Krause, Cäsar Wilhelm Alexander - Wie weise es ist, auch in den größten Verlegenheiten des Lebens keinen Schritt vom Wegeseiner Pflicht zu tun.

Krause, Cäsar Wilhelm Alexander - Wie weise es ist, auch in den größten Verlegenheiten des Lebens keinen Schritt vom Wegeseiner Pflicht zu tun.

Predigt am neunten Sonntage nach Trinitatis.

Gib, Herr, dass weder Glück noch Leiden
Mich je von deiner Liebe scheiden;
Drückt auch die Not, ich weiche nicht
Von deinem Wort, von meiner Pflicht. Amen.

Evang. Lucä 16,1-9.

Lasst uns zuvörderst, teure Mitchristen, des Gleichnisses Inhalt und Bedeutung kennen lernen, bevor wir zu seiner Betrachtung übergehen.

Einen ungerechten Haushalter führt der Heiland uns vor, der wegen seiner Untreue sein Amt verlieren sollte, und welcher nun, um angestrengte Arbeit und dem Bettelstab zu entgehen, welches Beides er gleich sehr scheute, seinem Herrn einen neuen Betrug spielte, die Schuldbriefe seiner Schuldner zu seinem Nachteil verfälschte, um sich bei den durch ihn unrechtmäßig erleichterten Schuldnern eine dauernde Aufnahme zu sichern. Das ist ein Verfahren, welches wohl nicht allzu selten in der Welt sein mag, denn eine Sünde ist der andern Mutter, und wer sich einmal der Unredlichkeit ergeben hat, ist, will er seine Sünde und Schande nicht ans Licht kommen lassen und dafür büßen, was gleichwohl für ihn das Beste wäre, bald so sehr darin verstrickt, dass er immer mehr in die Bande des Bösen gerät, und immer nur mit einem neuen Betrug den alten verdecken kann. Aber das muss uns in hohem Grade auffallen, dass in der Erzählung unseres Evangeliums der Hausherr den ungerechten Haushalter noch lobt, dass er klüglich getan; dass er ihn gewissermaßen uns als Beispiel aufstellt in den Worten: Die Kinder dieser Welt sind klüger in ihrem Geschlecht, als die Kinder des Lichts; - dass er uns ermahnt: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf dass wenn ihr nun darbt, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten! Wie? Will der Heiland damit den ungerechten Haushalter entschuldigen und seinen Betrug rechtfertigen? Will er etwa damit den Satz heiligen, dass man der Strafe des Betruges und unrechtmäßigen Erwerbes entgehen könne, wenn man nur einen Teil des Sündengeldes zu guten Zwecken für andere Menschen verwende? Das muss Jeder, der den Geist der Heiligkeit kennt, in welchem Jesus lebte und lehrte für unmöglich halten. Aber welches ist denn der Sinn des Evangeliums? Es ist schwer darüber zu entscheiden, und es sind viele Erklärungen desselben versucht worden, die jedoch alle Einwendungen gestatten, von denen aber zwei mich besonders ansprechen. Nach der einen will Jesus durch dies Gleichnis zeigen, mit welchem Eifer, mit welchem Aufwand von Klugheit die Kinder dieser Welt danach streben, sich ihr irdisches Wohlergehen zu sichern, und daran die Ermahnung knüpfen: Wenn nun die Kinder dieser Welt es sich so angelegen sein lassen, dass es ihnen zeitlich wohl gehe, solltet dann ihr, die ihr Kinder des Lichts sein sollt, nicht mit viel größeren Eifer eurem ewigen Wohl nachstreben? - Die andere glaubt aus dem Zusammenhang eine andere Absicht dieses Gleichnisses erkennen zu müssen. In dem, unserem Evangelio vorangehenden 15. Kapitel hatte Jesus Tadel deshalb erfahren, dass er die Zöllner und Sünder annehme, und mit ihnen verkehre. Diese Zöllner waren bei den Juden auf das Höchste verhasst, weil sie die von dem heidnischen Kaiser auferlegten Zölle oft wohl mit Härte eintrieben, und weil sie dabei Gelegenheit hatten, manchen ungerechten Gewinn für sich zu ziehen, eine Gelegenheit, die viele von ihnen wohl ausgebeutet haben mögen. Jesus hatte aber schon erklärt, er sei gekommen ein Helfer nicht zu den Gesunden, sondern zu den Kranken; er suche die Sünder darum, weil Freude sei im Himmel über einen Sünder, der Buße tue; und weil er viele heilsbegierige Seelen unter den Zöllnern fand, so ermutigt er nun diese zur Umkehr von ihrem bösen Weg und zur Hoffnung auf Gottes Gnade durch das herrliche Gleichnis von dem verlorenen Sohn. Danach mögen denn wohl von bekümmerten Gewissen manche Fragen an ihn gerichtet worden sein! Sie mögen gesprochen haben: Wir bekennen, dass wir in unserem Amt unsere Hand nicht rein erhalten haben; aber wie können wir Buße tun? Können wir doch denen, welche wir bevorteilt haben, das Ihrige nicht mehr wiedergeben, da wir sie nicht einmal kennen; wodurch können wir unseren Gewissen Ruhe bei dem Hinblick auf die Ewigkeit verschaffen? Auf Fragen solcherlei Art scheint das Gleichnis unsers Evangeliums die Antwort geben zu sollen. Werdet doch so klug, spricht Jesus, wie die Kinder dieser Welt sind! Wenn ihnen ob ihrer Ungerechtigkeit Gefahr droht, so wissen sie sich Freunde zu machen mit dem ungerechten Mammon, damit sie bei ihnen Schutz finden.

