Köhler, Friedrich Wilhelm - Unser Fest und unser Verein ein rechtes Bethanien.
Festpredigt bei einem Jahresfeste der inneren Mission über Mark. 14, 1-9 von Kirchenrat Köhler in Schwerin.
Gott grüße euch in Christo Jesu und schenke euch viel Friede und Freude im Heiligen Geist! Er helfe uns und lasse alles wohlgelingen! Amen.
Hört nun den Text, den wir unsrer heutigen Festpredigt zu Grunde legen:
Ev. Mark. 14, 1-9.
Und nach zwei Tagen war Ostern, und die Tage der süßen Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List griffen und töteten. Sie sprachen aber: Ja nicht auf das Fest, dass nicht ein Aufruhr im Volk werde! Und da er zu Bethanien war in Simons, des Aussätzigen, Hause, und saß zu Tische, da kam ein Weib, die hatte ein Glas mit ungefälschtem und köstlichem Nardenwasser, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da waren etliche, die wurden unwillig und sprachen: Was soll doch dieser Unrat? Man könnte das Wasser mehr denn um dreihundert Groschen verkauft haben und dasselbe den Armen geben. Und murrten über sie. Jesus aber sprach: Lasst sie mit Frieden; was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie ist zuvorgekommen, meinen Leichnam zu salben zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, das sie jetzt getan hat.
Geliebte in dem Herrn! Eine ausgesuchte Gesellschaft, ein sehr erwünschtes Haus, ja eine Hütte Gottes, die sich hier auftut. Denn wohin führt uns dies Evangelium? Es führt uns nach Bethanien, jenem kleinen, aber bedeutsamen Flecken, der von den gesegneten Fußstapfen des Sohnes Gottes und von seiner gnadenreichen Einkehr so denkwürdig zeugt. Zwar im Lande selbst sind diese Spuren längst verwischt und der einst so gesegnete Ort bis auf wenige Trümmer vom Angesicht der Erde verschwunden. Aber im Gedächtnis des Himmels grünet er fort und im Buch des Lebens bleibt er aufgezeichnet, und der fromme Glaube pilgert nach wie vor dahin.
Auch wir wollen uns heute im Geiste dahin versetzen und Einkehr halten. Ihr habt mich ja gerufen, ein Genosse eures Festes zu sein und euch zugleich eine brüderliche Handreichung dabei zu tun aus Gottes Wort. Da will ich nicht leugnen, dass ich aus mir selber nicht die Freudigkeit gehabt, diesem Rufe zu folgen, sondern ich hab's mir erst vom Herrn müssen erbitten und bin ihn dringend angegangen, er möge mir aus seiner Fülle schenken, was zur Stärkung unsers gemeinsamen Glaubens und zur Förderung des Werkes, das wir treiben, dienlich und erbaulich sei. So nehmt denn auch in Einfalt aus des Herrn Hand wieder, was er mir zuvor gegeben hat.
Kommt, wir wollen zusammen zum Herrn gehen, dass dies unser Fest und dieser Verein ein rechtes Bethanien sei.
Ein Bethanien, wo wir
damit von
1. mit dem Herrn zu Tische sitzen,
2. unser Salbgefäß über ihn ausgießen,
dem Geruch der Salbe das ganze Haus dufte! Das walte Gott!
1.
Wir sind also in Bethanien; Bethanien aber heißt Haus der Angst, Elendshaus. Und Elendshäuser sind alle Häuser auf Erden, und die ganze Welt ein großes, weites Tränenhaus. Mit Weinen kommen wir herein, mit Weinen ziehen wir aus, und solange wir darin sind, bauen wir das Elend in dem Lande der Fremde. Es kann nicht anders sein, denn wir sind Kinder derer, die durch ihren Abfall aus dem Paradiese vertrieben, ihre Heimat in Gott mit dem verfluchten Acker haben vertauschen müssen. Die Sünde ist die Mutter des Elends und der Tod der Sünden Sold. Zwischen diese beiden Gewalten eingeklemmt muss uns wohl aller Mut vergehen, dass wir zum Lachen sprechen: Du bist toll! und zur Freude: Was machst du? Dass es ein elend jämmerlich Ding ist um aller Menschenleben von der Wiege bis ins Grab. Ja wahrlich, das ist es und das bleibt es auch, bleibt's in Hütten und Palästen, in Städten und Dörfern, bei den weltmüden wie bei den weltlustigen Leuten, in Lumpen und in weichen Kleidern ein glänzendes oder ein schreiendes Elend, das bleibt's bis sie ihn gefunden haben, ihn, den Hochgelobten, Eingeborenen aus des Vaters Schoß, der gekommen ist, die Kinder der Fremde aufzusuchen und sie wieder heimzubringen in des Vaters Haus. Von da an wendet es sich. Wo man ihn kennt, Jesum glaubt und lieb hat, da wird das Elend ein getröstetes und die Angst eine überwundene, und die Tränen werden abgewischt, abgewischt von den Augen aller, die sie in seinen Schoß und an sein Herz hinweinen, die als Mühselige und Beladene zu ihm kommen und lassen sich erquicken.
