Kapff, Sixtus Carl von - Anweisung zum Beten - VI. Warnung vor gewöhnlichen Fehlern des Gebets.

Kapff, Sixtus Carl von - Anweisung zum Beten - VI. Warnung vor gewöhnlichen Fehlern des Gebets.

Es ist unglaublich, wie viele Irrtümer, falsche Meinungen, Gesinnungen und Gewohnheiten in Hinsicht des Gebets verbreitet sind. Ein Jedes hat darin einen besonderen Feind zu überwinden, ein Jedes weiß der Hauptfeind auf eine besondere Weise am Gebet als am Leben des Geistes zu verhindern. Denn nichts ist dem Teufel mehr an uns zuwider als ein rechtes Gebet, weil darin der Sieg über die Hölle, der Austritt aus der Welt und der Eingang in den Himmel liegt. Deswegen darf sich Niemand wundern, wenn das Gebet ihm schwer wird, wenn er hundertmal für eins nicht recht dazu geneigt ist, und wenn er vor, unter und nach dem Gebet viele Versuchungen zu überwinden hat. Solche Versuchungen liegen, außer den Verführungen der Sünde überhaupt, besonders auch in falschen Meinungen und Gewohnheiten des Gebets. Das Allgemeinste hier kurz zu nennen, scheint mir notwendig. Es wird gefehlt vor, in und nach dem Beten:

I. Vor dem Beten kommt in Betracht der Entschluss und die Freudigkeit zum Beten. Gewöhnliche Fehler hierin sind folgende:

1) Das Schlimmste ist, wenn du gar nicht beten magst, und deswegen das Beten aufgibst. Unsere Natur stellt immer die Regel auf: bete nicht. Denn ein rechtes Gebet ist immer ein Tod der Natur oder des alten Menschen, deswegen mögen und können viele Tausende gar nicht beten, d. h. nicht vor den heiligen GOtt treten, weil sie den Glanz seiner Herrlichkeit nicht vertragen, und den Ruf zur Buße nicht hören, sondern in ihrer Sünde bleiben wollen. Bist du daher nicht zum Beten geneigt, so wisse, dass das bloß von deiner Sünde herkommt, schiebe es nicht auf eine Missstimmung, an der du nicht Schuld seiest, sondern viel lieber auf die große Missstimmung deiner ganzen Natur durch die Sünde. Warte daher nicht, bis du zum Beten gestimmt, geneigt oder aufgelegt bist. Da könntest du oft gar lange warten, und über dem würde dein innerer Mensch einschlafen, und so sinkst du in das Elend so vieler Armen, die nicht mehr beten können. Nicht beten können! Was ist denn da anzufangen? Gehen lernt man durch Gehen, Schwimmen durch Schwimmen, Sprechen durch Sprechen und so Beten

Lernt man durch Beten. Da kommt Alles nur darauf an: willst du selig werden? Hast du ein Verlangen nach dem Himmel und also nach GOtt? Dann sage nur das zu ihm, sage ihm, wo es dir fehlt, und seufzte zu ihm: hilf mir beten. Hast du dann beten gelernt, und wirst wieder träge dazu, so zwinge dich zum Gebet. Vom Gebet gilt, was Jesus vom Himmelreich sagt: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, die reißen es zu sich. Halte an, ringe, kämpfe; in der Kraft des Glaubens an Jesum, der sich für dich geopfert hat, dringe durch die Wolken hindurch, bis dir aufgeht die Sonne der Gerechtigkeit, Du sollst ja zum geistlichen Israel gehören; Israel heißt: der mit GOtt kämpft. Jakob erhielt diesen Namen, da er nach 1 Mos. 32, 28. mit GOtt und Menschen gekämpft hatte, und war obgelegen. Und weil er sagte: Ich lasse dich nicht, du segnest mich dann, so wurde er gesegnet. So ringe und halte an, bis du im Gebet gesegnet wirst. Besonders aber bete um das Beten, um den Geist des Gebets. Wir selbst können es nicht erzwingen, wir können wohl allerhand uns vorhalten, was zum Gebet stimmt, GOttes Größe und unsere Niedrigkeit, die Herrlichkeit der Werke GOttes, und wie groß es sei, dass ein Stäublein mit seinem Schöpfer reden darf und dergleichen, aber das Wichtigste ist, dass der HErr die Verheißung an uns erfülle, die er bei Zachar. 12, 10. gibt: Über das Haus Davids und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Das kann er bei dir tun, wenn du recht Buße vor ihm tust, d. i. alle deine Sünden, auch die kleinsten zu erkennen suchst, herzlich bereuest und verabscheuest. Dann kann er dir den Geist des Gebets geben, und dann kannst du beten. Daraus fließt die Warnung vor einem weiteren Hauptfehler:

2) Glaube nicht, dass du nur als ein Heiliger, sondern wisse, dass du als bußfertiger Sünder beten darfst. Viele meinen, sie können und dürfen nicht beten, weil sie so viele Sünden und so große Schwachheit an sich zu bejammern haben. Dagegen sage ich: je mehr du dich als Sünder erkennst, desto besser kannst Du beten. Wolltest du warten, bis du heilig genug zum Beten wärst, so dürftest du nie beten. Vor GOtt dem Heiligen bist du für dich selbst ewig unwürdig; auch der heiligste Mensch hat alle seine Würdigkeit bloß aus Jesu Christo. Und an Christo haben Alle, welche recht in ihn eindringen, gleichen Anteil, in Christo also können Alle gleich kräftig und erhörlich beten, so sie nur im lebendigen Glauben stehen. Ja, wenn auch gerade eine besondere Sünde dir Fallstricke legt, wenn selbst beim Beten dir böse Gedanken, unreine Bilder und Begierden aufsteigen, so lass dich nicht verführen, als dürftest du so nicht beten. Da hast du es ja am allernötigsten. Betest du nicht gegen die Versuchung, so gibst du dich gefangen, wie ein feiger Soldat. Überhaupt ist jeder Ausschub des Gebets ein großer Verlust, eine verdoppelte Kraft der Sünde, und das Gebet ausgeschoben ist gar oft aufgehoben. Komme, wie du bist, schwinge dich aus deiner Sünde heraus in die Gerechtigkeit Christi durch die Kraft des Glaubens an seine Versöhnung, und so bete. - Deswegen sagt ein Lied:

Ihr dürft so, wie ihr seid, zum Heiland kommen,
Und kommt ihr nur, so werdet ihr angenommen.
Ihr mögt so sündig sein, so voller Schanden,
So ist ein dürstend Herz nach euch vorhanden.

Wer nur ein Sünder ist in seinem Wesen,
Und sucht aus eigener Kraft nicht zu genesen,
Und liegt zu Jesu Füßen als erstorben,
Von solchen ist kein Einziger noch verdorben.

Das mache dir Freudigkeit zum Beten. Jesus sagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

3) Frage überhaupt nicht ängstlich, ob du das Maß des Glaubens und die Stimmung habest, die dir zum Gebet nötig scheinen, sondern bete, auf welcher Stufe des geistlichen Lebens du auch stehen magst. Viele weisen nach menschlicher Systemsweise dem Gebet einen gewissen Ort auf der selbstgemachten Stufenleiter ihres Systems an, und meinen, ehe die untersten Sprossen der Leiter erstiegen seien, könne man nicht beten. Aber das Gebet ist der Boden, auf dem die ganze Leiter steht, und ist selbst die Himmelsleiter, und selbst der Himmel, zu dem die Leiter erhebt. Das Gebet ist das Leben alles Lebens, die Kraft alles Glaubens, aller Buße, aller Wiedergeburt, aller Heiligung, und wiederum ist es die Frucht des Glaubens, der Buße, der Wiedergeburt und der Heiligung.