So tut denn ihr dasselbe mit dem ungerechten Gut, bei welchem ihr die Unmöglichkeit bedauert, es denen zurückzuerstatten, welchen ihr es entzöget. Übt Wohltun damit, auf dass ihr Solche habt, die in der Ewigkeit euch aufnehmen und für euch bitten. Denn wenn euch das ungerechte Gut so an das Herz gewachsen ist, dass ihr es zu Werken der Liebe nicht einmal verwendet mögt, wie viel weniger würdet ihr mit dem, was rechtmäßig euer ist, zur Erfüllung solcher Pflicht geneigt sein? - Das ist nun der Punkt, auf den der Heiland nach dieser Ansicht hinwill, den er in den dem Evangelio folgenden Versen weiter ausführt, wenn er spricht: So ihr in dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer will euch das Wahrhaftige vertrauen? Und so ihr in dem Fremden nicht treu seid, wer will euch geben dasjenige, das euer ist? - Dass dem Haushalter sein Betrug misslang, geht schon daraus hervor, dass der Herr ja sein Treiben entdeckte, und wenn er auch seine Schlauheit lobte, so hinderte ihn das doch nicht, seinen Betrug zu strafen. Wozu sollte Jesus das noch weiter ausführen: Über den Verdacht, als wolle er den fortgesetzten Betrug billigen, erhob ihn weit sein ganzes Leben, seine ganze Lehre.

Wie wir aber das Evangelium auch auffassen mögen, es enthält eine solche Fülle von aus dem Leben genommenen Warnungen und Lehren, dass es unmöglich ist, es in dem kurzen Raume einer Stunde zu erschöpfen. Auf einen Punkt nur in demselben können wir unsere Augen wenden.

Kein Mensch sinkt auf einmal in den Abgrund der Sünde und Schande hinab. Kleinere Sünden bahnen die größeren an. Den Haushalter hatte sein Wohlleben in Verlegenheit gebracht. Wäre er redlichen Herzens gewesen, so hätte ihn das zur Besinnung erweckt; er hätte eingehalten, und Alles wäre noch gut zu machen gewesen. Statt dessen greift er, um augenblicklicher Verlegenheit zu entgehen, das Gut seines Herrn an. Er bildet sich ein, dadurch Abhilfe zu finden und er findet das Verderben, vor dem er verzweifelnd spricht: Graben mag ich nicht; zu betteln schäme ich mich! - Liebe Freunde! Wie viele Menschen machens eben so und kommen dadurch in dasselbe Verderben? Lasst uns das betrachten und bedenken:

Wie weise es ist, auch in der größten Verlegenheit des Lebens keinen Schritt von dem Weg der Pflicht zu weichen!

Gesang. Gebet.

Ein warnendes Beispiel soll der ungerechte Haushalter uns sein, dessen auf Sünde erbautes scheinbares Glück schmählich zusammenbrach. Lernen wollen wir von ihm: Wie weise es ist, auch in der größeren Verlegenheit des Lebens keinen Schritt von dem Wege der Pflicht zu weichen. O Christ, präge deinem Herzen als weise Lebensregel den Spruch ein:

Wie groß die Not, o weiche nicht
Von Gottes Wort, von deiner Pflicht!