Nun solche erquickte, durch ihn begnadigte und erlöste Seelen finden wir hier beisammen. Sie haben ihn in ihrer Mitte, sie sitzen mit ihm zu Tische, am sabbatlichen Abendmahl um ihn versammelt. Und wir wissen auch, wer sie sind und wie sie heißen. Da ist Simon der Aussätzige, Lazarus der Verstorbene, Martha und Maria, die beiden Schwestern samt seinen Jüngern. Simon der Aussätzige, ja so hieß er, ehe er Jesum fand und das „sei gereinigt“ über ihn gesprochen ward; aber so heißt er noch und so will er in Ewigkeit heißen; denn er will's dem Herrn nie vergessen, will's allen Geschlechtern verkündigt haben, was Großes er an ihm getan! - Und Lazarus heißt der Verstorbene in demselbigen Sinne. Den sie als Toten beweint, den sie mit blutendem Herzen ins Grab gelegt, ja mit Schaudern der Verwesung schon hatten zum Raube werden sehen: den hat sein allmächtiges „Komm heraus!“ ins Land der Lebendigen zurückgerufen, der Umarmung der Liebe zurückgegeben und er hat sich selbst damit öffentlich vor allem Volk als den Fürsten des Lebens erwiesen, der das Land der Toten stürzet. Da sitzen sie nun beisammen: der Erweckte neben seinem Erwecker, der von Krankheit Genesene neben dem Arzte Leibes und der Seele als zwei Trophäen seiner Heilandsmacht, als laute Herolde seines Ruhms.
Und dieses Ruhmes voll ist auch das Herz der beiden Schwestern; sie, die schon zuvor sein Heil erkannt und seine suchende Hirtenliebe erfahren haben, sind nun in heißem Dank für die Errettung ihres Bruders unauflöslich an ihn gebunden!
So sind's denn lauter Zeugen seiner Heilandsschaft, die ihn umgeben, Gefäße der Ehren, die er sich zugerichtet, aus denen er etwas gemacht hat zum Lobe seiner herrlichen Gnade. Erwählte Freunde, Haus- und Tischgenossen des Sohnes Gottes.
O, welch ein Kreis! und welch eine Stille in diesem Kreise, welch selige Ruhe und sabbatlicher Friede über sie ausgegossen! - Draußen um sie her tobt und stürmt es und türmt sich zu einem erschreckenden Unwetter auf; denn da ist die Bosheit wach und die ganze Hölle los, Lüge und Mord halten ihren Rat, wie sie ihn mit List greifen und töten und Lazarum zugleich umbringen und alles hinaustun wollen, was sich zu ihm hält. Er aber sitzt ruhig in der Mitten und hält Rast bei seinen Freunden. Er weiß es ja, niemand nimmt sein Leben von ihm, sondern er lässt es von ihm selber, frei und ungezwungen, nach seines Vaters Rat. In diesen Rat des Vaters ganz versenkt und an des Vaters Herzen ruhend, kann keine Angst, kein Sturm der Welt ihn schrecken, kann auch keine Hölle den Frieden derer stören, die um ihn sind. Wie ein Strom der Erquickung geht sein Frieden auf sie über und macht ihre Seele stille, dass sie wie unter dem Schirm des Höchsten ruhen und unter dem Schatten des Allmächtigen weilen. Aller Blicke auf ihn gerichtet, alle hängend an seinen Lippen, und von der süßen Rede seines Mundes und den Kräften der zukünftigen Welt ihr Herz so voll und erquickt, dass sie über sich selbst hinausgehoben wie auf seliger Höhe schweben.
Ist es nicht wie ein Vorgeschmack des Himmels, ein Vorspiel jener seligen Zeit, davon der Herr alsbald zu seinen Jüngern sagte, dass sie dereinst an seinem Tische sitzen und mit ihm essen und trinken würden in seines Vaters Reich?!
O, wer wäre nicht gerne dabei gewesen und hätte an ihrer Seite miterfahren und mitempfunden, was durch ihre Seele ging! Aber sind wir nicht längst schon im Geiste bei ihnen und nach dem Zuge des Herzens zu ihnen entrückt? Wo könnten wir nach der Gemeinschaft der Gnade und der Verwandtschaft der Seelen, die uns verknüpft, wohl anders sein als dort? Meine Lieben, wenn ich die Geschichte eures Herzens kennte und ihr die meine, die innere Glaubens- und Heilsgeschichte; wenn wir gegenseitig voneinander wüssten, was wir gewesen sind ohne Jesu, und nun geworden durch seine Gnade; wie er, der gute Hirte auch uns gesucht und gefunden! wie sein Heilandsblick uns getroffen, sein Heilandsarm uns ergriffen, aus was für Jammer und Tränen er uns herausgerissen; wenn wir das alles recht gegenwärtig hätten und sollten's in einen Namen fassen, den wir ihm zu Ehren trügen: würden wir wohl viel anders heißen, als Simon der Aussätzige und Lazarus der Verstorbene? Zwar mit leiblichem Aussah sind wir nicht geplagt gewesen und in Banden des Grabes haben wir nicht gelegen aber was für Schande an unsrer Seele und Wunden und Eiterbeulen am inwendigen Menschen, die er gewaschen, und Brandmale am Gewissen, die er gelöscht, und Bande des Satans, die er uns ausgezogen; wie gar tot und begraben in Sünden auch wir dagelegen, dass nur sein allmächtiges: Komm heraus! auch uns konnte lebendig machen und bis diese Stunde am Leben erhalten, würden wir's nicht mit lautem Dank ihm bezeugen und mit unserm Namen verbürgen und aus einem Munde rufen:
Was wär' ich ohne dich gewesen?
