt hat: «Meine Schafe hören meine Stimme.» Wer es predigt und lehrt, der ist ein guter Hirte, auch wenn er das Leben nicht für seine Schafe lassen kann, wie Christus.
Die aber solche Lehre nicht hören, oder den Schafen nicht vortragen wollen, die sind nicht Christus Schafe, sind auch nicht rechte Hirten; sondern wo sie am besten sind, sind sie Mietlinge, oder sogar reißende Wölfe. Die soll man nicht hören, sondern vor ihnen fliehen als vor dem Teufel selbst. So ist auch die Predigt vom Papst. Der führt die Worte Christi nicht recht und rein, wenn er sagt: «ich bin ein guter Hirte, und lasse mein Leben für meine Schafe; sondern lehrt, wo man vor dem Wolf, dem Teufel und dem Tod, sicher sein will, so müssen wir selbst unsere Hirten sein und uns durch eigene Werke schützen.
Wollen wir nun rechte Christen sein, so müssen wir tun wie ein Schaf, daß seines Hirten Stimme kennt und allein hört; andere Stimmen kennt es und hört es nicht. Sollen darum zum Papst oder andere Prediger sagen: Ich kenne deine Stimmen nicht; ich höre einen Wolf, der will mich von meinem Hirten wegreißen und fressen. Nur immer weg mit dem Wolfsgeschrei; ich will mich an meinen Hirten halten.
Denn so sagt Christus hier: «Sie werden meine Stimme hören.» Und oben sagt er: «Einem Fremden folgen die Schafe nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen der fremden Stimme nicht.» Denn unmöglich ist es, daß ein Schaf, so einmal zu Glauben angefangen, und seines Hirten Stimme gehört und gefaßt hat, die Predigt höre, die der Stimme Christi entgegen ist. Kaiser und Könige Gebot, Fürsten Gebot, daß Gebot der Stadt hört es, aber es weiß, daß es nicht zur Seligkeit dient; denn darum kommt man nicht in das ewige Leben, daß man solchen äußerlichen Gehorsam leistet. Wenn aber ein Prediger kommt und lehrt: Wenn du selig werden willst, so mußt du für deine Sünden genug tun, Messe halten, Almosen geben; das hört das Schafe nicht, und spricht: Ich kenne deine Stimmen nicht; es ist nicht des Hirten, sondern eine Wolfstimme.
Denn ein Schaf hat die Natur und Eigenschaft vor allen anderen Tieren, daß es ein scharfes Ohr hat. Darum wenn 10000 Mann bei einander wären, so flieht es, und scheut sich, aber nicht vor seines Hirten Stimme, die es kennt, und dieser Stimme läuft es nach. Also, wenn tausend Schafe bei einander in einem Haufen sind und die Mütter alle blökten, so kennt doch ein jedes Lamm seiner Mutter Stimme, und läuft ihr so lange nach, bis sie es findet; so gut kann es hören.
Auf solche Art und Eigenschaft sieht Christus hier, und spricht: solche Tiere habe ich auch; denn ich bin ein Hirte, und meine Schafe haben auch die Art an sich, daß sie meiner Stimme sehr gewiß sind und kennen. Darum, wo meine Stimme nicht ist, da bringt sie niemand hin. Will uns also lehren, wenn wir seine Schafe sein wollen, so müssen wir auch so gute Ohren haben, welche die Stimme Christi von allen anderen Stimmen absondern, sie sei noch so hell und schön, oder freundlich.
Darum sollen wir hier lernen und uns befleißigen, daß wir Gottes Wort hören und allein und gewiß uns darauf gründen; auf das wir dem Eingeben des Teufels, der ein Versucher zu allem Bösen ist, und untersteht sich, uns zu verschlingen, nicht Raum geben, und sonst auch vor falscher Lehre uns hüten. Denn der Wolf läßt seine Tücken nicht: kann er dich mit falscher Lehre nicht zu Fall bringen oder fangen, so wird er es inwendig im Herzen tun durch böse Gedanken. Da mußt du tun, wie ein Schaf und sagen: ich nehme mich dieser Stimme nicht an, sie ist vom Wolf, und nicht meines Hirten Stimme. Meines Hirten Stimme heißt: «Ich bin ein guter Hirte, und lasse mein Leben für die Schafe.» So willst du, Wolf, mich gern dahin bringen, daß ich verzagen, mich vor meinem Hirten fürchten und von ihm weglaufen sollte. So wird man sich der Anfechtung erwehren können, weil der Teufel gern das Herz damit beschweren, und irre, oder traurig und furchtsam machen möchte.