Denn sicher besiegst du dann das Übel, wahrest deine Ehre und Würde, gründest deinen Seelenfrieden und das Glück der Ewigkeit. Das wollen wir näher erwägen.

Weise ists, sich durch keine Verlegenheit des Lebens vom Wege der Pflicht verlocken zu lassen, denn

1. nur durch Treue wird das Übel sicher besiegt.

Der ungerechte Haushalter dachte anders. Sein Leichtsinn oder sein üppiger Lebensgenuss hatte ihn in Verlegenheiten gestürzt, die er aus eigenen Mitteln nicht beseitigen konnte. Wäre seine Pflichttreue stark genug gewesen, um selbst den Gedanken an Unredlichkeit mit Entrüstung zurückzuweisen, so hätte er erkennen müssen, dass ein solches Leben mit seiner Stellung sich nicht vertrage, und hätte jetzt noch eingehalten, hätte sich denen entdeckt, denen er Verbindlichkeiten schuldete, hätte ihre Vorwürfe nicht gescheut, sondern ihre Nachsicht erfleht, hätte seinen Fleiß verdoppelt, die strengste Sparsamkeit eingeführt und als redlicher Mann hätte er mit der Zeit Allen genügen können, ohne irgend Jemand um das Seine zu bringen. Sprecht selbst, Geliebte, war es nicht so? War dies nicht das sicherste, ja das einzige Mittel, um die in Folge seines verschwenderischen Lebens auf ihn eindringende Verlegenheit zu besiegen, oder gab es noch ein anderes? Aber derselbe Leichtsinn, der ihn über die in seinen Umständen ihm gesteckten Schranken hinausgeführt hatte, ließ ihn auch die Pflicht der Treue gegen seinen Herrn durchbrechen. Gewiss war dies im Anfang nicht seine Absicht. Er meinte wohl und gelobte es sich gewiss, nur dies Eine Mal dem Drang der Not nachgeben zu wollen, und, was er dem Herrn entfremdete, nach und nach redlich zu ersetzen, sich aus den Banden, die ihn umschlangen, los zu machen, oder er schmeichelte sich mit der Hoffnung auf ungewisse Glücksfälle, die ja doch einmal kommen und ihn dann aller Verlegenheit entreißen würden, und so sank er tiefer und tiefer, von Betrug zu Betrug, bis dieser endlich nicht mehr zu verbergen war und ihm nur die traurige Aussicht öffnete: Graben oder Betteln! denn auch seine letzte schlau angelegte List wurde entdeckt, dadurch vereitelt und das seiner Schlauheit erteilte Lob gab ihm den Lebensunterhalt nicht wieder, den er mit seinem Amt verloren hatte! - Das ist eine Geschichte, geliebten Freunde, die sich seitdem schon unzählige Male wiederholt hat. Es lebt fast Keiner, vor dessen Augen sie sich nicht schon zugetragen hätte; aber wie Viele haben sie sich wohl zur Warnung dienen lassen? Wie Viele lassen sich immer noch verleiten, zu einer ihrer Meinung nach geschickten Unredlichkeit ihre Zuflucht zu nehmen, um ihren Verlegenheiten zu entgehen, eben so wenig geneigt, die Quelle ihres Übels, ihr unregelmäßiges Leben aufzugeben, und mit ähnlichen eitlen Hoffnungen auf unberechenbare Hilfe sich täuschend? Und welchen Mangel an sittlichem Zartgefühle setzt dies voraus? Ist die Not eine verschuldete, wie kann sie dann dadurch geheilt werden, dass man die Verschuldung häuft und steigert? Es kommen im Leben der Menschen aber auch unverschuldete Verlegenheiten vor. Kann man jedoch hoffen, diese zu beseitigen, ohne dass Gott dazu Kraft und Segen gibt? Nur so lange sie auch keinen Finger breit vom Wege der Pflicht abweichen, nur so lange können sie dem Schutze Gottes freudig trauen, der noch Keinen hat zu Schanden werden lassen, der mit Ernst auf ihn gehofft hat. Verlassen sie aber den Weg der Treue und der Pflicht, so verlassen sie Gott, berauben sich seiner Gnade, ohne welche kein wahres Heil dem Menschen zu Teil werden kann. Und wie künstlich sie es auch anfangen mögen, wie fein auch ihre Berechnungen sind, wie ihre Sünde ihnen auch scheinbar ein Glück gewähren mag, um das vielleicht Manche sie beneiden, die ihnen nachzufolgen entweder nicht Klugheit, oder nicht Gelegenheit, oder nicht Pflichtvergessenheit genug besitzen: - das Glück, welches die Sünde zur Grundlage hat, ist auf Sand gebaut, hat keinen Bestand und bringt weder wahre Freude, noch rechten Segen.

