Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Harada-Schluss)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Harada-Schluss)

Sechs und dreißigste Predigt.

Zwanzigste Lagerstätte: Harada.
(Schluss.)

4. Buch Mosis 33,24.

Lasst uns noch eine Weile in Harada zubringen und uns in den finsteren Klüften desselben umsehen. Wir erblicken Personen, die den Herrn fürchten, und der Stimme seines Knechts gehorchen, aber so im Finsteren wandeln, dass es ihnen nicht scheint. Wir haben Eine Ursache dieses Zustandes angegeben. Lasst uns auch eine zweite und dritte betrachten, und diese ist teils der Mensch selbst, teils der Satan. –

Eine Quelle der Finsternis ist die Natur der Menschen. Es gibt körperliche Beschwerden, welche zugleich das Gemüt angreifen durch allerlei Beklemmung, Ängstlichkeit und beschwerliche Gefühle, die sie erzeugen. Die Hemmung des ordentlichen Umlaufs der Säfte kann schreckliche Beängstigungen erzeugen, welche aufhören, sobald die gestörte Ordnung wieder hergestellt ist, mit welcher eine ganze Reihe finsterer Vorstellungen verschwindet. Diese Leidende werden mehrenteils als eingebildete Kranke angesehen und behandelt, zumal da sie selbst nicht recht sagen können, was, und wo es ihnen fehlt, verdienen aber ein großes und zartes Mitleiden. Sie sind übel genug dran, dass ihnen fast nie eine Freude blüht, und sich alles vor ihren Blicken in düstere Schleier hüllt, so, dass sie – sonst die Heitersten – jetzt die Grämlichsten sind. Wie hart ist es vollends, wenn man ihnen sogar aus ihren Leiden eine Vorwurf macht, und von ihnen Dinge gebieterisch fordert, die nicht in ihrer Macht stehen. Dieses Leiden findet sich nicht ausschließlich bei Bekehrten, sondern auch bei Unbekehrten. Von den Letzteren reden wir hier nicht, sondern nur von solchen, die den Herrn fürchten, und der Stimme seines Knechts gehorchen. Sind unter ihnen solche, die im Finsteren wandeln, und denen es nicht scheint: so kann ein großer Teil ihrer Leiden, eben in der üblen, allerlei Beängstigungen erzeugenden Beschaffenheit ihres Körpers seinen Grund haben, und würde mit dieser aufhören. Nicht ohne Ursache heißt dieser Leib, ein Leib des Todes, ein Leib der Demütigung, eine Hütte, in welcher wir beschwert sind und seufzen. Gewiss aber gibts auch unter den Gläubigen Manchen, der auf dieser geheimen Folterband liegt, und selten eine fröhliche Stunde hat. Doch fällt kein Haar von seinem Haupt, ohne den Willen des Vaters im Himmel. Auch dies geheime Leiden muss zu seinem Besten dienen. Die Übung ist schwer, aber wichtig. –

