Krummacher, Friedrich Adolph - Der Hauptmann Cornelius - XV.
Wir stehen nun am Schluss der merkwürdigen und lieblichen Geschichte des Hauptmanns Cornelius. Wenn die Darstellung einer Begebenheit in Worten eine Erneuerung der Tatsachen im Geiste ist, so dürfen wir wohl sagen, dass wir in unserer Geschichte die Haupt- und Grundwahrheiten des Evangeliums erlebt, oder wenigstens in Cornelius und seinem Hause, wie in einem Gemälde, lebendig angeschaut haben. So mussten auch wohl in der Bekehrungsgeschichte eines, und zwar des ersten, heidnischen Hauses, alle Hauptstücke unseres christlichen Glaubensbekenntnisses, auf welches wir getauft sind, zur Sprache kommen. Also ist es geschehen. Wir sahen in dem Cornelius zuerst die Erkenntnis des einen wahrhaftigen Gottes, des allmächtigen Schöpfers Himmels und der Erden, die er aus der Offenbarung des alten Bundes empfangen hatte, und zugleich, weil es nicht ein bloßes Wissen, sondern eine gläubige Erkenntnis war, in ihm das herzliche Verlangen nach der Gemeinschaft dieses alleinigen Urquells alles Heils und aller Seligkeit. Dann erblickten wir, in geschichtlicher, einzig für uns erkennbarer Weise, den Weg des Gottes, der da will, dass allen: geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, zugleich den Beweis, dass er sich finden lässt von allen, die ihn suchen. Aus dem Munde des Apostels vernahmen wir nun die kunstlose einfache Predigt von dem einigen Mittler und Heiland Jesus Christus, von der Menschwerdung des Sohnes Gottes und seinem Wandel auf Erden; von seinem Tode am Kreuz, seiner Auferstehung und Erhöhung zum Herrn über alles und von seiner Wiederkunft zum Gericht. Dann sahen und vernahmen wir, wie Cornelius und sein Haus das ihnen gepredigte Wort mit demütig kindlichem Glauben freudig aufnahmen, und nun Vergebung der Sünden und die Gabe des heiligen Geistes empfingen, und wie sie zuletzt, zur Versiegelung der Gemeinschaft und Gnade Gottes, durch die Taufe in die Gemeine des Herrn Jesu und seiner Heiligen aufgenommen wurden.
Hiermit ist: die Geschichte zu Ende; und was sollte sie uns auch weiter berichten? Etwa den Fortgang des neuen Lebens der vom Schlaf erwachten und von den Toten, erstandenen, die nun Christus fortan erleuchtete? Törichter Vorwitz! Auch von dem Leben des leiblich erweckten Jünglings zu Nain und des Lazarus zu Betanien schweigt die heilige Geschichte. Der nächtliche Besuch des Nikodemus und seine Rede zu dem Herrn verliert sich, wie ein Bächlein im Sande versiegt; man hört und sieht ihn nicht aufstehen und weggehen, und erfährt kaum, wie lange er dem Meister in Israel zugehört. Aber es war auch nur ein Kommen, und dann, ohne dass die verschlossene Knospe sich geöffnet hätte, ein Gehen. Dennoch erwähnt der Evangelist des nächtlichen Kommens dieses Pharisäers und Obersten unter den Juden späterhin zweimal, und wir wissen wohl, warum. In unserer Geschichte ist es anders. Hier öffneten sich die verschlossenen Herzen den Strahlen der aufgehenden Sonne, und nun hieß es in dem Hause zu Cäsarien: „Der Winter ist vergangen, die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen, und geben ihren Geruch“ 1).
Apostelgesch. X, 48, Da baten sie ihn, dass er etliche Tage da bliebe.
Diese Schlussworte unserer Geschichte scheinen für eine besondere Betrachtung wenig geeignet, und in der Tat, sie könnten in jedem Briefe oder Reisebericht ihren Platz finden. Aber eben durch die Verbindung, worin sie stehen, sind sie, mit dem Propheten zu reden, wie die Kessel im Heiligtum gleich den Becken am Altar, geheiligt. Wir werden sie dafür erkennen, wenn wir bedenken, wer diese Bitte tat, an wen sie geschah, und was damit erbeten wurde. Es ist wahr, unsere Geschichte wäre auch dann vollendet gewesen, wenn sie mit den vorhergehenden Worten: „Und, befahl sie zu taufen in dem Namen des Herrn“ geschlossen hätte. Allein solch' ein schneller Abschied würde uns wehe tun, wofern wir an dem neuen Leben dieses durch die Gnade des Herrn geheiligten Hauses herzlichen Anteil genommen haben. Würden wir nicht mit einer Art von Wehmut gefragt haben, ob denn Petrus und seine Begleiter nach Vollbringung ihres Amts und göttlichen Auftrags sofort das befreundete, dankbare Haus möchten verlassen haben? Sollte der Gesandte und Diener des Herrn sich nicht dem Cornelius und seinen Hausgenossen in traulicher Gemeinschaft als Freund und Bruder erwiesen haben? Und ist denn das Leben des Glaubens von dem gewöhnlich menschlichen und geselligen so geschieden und gesondert, wie etwa ein Kirchgang von dem alltäglichen Geschäftsgange?
Unsere Geschichte beantwortet diese Fragen, indem sie schließt: „und sie baten ihn, dass er etliche Tage da bliebe.“. Es versteht sich von selbst, was der Evangelist verschweigt, dass ihnen ihre Bitte gewährt wurde. Kehrte doch der Herr selbst, ungeladen, bei dem Zöllner Zachäus ein, der nur ihn zu sehen inbrünstig begehrt hatte. Petrus, und seine Gefährten blieben etliche Tage. „Güldene Tage!“ schrieb ein frommer, entschlafener Schriftausleger bei diesen Worten. Ja gülden! wie die Morgenröte und aufgehende Sonne gülden genannt werden. Hier war Aufgang aus der Höhe, hier leuchtete die Sonne der Gerechtigkeit auf das Heil unter ihren Flügeln, hier wurden dem Herrn die Kinder, wie der Tau aus der Morgenröte geboren.
Wir erblicken in dem Hause des Cornelius eine heilige Familie, eine Hausgenossenschaft Gottes im Geiste, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefügt, wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.2). Wir sehen im Kleinen das Bild des großen Gemeine des Herrn und jene Gemeinschaft der Heiligen, welche hienieden beginnend droben in Herrlichkeit sich vollenden wird. Wir wollen näher hinzutreten.
1) Unser Evangelist erzählt uns nichts weiter von diesen Tagen, und was während derselben in dem Hause des Hauptmanns zu Cäsarien sich ereignet. Aber Dessen bedurfte es auch nicht. Hatte er doch in seiner Apostelgeschichte die Gestalt und Weise der ersten Gemeine des Herrn, wie sie nach Ausgießung und in der Kraft des heiligen Geistes sich bildete, umständlich dargestellt und beschrieben. Nicht anders, als zu Jerusalem konnte es auch hier in Cäsarien sein, Da sie mit jenen einerlei Ursprung hatte; auf demselben Grunde erbaut war, und gleicher Gnade und himmlischen Segens sich erfreute. Überhaupt, je näher dem Herrn, und wäre auch der Gläubigen eine Menge, und diese äußerlich noch so sehr verschieden, um desto einfacher und gleichförmiger ihre Gestalt und Wesen, um desto inniger verbunden ihre Herzen und Seelen.
So treten wir in das Haus eines vornehmen Römers. Wir sehen hier eine Gesellschaft, bestehend aus Menschen von ganz verschiedenem Stande, Erziehung, Beruf und Vaterland. Die beiden Hauptpersonen sind Simon Petrus, der Gast, und Cornelius, der Wirt und Eigentümer des Hauses; jener von Geburt ein Galiläer, seines früheren Gewerbes ein Fischer aus Bethsaida, jetzt ein Apostel Jesu von Nazareth; dieser ein Soldat, Hauptmann der welschen Schar, von Geburt und Erziehung ein Römer und Heide. An den Apostel Petrus reihen sich zunächst die sechs Gläubigen, die von Joppen ihn gen Cäsarien begleitet hatten, Christen aus dem Judentum, welche das Evangelium angenommen, aber noch nicht alle jüdischen Vorurteile abgelegt hatten, und sich entsetzten, da sie sahen, dass auch Heiden den heiligen Geist empfingen. An den Hauptmann schließt sich seine Familie, Verwandte und Befreundete, seine Dienstboten und die gottesfürchtigen Kriegsknechte, und „Viele, die auch herbeigekommen waren,“ wahrscheinlich sämtlich geborene Heiden. Frauen und Kinder, deren gewiss auch zugegen und des gemeinsamen geistlichen Segens, so wie der Taufe teilhaftig geworden waren, werden, nach der Weise der Schrift, wo es die Sache nicht erfordert, nicht ausdrücklich genannt. So erblicken wir eine Versammlung von Menschen der verschiedensten Art, Abstammung und Sitte.