Haltet daran fest, meine Geliebten, und lasst euch nicht gelüsten, wenn der Versucher euch lockt und euch eine, euch und eure Sinnlichkeit lockende Zukunft weist, wenn ihr euch nun herbeilassen wollet, Teilnehmer oder Werkzeuge seiner Sünde zu sein! Opfert nicht eure Pflicht, eure Redlichkeit, eure Ehre; hascht nicht nach einem eitlen Schimmer, der wenn ihr ihn erlangt habt, euch inne werden lässt, dass ihr nicht nur nichts gewonnen, sondern euer köstlichstes Gut, eure Pflichttreue, euer gutes Gewissen verloren habt. Mag auch die Sünde scheinbar triumphieren, und zu einem Leben in Herrlichkeit und Glanz führen, es bleibt doch ewig wahr: Unrecht Gut gedeihet nicht! und: Ehrlich wahrt am längsten. Wer Unkraut sät, kann nicht Weizen ernten, und die Sünde von euch gesät, trägt euch sicherlich auch hier schon Verderben ein. Es gibt kein anderes sicheres Mittel, der Not und den Verlegenheiten des Lebens zu entgehen, als das treue Verharren auf dem Wege der Pflicht; darum ist es weise, sich durch nichts von demselben verlocken zu lassen, weise, denn dadurch allein

2) wahren wir auch unsere Ehre und Würde.

War es nicht eine ehrenvolle Stellung, die der Haushalter im Evangelio früher einnahm, geschmückt mit dem Vertrauen seines Herrn, und an seiner Statt die Verwaltung seiner Güter führend? Würde diese Ehre nicht gewachsen sein mit der längeren Dauer seiner treuen Dienste, und hätte er nicht einst sein graues Haar mit Ehren tragen können? Aber diese Ehre suchte er nicht, sondern Eitelkeit und Wohlleben. Er hätte noch einhalten können, als er entdeckte, dass seine Mittel zu dem bisher geführten Leben nicht ausreichten; aber was würden seine Genossen dazu gesagt, wie würden sie über ihn die Achseln gezuckt und ihn verspottet haben? Nein, das meint er, litte seine Ehre nicht, und um das, was er so nennt, zu erhalten, wird er ein Betrüger! Als ob es eine Ehre geben könnte, die mit einem guten Gewissen jemals in Widerspruch geraten müsste! Als ob es nicht die nächste Ehre, die wahre Würde, die Jedermann suchen musste, wäre, treu zu sein in seiner Pflicht und tüchtig in dem Beruf, den Gott gegeben! Unrettbar hat der ungerechte Haushalter diese verscherzt, und mit welchem Gefühl meint ihr, dass er vor seinen Herrn trat, als dieser zu ihm sprach: Was höre ich von dir? du kannst nicht länger Haushalter sein!? Mit welcher Zerknirschung er auf sein verlorenes Glück zurücksah und zu sich sprach: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt das Amt von mir! Graben mag ich nicht, so schäme ich mich zu betteln? Konnte er sich wohl noch selbst achten, konnte er sich noch eine Berechtigung auf Ehre, auf die Achtung Anderer zusprechen, als er mit seiner neuen betrügerischen Absicht vor die Schuldner trat, um ihre Pachtbriefe zu verfälschen? Was mussten diese von ihm denken? Und wenn sie sich auch sein Anerbieten zu Nutze machten, um ihren Vorteil zu erlangen, wenn sie dadurch auch Teilnehmer seiner Sünde und eben so schlecht wurden, als er es war, gewiss! ihr natürliches Gefühl zwang sie doch ihn zu verachten; sie glaubten sich doch noch besser als den Treulosen, der ihnen die Gelegenheit zu unrechtmäßigem Gewinne darbot. - Und wenn nur ein Redlicher unter ihnen war, der dem Ungerechten entgegnete: Schäme dich! so missbrauchst du das in dich gesetzte Vertrauen? Weiche von mir; ich will wohl arm, aber ehrlich sein! - Hätte er da nicht vor Scham in die Erde sinken müssen? Und konnte er denn etwas Anderes empfinden, als der Herr zu ihm sprach: Klug bist du wohl, aber mein Haushalter kannst du nicht länger sein, denn du bist nicht treu?

Seht, Christen, das war die Ehre, die er gewonnen, dadurch dass er sich bewegen ließ, vom Weg der Pflicht zu weichen, um einer selbstverschuldeten Verlegenheit zu entgehen; das ist die Ehre, die auf dem Weg der Sünde nur zu gewinnen steht! Und nun lasst uns sein Schicksal in Gedanken weiter verfolgen! Gesetzt seine letzte List wäre gelungen, die Schuldner hätten ihn um der ihnen von ihm zugewandten Vorteile willen aufgenommen, würde er nicht in jedem ihrer Blicke einen Vorwurf, ein Zeugnis seiner Schande gelesen, würde nicht das geschwätzige Gerücht bald den betrügerischen Grund seines Verhältnisses verraten und zu einem Gegenstande der Verachtung für alle Redlichen gemacht haben? Nun aber der Herr seine List entdeckte, häufte sich da nicht seine Schmach, und da er nun seine bisherige Stellung verlor, musste sein Anblick nicht einem Jeden die Erinnerung zurufen: durch seine Pflichtwidrigkeit wurde er, was er ist? O wahrlich, der ganze Wahn, als könne die Erhaltung der Ehre und Würde bei eintretender Lebensverlegenheit eine Pflichtwidrigkeit gebieten oder auch nur entschuldigen, er ist in unserem Evangelio ausreichend gerichtet. Denn was ist es, das den Menschen schändet? Armut? O nein, höchstens in den Augen geldstolzer Toren! Aber die Sünde, sie schändet, ja sie ist die einzige Schande. Wir haben wohl Menschen gesehen, die reich an Golde waren, und darum, wie es so zu sein pflegt, auch angesehen und einflussreich. Aber Gold und Macht entsank ihren Händen; sie blieben jedoch ihren Grundsätzen treu, wichen nicht von dem Wege der Pflicht, und die Achtung, die man vor ihnen hegte, steigerte sich nur noch. Wer aber durch seine Sünde fiel, den hebt die öffentliche Achtung nicht leicht wie: der auf, es sei denn, er habe schwere Buße getan und vielfach bewiesen, dass er ein neuer Mensch geworden. - Hinfort darum mit den Vorurteilen, die uns anhaften, und die besonders in manchen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft ein Erbteil veralteter übler Gewohnheit sind, als erfordere das Leben zuweilen einen Aufwand, der über die vorhandenen Mittel hinaus gehe, und als könne man es in manchen Lagen und Verlegenheiten mit der Pflicht nicht so genau nehmen. Wenn es mir gelungen ist nachzuweisen, dass ein festes Halten an derselben das einzige Mittel ist, die Not zu besiegen und seine Ehre und Würde aufrecht zu erhalten, wer möchte sich da noch das Gebot Gottes durch eine falsche Menschenklugheit aus dem Herzen fortklügeln lassen? Doch zu diesem äußeren Schaden kommt noch ein viel größerer innerer; im Hinblicke auf ihn verstärkt sich die Mahnung: auch in der größten Lebensnot weiche nie vom Wege der Pflicht! denn nur dadurch

3) gründest du deinen Herzenfrieden.