Was würd' ich ohne dich noch sein?
Zu tausend Qualen auserlesen
Ständ ich in dieser Welt allein;
Nichts wüsst' ich ehrlich, was ich liebte,
Die Zukunft wär' ein dunkler Schlund,
Und wenn mein Herz sich recht betrübte,
Wem tät' ich meine Sorge kund?
Da kam ein Heiland, ein Befreier,
Ein Menschensohn voll Lieb und Macht,
Und hat ein immerwährend Feuer
In meiner Seele angefacht.
Wir sehn in ihm den Himmel offen
Als unser rechtes Vaterland,
Wir können glauben nun und hoffen,
Wir wissen uns mit Gott verwandt. 1)
O, so fass dich einmal in diesem deinem Gnadenstande recht zusammen und versenke dich darin! Fühle dich als solch Erlöster des Herrn und ruhe selig aus zu seinen Füßen! Lass den Trost seiner Nähe, die Erquickung seines Angesichts, lass den Liebesodem seines Geistes recht warm durch deine Seele ziehen - und dann ja dann schaue aus dieser Liebesumarmung hinüber in die öden, leeren Herzen, die ihn nicht kennen, in die Häuser, die ihm verschlossen sind, in die weiten, wüsten Strecken, dahin kein Lichtstrahl seiner Gnade dringet. Siehe das Elend der Vielen, ach wie vielen, die entweder nie zu ihm gekommen oder bald wieder von ihm abgekommen, nun dahingehen in dem Irrtum ihres Weges, in der heimatlosen Fremde und keinen Gott, keinen Heiland haben. Keinen Heiland! Heilandslos! o, fasst du den Jammer, der in diesem Worte liegt? Vaterlos, mutterlos, Bruderlos: wie viel Herzeleid liegt schon in diesen Worten! Aber sie verlieren ihren Stachel, sie werden erträglich gegen das unerträgliche Wehe dieses einen Wortes: Heilandslos. Wunden, und keiner, der sie heilt; Tränen, und niemand, der sie trocknet; Sünden ohne Zahl, ein Gewissen voller Schuld und Brandmal, und kein Blut der Versöhnung, das für sie schreit; dem Tode, dem Grabe, der Ewigkeit entgegengehen und Schritt für Schritt ihnen näher kommen, und kein Licht von oben, das des Todes Nacht durchbricht und die Schrecken der Ewigkeit in Friede und Freude wandelt o, namenloses Weh! und da am namenlosesten, wo man in stumpfer Seele das alles gar nicht mehr fühlt, sondern durch Betrug der Sünde das Gewissen erwürgt und den Schrei nach Erlösung erstickt hat, und nun mit verbundenen Augen am Abgrund taumelt.
O, jammert's dich nicht in ihre Seele hinein und treibt dich mit Liebesgewalt, ihnen die Bruderhand zu reichen und den Brudergruß zu bringen, und in dem seligen Bewusstsein des Glücks, das du genießt, sie zu bitten, wohl mit Tränen zu bitten: „Kehre wieder, Bruder! Komme mit mir, mein Bruder! Wir wollen zusammen zum Herrn gehen, dass wir miteinander an seinem Tische sitzen und an seinem Herzen ruhen!“
Wenn davon nichts in uns wäre, nichts von solchem Mitleid und suchendem Erbarmen in unserm Herzen wohnte, mir müsste bange werden; ich müsste mit Schrecken an den Bruder des verlorenen Sohnes denken, jenen Unhold, der allezeit bei dem Vater war, Tag für Tag an des Vaters Tische saß, und doch nie, nie mit Wehmut nach dem Platze blickte, der von dem Bruder leer war, nie kein Vermissen seines Bruders, kein Mitleid mit seinem Elend fühlte. Wir hätten den Namen, dass wir lebten und wären doch tot, hätten uns um unsern eigenen Gnadenstand schmählich betrogen.