Das geistliche Leben ist ein Zirkelleben; was im Anfang ist, das ist auch im Ende, so wie der Kreislauf der Gestirne keinen Ort hat, da man sagen könnte: das ist der Anfang, oder das ist das Ende. Alle geistigen Kräfte und Wirkungen sind ineinander, in wunderbarer Wechselwirkung, und die Kraft der Kräfte, und das Licht der Lichter ist das Leben in der Sonne der Geisterwelt, d. h. das Gebet und Gebetsleben. Deswegen bete, ob du bekehrt oder unbekehrt, gläubig oder halbgläubig bist, bete mitten aus deinem Sündenelend heraus. Das Gebet ist ja doch immer ein Sprung aus unserer Unwürdigkeit heraus in die Würdigkeit Christi, und durch sie in GOttes Erbarmen.

4) Bete nicht bloß zu gewissen Zeiten, sondern so oft, als der Geist dich treibt. Bei weitem die Meisten, welche überhaupt beten, schicken sich bloß Morgens und Abends zum Beten. Das ist aber nicht genug. Hätte es keinen Sündenfall gegeben, so wäre unser ganzes Leben eine beständige Beschäftigung mit göttlichen Dingen, ein Umgang mit GOtt, ein Gebet. Seit aber GOtt den Fluch ausgesprochen hat: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, seitdem ist der ganze Umtrieb des vielgeschäftigen Alltaglebens eingetreten, und der arme Mensch muss sich mit Vielem plagen, was nur für den Leib ist. Aber soll denn das die Hauptsache sein? Ist nicht das geistliche Leben unendlich wichtiger als das leibliche, sollte daher das geistliche nicht viel mehr Nahrung bekommen als das leibliche? Sollte man also nicht öfter beten? Der Geist GOttes mahnt dazu unsern Geist; oft heißt es im Innern: jetzt könntest du beten. Da höre auf die Stimme des Geistes, und wenn es auch nur kurze Ausblicke zu dem HErrn sind, so sind's doch Lichtaugenblicke, die dein Leben verklären. Wer den Geist umsonst rufen lässt, dem ruft er am Ende nicht mehr, und so welkt das geistliche Leben und verdorret. Ein Kranker muss alle Stunden oder alle halbe Stunden Arznei einnehmen, so gestatte deinem Geiste auch öfters Arznei. Im Lager hat man beständig Schildwachen ausgestellt gegen den Feind, so mache du es auch.

II. In dem Beten selbst kommen viele Fehler vor, die den Segen des Gebets hindern:

1) Viele beten bloß aus Büchern, nicht aus dem Herzen. Solche sind noch weit zurück, und wissen von den großen Vorrechten und Privilegien der Kinder GOttes noch keinen Gebrauch zu machen. Sie sind wie das Volk Israel, das außen im Vorhof stehen bleiben musste, und durfte nicht hineingehen in das Heiligtum. Möchtest du denn nicht viel lieber ein Priester sein, der die schönen heiligen Priestergewänder anlegen darf, und hineingehen in das prachtvolle Heiligtum, und das köstliche Räucherwerk opfern auf dem schönen goldenen Altar, und anbeten vor dem HErrn!

Wer noch gar nicht aus dem Herzen beten kann, der betet noch nicht in der Kraft des Geistes GOttes, also nicht der Geist, nicht Christus betet aus ihm, und so wird der volle Segen des Gebets ihm nicht zu Teil, wie wenn Einer bloß Predigten liest, und nicht das Wort GOttes. Das segensreichste Gebet ist ja immer das, welches nicht in Worten geschieht, sondern in heiligen Gedanken, Gefühlen und Willensregungen, welches führt zu einem innerlichen Schauen des HErrn, und lässt den Geist eingehen in seinen Ursprung, also dass er nicht auf der Erde ist, sondern im Himmel, So auf den Fittigen des Geistes sich erheben kann man nicht, wenn man nur aus einem Buche betet, oder wenn nicht wenigstens das Büchergebet zum Herzensgebet wird, wo man die Worte fahren lässt, und lässt den Geist in sich reden mit GOtt, und nach dem, das GOtt gefällt. Daher sagt Luther: „Es kommt wohl oft, dass ich in einem Stück oder Bitte (des Vater Unsers) in so reiche Gedanken Spazieren komme, dass ich die anderen sechs alle lasse anstehen. Und wenn solche reiche, gute Gedanken kommen, so soll man die andern Gebete fahren lassen, und solchen Gedanken Raum geben und mit Stille zuhören. Denn da prediget der Heilige Geist, und seiner Predigt Ein Wort ist mehr, denn unserer Gebete tausend. Und ich habe auch also oft mehr gelernt in Einem (Herzens-) Gebet, weder ich aus viel Lesen und Dichten hätte kriegen können. Darum liegt die größte Macht daran, dass sich das Herz zum Gebet Ledig und lustig mache.“