Aber es ist nicht zu verwundern, dass unser eigenes Herz die Finsternis und Angst vergrößert, wenn der Herr sein Angesicht verbirgt, und sich nichts Gutes, sondern vielmehr das ärgste, zu ihm versieht, weil wir als Geschöpfe so schwach sind. Ist meine Kraft denn ehern? fragte Hiob, und meine Stärke von Stahl? Bin ich denn ein Meer oder ein Walfisch, dass du mich so verwahrst? Von der Nähe des Herrn hängt, wie unser Dasein, so unser Trost ab, und verbirgt Er sein Angesicht nur ein wenig, so sind wir geneigt, uns zu entsetzen. David sagt von allen Geschöpfen, Ps. 104: verbirgst Du Dein Angesicht, so erschrecken sie, und wenn Du Deine Hand auftust, werden sie mit Gut gesegnet. Sein eigener Sohn erschrak unter solchen Umständen, und der ganze Himmel würde es tun, wie vielmehr der Mensch, diese Hand voll Staub! Aber wir sind nicht bloß schwach, weil wir Geschöpfe, sondern weil wir sündige Kreaturen sind, es wohnt von Natur Finsternis in uns, ja, wir sind vor unserer Wiedergeburt nichts als Finsternis, Ephes. 5,9. Der Apostel vergleicht 2 Kor. 4 diesen unseren natürlichen Zustand, mit demjenigen der Erde, im Anfang der Schöpfung, wo sie wüst und leer war, und Finsternis auf der Tiefe lagerte. So wie Gott nun im Natürlichen aus derselben das Licht hervorleuchten ließ, so hat er einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. Und diesen hellen Schein behalten wir nur so lange, als Gott fortfährt, ihn in uns leuchten zu lassen. Entzieht er uns den Zufluss seines Trostes, schiebt er die Vorhänge zu, dass die Strahlen des Lichts nicht helle in die dunklen Kammern unserer Herzen fallen: so kehren sie zu ihrer natürlichen Finsternis zurück, aus deren Schoß mancherlei Qual, wie ein Rauch emporsteigt, und die Oberfläche der inneren Welt umhüllt. – Ist das Herz verfinstert, so wird es auch in seinem Tichten eitel, wie Paulus Röm. 1,21. von den Heiden sagt, und so erhebt sich eine Menge verkehrter Urteile über Gott, seine Wege und den eigenen Seelenzustand. Statt davon nach dem göttlichen Worte zu urteilen, das uns auch Züchtigungen als Liebeszeichen ansehen, und die Trübsal von einer Seite kennen lehrt, wo sie als höchst vorteilhaft erscheint, und Anlass zum Rühmen gibt, - das uns zum Herrn weist, und uns ermuntert, auf den Namen des Herrn zu hoffen, und uns zu verlassen auf unseren Gott, wenn wir im Finsteren wandeln: lässt es einer Menge eigener Gedanken Raum und urteilt nach der Empfindung und nach den Eingebungen der Vernunft, und nicht nach dem untrüglichen Wort, dem wir fest glauben sollten, und darin den Faden finden, der uns durch die verschlungensten Irrgänge leitet. Deswegen unterstand sich Gideon gegen das Wort des Engels, der zugleich der Herr, der Christus, war: „der Herr ist mit dir,“ die Einwendung zu machen: ist der Herr mit uns, warum ist uns denn solches alles widerfahren? Richt. 6., und fand in den Ereignissen und den Drangsalen des Volks, eine Widerlegung des Wortes des Herrn, statt sein eigenes Urteil nach demselben zu berichtigen. So rasch und entscheidend verfährt noch manche Seele in ihrem Urteil, und denkt: unmöglich kann der Herr dir wohlwollen, sonst würde dieses und jenes ganz anders sein, da sie doch ihre Gründe nur aus eigenen Gedanken, nicht aus dem göttlichen Worte herleitet, oder wie ein unhaltbares Blatt von jeglichem Winde umgetrieben wird, eben, weil sie keinen Halt am Worte hat. – In welch eine Menge eitler, gehaltloser Gedanken verwickelte sich Assaph im 73. Psalm durch sein vernünftelndes Nachsinnen über seine äußeren, unangenehmen Verhältnisse, die er mit der glänzenden Lage gottloser Weltleute vergleicht. Er verirrt sich so weit vom Wege, dass er im 13. Verse gerade heraus sagt: umsonst habe ich mein Herz gereinigt und meine Hände in Unschuld gewaschen – eine Äußerung, die sehr deutlich beweist, wie schlecht ihm sein Waschen und Reinigen gelungen, eine Äußerung, die einen Haufen von Irrtümern und Sünden in sich fasst. – Konnte der liebe Mann in so seichten Wassern keinen Boden finden, so dass er beinahe das ganze Geschlecht der Frommen, als Narren verurteilt hätte – was würde aus ihm geworden sein, hätte er Wege gehen müssen, wie Hiob, oder sein Freund Heman? Ach, wir sind ohnehin so voll jämmerlichen Misstrauens und Argwohns gegen den so vertrauenswürdigen Gott. Ereignet sich das Geringste, das dieses zu rechtfertigen scheint: so ist des Argdenkens kein Ende. Heißt es nicht: sollte Gott gesagt haben, so heißt es doch: sollte er’s halten? Heißt es nicht: kann er’s, so heißt es doch, will er’s tun? Zweifelt man nicht an anderen, so tut man‘s umso mehr an sich selbst, und es wird uns weit leichter, ihm, aller Versicherungen vom Gegenteil ungeachtet, schlimme, als gute Gesinnungen gegen uns zuzuschreiben. Das ist ein großer Teil und eine reiche Quelle unseres Elends. Und wann findet dies angeborene Misstrauen mehr Nahrung, als wenn die Seele im Finsteren wandelt?