Nein, man kann nicht in Gnaden sein, kann sich in Wahrheit nicht Gottes seines Heilandes rühmen, wenn man die noch Unbegnadigten, Heilandslosen nicht mit Schmerzen sucht; die Freude am eigenen Gnadenstande und die Liebe zu den Brüdern fordern es unabweislich. Darum lasst uns nie mit dem Herrn zu Tische sitzen und solch seliger Tischgemeinschaft uns freuen, ohne mit Schmerz nach den Plätzen zu blicken, die noch leer und unbesetzt sind. Das ist das Erste, was uns zu unserm Werke treiben muss: Die Freude am eigenen Gnadenstande und die Liebe zu den Brüdern.
2.
Aber das nicht allein, sondern damit unsere Freude am Gnadenstande frisch und lebendig bleibe und der Brunnen unsrer brüderlichen Liebe nicht versiege, müssen wir noch tiefer graben und höher greifen; so muss die Liebe zu dem Herrn selbst und seine Ehre der tiefste Beweggrund und das seligste Ziel unsers Werkes sein, so muss das Verlangen, ihn, den Herrn, zu preisen, zu verherrlichen, ihn der ganzen Welt vorgestellt und alles ihm zu Füßen gelegt zu sehen, unser ganzes Herz erfüllen.
Wie? das lernen wir weiter von Maria in Bethanien. Alle, die hier mit Christo zu Tische sitzen, sind beflissen, ihn zu ehren und um seinen Dienst bemüht. Aber den schönsten Dienst tut ihm Maria. Sie hat das Geheimnis dieser Stunde am tiefsten erfasst und hat dem, was in der Seele des Herrn vorging und ihr eignes Herz bewegte, den sinnvollsten Ausdruck verliehen. Sie ahnt es wohl, dass sie den Herrn so wie jetzt nicht lange mehr haben wird. Der aufs äußerste gestiegene Hass der Feinde und die immer herrlicher sich entfaltende Liebe Jesu selber machen's ihr fühlbar, dass die Welt der Sünder diesen Einzigen nicht tragen, nicht leben lassen wird, und dass seine Liebe, die nicht zurückgehen kann, dann das Äußerste erdulden, ja sich noch zu Tode für sie bluten wird. Da achtet sie denn solcher Liebe zum Preise nichts zu teuer, was sie ihm nicht opfern möchte. Könnte sie Himmel und Erde in einen Tropfen fassen und über ihn ausgießen, sie täte es; so nimmt sie denn wenigstens das Beste, was sie hat, ein Glas mit köstlichem, ungefälschtem Nardenöl, wohl ein mütterliches Erbe, ein seit lange aufbewahrter Hausschah, oder ein Liebesaufwand zum Begräbnis ihres Bruders, wobei sie ihre letzte Habe eingesetzt damit will sie den ehren, der ihr den Bruder wiedergab, ach, dem sie mehr als einen Bruder, dem sie ihr ganzes Heil, ihr ein und alles verdankte. So tritt sie denn von hinten herzu, sein Haupt zu salben; und damit der Inhalt des Gefäßes sich ungehemmt ergieße, zerbricht sie das enge Glas und schüttet so die Salbe über ihn aus, dass sie vom Haupt herab bis auf die Füße fließt; und zu seinen Füßen niederkniend trocknet sie dieselben mit ihren Haaren ab.
Welch ein Herzenserguss! welch Überströmen von Freude und Dank, von ehrfurchtsvoller Scheu und Anbetung, von inniger Liebe und Hingebung tut sich darin kund! Ist es nicht, als ob sie mit dem zerbrochenen Gefäß ihr ganz zerbrochenes Herz und mit der Salbe selbst das ganze Liebesleben ihrer Seele, wie sie's von ihm empfangen, so auch wieder gegen ihn ergießen wollte; als spräche sie, wie's in dem Liede heißt:
„Mein Lebetage will ich dich
Aus meinem Sinn nicht lassen;
Dich will ich stets gleich wie du mich
Mit Liebesarmen fassen;
Du sollst sein meines Herzens Licht,
Und wenn mein Herz in Stücken bricht,
Sollst du mein Herze bleiben.
Ich will mich dir, mein höchster Ruhm,
Hiemit zu deinem Eigentum
Beständiglich verschreiben.“ 2)
O, das, meine Freunde, dies völlige und ungeteilte Sichhingeben und Hingeworfensein auf ihn, dies aufrichtige, mit aller Inbrunst des Glaubens und der Liebe umfangen des Herrn, dies wahrhaft persönliche Verhältnis zu der Person des Herrn: das ist die lebendige Kraft und der eigentliche Herzschlag des ganzen Christentums, von wo alle Segnungen nach allen Seiten sich ergießen, wo alle heilsame Lehre und Erkenntnis ruht, von wo alles christliche Leben, Tugenden und guten Werke ausgehen, das innerste Herz und der wahre Brautschmuck der Kirche Jesu Christi. Das sei denn auch euer Schmuck, das geistliche Band, das euren Verein umschlingt, die köstliche Narde, davon alle Vereinstätigkeit duftet. Von Christo her, zu Christo hin muss alles gemeint sein und alles geschehen.