Ach, meine Geliebten, der ist noch lange nicht gesichert, wenn man auf Erden so gestellt ist, dass man nicht fürchten darf, einst graben oder betteln zu müssen, und es ist nichts trügerischer als das Vorspiegeln der Begehrlichkeit, dass man Frieden finden werde, wenn man nur den einen Wunsch erreicht habe, nach dem das eitle Herz sich sehnt. Es tauchen immer neue auf, die, je länger man sie hegt, immer mehr als unentbehrliche Bedürfnisse erscheinen. Wer seinen Herzensfrieden sucht, kann ihn unter keiner andern Bedingung gewinnen, als dass er Frieden mit Gott in einem guten Gewissen habe. - Das hatte der ungerechte Haushalter nicht bedacht. Er hatte eine Befriedigung gesucht 'in dem Glanze, mit dem er auftrat, in dem Lebensgenusse, dem er nachjagte; und durch den Taumel der Eitelkeit und Lust, dem er sich hingab, hatte er auch vielleicht eine Zeitlang eine Art von Befriedigung gefunden, aber sicherlich keine ungestörte. Denn als er es sich selbst nicht mehr verhehlen konnte, dass er die Güter seines Herrn veruntreute - wie der Text bezeichnend sagt: umgebracht - habe, musste da nicht eine fortwährende Furcht vor der Entdeckung sein Inneres bewegen und selbst den Schlummer seiner Nachte stören? Sein ganzes Leben war nun der Falschheit verfallen; alle Handlungen seines Haushaltens mussten nun darauf berechnet werden, dass sie nicht etwa seine Untreue verrieten, und in dieser ihn stets begleitenden Sorge konnte er doch wahrlich keinen Frieden finden! - Aber ganz verbergen konnte er seine Sünde schwerlich vor denen, die ihm in seinem Amte nahe standen, und dadurch kam zu der eigentümlichen Pein der Ungerechtigkeit die Furcht vor dem Verrate. Jeden redlichen Menschen musste er scheuen, denn wenn ein Solcher seine Verhältnisse durchschaute, so konnte er nicht daran zweifeln, dass er seinen Herrn vor ihm warnen würde. Bei seinem Leben fehlte es ihm gewiss auch nicht an Neidern, fehlte es auch wohl an Solchen nicht, die er verletzt und beleidigt, denen er die Forderungen nicht erfüllt hatte, die sie an ihn stellen zu können meinten, und die nun auf ihn merkten und darnach strebten, ihn zu stürzen. Von Solchen umgeben, konnte er da jemals Herzensfrieden haben? Und da er das wachsende Misstrauen seines Herrn sah, wie musste da zugleich seine innere Angst wachsen, und als er endlich die Trostlosigkeit seiner Lage sich nicht mehr verbergen konnte, als er es sich gestehen musste, es bleibe ihm nur die Wahl zwischen Graben und Vetteln, wie mochte es da um seinen Inneren Frieden stehen? - Doch er sucht sich ja noch zu helfen und durch einen neuen Betrug seine Lage zu sichern. Aber wenn er ihm auch gelungen wäre, würde dann sein Gewissen bei dem fortdauernden Genus der Sündenfrucht geschwiegen haben? Als er sich, aber nun entdeckt und alle seine Pläne vernichtet sah, wie hatte er da für seinen Herzensfrieden gesorgt? - So wird die Sünde stets von der Täuschung begleitet; sie greift nach Schattengebilden, sie glaubt irgend etwas Beglückendes und Zufriedenstellendes zu erlangen, und wenn er es erlangt hat, so erkennt der Sünder, dass er etwas Nichtiges gewonnen, und etwas Köstliches und Unersetzliches verloren habe. O, lasst euch warnen das Wort des Herrn: Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme Schaden an seiner Seele; oder was kann der Mensch geben, dass er seine Seele wieder löse? Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen; für kein Gut der Welt sei es uns feil, keine Not des Lebens mache uns leichtsinnig in der Sorge für Erhaltung desselben. Nur, wenn uns unser Gewissen nicht verklagt, wenn wir das Bewusstsein der Treue gegen Gottes Gebot in uns tragen, nur dann wird unser Friede groß sein, nur dann wird wahre Freudigkeit im Leben und im Sterben uns beglücken, wenn auch Sorge und Not, so lange wir leben nie ganz von uns weichen. Darum ist es weise, auch durch die größten Verlegenheiten uns keinen Schritt vom Wege der Pflicht ablenken zu lassen, denn dadurch gründen endlich wir auch für uns

4) das Heil der Ewigkeit.

Denket ihr noch an die kleinlichen Sorgen, die euch einst bewegten, als ihr noch Kinder waret? Ihr lachet jetzt über das, was euch damals als das höchste Ziel der Wünsche erschien, und was eure Seele bis in den Tod betrübte, erscheint euch jetzt kleinlich und verächtlich. So werden auch uns einst unsere irdischen Wünsche und Bestrebungen erscheinen, wenn wir zum höheren Leben gereift sein werden; so werden wir dann wohl über unsere zeitlichen Sorgen und Klagen urteilen. Und um ihretwillen wollten wir die Ruhe unserer letzten Stunde opfern? Nein, nur was in die Ewigkeit hinüberreicht ist wert, dass wir mit aller Kraft es erbauen, und was unser ewig Heil gefährdet, nur das ist wahre Not, die wir mit aller Kraft zu bekämpfen haben. Daran dachte der ungerechte Haushalter nicht; er wollte nur der zeitlichen Not entgehen; er bedachte nicht, dass die Welt vergeht, wie mit ihrer Lust, so auch mit ihrer Not, und dass nur wer den Willen Gottes tut bleibet in Ewigkeit. - Setzen wir nun auch den seinen Wünschen günstigsten Fall; nehmen wir auch an, die Schuldner des Herrn hätten ihn aufgenommen und bis an sein Lebensende versorgt ohne ihm einen Vorwurf zu machen; die Welt hätte von seinem Betrüge nichts geahnt, sein Gewissen hätte geschwiegen, er hatte also durch seine Sünde die Not besiegt, und trotz ihrer sich seine Ehre und seinen Frieden äußerlich bewahrt, hätte sein Verfahren dann ihm gute Frucht getragen? Es lebt ja noch ein Anderer, vor dem er Rechnung zu tun hatte, sein ewiger Herr, Gott! den irdischen Herrn konnte er möglicher, Weise täuschen, den himmlischen nicht; dem Urteilsspruche des irdischen Richters konnte er entfliehen - nicht aber dem des ewigen. Und wenn dieser einst ihm zurufen würde: Tue Rechnung von deinem Haushalten, welcher andere Spruch konnte ihm zu Teil werden, als der: Du bist über Wenigem nicht getreu gewesen, du kannst nicht eingehen zu meiner Freude; ich habe dich nie erkannt, weiche von mir, du Übeltäter? Die Bösen werden in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben, so spricht Jesus! Nach demselben Grundsatze werden auch wir gerichtet werden von dem, vor welchem es keine Täuschung gibt. Der Schade der Seele, wenn er auch der Welt klüglich verborgen bleibt, dort wird er offenbar, und wo ist der Balsam, der ihn heile? Dort werden die gepriesenen Glücklichen der Erde, die es wurden durch Ungerechtigkeit, erkennen, welch schlechten Lohn die Sünde bringt, und die mühselig und beladen dem Herrn aber treu waren, sie ruft er zu sich: Ich will euch erquicken! Wahrlich, was dort den ungerechten Haushalter erwartete, war viel schlimmer, als Alles, was ihm auf Erden drohen konnte und keine Buße wäre zu schwer gewesen, durch welche er es von sich hätte abwenden können. So seid denn Gott getreu, meine Geliebten, wie auch die Not dränge, wie auch die Versuchung locke, wie auch die Eitelkeit blende; seid Gott getreu und eurer Pflicht, denn sie ist Gottes Stimme. Lasst euch Alles rauben, nur nicht den Frieden eurer Seele, das Heil der Ewigkeit. Lasst Alles vergehen, nur nicht die Hoffnung auf Gottes Gnade! Seid treue Haushalter über die verschiedenen Güter, die Gott euch anvertraut. Lasst sein Gebot die unverbrüchliche Regel und Richtschnur eures Handelns sein, und müsst ihr auch entbehren, kämpfen, leiden, scheuet euch nicht diese Prüfungen zu bestehen, denn in solchen bewährt sich die Treue, und reift die Frommen für das ewige Leben. -

So wollen wir denn dem Worte Jesu Christi folgen! Er will uns zu wahren Dienern Gottes bilden, und wie er gehorsam war bis zum Tode, so scheide auch uns keine Sünde von unserem Vater im Himmel. Die Welt hat Kampf: wir streiten ihn; die Welt hat Pein: wir tragen sie; die Welt hat Not: wir dulden sie; die Welt hat Versuchung: wir überwinden sie; aber der Himmel bietet seligen Frieden, den gewinnen wir so. Dem, der uns zuruft: Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen! geloben wir:

Wie groß die Not, wir weichen nicht
Von deinen Wort, von unserer Pflicht!

Amen.

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