Also sollen wir die Stimme unseres Hirten lernen und hören und kennen; so werden wir ihn recht erkennen, und er wird uns wieder kennen und lieben. Denn wie könnte er uns feind sein, so er sein Leben für uns läßt, und schenkt uns das ewige Leben und dem von uns Tod, Sünde und alles Unglück? Solches werden wir sonst bei keiner Stimme finden, darum sollen wir uns noch fleißiger dazu halten.
Danach ist diese Predigt auch in dem Fall tröstlich und fein, daß der Herr sich einen Hirten, uns aber, die wir sein Wort haben und hören, seine Schafe nennt. Denn da hat ja kein Christi Ursache, daß er klagen sollte, er wäre verlassen. Das kann wohl sein, daß es einem fehlt an Geld und Gut, dem anderen an Gesundheit, den dritten an einem anderen, daß es scheint, als seien wir mitten unter den Wölfen und haben keinen Hirten. Wie denn Christus zu seinen Jüngern sagt: «Siehe, ich sende euch wie Schafe, mitten unter die Wölfe»; und wir es auch täglich vor Augen sehen, daß es um die christliche Kirche nicht anders steht, denn um ein Schaf, daß der Wolf jetzt beim Fell erwischt hat und fressen will. Es scheint nicht, als hätten wir einen Hirten, der sich unser annehme.
Aber es muß so zugehen, damit wir keinen anderen Trost haben, denn dieses Hirten Stimme und sein feilschen, wie der Herr hier sagt: «Meine Schafe kennen meine Stimme.» Wer nun sich an diese Stimme hält, und geht dieser nach, der kann sich dann rühmen, daß er einen rechten Hirten kenne und das sein Hirte ihn auch kennt. Denn wer auf das Wort Achtung hat und diesem folgt, den wird der Teufel zufrieden lassen müssen. Denn es gehe mit Leib und Leben, mit Geld und Gut, mit Weib und Kind, wie Gott will, so hört er immer seines Hirten Stimme, daß er ihm zuruft: Du bist mein liebes Schaf; denn du hörst auf meine Stimme und erkennst mich, und ich dich auch. Das also solche Erkenntnis im Wort und Glauben, und sonst in nichts steht. Wie denn der Herr selbst sagt: «Ich kenne sie, gleichwie mein Vater mich kennet und ich den Vater.»
Denn da Christus, der Sohn Gottes, selbst auf Erden ging, ging er so, als wäre er allen Teufel und bösen Buben hingegeben, daß sie ihren Mutwillen mit ihm treiben möchten, wie sie wollten. Gott stellt sich, als hätte er ihn vergessen, als wüßte er nichts von ihm um kennt ihn nicht. Aber da Christus selbst klagt: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen»; da er am Kreuz stirbt, und begraben wird, und der Teufel jetzt in der Hoffnung ist, Gott habe ihn verlassen: da sieht man, daß ihn der Vater kennt; denn er holt ihn aus der Hölle und aus dem Tode heraus.
Also, spricht nun Christus, soll es mit euch, meinen Schafen auch sein. Laßt euch nicht irre machen, wenn es auch so aussieht, als wenn ich euch nicht kennen würde. Denn ein Christi muß auf Erden also verdeckt bleiben mit Unglück, Leid, Sünde, und allerlei Gebrechen und Anfechtungen, daß man denken muß, daß kein Unterschied zwischen ihm und einem Gottlosen ist. Denn da ist Leben und Sterben, dem äußerlichen Ansehen nach, gleich; ja, noch mehr ist, es scheint, es sei ein Christ schlimmer dran mit unserem Herrn Gott, denn ein Heide; denn es geht ihm schlimmer, und er hat mehr Anstöße und Anfechtungen. Aber laß dich nicht irre machen, sondern denke daran, was er hier sagt: «Ich kenne meine Schafe.»
Hier, spricht der Teufel und die Vernunft, wie kann er dich kennen, weil es dir so übel geht? Da antworte du: Ich weiß, daß er mich kennt, und soll mich an solchem Glauben nicht hindern, daß ich sterben und allerlei Unglück leiden muß. Denn ich kenne ja seine Stimme und höre sie, und halte mich, daß er mir zuspricht, wie ein Hirte zu seinem Schaf: Ich bin dein Hirte, ich bin für dich gestorben, ich habe mein Leben für dich gelassen. Das Wort höre ich und glaube es; das ist mein einziges und gewisses Zeichen, daß er mich kennt und ich ihn auch. Wenn ich auch nun anderes fühle, als Christus hier sagt, solches schadet nicht. Es ist doch alles nur eine zeitliche Anfechtung. Dagegen aber lehrt mich das Wort vom ewigen Leben; ob ich nun nicht gleich den Tod fühle, und sterben muß wie andere, welche an Christus nicht Glauben: was liegt daran? Denn hier habe ich meines Hirten Stimme, die mir auf das freundlichste zuspricht: «Wer an mich glaubt, der wird den Tod nicht sehen ewiglich»; also: «Ich lasse mein Leben für meine Schafe.» Darum zweifle ich nicht, mein treuer Hirte, Christus Jesus, kennt mich.
Es bleibt aber solches Kennen verborgen, auf das der Glaube Raum habe; sonst wo wir so schnell aus der Taufe rein und unsterblich gingen, so bedürften wir weder des Wortes noch des Glaubens. Weil aber das Wort noch bleibt, so muß es geglaubt und nicht sofort erfahren sein, bis an jenen Tag, da wir es nicht mehr Glauben, sondern im Werk sehen und erfahren werden. Also ist kein Zweifel, wenn ein Mensch getauft wird, so wird er in der Taufe vor Gott so schön und hell, als die liebe Sonne, daß gar keine Sünde mehr dableibt, sondern nur eine ewige Gerechtigkeit. Denn also sagt Christus selbst: «Wer glaubt und getauft wird, der wird selig.» Aber solches läßt sich äußerlich nicht sehen. Und dennoch ist es wahr, wenn man das Urteil nach dem Wort und nach des Hirten Stimme stellen will. Darum liegt es alles an dem, daß man am Wort halte, und daran bleibe bis zu seiner Zeit, da es in einem anderen und ewigen Leben offenbar werden wird, wie wir jetzt im Wort hören und glauben. Denn wie jetzt das Leben hier und jenes Leben unterschiedliche Leben sind: also ist es nicht möglich, daß man hier in diesem Leben das ganz und gar fühle, daß man dort fühlen und erfahren wird.
Darum ist es eine große Kunst, einen Christen kennen. Ja, man kann ihn hier auf Erden nicht recht kennen. Denn welcher Mensch kann sagen, daß er im ewigen Leben sei? Und dennoch müssen wir bekennen, eben dies Kind, welches noch mit Tod, Sünde und allem Unglück geladen ist, da man kein ewiges Leben daran sehen, das hebt man von seiner Taufe an, ewig zu leben. Wie geht das zu? Sieht man es doch nicht, sondern man sieht nur das alte Leben. Aber über dieses alte und sündliche Leben hat Gott ein ewiges Leben gemacht, da Leben wir schon in (dem Wort und Glauben nach zu rechnen), wenn wir es gleich noch nicht sehen oder fühlen.
Das heißt denn einen Christen recht kennen, daß man ihn nicht urteilen noch Ansehen mit leiblichen Augen, sondern nach dem Hören und dem Wort. Wie ein Schaf: das hat sein Leben vom Hören; wenn es seines Hirten Stimme nicht hört, so läuft es in die Irre und unter die Wölfe. Denn ohne des Hirten Stimme kann man es nicht halten. Wo es aber diese hat, so bleibt es sicher. Wo es aber des Hirten Stimme verliert, so ist alle Freude und Sicherheit dahin, und muß sich überall fürchten und scheuen. Eben also ist es mit einem Christen auch: wenn er das Wort verliert, so ist auch der Trost aus. Wenn er aber am Wort festhält, so sieht er seinen Hirten Christus, und alles, was Christus ihm erworben und verheißen hat, nämlich, Vergebung der Sünden und das ewige Leben. Geht also in voller, gewisser Hoffnung hin, ist, trinkt, arbeitet, und tut, was ihm zu tun befohlen ist, ja, leidet wohl auch mit Freuden, was ihm zu leiden aufgelegt wird. Denn er hängt mit den Ohren an seines Hirten Stimme und Mund, und besinnt sich, daß er nicht urteile, nach dem er empfindet oder fühlt, sondern nach der Stimme und wie er hört. Das ist nun, daß Christus hier sagt: «Ich kenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen, gleich wie mich mein Vater kennet, und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für sie.»
Das sollen wir lernen, und unsere Herzen daran gewöhnen, daß wir uns nicht daran ärgern, obgleich die Christen leiden und sterben müssen, wie andere Menschen. Denn das ist allein der Christen Kunst, daß sie sagen können: An dem äußerlichen Leben sehe ich keinen Unterschied zwischen Christen und Unchristen; ja, den Christen geht es meistens schlimmer, und müssen viel mehr leiden, denn andere Leute. Aber im Wort sehe ich einen großen, trefflichen Unterschied, nämlich: das Christen und Unchristen unterschieden sind, nicht nach der Nase oder äußerlicher Frömmigkeit, sondern daß sie ihres Hirten Stimme haben und hören. Diese hören die Heiden nicht, Türken und Juden auch nicht; sondern allein des Herrn Christi Schafe. Sonst nach der Nase und weltlichen Sachen zu rechnen, wird man keinen Unterschied finden.
Einen solchen herrlichen Trost gibt der Herr hier seinen Christen an dem, daß er sich einen guten Hirten nennt, und sagt: Er kenne seine Schafe, wie sein Vater ihn kennt, und lasse sein Leben für sie. Da soll auch ferner folgen, daß wir uns, wie die Schafe, recht gegen solchen frommen und treuen Hirten halten sollen; das ist, wir sollen unseres Hirten Stimme allein folgen. Er tröstet uns, er hat sein Leben für uns gegeben; diesen Trost sollen wir glauben, und der Sünden wegen nicht verzagen, wie der Teufel uns unser sündhaftes Fleisch immer gern tun wollte und uns oft kleinmütig und zaghaft machen. Danach wir auch untereinander lieben, und also lieben, das wir auch einer um des anderen Willen unser Leben lassen sollen. Aber wie viele sind da, die solche Stimme hören? Der meiste Teil hört auf des Teufels Stimme, und folgt ihm, wenn er reizt, daß man geizen, untreu sein, betrügen, lügen und anderes tun soll, daß ganz und gar der christlichen Liebe entgegen ist. Solche Leute beweisen es mit ihrem eigenen Leben, das sie nicht rechte Schafe Christi sind, besonders die seine Stimme nicht hören: er warnt so treu, man soll im Leiden geduldig, im Glauben fest und in der Liebe brünstig sein, und des Teufels und unseres eigenen Fleisches Stimme, die uns zur Sünde lockt, nicht hören; es ist der Irrweg, der uns ins Verderben führen wird. Aber der meiste Teil tut wie ein blödes Schaf: es schreit, es pfeift, ist tut der Hirte, was er will, so läuft es immer in das Holz, kommt in die Irre und wird dem Wolf zum Fraß. Vor solcher Unart laßt uns alle hüten, und fromme, gehorsame Schafe sein, daß wir unseren Hirten auch kennen, wie er uns kennt, das ist, daß wir ihn lieb haben, sein Wort gern hören, seinem Wort gern folgen, und tun, was er uns heißt. Das aber der Herr von anderen Schafen sagt, die er auch führen soll, auf das ein Hirte und eine Herde werde, solches hat sich bald nach Pfingsten zugetragen, da das Evangelium in alle Welt durch die Apostel gepredigt worden ist, und geht noch bis zum Ende der Welt. Nicht so, als sollten sich alle Menschen bekehren und das Evangelium annehmen. Denn da wird nichts daraus werden; der Teufel läßt es dazu nicht kommen. Die Welt ist dem Wort feind und will ungestraft sein. Darum werden viele Religionen in der Welt bleiben. Das aber heißt ein Hirte und ein Schafstall, daß Gott alle, die das Evangelium annehmen, um Christus Willen zu Kindern aufnehmen will, es sind gleich Juden oder Heiden. Denn das ist die rechte einzige Religion, diesem Hirten und seiner Stimme folgen. Das verleihe uns der treue Hirte unserer Seelen durch den Heiligen Geist, Amen.