So will's der Herr selber, wenn er sagt: „sie hat ein gutes Werk an mir getan.“ Hört ihr wohl: „an mir“, das gibt Macht und Gewicht und den ganzen Wert des Tuns anheim. Es gibt kein Werk, das an sich gut und in sich selber Gott gefällig wäre, sondern ihm getan, ihm nicht getan, das ist's, was in höchster Instanz entscheidet. Wie wir selber nur gut sind und gut bleiben können, wenn wir mit ihm, dem allein Guten, in persönlicher Gemeinschaft stehen, so ist auch unser Werk nur dann gut und wohlgefällig, wenn's um ihn beflissen und auf ihn gerichtet ist.
Wollt ihr das wahrhaft Wohltuende solchen Werks erkennen und den warmen Herzschlag fühlen: so achtet auf die Deutung, die der Herr ihm gibt. „Dass sie dies Wasser hat auf meinen Leib gegossen, hat sie getan, dass man mich begraben wird, sie ist zuvorgekommen, meinen Leichnam zu salben.“ Da verknüpft der Herr nicht nur diese Salbung unmittelbar mit seinem Leiden und Sterben und deutet's auf die Marter, die ihn bis ins Grab versenkte; sondern wir hören's wohl heraus, dass sie ihm auch für diesen schweren Leidensweg eine rechte Erquickung und wahre Herzensstärkung gewesen; dass sie die Willigkeit, den bitteren Kelch für uns zu trinken, neu in ihm entzündet hat.
Ja, wenn er diese Salbung sogar mit der Verkündigung seines Evangeliums in aller Welt verknüpfet: ist sie ihm da nicht offenbar auch eine Weissagung geworden auf seinen Leidenssieg, eine Bürgschaft, dass seine Arbeit nicht vergeblich bleiben, sondern dass er Herzen haben werde, die auch am Kreuze nicht an ihm irre werden, sondern bis in Tod und Grab sich nach ihm sehnen, in denen darum auch sein Leben Gestalt gewinnen und sein Heil sich auswirken werde in der Welt?
Solche zuvor empfundene Siegesfreude und seligen Vorschmack seiner Leidensfrucht hat Mariens Salbung ihm gewährt. Sie war ein ihm vom himmlischen Vater selbst dargereichter Labetrank, der seine mit Bitterkeit getränkte Seele erfrischen und Herz und Haupt zu neuer Leidensfreudigkeit erheben sollte.
Und solche Erquickung können auch wir, auch heute noch dem Herrn persönlich gewähren.
Zwar das Kreuz liegt hinter ihm und ist längst zur Krone geworden; der blutige Freitag hat sich zum hellen Ostertag gewendet, in dessen seligem Lichte wir nun wandeln und fröhlich unsere Straße ziehen. Aber wandeln sie alle mit uns? Preisen ihn alle als den Auferstandenen, Ewiglebendigen, der, nachdem er Tod und Hölle besiegt, nun den Odem seines Geistes wie Frühlingsodem auslässt in die Welt, alles Erstorbene zu erwecken?
Ach, wie viele haben dies selige Osterlicht nie geschaut, oder ihm mutwillig den Rücken gewandt und werfen den Herrn auch heute noch zu den Toten! Ja, sie wollen ihn durchaus tot haben und mit Gewalt im Grabe halten, und ärgern sich darum an jedem Zeugnis, das von seinem Leben Kunde gibt, ärgern sich an jedem Liebeserweis in Wort und Werk, aus dem sie seine Auferstehungsluft wittern, gleichwie Judas hier sich ärgerte, als ihm der Duft der Salbe entgegenstieg. Sie gehen abermals darauf aus, ihn zu greifen und zu binden und mit allem aufzuräumen, was an ihn gemahnt, damit es endlich stille werde im Lande, stille von diesem gewaltigen Zeugen der Wahrheit, der ihr Gewissen schlägt, ihre bösen Werke straft und ihnen Zaum und Gebiss ins Maul legt, dass sie die Welt nicht nach ihrem Sinne umgestalten und diejenige wüste Ordnung der Dinge aufrichten können, die sie in ihrem wahnsinnigen Gottes- und Menschenhass sich erträumt haben.
O, meint ihr, dass ihn das nicht betrübe, sein Herz nicht kränke, seiner gekreuzigten Liebe nicht wehe tue, wenn er so sehen muss, wie sie sein Werk ihm verderben, sein Opfer schmähen und den Lohn seiner Schmerzen ihm rauben an den Seelen, die er sich erkauft hat? Und dass es ihm darum auch eine persönliche Freude und Herzenserquickung ist, wenn wir nun umso dichter an seine Seite treten, um so freudiger und lauter von ihm Zeugnis geben und mit dem Tatbeweis der Liebeswerke, wozu er uns rüstet, den Blinden die Augen öffnen, den Bösen wehren, die Schwachen stärken, den Verführern Widerstand tun und die Gefährdeten aus ihren Schlingen erretten, und also das arme verführte Volk nötigen, sich wieder um ihn zu sammeln, den großen Hirten und Bischof aller Seelen, den Gott ausgeführt von den Toten?
