Harless, Adolph von - Jesus Christus gestern und heute und derselbige in Ewigkeit.
Predigt am Neujahrstage über Jes. 61, 1-6 von D. G. G. Adolph v. Harless, weil. kgl. Reichsrat und Oberkonsistorialpräsident zu München.
Vorwort.
Es ist auf deutschem Boden Gewächs eines Unkrauts aufgegangen, welches nicht unbeachtet bleiben darf. Denn während die Gelehrten viel Worte darüber machen, geht das Volk hin und ist von diesem Gewächs sich selbst zum Tode. Man kann demselben nach Ort und Ursprung einen botanischen Namen geben. Ob kurz oder lang, richtig wird der Name jedenfalls sein, wenn man das Kraut „RénanschenkelStraußblüten“ nennt. Und da es gar oft falsch beschrieben wird oder wenigstens so, dass man des Giftes innerste Natur nicht erkennt, so schadet es nicht, sondern ist in jeder Weise notwendig, dass man dem Volke zum mindesten sage, um was es sich denn eigentlich bei diesem Giftgenusse handle. Zumal dürfen die nicht „stumme Hunde“ (Jes. 56, 10) bleiben, welche Gott zu Wächtern bestellt hat. Weil aber keine Amtspflicht mich mehr auf die Kanzel ruft, habe ich über Worte desselben Propheten Jesaias auf Verlangen gern die nachstehende Predigt geschrieben. Sie soll zum neuen Jahr eine alte, alte Wahrheit predigen. Gott mache die armen Buchstaben des Schreibers lebendig und öffne dem Worte Herzen, dass es Frucht schaffe, die ihm wohlgefällt! Amen.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.
Das alte Jahr ist vergangen, und ein neues bricht heran. O, dass es jenes selige Jahr wäre, von welchem der redete, welcher auf dem Stuhle Gottes saß und sprach: „Siehe, ich mache alles neu“ (Offenb. 21, 5)! Aber es ist nur ein Jahr dieser Zeitlichkeit, das vergangen ist, und nur dieser armen Zeit gehört das Jahr an, welches neu angebrochen ist. Und du nennst diese Zeit eine arme Zeit? Wer bist du, der du also redest? Kennst du den Herrn der Zeit und Ewigkeit, Christum, den ewigen Sohn des lebendigen Gottes, und hast du dich in ihm gefunden? Dann sprichst du mit dem Apostel (2. Kor. 5, 17): „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu worden.“ Mein Leben ist Leben in seiner ewigen, seligen Gegenwart; mir ist schon diese Zeit eine Zeit neuer Herrlichkeit; nicht rede ich von einer neuen armen Zeit, die angebrochen ist; siehe, das Alte und Arme ist vergangen, es ist alles neu und herrlich worden. Wohl dir, wenn du also beim Blick in dein Herz reden kannst. Und dennoch wehe dir, wenn diese Herrlichkeit dein Auge blendet, dass du blind wirst zu sehen, wie sehr dein altes Herz täglicher Erneuerung, und dein armer Geist täglicher Bereicherung aus Gottes Gnadenfülle bedarf. Und nicht minder wehe dir, wenn du an diesem deinem Glücke also Genüge hast, dass dein Herz stumpf wird, statt in Christi Barmherzigkeit mitzufühlen, wie arm diese Zeit ist, welche Menschen eine reiche nennen, und wie hart und dicht neben dem gnädigen Jahre des Herrn jener Tag der Rache unseres Gottes liegt, welcher über alle kommt, die da reich sein wollen, statt an Gottes Gnade in Christo sich genügen zu lassen. Ja, Geliebte, - ich, der ich durch Gottes Gnade meinen Herrn Jesum Christum kenne, sage mit tiefem Schmerze: Ein neues Jahr einer armen Zeit ist wieder angebrochen. Denn es ist eine Zeit, da die Menschen, statt reich zu sein in Christo, wollen reich sein in sich. Und statt zu sprechen: Das Alte ist vergangen; siehe, er macht alles neu, sagen sie: Das Alte ist vergangen, siehe, wir machen alles neu. Und so machen sie aus dem alten Christus einen neuen, aus dem alten Weg zum Leben einen neuen, aus der alten und ewiggleichen Weisheit und Barmherzigkeit Gottes eine neue und stets wechselnde, aus der alten Wahrheit eine neue - Lüge. Und wer nicht ganz der Lüge zufällt, hält sich für besonders klug und weise, wenn er weder Ja noch Nein sagt, sondern halb der Lüge halb der Wahrheit beistimmt. Und statt entschlossen mit jenen Juden zu rufen: Hinweg ans Kreuz mit dem Galiläer, dem Lästerer Gottes, meint er Besonderes getan zu haben, wenn er sich noch vor den Lappen einer lügnerischen Hoheit beugt, welche er dem von ihm gefertigten Zerrbild Jesu Christi heuchlerisch, weil ohne alle Folgerichtigkeit des Gedankens, übrig lässt. Die Zeit, da solches geschieht, die ist nicht bloß eine arme - sie ist eine gräuliche Zeit. Und wer in ihr steht, mag doppelt die eigene, furchtbare Verantwortung bedenken. Denn da gilt nicht halb Ja und halb Nein, sondern nur: Entweder, Oder. Entweder ganz des alten Christs oder ganz des neuen Widerchrists (1. Br. Joh. 2, 22.; 4, 3.); entweder ganz der alten himmlischen Wahrheit oder ganz der neuen höllischen Lüge. Wer das nicht einsieht, ist ein Schwächling und Feigling; aber nicht einmal zum Feigenblatt wird seine Schwäche ihm gereichen. Denn die weder kalt noch warm sind, die wird der Herr am Tage des Gerichts ausspeien aus seinem Munde“ (Offenb. 3, 16). Wir aber kennen, wie vom alten Jahr her, so für das neue nur einen Christus, und das ist Jesus Christus, gestern und heute, und derselbige auch in Ewigkeit. Von diesem Christus wollen wir auch heute predigen. Und zwar auf Grund jener prophetischen Worte, welche der Herr einst selbst zum Zeugnis nahm, dass in ihm das Wort der Schrift erfüllet sei (Ev. Luk. 4, 18 flg.). Sie finden sich geschrieben:
Text: Jes. 61, 1-6.:
Der Geist des Herrn Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden; zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung; zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn, und einen Tag der Rache unsers Gottes; zu trösten alle Traurigen; zu schaffen den Traurigen zu Zion, dass ihnen Schmuck für Asche, und Freudenöl für Traurigkeit, und schöne Kleider für einen betrübten Geist gegeben werden; dass sie genannt werden Bäume der Gerechtigkeit, Pflanzen des Herrn, zum Preise. Sie werden die alten Wüstungen bauen, und, was vorzeiten zerstört ist, aufbringen; sie werden die verwüsteten Städte, so für und für zerstört gelegen sind, erneuern. Fremde werden stehen, und eure Herde weiden; und Ausländer werden eure Ackerleute und Weingärtner sein. Ihr aber sollt Priester des Herrn heißen, und man wird euch Diener unsers Gottes nennen; und werdet der Heiden Güter essen, und über ihrer Herrlichkeit euch rühmen.
Gott der Herr lehre uns nach diesen Worten bedenken und erkennen, ebenso wohl wem Christus zum Heile predigt, als was er uns predigt, und wer der ist, der solches predigt und predigen darf! Amen.
Also:
Jesus Christus, gestern und heute und derselbige auch in
Ewigkeit.
1. Wem predigt er zum Heile?
2. Was predigt er uns? und
3. Wer ist der, welcher solches predigt und predigen darf?
1.
Wem predigt er zum Heile? so fragen wir zuerst. Denn dass er Heil predigt, hören wir aus dem prophetischen Wort. Aber wem er zum Heile predige, das darf nicht zuletzt, sondern es muss zuerst bedacht und gefragt werden; und vor allem das Geschlecht der Gegenwart hat alle Ursache, nicht zuletzt, sondern zuerst und vor allem hiernach zu fragen und hierauf zu achten.
Also wem predigt er Heil? Das prophetische Wort sagt: Den Elenden, den zerbrochenen Herzen, den Gefangenen und Gebundenen, den Traurigen, denen, die betrübten Geistes sind.
Nun wenn der Herr solchen predigt, welchen wird er dann umsonst predigen? Zweifelsohne denen, die nichts von ihrem Elend empfinden, die alles eher als ein zerbrochenes Herz haben, die nichts von Gefangenschaft und Gebundenheit, sondern nur von Freiheit und Ungebundenheit wissen, die, statt traurig zu sein, lustig und fröhlich sind, und einen betrübten Geist einen albernen und törichten Geist schelten. Seht euch die neuen Zerrbilder Jesu Christi und ihre Zeichenkünstler auf diesen Punkt hin an, und hört auf euch zu wundern, aus welchem Quell denn die Verunstaltung des Bildes jenes komme, welcher ein heilbringendes Verständnis seiner Worte wie seiner Person nicht den Sichern und Satten, den Stolzen und Hoffärtigen, den Freisichdünkenden und Selbstgerechten, sondern nur den Elenden, den zerbrochenen Herzen, den Gefangenen und Gebundenen, den Traurigen und denen, die betrübten Geistes sind, zusagt.
Aber predigen wir nicht gerade diesen Heil? sagen die Lügner der Gegenwart. Für welche ist denn nach unserer Lehre eben Christus zum Heil gekommen, als für das arme und elende Volk, dessen Herz der Stecken seiner Treiber zerbrochen hat, deren Leiber ihre Zwingherren in Kerker und Fesseln geschlagen haben, deren Speise statt Wohlleben Tränenbrot ist und deren betrübtes Fleisch keinen fröhlichen Geist aufkommen lässt? Verheißen wir nicht eben diesen im Namen Christi Freiheit und gute Tage, Befreiung von Fürsten- und Pfaffenknechtschaft, volle Scheuern und wohlbesetzte Tische, freien Geist voll Fröhlichkeit und Ungebundenheit? Ja wohl, das alles tut ihr, die ihr selbst nicht Kinder der Freiheit, sondern Knechte des Verderbens seid. Aber wenn ihr dem von euch betörten Haufen mit den Worten des Propheten verheißen wolltet: Ihr sollt genannt werden Bäume der Gerechtigkeit und Pflanzen des Herrn zum Preise, so würden die von euch betrogenen euch verspotten und verhöhnen, und sagen: Was „Bäume der Gerechtigkeit?“ was Pflanzen des Herrn?“ Brotbäume wollen wir und gar keinen Herrn - satt und frei wollen wir sein; so habt ihr uns verheißen und danach tuet. Sie aber, die Lügner, lassen einfach die Bäume der Gerechtigkeit und die Pflanzen des Herrn weg, um glauben zu machen, den leiblich und äußerlich Elenden, den von irdischer Not zerbrochenen Herzen, den von äußerer Gewalt Gefangenen und Gebundenen, den fleischlich Traurigen und den durch äußere Drangsal betrübten Geistern gelte das Heil, das sie im Namen Christi als eine Zeit freien Geistes, guter Tage und äußeren Wohllebens zu verkündigen wagen.
Wohl ist der Herr Jesus Christus ein Helfer in aller Not. Aber denen allein ist er es, welche vor allem hungert und dürstet nach einer Gerechtigkeit, die sie nicht in sich finden; deren Herz zerbrochen ist im Bewusstsein ihrer Sünde und Sündhaftigkeit; deren Geist, nicht deren Fleisch, betrübt ist in jener Traurigkeit, die da nicht zum Tod sondern zum Leben wirkt eine Reue, die niemand gereut, und die im Gefühl ihrer Gefangenschaft und Gebundenheit in den Ketten der Finsternis sich sehnen nach jener Freiheit, die kein Mensch hat und kein Mensch geben kann, sondern allein Jesus Christus, der Befreier von allen Banden, der diejenigen frei macht, die seine Knechte geworden sind. Denn wo der Geist dieses Herrn ist, da und da allein ist Freiheit.
Und ihr wollt frei sein, die ihr gegen den Herrn und seinen Gesalbten ratschlagt und euch auslehnet und sprechet: Lasst uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile? Wo es also steht, da ist nirgend Heil, und die Predigt vom Heile verstummt und wandelt sich um in die alte und nicht minder wahre und gewisse Botschaft: „Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und der Herr spottet ihrer. Er wird einst mit ihnen reden in seinem Zorn, und mit seinem Grimm wird er sie erschrecken. Küsst den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen, aber wohl allen, die auf ihn trauen.“ Denn diesen gilt das Wort Christi: „Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr; selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“ (Ev. Matth. 5, 3. 4)!
2.
Und was predigt dieser Christus zu ihrem Heil und ihrem Troste? Unser prophetischer Text fasst die Botschaft zusammen und verkündet als des Herrn Verheißung: Es sollen die zerbrochenen Herzen verbunden werden, den Gefangenen soll eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung, den Traurigen soll Schmuck für Aschen, Freudenöl für Traurigkeit, schöne Kleider für einen betrübten Geist zu teil werden, und dies alles zu dem Zweck, dass sie fortan Bäume der Gerechtigkeit und Pflanzen des Herrn zum Preise seien und genannt werden. Denn ihre Freiheit und Herrlichkeit wird die sein, dass sie Priester des Herrn heißen und Diener unseres Gottes genannt werden.
In einer Fülle gleichnisartiger Worte wird das Heil beschrieben, welches der verheißene Knecht Gottes bringen wird. Und ob ihr sofort den Reichtum dieser Farbenpracht im Einzelnen richtig deutet und versteht, oder nicht, so fließt doch in einem lichten Punkt alles zusammen. Denn da wird in der Rede ohne Gleichnis die Herrlichkeit des Heiles und Trostes verkündigt und das Verständnis des Ganzen in allen seinen Teilen sichergestellt. Es wird ja die Herrlichkeit derer, die das Wort annehmen, die sein, dass sie Priester des Herrn heißen und Diener Gottes genannt werden. Eine geistig geistliche Herrlichkeit wird verheißen: Herzensheilung, Geistesentknechtung, Leideswende, Freudenspende, Blößebedeckung, Heilsüberkleidung, Gerechtsprechung, Gotteinpflanzung und Erlösung zu einer Herrlichkeit, da die bisher Elenden, Gebundenen und Gefangenen, Traurigen und Betrübten jetzt im Schmucke der Gerechtigkeit sich sollen frei und ledig der Banden Priester des Herrn und Diener Gottes nennen dürfen. Mit solcher Pracht der Morgenröte bricht mitten in der Nacht der Finsternis das „gnädige Jahr des Herrn“ wie ein lichter Tag herfür.
Und nun wendet euch vom Worte der Weissagung zum Worte der Erfüllung, vom Worte des alten Bundes zu dem des neuen Bundes und sucht die rechte Antwort auf die Frage, wie und in welcher Weise denn solches geschehen solle oder geschehen sei. Wird uns etwa da gesagt, unser Elend sei kein Elend, unser zerbrochenes Herz sei ganz und heil, unsere Gefangenschaft und Gebundenheit sei eine Täuschung, unsere Traurigkeit eine Grille, unser betrübter Geist ein irregehender Geist? Nichts von dem allen, sondern das gerade Gegenteil. Was der Prophet gesagt hat, wiederholt Christus und eignet es sich an. Sünder selig zu machen ist er gekommen; den geistlich Armen und Leidtragenden, den Mühseligen und Beladenen gelten seine Verheißungen; die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, die Freien keines Befreiers, die Gerechten keines Heilands und Sündenvergebers. Die alle lässt er stehen; sein Wort geht sie nicht an; sie mögen zusehen, wohin ohne sein Wort sie selbst fahren.
Aber hilft der Herr Jesus Christus mit seinem Worte etwa so, dass er eine neue Lehre, eine neue Vorschrift, ein neues Gesetz aufrichtet oder ein neues Priestertum und Dienertum in der Art stiftet, dass die Traurigen und Betrübten, die Gefangenen und Gebundenen nun mit den Werken ihres Priestertums und Dienertums und in eigener Kraft dem Herrn Dienste tun, und mit solchem Dienstwerk sich selbst befreien, sich selbst trösten, sich selbst rechtfertigen, sich selbst Sündenvergebung verdienen, kurz und mit einem Worte: nun ihre Selbstheilande und Selbsterlöser werden und werden können? Nichts von dem allen. Vielmehr spricht der Herr: Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er ihm dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für Viele (Ev. Matth. 20, 28.; Ev. Mark. 10, 45.). Seinen für uns dahingegebenen Leib, sein zur Vergebung unserer Sünden vergossenes Blut - das ist seine Stiftung, das setzt er ein als das Mysterium des neuen Bundes (Ev. Matth. 26.; Ev. Mark. 14.; Ev. Luk. 22.). Sein Werk, seine Tat predigt er als die Kraft unserer Erlösung. Was aber unsere Werke betrifft, so hören wir von ihm nur: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht, wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, das wir zu tun schuldig waren (Ev. Luk. 17, 10.). Und dass wir aus eigener Kraft und in eigener Erkenntnis uns als Priester des Herrn und Diener Gottes halten könnten, das verneint der Heilbringer erst recht bestimmt. Niemand, sagt er, kennt den Sohn, denn nur der Vater, und niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren (Ev. Matth. 11, 27.). Ohne mich könnt ihr nichts tun (Ev. Joh. 15, 5.). Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich (Ev. Joh. 14, 6.). In solcher, niemals in der Weltgeschichte zuvor erhörter Weise stellt der Menschensohn alles Heil und alle Heilvermittlung auf sich und seine Person, auf sein einmaliges Werk und sein fortgesetztes Tun. Ich, spricht er, bin die Auferstehung und das Leben (Ev. Joh. 11, 25.), ich bin das Brot des Lebens, das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen (Ev. Joh. 6, 48. 51.), ich bin das Licht der Welt (Ev. Joh. 9, 5.; vgl. 12, 46.), ich, der gute Hirte, gebe ihnen, meinen Schafen, das ewige Leben (Ev. Joh. 10, 24.), Und wie er in seinem Namen spricht: Mensch, dir sind deine Sünden vergeben, und nicht den Vorwurf der Gotteslästerung von Seiten derer fürchtet, die mit Recht sagen: Wer kann Sünde vergeben, denn allein Gott (Ev. Luk. 5, 20 flg.; vgl. 7, 49.)? so zieht er auch ohne Bedenken das Wort des alten Bundes vom Bausteine, den die Bauleute verworfen haben, und der zum Eckstein geworden ist, auf sich und sagt: Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen, auf welchen aber er fället, den wird er zermalmen (Ev. Matth. 21, 42. 44.; Ev. Luk. 20, 17.18.). Denn, spricht er, alles Gericht hat der Vater dem Sohne gegeben (Ev. Joh. 5, 22.), und diesem Gericht zu entrinnen kennt und predigt er keinen Weg und kein Wort, als jenes „Wort Gottes,“ dass wir an den glauben, den Gott gesandt hat (Ev. Joh. 6, 28.). Denn, spricht er, wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen (Ev. Joh. 7, 38.); wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm (Ev. Joh. 3, 36.). Denn wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes (Ev. Joh. 3, 18.). So sehr nennt der Herr sich und nichts denn sich unseren Trost, unser Heil und unseren Heiland, unseren Frieden und unseren Friedefürsten, unsere Auferstehung und unseren Lebensfürsten, dass er uns Traurigen und Betrübten zwar gar nicht das Wort verhehlt: In der Welt habt ihr Angst; aber ganz einfach hinzufügt: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Ev. Joh. 16, 33.).
Und ihr wollt der Güter dieser Heilspredigt teilhaftig sein und werden, ohne vor allem die rechte Antwort auf die Frage gefunden zu haben: Was dünket euch um Christo, wes Sohn ist er (Ev. Matth. 22, 42 flg.; Ev. Mark. 12, 35 flg.; Ev. Luk. 20, 41 flg.)? So ihr mit dieser Frage nicht im Reinen seid, oder meinet, sie umgehen und für gleichgültig ausgeben zu können, so lasst euch nur den Pharisäern gleich erachten, welchen Christus jene Frage vorlegte, aber hört auf, euch Christen zu nennen.
3.
Denn dies und dies allein ist jetzt noch die Frage: Wer ist der, der solches predigt und predigen darf? Was dünket euch um Christo, wes Sohn ist er? Wenn dieser Christus nichts ist denn eines Menschen Sohn wie andere, so seid ihr, die ihr seine Priester und Diener sein wollt, nicht des Herrn Priester, noch Gottes Diener, sondern Menschenpriester und Menschenknechte. Wenn ihr in dieses Menschen Namen Vergebung der Sünden predigt und darbietet, so seid ihr Betrüger und Gotteslästerer. Wenn dieser Jesus nichts war, denn ein Mensch wie andere, und will in der Angst der Welt euch damit trösten, dass er die Welt überwunden habe, so seid ihr die größten Toren, so ihr solchen Trost annehmt; denn was soll das euch helfen, wenn ein Mensch für sich die Welt überwunden hat? Wenn dieser Jesus der biblischen Geschichte ein bloßer Mensch war und das gesagt hat, wessen ihn seine Feinde anklagten, so haben die Obersten und Richter seines Volks ihn mit Recht angeklagt und gerichtet und ihn mit Recht als Gotteslästerer ans Kreuz geschlagen. Wenn er der war, zu dem ihn seine Zerrbildner machen, so hat er gelogen, als er den Pharisäern vorwarf, dass sie bloß von Davids Sohn redeten, und sie dagegen fragte: Wie nennt ihn denn David im Geist einen Herrn, und so nun David ihn einen Herrn nennt, wie ist er denn sein Sohn? Gelogen hat dann dieser Galiläer im Angesicht des nahen Todes, als ihn der Hohepriester bei dem lebendigen Gott beschwor und ihn fragte, ob er sei Christus, der Sohn Gottes, des Hochgelobten, und er antwortete: Du sagst es ich bin es (Ev. Mark. 14, 61 flg.; Ev. Matth. 26, 63 flg.). Wenn dieser Christus nichts war, als wozu ihn die Lästerer seiner Gottheit machen, so ist die ganze evangelische Geschichte nicht bloß die Geschichte eines Menschen, der sich in unerhörtester Weise dessen anmaßte, was allein Gottes ist, sondern sie ist auch ein Fabelbuch in Bezug auf das, was sie von seinen Wundern und Zeichen erzählt. Denn Macht über alles Elend und Leiden der Kreatur, Macht über Wind und Wogen und alle Elemente der Natur, Macht über die Gewalt des Todes hat nicht der Mensch, sondern allein Gott. Und Christus sagt nicht bloß, dass ihm solche Macht von Gott gegeben sei, sondern dass er sie von ihm selber habe (Ev. Joh. 10, 18.). Und den Beweis, dass es so sei, führt der Herr nicht mit Worten, sondern mit Taten. Die Sophisten aller Zeiten haben nichts denn Worte und Wortgeklingel. Der Herr aller Zeiten aber, er der Heiden und des Volkes Israels Erlöser, hat nicht Worte, sondern Taten, und hält in der letzten Stunde noch dem armen, betörten Volk des Eigentums nicht in Worten, sondern in Taten vor Augen, dass die verheißene Zeit erfüllet und das Reich Gottes nahe herbeikommen sei. Denn so spricht er zu den Boten des Täufers: Geht hin, und sagt Johanni wieder, was ihr seht und hört: Die Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt (Ev. Matth. 11, 5.; vgl. Jes. 35, 5.; 61, 1.). Und nicht diese seine Wunder und Zeichen fordern meinen Glauben, sondern das Wort, so Christus von sich selbst sagt, fordert, so ich glauben soll, Zeichen und Wunder. So sieht es Jesus Christus selbst an und so sagt er es. Auf dass ihr wisst, dass des Menschen Sohn Macht habe, die Sünden zu vergeben, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Stehe auf, hebe dein Bett auf, und gehe heim (Ev. Matth. 9, 6.). Wenn Jesus der ist, für welchen er sich selbst ausgibt, dann ist der Erweis des Wortes in Zeichen und Wundern eine Notwendigkeit. Den bloßen Worten ohne Taterweis zu glauben, oder für sie Glauben zu fordern, das eine wie das andere wäre nur eine Sache betrogener oder betrügerischer Toren. War aber Christus nichts als ein Mensch, so sind alle die erzählten Wunder und Zeichen und zumal das, was Christus über sie selbst und deren Ursprung und Bedeutung aussagt, Blendwerk, Heuchelei und Lüge. Entweder ihr erkennt ihn als „den Herrn, der allein Wunder tut,“ oder ihr sagt mit seinen Wundern dem Herrn zugleich ab und widersagt ihm als Betrüger. Ein drittes gibt es nicht. Denn was übrig bleibt, wenn ihr seine Taten streicht und seine Worte bald hie bald da nach eurem Ermessen und Gutdünken der Lügen straft oder spätere Erfindungen nennt, das ist nichts denn das Jammerbild eines armseligen Schwärmers, das selbst für eine französische Modefabel zu schlecht ist.
Der aber, von dem das prophetische Wort weissagt, ist der, über welchem der Geist des Herrn Herr ist und den der Herr gesalbt hat. Als solchen bezeugt sich Christus, als er des Propheten Wort in ihm erfüllt nannte. Und nicht als ein bloßer, vom Geist des Herrn gesalbter Mensch bezeugt er sich und will sich von seinen Jüngern bezeugt wissen. Sondern wie er von sich selbst sagt: Ehe denn Abraham ward, bin ich (Ev. Joh. 8, 58.), spricht er zu dem im Namen aller Jünger von Petrus abgelegten Bekenntnis: Du bist Christus des lebendigen Gottes Sohn! sein Ja und Amen und segnet ihn mit den Worten: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn, denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel (vgl. Ev. Matth. 16, 16 flg.; Ev. Luk. 9, 20.; Ev. Joh. 6, 68 flg.). Und weil Thomas ungestraft zu ihm sagen durfte: Mein Herr und mein Gott! (Ev. Joh. 20, 24.) und nur wie einen leisen Vorwurf darauf hören musste: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben (Ev. Joh. 20. 29.), darum durfte auch später Petrus seinen Mund getrost auftun und verkünden: Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein worden ist, und ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden (Ap. Gesch. 4, 11. 12.). Und mit dieser Botschaft vom Gekreuzigten und Auferstandenen, vom Menschensohn und ewigen Sohn des lebendigen Gottes, der da sitzt zur Rechten des Vaters und lebt und herrschet, zogen sie hinaus in die Welt, tauften im Namen Gottes des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und überwanden die Welt. Denn vor dieser Botschaft stürzten die Götter der Heiden, brach die Weisheit der alten Welt zusammen, legte sich das Toben der Völker und eine neue Welt und eine neue Geschichte begann, voll Rätsel, Widersinn und Unbegreiflichkeit, wenn der, dessen Namen sie trägt, nichts war, als ein Betrogener oder Betrüger, aber mitten in aller Finsternis voll Licht, Klarheit, Herrlichkeit und Begreiflichkeit, wenn Kern und Mittelpunkt dieser Geschichte der ist, der da herrscht, bis Gott alle seine Feinde gelegt hat zum Schemel seiner Füße, er, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, Jesus Christus, gestern und heute und derselbige auch in Ewigkeit.
Aber weil eben der „von euch Bauleuten“ verworfene Stein zum Eckstein geworden ist, an welchem zerschellt, wer auf ihn fällt, und welcher den zermalmt, auf wen er fällt, darum muss der, in welchem die Schrift erfüllet ward, nach dem prophetischen Wort nicht bloß von einem gnädigen Jahr des Herrn, sondern auch von einem Tag der Rache unseres Gottes predigen. Ihr, die ihr den Gesalbten des Herrn, den eingeborenen Sohn Gottes, lästert und zugleich höhnisch die Knie wie jene Kriegsknechte am Tage der Kreuzigung vor ihm beuget, zittert vor der Rache des lebendigen Gottes. Gott lässt sein nicht spotten. Schrecklich ists, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Seht ihr Christen deutscher Nation vielmehr zu, ob nicht die Weissagung der prophetischen Worte jetzt in umgekehrter Weise einzutreffen scheint, wenn es heißt: Fremde werden stehen und eure Herden weiden, und Ausländer werden eure Ackerleute und Weingärtner sein. Denn was als ein Segen gemeint ist, verkehrt sich zum Fluch für die Abtrünnigen. Und ein Fluch und eine Schande deutscher Nation ist es, wenn sie in diesen Tagen sich von einem Werk welscher Geckenhaftigkeit verführen lässt, dass sie den Auen des Evangeliums Abschied gibt und sich auf gemachten und erdachten Blumenwiesen Galiläas ein abgeschmacktes Schäferspiel vorspielen lässt, dessen klägliche Erfindung und Wendung eher zum Lachen, als zum Weinen reizt. Und nicht minder ein Fluch und eine Schande deutscher Nation ist es, wenn sie deutschgeborenen, aber undeutschen und entarteten Söhnen des deutschen Volkes, Söhnen, die vom weltgeschichtlichen Beruf deutschen Volkes zum Hort der christlichen Heiligtümer abgefallen sind, ihr Ohr leiht, und solche, die zu Narren wurden, da sie sich weise dünkten, wie Propheten einer neuen Zeit nachbetend bewundert. Die werden wahrscheinlich nicht die alten Wüstungen bauen, und was vor Zeiten zerstöret ist, aufbringen; sie werden nicht die verwüsteten Städte, so für und für zerstört gelegen sind, erneuern, sondern sie helfen nur den Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte aufrichten und werden über sich selbst ein schnelles Gericht herbeiführen.
Ihr aber, die ihr den Herrn Jesum Christum und sein altes Evangelium lieb habt, tröstet euch des Trostes des Propheten. Denn ihr, so heißt es, sollt Priester des Herrn heißen und man wird euch Diener unseres Gottes nennen, und werdet der Heiden Güter essen, und über ihrer Herrlichkeit euch rühmen. Ja wahrlich: Ihr werdet der Heiden Güter essen, auch wenn sie selbst Heiden bleiben und bleiben wollen. Denn wo sie es zum Bösen gedachten, da wird es euch zum Guten umschlagen, und ihre Weisheit, die sie etwa zum Einreißen gebrauchen, wird euch zum Mittel dienen, das Eingerissene aufzubauen. Ihr werdet ihre Güter essen, und sie werden sich an ihren eigenen Herlingen die Zähne stumpf kauen. Je weniger aber die Herrlichkeit der Heiden, so sie zum lebendigen Gott sich bekehrt haben, ihre eigene, sondern die Herrlichkeit eures Herrn Jesu Christi ist, um so getroster werdet ihr über diese Herrlichkeit euch rühmen dürfen. Denn sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Der Herr hat ein Reich angerichtet, so weit die Welt ist, und zugerichtet, dass es bleiben soll. Von dem an steht dein Stuhl fest, du bist ewig. Herr, die Wasserströme erheben sich, die Wasserströme erheben ihr Brausen, die Wasserströme heben empor die Wellen. Die Wasserwogen im Meer sind gräulich, der Herr aber ist noch größer in der Höhe. Dein Wort ist eine rechte Lehre, Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses ewiglich. Gelobt sei Jesus Christus, gestern und heute und derselbige auch in Ewigkeit! Amen.