Aber siehe, alle diese Scheidewände sind hinweggenommen, nach dem Ausspruch des Apostels: „Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib,“ denn ihr seid allzumal Einer in Christo Jesu; alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christo Jesu, „und wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen“3). Wir sehen hier eine Behausung und Familie des himmlischen Vaters durch den einigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen Christus Jesus, der sich für alle gegeben hat zur Erlösung, in Einem Geiste auf das innigste verbunden. Die Taufe, das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, hat alle Ringmauern und Scheidewände hinweggenommen. Welch ein Anblick, eine Freude und Lust der Engel Gottes, wenn in solchem Geiste die gläubigen Söhne Sems, Chams und Japhets, obwohl durch Farbe, Sprache, Zeit, Vaterland und Sitte äußerlich getrennt und verschieden, über dem Worte Gottes und unter der Kreuzes- und Siegesfahne des Herrn sich brüderlich umschlingen! Das vermag nur das Evangelium, das Wort des Friedens und der Liebe. Es stört nicht die menschlichen Verhältnisse und äußerlich verschiedenen Ordnungen; der Hauptmann blieb nicht nur Hauptmann und seine Diener und Kriegsknechte ihm untertan, wie zuvor: sondern das Licht, welches allen gemeinsam aufgegangen war, verinnigte, gründete und befestigte vielmehr diese Bande und Verhältnisse, wie es den Philemon und seinen entlaufenen, aber durch Paulus bekehrten und nun zu seinem Herrn zurückkehrenden Knecht Onesimus, „beide nach dem Fleisch und in dem Herrn,“ fester als je vereinigte4). Wie die Hand und der Fuß dem Auge dienen, und das Auge der Hand und dem Fuße; also macht das Evangelium Viele zu einem Leibe in Christo, dem Haupte, wo ein Glied dem anderen Handreichung tut in der Liebe5).
Unsere Versammlungen zu gemeinsamem Gesang und Gebet und Anhörung des göttlichen Worts sind, sowie eine Frucht und Folge, also auch, ihrer Bestimmung nach, ein Bild jener ersten Christenvereine, und auch hier gilt vor dem Angesichte des Herrn weder vornehm noch gering, weder arm noch reich, weder Herr noch Knecht, sondern die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und solcher Geist und Sinn soll aus unseren Kirchen in unser häusliches und bürgerliches Leben uns folgen und begleiten, und auch unsere Wochen- und Werktage zu Tagen des Herrn gestalten.
2) Worauf gründete sich der Verein und Herzensbund dieser verschiedenartigen Menschen? Unsere Geschichte antwortet: Auf Jesus Christus den Herrn. Auch hier gilt das Wort des Apostels: „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christ“6).
Was hatte denn Petrus diesen Heiden anders gepredigt, als Jesum von Nazareth, den Herrn über alles, gesalbt mit dem heiligen Geist und Kraft, der umhergezogen ist im Lande und hat wohlgetan, welchen sie gekreuzigt und getötet haben, welchen Gott hat auferweckt und verordnet zum Richter der Lebendigen und Toten, und von welchem alle Propheten zeugen, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden haben sollen . Dieser Jesus von Nazareth war der alleinige Inhalt der Apostelpredigt, und Cornelius und alle, die sie hörten, glaubten der Predigt, und dieser Glaube wurde das unsichtbare Band, welches ihre Herzen und Seelen zu einer Familie Gottes, als dessen Kinder, und unter einander brüderlich und schwesterlich vereinigte. Alle hatten sie den Herrn Jesum Christum angenommen, und waren in ihm gewurzelt und erbaut, und von gleicher Dankbarkeit, Verehrung und Liebe gegen ihn erfüllt; alle, in seinem Namen getauft, hatten sie durch ihn Vergebung der Sünden und den Zugang zu dem Vater in einem Geist, und somit die lebendige Zuversicht und Versiegelung der Kindschaft und einer zukünftigen Vollendung in ewiger Seligkeit und Herrlichkeit empfangen. So sehen wir hier die Erfüllung dessen, was der Apostel schreibt: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über alle und durch alle und in allen“7).
Wie durch das von Gott in Christo aufgerichtete Wort von der Versöhnung und durch Offenbarung „des Geheimnisses seines Willens“ die Menschen wieder mit ihm dem Vater, also sollen sie auch unter einander, ja selbst mit den seligen Bewohnern des Himmels, vereinigt und verbunden werden. Vereinigung mit Gott im Glauben ist zugleich Vereinigung der Menschen unter einander in der Liebe; diese die natürliche, notwendige Frucht von jener. Dar um macht auch der Herr die Sanftmut, Vergebung der Fehler des Nächsten, Versöhnlichkeit und Feindesliebe oft und in den kräftigsten Ausdrücken und Gleichnissen zum Merkmal und Kennzeichen seiner Jüngerschaft. Sogar in seinem Mustergebete spricht er dieses in der einzig bedingten Bitte aus, und kommt dann wieder darauf zurück.8) - Es ist der Geist des Neuen Bundes, der Geist des Friedens und der Liebe, den die Propheten meinen, wenn sie von einem friedlichen Beisammenwohnen der Wölfe und Lämmer, der Pardel und Böcke, der Löwen und Kälber, und von einer Verwandlung der Dornen in Myrten, des steinernen in ein fleischernes Herz, des äußern geschriebenen Gesetzes in ein inneres lebendiges, reden. Gleichwie die eine Sonne alles Leben auf Erden weckt und pflegt, so ist Jesus Christus der Herr über alle, der alleinige Vollender des höchsten Lebens, nämlich der Liebe, sowohl in der gesamten Menschheit, wie in dem einzelnen Menschen. Er ist unser Friede; nicht bloß dadurch, dass er den Zaun, der das Menschengeschlecht trennte, abgebrochen, aus beiden eins gemacht und die Feindschaft durch sein Fleisch, sein Menschwerden, hinweggenommen hat; sondern überall, wo er einzieht und wohnt, schafft er in ihm selber einen neuen Menschen, hebt er aus unserem inneren und äußeren, aus unserem häuslichen und bürgerlichen Leben jeden Zaun und Dorn des Unfriedens, der Selbstsucht, des Neides und der Bosheit hinweg und stiftet Eintracht, Friede, Freude, ungefärbte Liebe. Überall, wo Er der Vermittler und der dritte Mann eines Bundes ist, da gibt es einen „Bund in dem Herrn,“ wie Davids und Jonatans; da wird „die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele,“ wie es von der ersten Gemeine zu Jerusalem heißt, und nun auch von der Gemeine zu Cäsarien gesagt werden konnte. Lieblicher Gottesbund, gegründet auf dem einigen Grund und Eckstein, auf welchem auch wir miterbaut werden zu einer Behausung Gottes im Geist. Auf den Glauben an den Einen Mann, in welchem Gott die Welt geliebt und mit sich selbst versöhnt hat, und durch welchen er die Welt richten wird, ist auch unsere kirchliche Gemeinschaft gegründet, und nur durch ihn kann sie werden, was sie soll: ein' Bund in dem Herrn, eine Gemeinschaft der Heiligen, welche die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden.
3) Im Hinblick auf das Haus zu Cäsarien liegt uns noch die Frage nahe: Wie mag wohl diese kleine häusliche Gemeine die Tage zugebracht haben, da der Apostel in ihrer Mitte verweilte? Gewiss wird der dankbare Hauptmann es sich haben angelegen sein lassen, den Apostel und die anderen Gäste auf das liebreichste zu bewirten, und so werden sie was dem Apostel von engherzigen Christen aus dem Judentum nachher zum Vorwurf gemacht wurde, in dem Kreise und an dem Tisch der gläubig gewordenen Heiden, in dem Gefühl, dass ihr Werk Gott wohlgefalle, ihr Brot mit Freuden gegessen, und ihren Wein mit gutem Mute getrunken, und die liebliche Gabe durch Gebet und Danksagung geheiligt haben. Hielten doch auch die ersten Christen, so lange die kleinen Gemeinen noch die Gestalt des häuslichen Lebens hatten, ihre sogenannten Agapen oder Liebesmahle, wo die Wohlhabenden mit den Ärmeren gemeinschaftlich speisten. Dazu war dieses die erste Mahlzeit, wo solche, die kurz vorher noch Juden und Heiden gewesen, jetzt von einem Brote aßen und von einem Kelche tranken. Gewiss gedachte jetzt Petrus des Gleichnisses im Gesichte, welches in dem leinenen Tuche vom Himmel herabgekommen war, so wie der anderen Gleichnisse aus dem Munde des Herrn selbst, von dem Hochzeit - und dem großen Abendmahle, wozu auch die Lahmen und Krüppel geladen wurden, zugleich derjenigen, wo der Herr selbst, nach seiner demütigen Verheißung, seine treuen Knechte zu Tische setzen, sich aufschürzen, vor ihnen hergehen und ihnen dienen wird.
Besonders wird der Apostel hier die Stelle seines Herrn und Meisters vertreten, und den Haus- und Tischgenossen, als Haushalter über Gottes Geheimnisse geistliche Gaben, und Speise, die da bleibt in das ewige Leben, dargereicht haben. In dieser Familie des Herrn gab es ohne Zweifel, wie jetzt und immer, Stufen der Erkenntnis und des Glaubens, Männer, Jünglinge, Kinder, Unmündige - und da bedarf es der Führung und Handreichung der Vollkommneren, um die Schwachen zu stärken und zur höheren Stufe zu erheben. So wird auch der Apostel diesen Erstlingen aus dem Heidentum, nach eines jeden Bedürfnis, Milch oder stärkere Speise gereicht haben. Was er in seiner Predigt nur kurz berührte von des Herrn menschlichem Wandel und Werken und Taten, Leiden und Herrlichkeit das wird er ihnen jetzt genauer erzählt, und so in lebendiger Rede, statt eines geschriebenen, welches sie noch nicht hatten, das „Evangelium von Jesu Christo dem Sohne Gottes“ mitgeteilt haben. Brachten Cornelius oder seine Freunde ihre Kindlein herbei, so hat der Apostel gewiss nicht unterlassen, gleich seinem Herrn und Meister, sie zu herzen, die Hände auf sie zu legen und sie zu segnen. O wie werden alle diese Neugebornen horchend, wie Maria von Betanien, zu seinen Füßen gesessen und ihm die Worte des ewigen Lebens von den Lippen genommen haben! Und, wie der Apostel, so werden auch die versammelten Christen, darum, weil sie glaubten, geredet und die überschwängliche Gnade mit gemeinsamer Danksagung zur Ehre Gottes reichlich gepriesen haben, Gewiss teilten sie sich ihre freudigen Empfindungen und Hoffnungen einander mit, erbauten sich gegenseitig auf ihren beseligenden allerheiligsten Glauben, erhoben ihre Herzen in Gebet, Fürbitte, Flehen und Danksagung zu dem Herrn, und priesen ihn, der sie zu seinem wunderbaren Lichte geführt hatte, mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern. Endlich werden sie gewiss auch zur Besiegelung und Vollendung ihres Bundes das Heilige Mahl der Liebe und des Todes des Herrn zum ersten mal gefeiert, und mit seinem verklärten Leibe und Blute an ihren Seelen gespeist und getränkt, sich zur unverbrüchlichen Treue gegen den Erzhirten und zur innigen Bruderliebe gegen einander verbunden haben.
O goldene Stunden und Tage, wo die Liebe Gottes ausgegossen wurde in ihre Herzen durch den heiligen Geist, und ein himmlisches Morgenrot, das von dem Lichte der Welt über sie ausfloss, Aller Seelen verklärte!
Alle diese Züge sind nicht etwa ein selbsterfundenes Gedicht der Einbildung, sondern, einfach und wahr, aus den Zeugnissen der heiligen Schrift, und aus den uns aufbewahrten Zeugnissen der damaligen Feinde und Verfolger des Namens Jesu Christi hergenommen. Je näher die ersten Gemeinen der Erscheinung des Herrn standen, und je inniger sie Ihn, den Anfänger und Vollender ihres neuen Lebens, umschlossen, um desto mehr glich ihre Gemeinschaft unter einander einem stillen heitern Familienleben, welches, gleich jenem Hause zu Betanien, Glaube, Hoffnung und Liebe, wie eine ausgeschüttete Salbe, mit Wohlgeruch erfüllten. Uns aber, welche der Herr, da wir ferne waren, herbeirief, geziemt auf jenes neue geistliche, von dem Geist dieser Welt unbefleckte Eden, zurück zu schauen, um unseren Abstand von der ursprünglichen Einfalt jener „Auserwählten, Heiligen und Geliebten Gottes“ zu erkennen, und solche zunächst für das häusliche; dann auch für das gemeinsame Leben wieder zu gewinnen.
4) So stand nun diese kleine Herde in Cäsarien da, die erste, die der gute Hirt sich aus den Heiden gesammelt hatte; alle Kinder Gottes, mit der Gerechtigkeit Christi angetan, ein Tempel des heiligen Geistes, eine Freude der Engel, ein Licht in der Finsternis, eine Rose unter den Dornen, ein Herz und eine Seele in dem, was das höchste, edelste und herrlichste ist, und was die Herzen, Seelen und Gemüter, mögen sie auch, wie die Blumen des Feldes, noch so mannigfaltig gestaltet sein, auf das innigste für Zeit und Ewigkeit verbindet, befriedigt und zur Vollendung führt. Das ist die Gemeinschaft der Heiligen. Davids und Jonatans Freundschaft und Liebesbündnis ist schon und groß; aber großer und herrlicher ist es, mit Johannes an der Brust des Herrn ruhen; ja alle Freundschaft und Liebe ist nur Stückwerk, wenn nicht dieses Ruhen an dem Herzen Jesu dabei ist, und die Verklärung von seinem Angesichte auf sie hernieder kommt.
O seliger Bund, wodurch alle, die Ihm angehören, Eins in Ihm sind und werden, wie er und der Vater eins sind. Wer den Sohn hat, der hat den Vater. Was könnte erfreulicheres und erhebenderes gedacht werden, als das gemeinsame Gefühl und Bewusstsein der Kindschaft Gottes durch den Glauben an Christo Jesu! Ist es schon hier ein hocherfreuliches Gefühl, frommer und innig geliebter Eltern Kinder, und unter einander durch die zarten Bande der Geschwisterliebe als Genossen eines Hauses verbunden zu sein; welche Wonne dann, Ihn, der der rechte Vater ist über alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, mit dem zärtlichen Abbanamen anrufen zu dürfen, und von Jesus, dem Verherrlichten zur Rechten des Vaters, Brüder und Schwestern genannt zu werden und solche Gnade und Empfindung mit Vielen zu teilen und in Vieler Gemeinschaft zu stärken und zu befestigen. - Ja fein und lieblich, tröstlich und erfreulich ist die Herzens- und Seelengemeinschaft derer, die in Glauben, Hoffnung und Liebe mit uns in der Nähe und Ferne verbünden, desselbigen, wenn auch steilen und beschwerlichen Weges zu einem Ziele wandeln, mit uns ringen und kämpfen, dulden und hoffen, mit und für uns lobsingen und danken, flehen und beten; nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen! Die junge Gemeine zu Cäsarien empfand in den Tagen, wo sie den Apostel in ihrer Mitte hatte, die Freude dieser seligen Gemeinschaft in vollem Maße; es war ihr Hochzeittag, gleich dem in Cana, wo der Herr zuerst seine Herrlichkeit offenbarte. Aber nicht allezeit wird es ihr so wohl ergangen sein. Auch sie werden, nachdem sie das Wort vom Kreuz angenommen hatten, gleich den Aposteln und allen treuen Bekennern des Herrn in allen Zeiten und Landen, Ihm das Kreuz haben nachtragen und durch Leiden vollendet werden müssen. Da wird das Bewusstsein gemeinsamer Trübsal mit den Brüdern in der Welt ihnen zur Stärkung im Glauben und in der Wahrheit und Liebe gedient haben9).
Und nicht allein das; die Gemeine der Gläubigen auf Erden steht in einer innigen Verbindung, so wie mit ihrem verherrlichten Oberhaupte, also auch mit der Gemeine der vollendeten Gerechten, die im Himmel ist, mit dem himmlischen Jerusalem und der Menge vieler tausend Engel10). Zu dieser Gemeine gehören alle, die vor uns an den Herrn geglaubt haben und in Ihm entschlafen, durch Ihn des ewigen Lebens teilhaftig geworden sind; mögen sie zur Zeit des alten Bundes oder nach der Erscheinung des Herrn gelebt, auf ihn, als den Verheißenen gläubig gehofft, oder als den gekommenen ihn gesehen und geliebt haben. Alle diese zusammen, diese Tausende, bilden die Gemeine der Vollendeten, die droben ist. Gedenken wir, die wir noch im Glauben und nicht im Schauen wandeln, ihrer mit freudiger Liebe; so werden vielmehr sie, die den Engeln gleich geworden sind, nachdem sie überwunden haben, an unserem noch nicht vollbrachten Kampf und Lauf Anteil nehmen, und uns im Geiste, wer weiß, wie nahe sein. Welch ein erfreulicher Gedanke, solch einer himmlisch befreundeten Schar verklärter Seelen anzugehören, die unserer baldigen Vereinigung mit ihnen liebevoll entgegensehen! Welch eine erfreuliche Hoffnung für uns, bald auf ewig mit ihnen vereinigt zu werden! Seht, welche Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen!
Es ist nur noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wie wir selbst noch hienieden in der zerbrechlichen Hütte des Leibes wohnen und wallen, und unser Wissen und Weissagen ein unvollkommenes Stückwerk bleibt; also auch die Gemeine, die Kirche des Herrn. Obwohl als ein ewiger Friedensbund auf die unwandelbare Gnade und Wahrheit Gottes unseres Heilandes gegründet, und diese, in sich selbst als ihren himmlischen Schatz bewahrend, ist sie doch hier nur Anfang, nicht Vollendung; obwohl zu ewigem Leben ersehen, doch äußerlich dem Wechsel der Erde untertan; obwohl ihres Sieges gewiss, doch eine streitende. Hier hat sie die Aufgabe, zu wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, bis wir alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes, und ein vollkommener Mann werden, der da sei in der Maße des vollkommenen Alters Christi. Aber der das hat ans gefangen, der wird es auch vollenden.
Wir wissen, dass, wenn es erscheinen wird, dann werden die Geheiligten aller Gemeinen ihm gleich sein und ihn sehen, wie er ist. Wenn der Herr, nach seiner Verheißung, unseren nichtigen Leib verklären will, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe; wie vielmehr wird er seine Gemeine, die sein Leib ist, verklären und verherrlichen. Da wird sie die triumphierende werden, das himmlische Jerusalem, die Stadt des lebendigen Gottes, mit den Perlentoren und goldenen Straßen, erleuchtet von der Herrlichkeit Gottes. „Wer überwindet, wird dies alles ererben; und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.“
In dem mit Gnade und Friede und Freude gesegneten Hause zu Cäsarien sehen wir ein kleines liebliches Bild und Gleichnis, sowohl solcher Gemeine des Herrn, wie sie auf Erden, erbaut auf den ewigen Grund und Eckstein, zusammengefügt, empor wächst, als auch wie sie dereinst, aus allen Völkern und Zungen, um den Herrn selbst, wie jetzt um seinen Boten versammelt, mit unaussprechlicher Freude ihm lobsingen werden. So dürfen wir auf diese kleine erste Gemeine im Heidentum anwenden, was Paulus vom Gesetz, in Vergleichung mit dem Evangelio sagt11): „So das Klarheit hatte, das da aufhört, vielmehr wird das Klarheit haben, das da bleibt.“