Aber auch hier haben die Gläubigen keineswegs bloß mit Fleisch und Blut zu streiten, wiewohl schon dieser Streit allein ihre natürlichen Kräfte übersteigt; sondern die listige Anläufe des Teufels und die geistliche Bosheiten unter dem Himmel, kommen nach Ephes. 6. noch hinzu. Was ist stärker, als ein Löwe, was ist fürchterlicher, als ein brüllender Löwe, und so geht er umher, suchend, ob er hie oder da einen erhasche und verschlinge. Muss derjenige, der den Herrn fürchtet, im Finsteren wandeln, ohne Licht, steigen jetzt ohnehin dichte Nebelwolken von allerlei Zweifeln und argwöhnischen Gedanken, Anklagen, Verurteilungen auf: so ersehen sich die bösen Geister dies als den geeignetsten Zeitpunkt, die arme trostlose Seele nun vollends zu Grunde zu richten, und selbst den letzten Funken der Hoffnung auszulöschen, und das Leben zu Boden zu treten, wie David Ps. 143 sagt und klagt. Gleichwie der Satan einst damit begann, den unschuldigen Menschen Misstrauen gegen Gott einzuflößen: so ist er noch immer besonders darauf bedacht, die Heiligen, mit Zweifeln zu quälen, ob Gott wohl ihr Gott sei – und dies so weit zu treiben, als er nur immer kann, so dass er selbst den Grund des göttlichen Wortes zu erschüttern sucht, und bis zum Dasein Gottes selbst hinaufsteigt. Alle seine sonstige Versuchungen zur Sünde sind gleichsam nur das Anlegen der Mine und das Füllen derselben mit Schießpulver, um zu seiner Zeit alles in die Luft zu sprengen. So versuchte er Petrum, seinen Meister zu verleugnen. Aber dabei wollte er’s nicht bewenden lassen, sondern sein Hauptaugenmerk war auf seinen Glauben gerichtet, und er hoffte, den armen Apostel durch seine schwere Sünde in Verzweiflung zu stürzen. Dies sah Jesus voraus, und verhütete es durch seine Fürbitte, dass sein Glaube nicht aufhören möchte. Auch bei Christo selbst, machte er sich namentlich an den Glauben. Denn Er ist allenthalben versucht worden, gleich wie wir. Nachdem Er bei seiner Taufe seiner göttlichen Sohnschaft auf die nachdrücklichste Weise versichert worden war, kommt der Satan, und sucht ihm dies empfangene Zeugnis zweifelhaft zu machen, ob es nicht wohl leere Täuschung sei, und rät ihm, in dieser seiner großen Not, da er Hunger leide, eine, durch die dringenden Umstände gerechtfertigte Probe davon zu nehmen, ob er Gottes Sohn sei oder nicht, und dies dadurch zu tun, dass er diesen Steinen befehle, Brot zu werden, welches Jesus nicht hätte tun können, ohne aus dem Glauben zu fallen, welches eben des Satans Absicht war. – Er ist vorzugsweise ein Feind des Glaubens, welcher ja die Wurzel des ganzen geistlichen Lebens ist. Der Glaube ist der Schild, womit die feurigen Pfeile des Bösewichts ausgelöscht werden, sollte er denselben der Seele nicht zu entwinden suchen? Durch den Glauben geschieht ihm der Widerstand, welcher ihn zur Flucht nötigt. Gleichwie der Glaube vorzugsweise Gottes Werk genannt wird: so ist die Verzweiflung die Vollendung der Werke des Satans. Wohl hatte deshalb Paulus Ursache, besondere Boten an die Thessalonicher zu senden, um zu erfahren ihren Glauben, ob sie nicht vielleicht der Versucher hätte, 1. Thess. 3,5. Er widersetzt sich allen Wirkungen des Heiligen Geistes und sucht sowohl seinen Trost als die Erquickung, welche die Seele aus der Wahrnehmung seiner Wirkungen und Früchte schöpft, besonders dadurch zu hintertreiben, dass er alles, was in ihnen vorgeht, für Schein und Einbildung ausschreit, und ihnen allen Anteil an Gott zweifelhaft macht. – Wir sind Finsternis von Natur, und er ist der Fürst derselben. Was für Aufregungen muss es geben, wenn er Erlaubnis erhält, sich dahinter herzumachen. Wie ging's Paulo, als des Satans Engel Macht bekam, ihm mit Fäusten ins Angesicht zu schlagen! Wie winselt, wie betet er! Wie gings vollends dem Hiob, als Gott zum Satan sprach: er sei in deiner Hand, nur schone seines Lebens! Wie er seinen Leib mit bösen Geschwüren, so schlug er seine Seele mit Angst und Schrecken, wie wir mit Entsetzen in dem Buche lesen, das von ihm handelt. –