Aber als Mittel zur Erhebung, als Belebung und Auffrischung, dadurch der Geist zum Gebet gestimmt wird, auch als Hilfe zum Gebet in Stunden, wo man nicht beten kann, sind Gebetbücher nützlich, und für die Familienandacht sind sie in den meisten Fällen sogar notwendig. Daher sagt Luther: „Man soll sich an Worte halten, und an denselben aufsteigen, so lange, dass die Federn wachsen, dass man fliegen mag ohne Worte. Denn die Worte verwerfe ich nicht, soll auch Niemand verwerfen, ja mit großem Dank annehmen als sonderlich große Geistesgaben.“

Ungeübte können durch ein Gebetbuch beten lernen, nur dass sie in die Worte ihren Geist legen, und nicht bloß mit der Zunge beten. Geübte Beter aber sind öfters dürr und trocken, ohne Freudigkeit zum Gebet, dass der Brunnen, daraus es quellen soll, nicht fließt. Da nimmt man gern ein Buch, und steigt daran auf aus der Lahmheit, Verzagtheit und Dürre, und zündet mit Anderer Feuer die eigene Andacht an. Aber immer bleibe die Regel: das Büchergebet werde und führe zum innigen Herzensgebet, und der Geist bete, nicht bloß der Mund.

2) Viele bemühen sich, beim Beten besondere Worte zu machen, und Mancher ist schüchtern, weil er nicht die rechten, würdigen und gutgestellten Worte finden. könne. Dagegen gilt, dass das Gebet desto besser ist, je einfältiger es ist. Ein Kind besinnt sich nicht lange, wie es den. Vater bitten wolle, es sagt die Worte, wie sie kommen; so mache es auch. Wer nicht betet als ein Kind, der findet auch den Vater nicht. GOtt sieht auf das Herz, nicht auf die Worte. Meinst du, er habe Gefallen an den Anreden, da man ihm allerlei erzählt, ihm sagt, was er sei und was er nicht sei, und ihm etwas anwünscht, aber nicht betet?

Ein einziger Seufzer und Hilferuf ist ihm lieber als alle noch so prächtigen Anreden und Predigten. Und wenn du deine Bitten auch immer mit einerlei Worten vorträgst, so hört er es doch gerne, Jesus hat ja am Ölberg auch dreimal in denselben Worten gebetet. Darum lass alles verstellte, verzwungene, erkünstelte Wesen fahren und rufe aus kindlichem Herzen, wie es dir gerade ist, und was du gerade wünschest.

3) Bete nicht bloß um das Kleine, um leibliche Güter, sondern bete am ersten um das Reich GOttes und um seine Gerechtigkeit, um den heiligen Geist, Vergebung der Sünden und alle Tugenden und Güter des Reichs GOttes, ja um den ganzen Himmel mit allen seinen Seligkeiten. Je Größeres du im Glauben Jesu Christi betest, desto größere Ehre tust du dem Allerhöchsten an, je Geringeres du betest, desto mehr unehrest du die allmächtige Majestät dessen, der in Christo Alles geben will, und bist wie ein Bettler, der vom Kaiser eine Gnade ausbitten darf, welche er will, und bittet bloß um ein Stück Brot. Der seines eingeborenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken! Darum bete um Alles.