Seht, da ist es nicht bloß die brüderliche Liebe, die uns willig macht zu unserm Werk; sondern da ist es der Altar selbst, wo das Feuer dieser Liebe ursprünglich brennt und an dessen Kohlen es sich immer neu entzündet, die Liebe zu Christo, zu dem Herrn selbst.
Ach, unsere Bruderliebe erkaltet bald, und das Erbarmen geht uns aus, wie eine Lampe, der's am Öl gebricht, wenn er, der Herr, nicht immerdar hinter uns steht und uns fragt: Hast du mich lieb, mich, der ich dich so unaussprechlich heiß zuvor geliebt und all mein Blut für dich verschüttet habe, willst du's mir zuliebe tun?!
Ja, wie nahe uns diese Frage tritt und wie mächtig sie uns treibe, nehmt noch eins hinzu. Wir würden der Betrübnis des Herrn nicht gerecht werden, würden wohl denken, was menschlich und nicht was göttlich ist, wenn wir mit dieser Betrübnis des Herrn zusammen nicht auch an den heiligen Zorn dächten, der in seinem Herzen wohnt; wenn wir in dem mitleidigen Hohenpriester nicht zugleich den gerechten Richter sähen, der die Welt wird richten. Ist euch nun nie der Gedanke gekommen, wie lange der Herr diese christusfeindliche und christushassende Welt noch dulden und die Gefäße des Zorns noch tragen werde, wie lange er noch werde anstehen, ehe er mit dem Donner seines Gerichts und mit den Blitzen seines Zorns dareinschlägt?
Meint ihr, er sehne sich nicht auch danach, das Reich seines Vaters aufzurichten und in seiner Herrlichkeit offenbar zu werden, um die Sehnsucht seiner Braut zu stillen, dass er wiederkomme und sie zu sich nehme und zur Hochzeit des Lammes führe?! Ja gewiss! Aber so oft dieser Gedanke in meine Seele kam, ist wohl etwas wie bräutliche Freude in mir aufgegangen, aber immer zugleich auch ein Schwert durch meine Seele gegangen; denn ich musste mich doch fragen, ob ich selber denn auch bereit und fertig sei und habe meine Lampe brennen, dass ich mit Freuden könne zu ihm eingehen! Und da ist es mir wie ein Balsam ins wunde Herz gefallen das Wort der Verheißung: „Die Geduld des Herrn achtet für eure Seligkeit“; und ich habe sie denn auch für meine Seligkeit geachtet und den Herrn gebeten: „Habe Geduld, lieber Herr, und halte noch an und warte noch! ich bitte dich um meiner Seligkeit willen und um die Seligkeit derer, die noch mögen gewonnen werden; ich will dir auch umso freudiger helfen, sie herzuzuführen, will umso ernstlicher sorgen, nicht allein zu kommen, sondern wen mitzubringen, der dich mit mir preise, will's mir recht am Herzen liegen lassen, soviel du Gnade gibst, für den Himmel zu werben, wider die Hölle zu streiten und zu erstatten, was noch fehlt an der Vollzahl der Kinder Gottes.“
Ob ich solch Gebet tun dürfe, und ob's der Herr erhört? O, wenn er die Tage der Trübsal verkürzen will um der Auserwählten willen, die zu ihm schreien Tag und Nacht; sollte er nicht auch die Tage der Geduld verlängern mögen auf die Bitte derer, die zu seiner Ehre ihre eigene Seligkeit und die Seligkeit der Brüder schaffen wollen mit Furcht und Zittern?
Siehe, da sind wir wieder dicht bei dem Herrn und unser Herz ruht ganz an seinem Herzen, selig erquickt und mit Kraft aus der Höhe angetan. Und das wird man auch an unsern Werken merken; da wird unsere ganze Liebestätigkeit recht zielbewusst und wahrhaft christlich einhergehen. Denn da wird er selber, der Herr, es sein, der, wenn auch unsichtbar und verhüllt, so doch persönlich in den Armen und Kranken, Gebundenen und Gefangenen uns begegnet, und in diesen allen, die er seine Brüder heißt, will geliebt und gesucht, gepflegt und beherbergt sein; und wir werden ihn als solchen grüßen und in demütig dienender Liebe an seines Leibes Gliedern ihm gewärtig sein. Da werden wir seinen Namen an ihrer Stirn, seine Tränen über ihrem Haupte, seine Blutstropfen an ihrer Seele hängen, seine Arme nach ihnen ausgestreckt sehen, und diese Tränen ihm zu trocknen, diesen Heilandsdurst ihm zu stillen, diesen Lohn seiner Schmerzen und seine Blutbeute an den Seelen ihm darzubringen, wird unser sehnliches Verlangen sein.
O, welche Weihe, welch himmlischer Impuls, welche Fülle von Kraft und Freudigkeit und unermüdlichem Eifer wird da unserm Werke zuströmen! Lasst es mich nur ein wenig herausstreichen!
Wir wollen uns der Armen annehmen und ihrer Not wehren. Aber da erschrickst du schon vor der großen Menge, die dich von allen Seiten umdrängen, und im Hinblick auf deine geringen Mittel sprichst du: was ist das für so viele? Und nun auch, in welchem Schmutz findest du sie oft, leiblich und sittlich in der Not verkommen; dazu trotzig, störrisch, verbittert, misstrauisch gegen die Hilfe, die du ihnen bringst, undankbar deine Güte missbrauchend. Wird dir nicht, nach etlichen Erfahrungen dieser Art die Lust vergehen, oder der Mut doch entfallen, wenn du die Armen nur als solche ansiehst und in sich selber betrachtest? Aber nun siehe Christum hinter ihnen stehen, siehe diese christuslosen und doch so christusbedürftigen Gestalten, deren Not nach ihm schreit und durch ihn kann gehoben werden, siehe ihn hinter ihnen stehen und höre ihn sagen: „Mich jammert des Volks, denn sie haben nichts zu essen, mich jammert des Volks, denn sie sind verschmachtet und verstreuet wie die Schafe, die keinen Hirten haben, und könnten doch bei mir Leben und volles Genüge finden. Ach, so rufe sie doch in meinem Namen und brich ihnen das Brot von meinem Tische und lass sie etwas schmecken von dem Heilandserbarmen, das für sie schlägt, damit ihr verbittertes Herz wieder versöhnt und ihr ungläubig Herz wieder zum Glauben und Vertrauen erweckt werde, und sie sich nur erst wieder um mich lagern, so sollen sie keinen Mangel haben, sondern gesättigt werden mit Wohlgefallen.“ O, fühlst du nicht, welch eine erquickliche, wahrhaft wohltuende Armenpflege und Armenfreundschaft das gibt!
Ich denke mich weiter in ein Krankenhaus hinein und in den Dienst der pflegenden Schwestern. Es ist doch nicht so leicht, klaffende Wunden zu verbinden, ekelhafte Geschwüre zu waschen, und vor Krebs und Cholera und all den ansteckenden Seuchen sich nicht zu fürchten. Ihr lieben Schwestern, was wird denn da euer zaghaftes Herz festigen und die zitternden Hände stärken, was euch jenen heiligen Mut geben, der allen natürlichen Ekel, Scheu und Widerwillen überwindet? Was anders, als die Liebe zum Herrn und die Lust, ihm persönlich zu dienen. Stellt euch im Geist unter das Kreuz und schaut das Haupt voll Blut und Wunden, den Leib voller Eiterbeulen, Hände und Füße durchbohrt, und nun denkt euch bei der Kreuzesabnahme beschäftigt: wie ihr ihm die Dornen von der Stirne windet, die Nägel aus Händen und Füßen ziehet, die Wunden seines Leibes waschet, die Glieder mit Leinen sanft umbindet und also den heiligen Leib bettet. O, mit welcher Inbrunst, mit welcher Hingebung, wie zart und behutsam würdet ihr das tun! Nun wohlan, so im Geiste auf ihn blickend pflegt und bettet eure Kranken als seines Leibes Glieder und ihr habt es ihm getan. Ja noch mehr, die Kranken sind oft auch gar nicht liebenswürdig, sondern unlittig, ungebärdig oder durch die Länge des Leids mürrisch und verdrossen. Was wird euch denn schützen, solchen Erfahrungen gegenüber nicht zu ermüden, euch nicht zu gleicher Unbill, zu Unmut und Härte fortreißen zu lassen? Der Ausblick zu ihm, dem allezeit Geduldigen, der sanftmütig und von Herzen demütig mit unsrer Last sich beladen und der Schwachen Gebrechlichkeit auf sich genommen und unermüdlich getragen hat. Ja, die Freude eures Herzens ihm zu gefallen und das Verlangen, die Kranken für ihn zu gewinnen und sie zur Aufnahme seines Jochs willig zu machen, das wird eure Stärke sein!
Und denke ich nun an das Suchen der Verirrten und die Rettung der Verlorenen, an das ganze Samariterwerk, das wir an Gefallenen, in Sünde und Laster Versunkenen, an verwahrlosten Kindern und verwilderten Verbrechern tun wollen: Woher nehmen wir Öl und Wein für diese Wunden, woher den Mut, dies Werk nur anzugreifen und die Hoffnung, dass es gelinge, woher bei den traurigen Misserfolgen und tausendfachen Rückfällen, die wir zu verzeichnen haben, die Ausdauer, unsere Hand nicht abzutun und das Werk nicht zu lassen?
Es ist doch nicht so leicht, sondern kostet Überwindung, einem Verkommenen in die Höhle des Lasters nachzugehen, mit einem Mörder sich in der Gefängniszelle einzuschließen und einem verlorenen Sohne, der von den Träbern der Säue herkommt, zerlumpt und zerrissen, in allen Zügen von der Sünde gezeichnet, einem solchen freundlich zu begegnen und ihn von Herzen auf- und anzunehmen. Ach, wie bald wird da unsere brüderliche Liebe zu Ende sein, wenn sie nicht von der Liebe des Herrn unterstützt, erquickt und erfüllt wird. Aber siehe auf ihn, den guten Hirten, wie er dem Verlorenen nachläuft in die Wüste und sucht, bis dass er's findet, und das Gefundene dann auf die Achsel nimmt und trägt's mit Freuden heim. Siehe ihm, dem Sohne, ins Herz und durch des Sohnes Herz ins Herz des Vaters hinein, wie er mit Sehnsucht auf die Rückkehr des Weggegangenen wartet, und da er ihn von ferne erblickt, ihm entgegenläuft, um den Hals fällt und küsst. Hör' das Gesänge und den Reigen im Vaterhause, die Harfenschläger am Throne Gottes voller Freude über einen Sünder, der Buße tut; und vergiss dabei nicht, was für Mühe und Arbeit du selbst dem Herrn gemacht hast in deinen Sünden, und welch Wunder der Gnade der Herr an dir getan, dich zur Buße und Glauben zu bringen: wahrlich, so wirst du, solch Wunder der Gnade zu preisen und den Ruhm deines Heilandes zu verkündigen, auch an dem tief Gesunkenen nicht verzagen, sondern zu seiner Rettung beflissen sein.
Das, meine Freunde, das ist das Salbgefäß, das wir über ihn ausschütten, das Opfer des Dankes, das wir ihm bringen, das einzig gute Werk, das ihm gefällt, das er bei uns sucht, und das er einst krönen wird mit dem Lobe seines Mundes. Denn wenn er wiederkommt in seiner Herrlichkeit und sitzen wird auf dem Stuhle der Herrlichkeit, so wird er sprechen zu denen zur Rechten: Ich bin hungrig gewesen sc. das habt ihr mir getan.
Haben wir des etwas schon getan; wir wollen's nicht wissen, und ob wir's noch wüssten, so wollen wir's keinem erzählen und am allerwenigsten ein Festgepränge damit treiben. Sondern in aller Stille und Einfalt, wie Maria ihre Salbung tat, so schweigend und ohne Wort, dass die Tat allein nur rede, so von allen Menschen abgewandt und um ihr Urteil unbekümmert, einzig und allein auf den Herrn blickend und ihm, dem Herzenskündiger, offenbar soll unser Werk getan sein. Mag der Unglaube der Welt sich daran ärgern, mögen manche aus unsrer eigenen Mitte bedenklich dazu sehen, wenn der Herr uns nur kennt, wenn er, der des Geistes Sinn versteht, es nur annimmt und sich's gefallen lässt.
Von Maria sagt der Herr: „Sie hat getan, was sie konnte.“ Seltenes Lob aus dem Munde dessen, der so sparsam ist im Lobe der Menschen! Wenn er das auch dir sagte, wenn solch Lob uns allen beschieden wäre auf den Tag des Herrn! - Aber wer mag in das Licht jenes Tages blickend so Großes denken und solcher Hoffnung sein?
Mir liegt wie ein lauter Mahn- und Weckerruf ein anderes Wort des Herrn im Sinn, was er dort dem Bischof zu Sardes sagt: „Ich weiß deine Werke; aber ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor Gott.“ Das schneidet durchs Herz, das schlägt mein Gewissen, das straft meine Kälte und Trägheit und hält mir die ganze Schuld meiner Versäumnis vor die Seele; das treibt in den Ernst der Buße, der Buße, die er dem Bischof dort selber ausgibt, wenn er spricht: „So bedenke nun, wie du empfangen und gehört hast und halte es. Sei wacker und stärke das andre, das sterben will. Denn so du nicht wirst wachen, werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und wirst nicht wissen, welche Stunde ich über dich kommen werde. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“
Wir wollen es hören, wollen unter die Zucht dieses Wortes uns beugen und uns selber richten, damit wir nicht gerichtet werden. Aber den Herrn wollen wir bitten: wecke uns auf, mache uns brünstig, lass deiner Liebe Glut unser kaltes Herz entzünden, dass wir wirken, solange es Tag ist, und auskaufen die Zeit der Gnade, die du noch gibst, damit wenn du offenbart wirst, wir nicht dem unnützen Knechte gleichen, der sein Pfund ins Schweißtuch wickelte, sondern unter den Treuen erfunden werden, die mit ihrem Pfunde gewuchert haben im Dienst der Liebe für dein Reich.
Ja, das soll billig nun allein
Jesu, meine Sorge sein,
Dass ich dich herzlich ich liebe;
Dass ich in dem, was dir gefällt
Und mir dein klares Wort vermeldt,
Aus Liebe mich stets übe;
Bis ich endlich werd' abscheiden
Und mit Freuden
Zu dir kommen,
Aller Trübsal ganz entnommen. 3)
Amen!