Lasst uns jetzt noch einige Anmerkungen darüber machen, in welchen Fällen der Herr einige von denen, die ihn fürchten, und der Stimme seines Knechts gehorchen, in solche betrübte Umstände kommen lässt dass sie im Finsteren wandeln, und es ihnen nicht scheint? Zuvörderst macht er’s, wie er will, beide mit den Kräften im Himmel und denen, so auf Erden wohnen. Ein merkwürdiges Exempel hiervon ist Hiob, dem Gott selbst das allervortrefflichste Zeugnis gibt, das seines Gleichen im Lande nicht sei, und selber sagt: er habe ihn ohne Ursache verdorben. Hiob hatte zu einer solchen Behandlung keinen Anlass gegeben. Aber Gott wollte dadurch verherrlicht werden, dass er diesen ausnehmenden Diener Gottes gegen den Satan ins Feld stellte, um mit ihm zu streiten, und ihn zu Schanden zu machen. – Auch kann der Herr jemand also üben, um ihn weise, verständig, stark zu machen. – Anfechtung war, nebst Gebet und Betrachtung, die Lehrmeisterin Luthers, und er pflegte wohl zu sagen: das haben mich meine Anfechtungen gelehrt. Wäre er nicht in seinem Kloster, durch solche Angst geübt, und ihm alle seine Gerechtigkeit und Kraft zerstört worden: er hätte nie den Verstand am Evangelio von der freien Gnade erlangt, den wir an ihm bewundern. Der Verfasser des 88. Psalms war von Jugend auf in dieser Schule der Anfechtung, und bekam solche schwere Aufgaben, das er fast seinen Verstand verlor. Es war aber auch einer von den Vieren, welche Salomo an Weisheit am nächsten kamen, und der Schauer Davids, in den Worten Gottes seine Macht zu erhöhen. 1 Chron. 26,5. – Schwere Anfechtungen pflegen auch manchmal aus ausnehmende Tröstungen zu folgen. Nachdem Paulus in den dritten Himmel entzückt worden war, bekam er Faustschläge vom Satan, und Christus selbst musste vom Jordan in die Wüste. Zuweilen gehen sie ihnen auch vor her. Wie wir der Trübsal in Christo viel haben, so werden wir auch reichlich getröstet. Gott geht überhaupt nicht mit allen den nämlichen Weg, und macht sich seine Regeln selbst. Manche geraten zur Zeit ihrer Bekehrung, oder bald nachher in große Finsternis, Angst und Not. Ihre Sonne geht gleichsam verfinstert auf, und bleibt es lange. Heman sagt, von Jugend auf sei er im Elend gewesen, und wir finden nicht, dass er je seine Straße habe mit Freuden ziehen können, wie dort der Kämmerer von Stund an. Andere dagegen genießen, bald nach ihrer Bekehrung, einen ganz ausnehmenden Trost, eine außerordentliche Freudigkeit, und hernach wohl nie, wenigstens nicht in dem Maße wieder, oder werden darauf von einer langwierigen und großen Dürre und Trostlosigkeit überfallen. Einige wahre Kinder Gottes erfahren weder von dem Einen noch von dem Andern etwas sonderliches. Ihr Weg geht längs sanft hinfließenden Wassern – und sie gleichen ihnen selber – Nathanael Seelen, ohne Falsch. – Einigen verbirgt sich der Herr, und legt sie in Finsternis und Dunkel, weil und nachdem sie eine Sünde begangen haben, welche – vergleichsweise – nicht einmal sonderlich bedeutend ist, und stäupt sie dafür mit unbarmherziger Staupe, stößt sie weg von sich, als hätte er seine Barmherzigkeit vor großem Zorn verschlossen, und wollte fortan keine Gnade mehr erweisen. Fast, wie Esau, suchen sie vergebens Raum zur Buße mit Tränen. Einige werden nie ausnehmender getröstet, als nach einem erkannten und bereuten Fehltritt, wie Petrus. Und so gibt’s der regellosen Fälle noch weit mehrere, und ihre Zahl kann umso größer sein, da die Tröstungen nicht zum Wesen des Christentums hiernieden gehören, sondern nur seinen Wohlstand ausmachen, also da sein und auch mangeln können. Daher kann ein hochbegnadigter Paulus als ein Fluch, Fegopfer und Geringster dastehen, während die mangelhaften Korinther herrschen wie Könige. Jedoch pflegt diese Finsternis ein Kind Gottes zu überfallen, wenn es in irgend eine grobe Sünde fällt, und sich selbst dadurch gleichsam ein Bein verreckt und Andern zum Anstoß wird, wenn es gar im Ganzen einen trägen, weltförmigen, irdischen und leichtsinnigen Lebenswandel führt, wenn es sich sogar leichtfertig darüber hinwegmacht, sich nicht will zurechtweisen, bestrafen lassen – dann fährt Gott am Ende desto schärfer zu, und handelt dem gemäß, was er im 50. Psalm sagt: das tust du und ich schweige, aber ich will dich strafen, und will dir’s unter die Augen stellen. Er kann unartige Seelen, die sich nicht wollen sagen lassen, in einen innerlichen Bann tun, wo sie weder Licht noch Trost, weder Kraft noch Mut behalten, er kann sie schelten und schlagen und mit ihnen zürnen, als wolle er in Ewigkeit nichts mehr von ihnen wissen, er kann sie an den Satan übergeben, und sie in einen finsteren Kerker werfen, und ihnen noch obendrein sagen lassen: es ist deiner Bosheit Schuld, dass du so gestäupt wirst, und du sollst es erfahren, was für Herzeleid es bringt, wider den Herrn, seinen Gott zu sündigen, und was es sei, wenn er die Hand abzieht. Dann findet sich’s schon von selbst, dass man fleißig wird, um Buße zu tun. – Finsternis pflegt ein Kind Gottes zu überfallen, wegen fleischlichen Vertrauens, wie geistlich es auch scheinen mag. Geraten wir auf die Gedanken, unser Trost und unsere Gnadengabe sei so fest in uns gewurzelt, und wir hätten sie gleichsam so von dem Herrn weg und in Besitz bekommen, dass wir nun selbst damit schalten könnten, und Gott wegen der Unterhaltung, Vermehrung und Übung derselben vorbeigehen; dann entzieht er gemeiniglich dieses Licht, damit wir lernen, uns zu der eigentlichen Quelle zu halten, und uns nichts als das Unsrige anzumaßen. War Petri Vertrauen auf die Kraft seiner Anhänglichkeit an Jesum die Ursache, warum Jesus ihn an die Macht der Sünde übergab, so kann auch ein ungedemütigtes Vertrauen auf die Kraft der Gnade, ein Anlass sein, dass Gott uns übergibt an die Schuld der Sünde und die Schrecken derselben. Sei nirgend stolz, erhebe dich nicht, sondern sei demütig und halte dich herunter zu den Niedrigen, damit dich Gott nicht also zurichte, dass du eher ein Wurm seist, als ein Mensch. Betrübe den heiligen Geist nicht, dämpfe ihn nicht, er wird dich anders wieder dämpfen und betrüben. Ihn lass deine Furcht und Schrecken sein, auch ehe du zu Harada einquartiert wirst. –