4) Bete aber auch nicht bloß um das Große, sondern auch um das Kleine, halte das Kleine nicht für GOttes unwürdig, and wenn dir nur ein Stückchen Brot fehlt, so bete darum. Der dem Vieh sein Futter gibt und den jungen Raben, die ihn anrufen, sollte der nicht auch auf deine kleinsten Bedürfnisse merken? Vor dem alle Haare deines Hauptes gezählt sind, sollte der nicht um das Kleine sich bitten lassen? Dann erst ist er unser GOtt und unser Trost, wenn er auch die kleinste Not sieht, und wenn man ihm Alles sagen und um Alles bitten kann. Der vornehme GOtt so vieler Menschen, dem man bloß das Allgemeinste und Größte vorträgt, ist uns viel zu fern. Jesus hat ja auch alle Kleinigkeiten des Lebens durchgemacht, und trägt so auch unsere kleinsten Bedürfnisse auf seinem hohepriesterlichen Herzen.

5) Schreibe aber GOtt nichts vor. Zeit, Ort, Maß, Art und Weise und Werkzeuge der Hilfe sind allein seine Sachen, worüber du bloß zu sagen hast: dein Wille geschehe; deinen Wunsch kannst du zwar bestimmt ausdrücken, aber nur so, dass dem HErrn Alles überlassen bleibt. Unendlich wichtiger als alle anderen Gebetserhörungen ist ja die Erhörung des Gebets, dass doch GOttes Wille ganz unser Wille sei. GOttes Wille kann ja nie etwas Böses, Ungeschicktes, Schädliches tun, darum lass doch ihn nur walten, er ist ein weiser Fürst, er wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst.

6) Bete nicht bloß für dich, sondern für alle Menschen. Sonst nimmst du in das Heiligtum GOttes denselben Eigennutz und Selbstsucht mit dir, die dir im übrigen Leben so übel anstehen, und die der HErr in seinem Reich nicht dulden kann. So wenig du bloß dich selbst lieben darfst, so wenig darfst du bloß für dich selbst beten. Und Liebe, also auch Fürbitte, bist du nicht allein deinen Freunden, sondern auch deinen Feinden und allen Menschen schuldig. Jesus sagt: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, bittet für, die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel, des Vaters, der seine Sonne lässt aufgehen über die Bösen und über die Guten, und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Ahmst du ihm nach? Du schimpfst über die Bösen und Ungerechten, du wirst nicht müde, zu richten und abzuurteilen, und meinst, es sei nicht zu ertragen, möchtest Feuer vom Himmel herabrufen auf viele tausend Erscheinungen. und Menschen, die dir nicht gefallen. Wozu solcher Feuereifer? Hüte dich, dass er dich nicht verzehre, gegen die Welt abschließe und selbst zu Fall bringe. Du bist ja auch noch kein Heiliger, lass zuerst alles Unheilige an dir aufgehen in den Flammen. Für das Übrige aber lehre dich Jesus, auf priesterlichem Herzen zu tragen Alles, was dir widrig ist.

Beten ist unendlich besser als Schmähen. Schmähen raubt den Frieden außer und in dir, Fürbitte gibt dir Ruhe der Seele, Hoffnung in GOtt, und Kraft, ein Segen zu werden für Alles, wofür du betest, während das Schmähen und Richten ein völlig unnützer Zorn ohne Kraft, ein Feuer ohne Wärme ist. Was ist besser, der Donner, der dich schreckt, und der Blitz, der verderbt, oder der fruchtbare Regen, der die Fluren erquickt? So ist Fürbitte besser als schmähen. GOtt hat ja auch Geduld mit den Ungläubigen, Unbekehrten, mit seinen Feinden. Was sieht er täglich, welche furchtbare Masse von Sünden? und wie langmütig schont er! Willst du heiliger sein als er, und ein Richter über sein Gericht? Bedenke, welches Geistes Kind du sein sollst und bete für Alle, auch für die Bösen, auch für deine Feinde. Fürbitte gibt eine Macht über Andere, und ein ernstlicher Beter für die Welt beherrscht die Welt, daher Paulus sagt: Alles ist Euer. Besonders bete für König und Obrigkeit, dann wirst du nicht in das Schmähen, nicht in die verderbliche Unzufriedenheit, nicht in den sträflichen Ungehorsam fortgerissen werden. Ein betendes, fürbittendes Volk hätte unendlich mehr Gewalt als ein sich empörendes oder ein schmähendes Volk, und fleißige Gebete der Gemeinden und Völker würden bald die bessere Zeit herbeiführen, die der oft so tätige politische Geist mit allen seinen guten. oder schlechten Bestrebungen nicht erzwingen wird, weil Jesus gesagt hat: Ohne mich könnet ihr nichts tun. Bete aber nicht bloß für dein Land, sondern gehe weiter, auch zu den fernen Ländern der Heiden, und bete, dass überall das Reich GOttes komme.

Des ist etwas Königliches um einen Priester, der so die Menschheit auf seinem Herzen trägt, besonders wenn er über die Sünden der Menschheit als über die seinen seufzt, wie Christus unsern Fluch auf sich genommen hat.

So kann man die Sünde hassen, aber den Sünder lieben.

Man glaubt nicht, welche Macht des Geistes das gibt, wenn wir die Sünden Anderer, namentlich solche, unter denen wir zu leiden haben, auf uns nehmen und uns darüber demütigen. So bereiten wir uns zu der hohen Würde, wozu Jesus uns gesalbt hat, zur Würde der Priester und Könige auf Erden. (Offenb. 1, 6.)

7) Bete nicht immer allein, sondern außer dem Familiengebet suche auch Gebetsgemeinschaft mit Einem oder zweien Brüdern. Gemeinschaft der Heiligen ist das Merkmal der wahren Kirche; ohne Gemeinschaft ist kein lebendiges Christentum, und welcher Segen auf der Gebetsgemeinschaft liegt, sagt Jesus Matth. 18, 19. 20.: Wo Zwei unter euch Eins werden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen wiederfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo Zween oder Drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

So wenig die Hand oder der Fuß für sich allein bestehen kann, eben so wenig ein Christ für sich allein, sondern nur in der Einheit mit dem Leibe liegt das volle Leben, und der Leib ist die Gemeine, deren Haupt ist Christus.

Besonders wenn du zum Gebet träg bist oder wenn eine besondere Sünde dich hindert und drückt, so stehe zusammen mit einem Bruder, offenbare dich ihm, beichte ihm, bete mit ihm. Zwei sind in der Kraft Christi stärker gegen den Feind als Einer.

Was aber das Gebet einer Gemeine Christi wirke, sagt der Kirchenvater Chrysostomus in dem starken Wort: Es ist unmöglich, dass GOtt einer ganzen Gemeine etwas abschlagen könne.

8) Einer der schlimmsten Fehler ist der, dass so Viele gar nicht zum rechten Gott zu beten wissen, nämlich zum dreieinigen GOtt. Der GOtt, für den man ebenso gut Vorsehung, Schicksal, Himmel oder Natur sagen kann, ist nicht der lebendige Gott. Nur im Sohn haben wir den Vater und nur durch den Geist. Deswegen ist das Gebet nur dann rechter Art, wenn es GOtt anruft als den dreieinigen, oder den Vater im Sohn, und den Vater und den Sohn durch den Geist.

III. Nach dem Beten werden ebenfalls oft große Fehler gemacht.

1) Gewöhnlich wird der Segen des Gebets bloß nach Gefühlen gemessen. Das ist aber ebenso falsch, wie wenn man das geistige Leben überhaupt nach Gefühlen beurteilt. Ein bloßes Gefühlsleben ist ein schwächliches, unwirksames Leben, Wolken, die keinen Regen geben, Rauch, der schnell verfliegt. Glauben sollen wir, und der Glaube macht selig, nicht das Gefühl. Selig sind, die nicht sehen und nicht fühlen, und doch glauben. Nicht in uns liegt der Segen des Gebets oder die Ursache des Segens, sondern allein in GOtt und in seiner Verheißung. Und wer im Glauben betet, dem gilt die Verheißung, mag er es augenblicklich fühlen oder nicht.

2) Aus der Überschätzung des Gefühlswesens fließt, dass man glaubt, mit dem Beten habe man etwas Großes getan, habe seine Pflichten gegen. GOtt erfüllt, oder gar einen Dienst erwiesen. Aber seht ihr's denn als einen Dienst an, den ein Bettler euch erweise, wenn er euch um ein Almosen bittet? Oder wenn ein Mensch euch aus großer Not errettet hat, und ihr habt eine Freude darüber, ist solches Gefühl ein Dienst, den ihr ihm tut? Das Beten ist nichts Verdienstliches von unserer Seite, sondern bloß von Seiten des HErrn. Christo allein kommt das Verdienst unseres Betens zu, Christus verdient in Ewigkeit Dank, dass wir beten dürfen, und GOtt, dass er hört auf so elende Kreaturen, wie wir sind. Die Erlaubnis, beten zu dürfen, ist die größte Gnadenwohltat, die wir von GOtt haben, und so wie ein niedriger Untertan, der vor seinen König treten und bei ihm Hilfe suchen darf, es nicht für ein Verdienst, sondern für eine große Gnade hält, so müssen wir unser Gebet ansehen.

Eine Arbeit ist das Gebet freilich, und ich glaube, es ist die größte Arbeit, das wichtigste Geschäft und das erfolgreichste Wirken, ja auch eine manchmal anstrengende Anspannung aller Geisteskräfte, aber deswegen hat man mit dem Gebet doch keineswegs das Seine getan, noch ist es irgend verdienstlich, so wenig, als wenn ein Mensch arbeitet, um zu essen, und isst, um zu leben.

3) Gebet ohne Gebetsleben ist Heuchelei. Nicht das ist der frömmste Christ, der am meisten betet, sondern der, dessen Gebet am kräftigsten wirkt zu einem heiligen Lebenswandel. Nicht der ist der Beste, der den Willen GOttes sich am fleißigsten vorhält, sondern der, der ihn am fleißigsten tut. Jesus sagt Matth. 7, 21.: Es werden nicht Alle, die zu. mir sagen: HErr, HErr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Leider setzen jetzt Viele ihr Christentum bloß ins Beten, und sehen um deswillen auf Andere herab. Aber wer viel betet und wenig tut, ist viel schlechter, als wer weniger betet und viel tut, denn ein Gebet, das nichts wirkt, ist kein wahres.

4) Viele wollen sogleich Erhörung sehen, und glauben, wenn sie nicht alsbald Erhörung sehen oder spüren, ihr Gebet sei vergeblich gewesen. Solche Ungeduld ist ein Beweis, dass GOttes Wille noch nicht ihr Wille ist, dass sie also noch nicht im Namen Jesu, also nicht auf die rechte Weise beten. Wer recht betet, dem wird die Erhörung im Geistlichen immer, im Leiblichen entweder gleich oder bald oder es wird ihm etwas viel Besseres zu Teil. Deswegen: haltet an am Gebet. Anhalten schafft Aushalten, Aushalten hilft zum Erhalten. Abraham musste 25 Jahre auf Isaak warten. Aber dann erwies sich an ihm das Wort: Wenn ihr stille bliebt, so würde euch geholfen. Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein.

Wer aber noch nicht recht beten kann, weil er kein Glied am Leibe Jesu ist, der wisse, dass er aus und in sich selbst vor GOtt nichts als Fluchwürdiges hat, weil alle Gebets- und Erhörungswürdigkeit ganz allein in JEsu Christo liegt. Ein solcher bitte also vor allen Dingen um Buße, Glauben und Leben in Christo. Und dieses Gebet, wenn es aus tiefer Demut und Heilsbegierde fließt, wird immer erhört. Ein großer Fehler ist aber, dass

5) So wenig auf die Erhörung und auf die Antwort des HErrn gemerkt wird. Er erhört viele tausend Gebete, aber wir sehen es nicht als eine Erhörung an, wir verstehen seine Antwort nicht, fragen nicht, was er uns sagen will. Ein weiser Vater schlägt seinem Kinde oft etwas ab, und gibt ihm einen Grund an, der es beruhigt. So zeigt uns GOtt oft durch die innere Stimme des Geistes deutlich, dass er so, wie wir's wünschen, uns nicht erhören könne. In solchen Antworten liegt oft eine viel wichtigere Gebetserhörung, als wenn wir das Erbetene erhalten hätten. Freilich ist dazu nötig, dass wir die innerliche Stimme des Geistes hören und auf die äußerliche Regierung unseres Lebensgangs im Einzelnsten merken. Da werden wir oft finden, dass etwas, das wir lange als das Gegenteil der Erhörung ansahen, doch Erhörung ist. Denn denen, die GOtt lieben, müssen ja alle Dinge zum Besten dienen. Du betest, der HErr möchte dich doch selig machen, daneben aber bittest du auch um manches Irdische; nun kann der HErr dich selig machen, nur wenn er etwas Irdisches dir entzieht; was er dann tut, ist Erhörung deiner Bitte um die Seligkeit, wenn gleich eine andere Bitte dabei abgeschlagen wird. So kann man Schmerzen und Leiden aller Art als Gebetserhörungen ansehen, und wie leicht sind sie dann zu ertragen!

Du betest, der HErr möchte einen Menschen, den du liebst, bekehren, und du siehst, dass er nur widriger gegen die Wahrheit wird. Das ist eine Gebetserhörung. Vor der Bekehrung kommt eine Unruhe und ein Unfriede in das Herz, die Macht der Sünde kämpft gewaltig gegen den Zug des Vaters zum Sohne (gegen die vorbereitende Gnade), und das macht eine Steigerung des Widerstandes gegen die Wahrheit. Aber bete nur fort, so wird die Gnade immer mehr Raum in dem Herzen deines Freundes gewinnen, und er wird sich zuletzt bekehren müssen. Und wenn er es nicht tut, so hast doch du keine Verantwortung, bekommst wenigstens mehr Liebe zu ihm, und dadurch mehr Macht im Umgang mit ihm, und das ist auch eine Erhörung.

Du betest, der HErr möchte dich selbst von einer gewissen Sünde losmachen, und bald musst du sehen, wie sie nur stärker hervorbricht. Ist das auch Gebetserhörung? Manchmal. Je mehr die Sünde hervorbricht, desto offenbarer ist der Feind, und je offenbarer er ist, desto leichter kann er überwunden werden, und desto mehr stellt sich auch von außen ihm entgegen, was ihn züchtigt und zurückdrängt. Z. B. wenn der Hochmut besonders stark wird, so wird er gewiss auffallend, auch vor den Augen der Welt, gedemütigt, und solche Demütigung ist Erhörung deines Gebetes.

6) Einer der gemeinsten Fehler nach dem Gebet ist auch der, dass man auf die Erhörung stolz ist, oder doch sich selbst davon Ehre gibt. Entweder schreiben wir das, was GOtt getan hat, teilweise oder ganz uns zu, oder, wenn es offenbar bloße Gebetserhörung war, wozu wir gar nichts tun konnten, so bilden wir uns wenigstens darauf etwas ein, dass GOtt unser Gebet erhöre, dass wir also besonders kräftig beten können, oder dass wir bei GOtt besonders in Gnaden stehen. Diese Art des Hochmuts zeigt sich oft auf die allerfeinste Weise, und ist ein trauriger Beweis, wie tief die Verdorbenheit unserer Natur geht. Unser natürlicher Mensch will von Allem Ehre haben, und wenn er durch den Geist beherrscht ist, und wenn ihm durchs Gebet Hände und Füße gebunden sind, so erweckt er noch dadurch Hochmut im Geist, oder macht er auch den Geist sicher, dass er um der im Gebet erfahrenen Seligkeit willen weniger wachen zu müssen glaubt. Und so kann oft auf Zeiten großer Nähe des HErrn wieder große Entfernung von ihm folgen.

Deswegen dürfen wir nie vergessen, dass alle innerlichen oder äußerlichen Wirkungen des Gebets nichts als lautere Gnade sind, und dass es ein schändlicher Undank ist, dessen, was wir bloß empfangen haben, uns zu rühmen, als hätten wir es nicht empfangen.

Um aller solcher Fehler willen gilt für das Gebet, wie für das ganze übrige geistliche Leben, die Grundregel JEsu: Es sei denn, dass ihr euch umkehrt, und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/kapff/kapff-anweisung_zum_beten_-_6.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain