Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Bamoth Pisga)
Neunundsechzigste Predigt.
Eingang.
Unter den Namen, welche Christo Jesaia 9 gegeben werden, steht bedeutungsvoll der Name Wunderbar voran, und wirklich ist er wunderbar als Rat, wunderbar als Kraft, wunderbar in der Rechtfertigung wie in der Heiligung. Wunderbar nennen wir das, was wir nicht wohl fassen und begreifen, nicht einsehen können, wie es ist und wirkt, und warum es so ist und wirkt. Durch diesen Namen werden wir auch angewiesen, Jesum als wunderbar anzuerkennen und anzunehmen, als einen solchen, der über unseren Begriff ist und wirkt, sonst würden wir uns zuweilen nicht in ihn finden noch uns ihm getrost anvertrauen können.
Wir beschäftigen uns noch immer in unseren Frühpredigten mit Betrachtung der wunderbaren und lehrreichen Führung der Kinder Israel durch die Wüste nach Kanaan. Aber wie manche Belege wunderbarer Führung finden wir auch in der Lebensgeschichte Jesu. Um aus vielen nur einen Beweis anzuführen - wie wunderbar gestaltet sich sein Verhalten in der Geschichte jener beiden Schifffahrten.
Doch wir wenden uns zu unseren gewohnten Betrachtungen. Mit der gegenwärtigen schließt sich die Betrachtung der sieben Lager-Stätten, derer in dem Reiseprotokoll nicht erwähnt und wovon uns nichts als der Name bekannt wird. Von nun an reiht sich Begebenheit an Begebenheit. Das „hebe an einzunehmen und zu streiten“ beginnt. Wir rücken dem Jordan näher und zugleich dem geheimnisvollen Tun und Treiben Bileams mit zögerndem Fuß. Herr sei uns mit Gnade und Friede zugekehrt.
Text: 4. Buch Mosis 21, 19. 20.
Und von Bamoth in das Tal, das im Felde Moabs liegt, zu dem hohen Berge Pisga, der gegen die Wüste sieht.
Dies sind die beiden letzten Lager-Stätten, welche außer der eigentlichen Reihenfolge liegen. Die eine dieser Lager-Stätten heißt Bamoth, die andere Hagi, zu Deutsch: von der Höhe ins Tal. Beide reimen sich sehr wohl zu einander. Es geht auch von der Höhe ins Tal, und vom Tal in die Höhe. Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.
Lasst uns diese beiden Lager-Stätten ein wenig näher betrachten. Die eine Lager-Stätte heißt Bamoth. Dieser Name kann erstlich die Übersetzung leiden: Der Tod kommt. Diese drei Wörter besagen eine gewisse Wahrheit, eine schreckende und eine tröstende Wahrheit, eine wichtige und beherzigungswerte Wahrheit. Ba-Moth - der Tod kommt - was steht uns gewisser bevor, als dass er auch uns kommt. Nur die Zeit, wann, und die Art und Weise, wie er kommt, ist uns unbekannt, wie bekannt es uns auch ist, dass allen Menschen gesetzt sei, einmal zu sterben, danach das Gericht. Die meisten Todesfälle ereignen sich im zarten Kindesalter, und die größte Zahl verlässt diese Welt schon wieder, noch ehe sie sich dessen bewusst geworden sind, dass sie dieselbe betreten haben. Mit steigenden Fahren werden die Sterbefälle weniger zahlreich, weil der Tod wenige Opfer lange spart, und ein langes Leven ist nur eine lange Erwartung des Todes. Er verfährt wild und oft mitleidlos und grausam. Dürfte und könnte man ihn regeln, so würde man ihm häufig ganz andere Opfer anweisen, als die er wirklich wegrafft, denn er verfährt nicht nach Regeln. Hier geht er vorbei, um dort hereinzubrechen, und vermehrt dadurch nur das Elend der Erde. Er erscheint überhaupt nur als eine Strafe, und wer ihn mit der Güte Gottes durch die Vernunft zu reimen versuchte, würde sich vergeblich mit der Auflösung eines zu schwierigen Rätsels mühen und sich wohl genötigt sehen, zu bekennen: entweder ist Gott so gütig nicht, wie einige ihn schildern, oder er hätte wenn er allmächtig ist eine andere Einrichtung mit dem Sterben treffen sollen. Warum schleppt denn dieser seine nutzlose Existenz zu seiner und andrer Plage wohl gar noch verstandlos von einem Jahre ins andere, und jenes teure, wichtige Leben erlöscht früh und unzeitig? Sage es, bist du klug. Sein Kommen ist mehrenteils in seiner Weise schreckhaft und mühselig, und seine Vorbereitung härter, als er selbst; sein Zögern ist einer verlängerten Marter gleich. Dagegen schreitet er zuweilen plötzlich ein, ohne sein Kommen anzukündigen und mehrt dadurch seine Schrecknisse. Zuweilen wappnet er sich mit schrecklichen Seuchen wo es in vielen Gegenden geheißen hat, oder noch heißt: Bamoth; und wenn auch das nicht in unseren Tagen, so kommt er doch und kommt gewiss.
Bamoth, der Tod kommt. Das ist eine schreckliche und tröstliche Wahrheit. Lasst uns beides mit einander verbinden und bekennen: es ist schrecklich aber auch tröstlich. Mag auch die Natur an sich wider ihre Auflösung sträuben und mit Paulo lieber über- als entkleidet werden: so können sich doch Umstände einstellen, welche die Herannahung des Todes, als des Endes unleidlicher Mühseligkeiten, angenehm machen, dass aus dem Bamoth ein Wunsch wird: ach, käme er!
Jedoch muss man ein wahrer Christ sein, wenn das Bamoth nicht schreckhaft, sondern erfreulich sein soll, ja, man muss dabei im Lichte stehen, ein gutes Gewissen und völlig Glauben haben. Wie schrecklich ist das Bamoth für den, der kein wahrer Christ, der nicht aus dem Himmel, sondern von der Erde ist, und umso schreckhafter, je angenehmer die Verhältnisse sind, unter welche er durch die Geduld Gottes hienieden lebt. Aus allen seinen Verbindungen herausgerissen, wider seinen Willen in eine Welt hinein geschleudert zu werden, die man nicht kennt, nicht begehrt, wo man keinen Freund, kein Gut hat, noch weiß wie widerwärtig! Ja, alsdann vor ein strenges Gericht gestellt, zur Rechenschaft gezogen zu werden über alle Werke, Worte, ja Gedanken - ohne eine vor Gott gültige Gerechtigkeit zu besitzen, ja, alsdann verdammt und in die Hölle verwiesen zu werden was mag erschrecklicher sein! Was kann aber auch herrlicher sein, als das als ein wahrer Christ zu sterben. Eigentlich stirbt der nicht, der an Christum glaubt, und dieser Glaube, welcher gerecht macht und wodurch das Herz gereinigt wird, ist auch kräftig genug, die Seele von aller Todesfurcht zu erlösen und sie mit Lust zu erfüllen, abzuschneiden, um bei Christo zu sein. Ihm ist Sterben lauter Gewinn. Im Tode empfängt der Leib der Sünde und des Todes den letzten Stoß, - dieser Leib, der sie so oft nötigte, auszurufen: ach, ich elender Mensch! Der Satan, samt allen Versuchungen drückt seinen letzten Pfeil ab. Zum letzten Mal ritzt ihn der Dorn der Trübsal. Er stirbt. Aber nun öffnen sich seinen staunenden Augen Jerusalems goldene Tore. Die allerfreundlichste Gesellschaft kommt ihm frohlockend und glückwünschend entgegen, und besonders sieht er nun den, an welchen er, ohne ihn zu sehen, hienieden glaubte. Freude und Wonne ergreifen ihn, um ewig über seinem Haupte zu bleiben. Nun sagt erst recht des Stummen Zunge Lob, und des Lahmen Fuß hüpft wie ein Hirsch, wiewohl ihm dies den Erstlingen nach auch hier nicht unbekannt war, da ihn die Kräfte der zukünftigen Welt oft erquickten. Nun prangt er erst recht in dem Purpur der Gerechtigkeit Christi ohne Widerstand, und beginnt den ewigen Psalm: Das Lamm ist würdig zu nehmen Kraft, und Reichtum, und Weisheit, und Stärke, und Ehre, und Preis, und Lob. O, herrliches Bamoth! Die Juden hatten so unrecht nicht, zu bemerken, dass, wenn man das Wort, was in ihrer Sprache Tod bedeutet, Mot rückwärts lese, so bezeichne es Tom, Vollkommenheit. Ba moth. Das ist ein Wort, das eine wichtige und beherzigenswerte Wahrheit besagt. Ist es denn nicht anders, kommt der Tod, wohlan, so lasst uns ihm zu entrinnen suchen, oder uns mit ihm befreunden. Der Tod ist kein Übel, dem man nicht entgehen kann, möchte man es machen, wie man wollte, und gehört nicht zu denjenigen Feinden, deren Anfälle uns nicht großen Nutzen verschaffen könnten. Er kann uns eine Arznei werden, welche, wenn sie auch einen bitteren Geschmack hat, doch die Krankheit hebt. Es ist nicht ganz wahr, wenn wir singen: Vorm Tod kein Kraut gewachsen ist; denn auf dem Hügel Golgatha ist allerdings ein zuverlässiges Kraut dagegen gewachsen. Lasst uns das genießen. Lasst uns an Jesum Christum gläubig werden, denn alsdann werden wir nimmermehr sterben, und wenn es sich auch so ansähe, so ist doch der Tod in der Gemeinschaft Christi anders nichts, als eine Absterbung der Sünden und Eingang zum ewigen Leben. Und ist er dennoch ein Feind: so ist's doch der letzte, und wird aufgehoben. Ja, wenn wir dem Fürsten des Lebens die rechte ihm gebührende Ehre geben wollen: so müssen wir im Glauben bekennen, dass keine Sünde noch Ted mehr sei, sondern lauter Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünde, Auferstehung des Fleisches und ewiges Leben.
Bamoth heißt aber eigentlich Höhen in der Mehrzahl, und Bamah die Höhe in der einfachen Zahl. Höhen heißen besonders die Orte, wo der Götzen-Dienst getrieben wurde, welches eben auf baumbepflanzten Höhen geschah. Der Prophet Ezechiel spielt Kap. 20, 29 gleichsam auf eine versteckte Weise mit diesem Worte, indem ers umkehrt und zwei Wörter daraus macht: Ma-Ba; das heißt: wer kommt da zu euch? Gott erwählte sich unter dem Volk Israel einen bestimmten Ort, erst Silo und nachgehends Jerusalem, wo er allein verehrt sein wollte. Von diesem Ort, den Gott sich bestimmt hatte, heißt es denn unter anderen 2. Mos. 29, 44: Ich will mich daselbst einfinden bei den Kindern Israel, und geheiligt werden in meiner Heiligkeit und will unter den Kindern Israel wohnen, und ihr Gott sein, dass sie wissen sollen, Ich sei der Herr, ihr Gott; und 3. Mos. 26, 11. Ich will meine Wohnung unter euch haben, und meine Seele soll euch nicht verwerfen, und will unter euch wandeln und euer Gott sein, so sollt ihr mein Volk sein, und sollt daselbst essen und fröhlich sein vor dem Herrn euerm Gott, ihr und eure Söhne; denn der Herr wird euch Ruhe geben vor allen euren Feinden, und werdet sicher wohnen. Also durften sie im Tempel, als dem Vorbilde - wie wir in Christo als dem Urbild und Wesen die beseligende Mitteilung des Herrn erwarten, genossen sie daselbst auch oft sehr reichlich; weshalb Gläubige sich auch oft so nach dem Tempel sehnten. Nun fragt der Prophet Mah-Ba, wer kommt denn Bamah auf euren Höhen, bei eurem falschen Gottesdienst zu Euch? Ihr kommt und geht leer aus, was wenigstens euren Geist betrifft, mag da auch eine Befriedigung fleischlicher Lüste anzutreffen sein. Ich komme nicht dahin. Mich genießt ihr daselbst nicht, schmecket und seht nicht, wie freundlich ich bin. Von wie vielen Dingen mag man nicht fragen: Mah-Bawer kommt da zu euch? Ihr sagt, das, was ihr vornehmt, sei nicht sündlich, sei erlaubt; - Aber wer kommt da zu euch? Gott und seine Engel, euch zu segnen, oder Teufel und Menschen, euch zu versuchen? Wirklich! in der Umkehr der beiden Silben des Bamah wodurch es - Mah-Ba klingt, liegt eine wichtige Erinnerung. Wer kommt? Das Ende kommt, der Tod kommt, der Teufel kommt und hat einen großen Grimm, der letzte Tag, das Gericht kommt, der Herr kommt, und wer weiß, was dir und mir kommt! Wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen, und Fleiß tun, dass ihr unbefleckt und unsträflich vor ihm erfunden werdet in Frieden. 2. Pet. 3, 11. O! bewegt euch in solchen Schranken, wo ihr auf die Frage: wer kommt da? antworten dürft: Der Herr mit seiner Gnade.
Bamah heißt Höhe. Es gibt gefährliche, es gibt auch herrliche Höhen. Gefährlich sind die Höhen, worauf das Selbstvertrauen und der Satan leitet, und wo man eingebildet und stolz wird, und so dem Falle nahe ist. Von Natur steht der Mensch auf der gefährlichen Höhe, von welcher er herunter muss, wenn's gut mit ihm gehen soll. Denn nur derjenige wird erhöht, der sich selbst erniedrigt. Er hält sich für weise, und ist darum keiner Belehrung fähig; rühmt sich eines guten Herzens, und glaubt darum keiner Versöhnung zu bedürfen; er hält sich für stark und rechtschaffen, und glaubt deswegen nicht an Jesum und so geht er zu Grunde und geht verloren. Es gibt gefährliche geistliche Höhen, worauf teils manche Scheinchristen stehen, und wozu manche wahre Christen versucht werden. Jene mag uns Paulus schildern, wenn er Römer 2 sagt: siehe zu du verlässt dich aufs Gesetz, und rühmst dich Gottes, und weißt seinen Willen; und weil du aus dem Gesetz unterrichtet bist, prüfst du, was das Beste zu tun sei. Du vermisst dich, zu sein ein Leiter der Blinden, ein Licht derer, die in Finsternis sind, ein Züchtiger der Törichten, ein Lehrer der Einfältigen, und hast die Form, was zu wissen und recht ist im Gesetz. Du lehrst Andere und lehrst dich selbst nicht, dir graut vor den Götzen und raubst Gott, was sein ist. Diese danken Gott, dass sie nicht sind wie andere Leute, halten sich selbst für fromm, und verachten andere, sehen den Splitter in ihres Bruders Auge, und werden den Balken in ihrem eigenen nicht gewahr.
Aber auch wahre Christen können auf geistliche Höhen verlockt werden, dass sich ähnliche Dinge bei ihnen zeigen. Auf solcher Höhe befand sich David, als er zur Zeit, da es ihm wohlging, sagte: nimmer werde ich darniederliegen; und Petrus, da er seine Kraft und seine Liebe zu Jesu für groß genug achtete, mit ihm in den Tod zu gehen. Paulus geriet über seiner Entzückung in die Gefahr, auf eine geistliche Höhe zu geraten, und wir sehen, dass die Jünger sich zuweilen gar darüber zankten, wer unter ihnen der Größte sei, und hören Jesum sagen, der Kleinste sei eben wie der Größte, und sie sollten umkehren und werden wie die Kinder. Es ist eine Versuchung, die uns leichtlich umringt, wie gefährlich sie auch ist, uns auch dessen, was wir doch empfangen haben, zu rühmen, als hätten wir es nicht empfangen, unsere Einsichten, Erfahrungen zur Schau zu stellen; nicht damit der Herr, sondern wir selbst und unser Christentum hochgehalten werden, welches etwas Teuflisches ist, das uns in seinen Abfall verwickeln würde, wenn es der Herr nicht hinderte. Wohl haben wir auch in dieser Beziehung die sechste Bitte nötig: Führe uns nicht in Versuchung. Ganz etwas anders aber ist es, wenn David Ps. 18, 34 sagt: Gott rüstet mich mit Kraft und stellt mich auf meine Höhe, und wie Gott selbst 5. Mos. 32, 13 von Israel sagt: Er ließ ihn über die Höhen der Erde herfahren, oder wie es Jes. 58, 14 verheißen wird: Du wirst deine Lust am Herrn haben, und will dich über die Höhen auf Erden schweben lassen, und will dich speisen mit dem Erbe deines Vaters Jakob. Auf einer solchen herrlichen Höhe befanden sich dem Leibe und dem Geiste nach die Jünger, als sie mit Jesu auf dem Berge waren, befand sich Paulus, als er das 8. Kapitel seines Römerbriefs schrieb. Da wird sich die Seele recht der festen Gründe des Gnadenbundes und ihres Gnadenstandes bewusst und gewiss, und vermags nachzusagen, was der Apostel spricht: Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen, Gott ist hie, der da gerecht macht, welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Ich vermag Alles.
Die andere Lager-Stätte heißt Hagi. Luther hat das Wort Deutsch gegeben, aber wenn er das Wort übersetzte, warum denn nicht auch das vorhergehende, ja alle? Es ist aber ganz richtig übersetzt. Also heißt es Bamoth Hagi. Von der Höhe ins Tal. Dieses Wort enthält wirklich eine Regel der göttlichen Führung, derselben gemäß gehts von der Höhe ins Tal, nämlich ins Tal der Demut.
Gott ist nichts so sehr zuwider, als das Hochherfahren der Menschenkinder, und nichts so angenehm, als die Demut. Selbst dem Könige Saul ließ der Herr durch Samuel sagen: Da du klein warst in deinen Augen, wurdest du das Haupt Israels; und David rühmt die Treue Gottes besonders in der Beziehung: Dass du mich gedemütigt hast; und Salomo findet darin, wenn jemand stolz wird, ein Zeichen, dass Gott ihn stürzen wolle, so dass es selbst unter dem Volk zu einem Sprichwort geworden ist: Hochmut kommt vor dem Fall. Daher wird auch alles gedemütigt. Kein Mensch entschlüpft der Demütigung, sei er, wer und was er wolle. Denn wie kann ein Mensch tiefer gedemütigt werden, als dadurch, dass er stirbt? Da liegt er wehrlos und muss dran, sei er König oder Sklave, nur mit dem Unterschied, dass der Tod dem das Meiste raubt, der das Meiste hatte, dem König Krone und Reich, dem Sklaven seine Kette. Er macht die Menschen zu weniger als Stein und Klötzen, ja zu dem Ekelhaftesten unter der Sonne, das man weg tut und verscharrt. Zwischen dem Klügsten und Dümmsten, Schönsten und Hässlichsten ist kein Unterschied mehr. Alles ist gleich und Salomo hat wohl Ursache, in seinem Prediger Kap. 3 zu sagen von dem Wesen der Menschen: Gott zeigt darin an, und lässt es ansehen, als wären sie unter sich selbst wie das Vieh. Denn es geht dem Menschen, wie dem Vieh, wie dies stirbt, so stirbt er auch, und hat gleiches Schicksal mit demselben. Ist das nicht eine ungeheure Demütigung für den sonst so wohlgestalteten, so verständigen, so unternehmenden Menschen, der meistens so hoch von sich selbst hält? Ins Tal heißt es da - ins Tal. Die Demütigung geschieht nun teils im Zorn teils in Gnade. Wehe dem, welchen die Erniedrigung im Zorne trifft; der kommt nie wieder auf. Er muss inne werden, dass die Wahrheit Wahrheit ist, ohne je dadurch frei zu werden. Er muss inne werden, dass er auf dem Irrwege, dass er auf dem breiten Wege gewandelt hat, ohne ihm je entkommen zu können; erfahren, dass sein Verstand Torheit, seine Gerechtigkeit unzulänglich, seine Sünden so groß, sein Herz so verdorben, der Zorn Gottes so schrecklich, die Hölle so fürchterlich ist, als das Wort Gottes sagt, ohne dass sein Zustand dadurch im geringsten gebessert würde; da wird denn sein Heulen und Zähneklappern von Ewigkeit zu Ewigkeit. Da wird er schon alles glauben müssen, ohne irgendeinen Vorteil, da er hienieden rief: Hebe dich von uns, wir wollen von deinen Wegen nicht wissen. Das ist schrecklich. Und wie schrecklich ist es, dass so viele auf diesem breiten Wege wandeln. O! dass sie doch bei Zeiten ihre Füße davon zurückzögen und durch die enge Pforte eingingen auf dem schmalen Weg, der zum ewigen Leben führt. Wohl mags aber eine enge, niedrige Pforte heißen, wo man sich klein machen und tief bücken muss, um durchzukommen. Und das wird durch die Demütigung bewirkt, die in und durch Gnade geschieht. Diese Demütigung geschieht im Anfang, sie geschieht im Fortgang. Die Mittel derselben sind teils das Gesetz, teils das Evangelium, teils allerlei Führung. Gleich anfangs, wenn der Mensch aus dem Natur in den Gnadenstand versetzt wird, leitet ihn die Wolken- und Feuersäule nach Hagi- ins Tal. Mehrenteils kommts ihm vor, es gehe mit ihm nicht zum Heil- und Seligwerden, sondern zum Verderben und zur Verdammnis. Es kommt ihm wohl vor, er habe sich, da er gern fromm und selig werden will, zu seinem Untergang auf eine Sache eingelassen, die er nicht werde zu Stande bringen können, einen Turm zu bauen begonnen, dessen Kosten er nicht zu bestreiten wisse, und mit Schande bestehen werde. Er ist unsanft aus seinem Schlaf geweckt. Seine Ruhe ist dahin - wie soll er Friede finden? Wo soll er hin, wer hilft ihm, wer führt ihn zum Leben? Könnte er noch recht weinen, recht beten, recht seine Sünde erkennen, hassen und fliehen aber alles nicht. O! Elend. So schlimm macht es sich dem Schein nach im Anfang, und der Mensch wird klein, und fängt an zu sagen: Ich, ein Wurm und Made. So unangenehm ist der Anfang, wenns ins Tal geht, wo man doch gesegnet werden soll. Aber die Sache der Demütigung ist nicht auf einmal abgemacht. Gott nimmt sich die Zeit dazu. Meint man, der Regen sei vorüber, so finden sich neue Wolken. Jedem ist sein Maß von Tränen zugemessen, und das muss voll geweint sein.
Dazu dient nun teils das Gesetz mit seiner strengen Forderung und Drohung; daraus kommt Erkenntnis des Elends, Angst und Not, Unvermögen und Ratlosigkeit. Dies Gesetz machte aus Paulo diesem selbstgerechten Pharisäer einen so armen Sünder, dass er ausrief: Ach, ich elender Mensch! Auf eine gar liebliche Weise demütigt das Evangelium. Wenn Gott durch dasselbe zu den durch die Erkenntnis ihrer Sünde zerschlagenen Herzen sagt: Ich habe dich lieb Ich habe dich je und je geliebt und dich zu mir gezogen aus lauter Güte; wenn da ein zurückkehrender verlorener Sohn, der nichts als Verweise erwartet, nichts dergleichen hört, sondern sieht, wie ihm sein Vater entgegen eilt, ihn küsst, ihn kleidet, schmückt und bewirtet, so ist des Demütigens kein Ende. Je mehr er sodann den Inhalt des Evangeliums von der Gnade Gottes verstehen lernt, je mehr er einsieht, dass alles an dem erbarmenden Gott liegt, desto tiefer wird er gedemütigt: aber auch zugleich wird er desto seliger und Gott ergebener. Um klein und im Tal zu erhalten, dienen auch mancherlei Führungen der göttlichen Weisheit und Güte, welche die Kinder züchtigt, dass sie seine Heiligung erlangen. Von dieser Führung brauchen wir nun nicht insbesondere zu reden, weil wir ja in diesen unseren Reisepredigten immer davon reden, wo es Bamoth Hagi von der Höhe ins Tal geht, und so nach Kanaan, aus jeglichem Tal in die Höhe.
Schickt euch darein. Ist der Weg beschwerlich, desto herrlicher ist das Ziel. Wir reifen. Wer will mit, der eile und säume nicht. Ende gut, alles gut. Amen.