Nun zum Schluss noch einige Bemerkungen über die Zwecke und Absichten, warum Gott einige seiner Kinder in solche betrübte Umstände kommen lässt. Sie sind ein kräftiges Mittel, den Menschen zu demütigen. In dieser Schule wird man klein, wie Petrus davon einen Beweis liefert, da vergeht aller eigene Ruhm. Man darf sich keiner natürlichen, noch geistlichen Gaben rühmen, sondern gleich einem leeren Gefäß, in welches alles gelegt werden muss, ist wie ein zerbrochenes Gefäß, das sich selbst nicht an einander halten kann. Da vergeht alles Selbstvertrauen und alle Hilfe stehet da und ist zusammengefasst in dem Namen des Herrn, der Himmel und Erde geschaffen hat. Man sieht sich genötigt, lediglich auf Gott und zwar auf einen Gott zu hoffen, welcher die Toten lebendig, welcher die Gottlosen gerecht macht, und der dem ruft, das nicht ist, dass es sei. Man verliert sein eigenes Leben, damit Christus unser Leben und Alles sei. Ja, in dieser teuren Schule, wo man sein Alles zum Schulgeld darlegen muss, wird man für alles verdorben, was nicht die lautere Milch des Evangelii ist. Gott wird allein weise, allein groß, allein heilig, er wird es gar und allein. Und ist das nicht ein wichtiger, ist das nicht der letzte und höchste Zweck Gottes? – Ferner. Diese innere Leiden beabsichtigen eine Gleichförmigkeit zwischen der Seele und Christo. Gibt es ein Leiden um Christi willen: so gibt es auch ein Leiden Christi, und nicht selten macht Er die Seinigen beider teilhaftig – von außen Streit, von Innen Furcht, wovon auch Christi Seele überfallen wurde, weswegen von ihm gesagt wird, er sei von der Furcht erhört worden, Hebr. 5,7. Seine Seele war betrübt bis in den Tod, und was für ein Angstgeschrei erhub er am Kreuz! Hat nun Christus äußerlich und innerlich gelitten, so werden auch einige berufen, sich mit der nämlichen Taufe taufen lassen, und aus demselben Kelch trinken zu müssen. Die Ehre ist groß. So lernt man auch in etwa verstehen, was Christus für uns gelitten hat, und wir sollen mit zur Herrlichkeit erhoben werden, so wir anders mitleiden. Letzteres ist ein Unterpfand des ersteren, und die Herrlichkeit wird so viel größer sein, je tiefere Leiden ihr vorhergingen. Getrost denn! – Du sollst auch den großen Unterschied zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen der Wüste und Kanaan, zwischen Erde und Himmel machen, und dich schicken lernen. Du begehrst große Dinge, begehre sie nicht. Du wohnst aus von dem Herrn und in der Fremde. 2. Kor. 5,7. Du musst seine Gegenwart entbehren. Obschon er nach der Wahrheit bei uns ist alle Tage, bis an der Welt Ende, so ist er’s doch nicht immer nach dem Genuss, sondern im Glauben. Hier ist die Zeit noch nicht, satt zu werden von seiner Gestalt – und ihn von Angesicht zu sehen. Erleide hier die verdunkelnden Wolken, dort sind keine mehr. Erleide die Abwechselung von Tag und Nacht, denn es dauert nicht lange, so ist keine Nacht mehr! – Dies widerfährt dir, dich in dem geduldigen Warten zu üben. Denn Geduld ist auch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfangt, und ob er verzeucht, so harre sein, denn er wird gewisslich kommen und nicht verziehen. Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Habt ihr denn nicht gehört von der Geduld Hiobs, ja, wer hat größere Geduld bewiesen, als der Herr selbst? Heißt nicht Gott selbst, ein Gott der Geduld, und wie ist die Kirche von jeher im Harren geübt worden! Welch ein langer Zeitraum verfloss, von dem Ausruf unserer Mutter Eva: „ich habe den Mann, den Herrn!“ bis zu der Botschaft der Engel: euch ist heute der Heiland geboren. Was geschah in diesem 40 Jahrhunderte langen Zeitraum nicht alles, was das Ziel nicht näher zu rücken, sondern ganz zu verkehren schien! Und du wollest dich nicht zur Geduld anschicken, und dich so verhalten, als ob die vielfachen Aufforderungen zum Harren nicht auch für dich daständen? Das wird dir nicht gelingen. Das Haupt sollte unter der Geißel bluten, und du wolltest ein Glied an demselben sein, und ganz verschont bleiben? -

Diese Wege lehren uns, einen ungemein hohen Wert auf Gott, seinen Beistand, Gnade und Trost zu setzen. Es geht im Natürlichen so, dass Entbehrungen erst auf den Wert der Dinge aufmerksam machen, die man außerdem wenig beachtet. Die Gesundheit, ein schmerzloser Zustand, wird von denen nicht hoch angeschlagen, die ihn fortwährend genießen, sondern die schätzen ihn hoch, welche ihn entbehren. Eine satte Seele zertritt wohl Honigseim, aber einer hungrigen Seele, ist auch das Bittere süß, sagt Salomo. Und so findets sich auch im Gnadenreich. O wie schätzbar werden Brosamen, die von des Herrn Tisch fallen, solchen Seelen, die sich zu den Hündlein rechnen müssen. Es kann Jemand wohl so arm sein, dass er einen Pfennig mit Danksagung empfängt, und so elend, dass schon ein Schimmer der Hoffnung erquickt. Gott will, wir sollen jedes Gnadenbröcklein gar hoch, und uns dessen für ganz unwürdig achten, und dies lernen wir auf ungemächlichen Wegen. Er kann uns in den Kot tunken, uns eine Zeitlang allein lassen, dass wir inne werden müssen, was wir sind, können, wissen, haben, und so klein werden, wie ein Wurm. – Da lernen wir aus der Tiefe der Not zu Gott schreien. –

Und die Leidenswege sind auch rechte Schulen und Übungen des Gebets. Es ist wahr, in den dunklen Wegen scheint auch der Geist des Gebets von der armen Seele gewichen zu sein; aber es scheint nur so. Mag die gepresste Seele auch nur selten in einem ausführlichen Flehen Luft schöpfen, und ihr Anliegen vor Gott kund werden lassen können, so dass es ihr nach dem Ausdrucke Davids ist, wie ein Mord in den Beinen, so sind der unaussprechlichen Seufzer desto mehr. Obschon Moses am roten Meer kein Wort sprach, sagte doch der Herr zu ihm: was schreist du zu mir? Wie einem Mutterherzen jeder Blick, ja jeder schwere Atemzug, eine vernehmliche Rede ist, so dem, der sich auch über ein Mutterherz erhebt, jedes Stöhnen bedrängter Seelen. –

Wie mitleidig werden auch diejenigen, mit anderer Seelen Bedrängnissen, welche selbst in diesem Mörser zerstampft worden sind, wie ja unser Herr selbst eben durch seine Leiden zu einem mitleidigen Hohenpriester geworden ist, welcher Mitleiden haben kann mit unserer Schwachheit. Eben darum waren Hiobs Freunde so hart, weil sie nie in Leiden gewesen. Gesunde wissen nicht, wie Kranken, und wer nie gedarbt hat, wie armen Leuten zu Mut ist. Gott will aber, dass wir auch herzliches Erbarmen anziehen sollen, und lehrt es durch eigene Erfahrung. –

Endlich bemerken wir noch, dass sich der Herr durch diese Bande, Schlachtung und Flammen ein desto schöneres und vollständigeres Lobopfer bereitet. Sieht er das Elend seiner Magd, seines Knechts an, wie er bei Maria tat: so erhebt ihre Seele den Herrn auf eine sonderliche Weise. Der Weihrauch muss erst auf der Glut zerschmelzen, dann dampft er wohlriechend empor. Nie ist der Dank inniger, nie ehrfurchtsvoller, heiliger und seliger, als wenn er aus einem ganz zerknirschten und zerbrochenen Herzen, das nun wieder von dem Herrn getröstet wird, hinaufwallt. Das ist dann ein überflüssiger Lohn. Und endlich werden die, welche aus großen Trübsalen kommen, erfahren, dass ihre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. –

So seid denn geduldig, liebe Brüder, und weint das euch bestimmte Maß voll. Wer ist unter euch, der den Herrn fürchtet und der Stimme seines Knechts gehorcht, der im Finsteren wandelt, und scheint ihm nicht, der lasse sich dadurch nicht abschrecken, sondern vielmehr anspornen, zu hoffen auf den Namen des Herrn und sich zu verlassen auf seinen Gott. Das ist nichts Geringes, sondern etwas Großes, das alle Kräfte der Natur übersteigt. Aber auch in dieser Finsternis wohnt der Herr, und ist nahe, obschon er fern zu sein scheint. Wie finster sich auch alles gestaltet: so ist’s doch gar nicht nötig, oder rätlich, dass ihr euch dem Unglauben überlasst. Kämpft vielmehr dagegen aus aller Macht. Sagt mit Hiob: wenn er mich töten wollte, sollte ich nicht auf ihn hoffen? Entschließt euch mit Assaph und sprecht: dennoch bleibe ich stets an dir, und glaubt mit Abraham auf Hoffnung, wo nichts zu hoffen ist. Der Gott, der euch ins Finstere gelegt hat, wird zur rechten Zeit einen hellen Schein in eure Herzen geben und über die, so im Dunklen wohnen, wird es helle scheinen. Lass denn leuchten dein Angesicht, so genesen wir. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/krummacher_g.d/predigt_36.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain