Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 3. Sonntage nach Trinitatis.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 3. Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Luc. 15, 1 - 10.

Vom verlornen Schaf und Groschen.

Was hat denn der Heiland eigentlich gethan in Seinem öffentlichen Leben auf Erden? Freunde und Feinde antworten: Er hat Sünder aufgesucht. Er selbst sagte es öfter: Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen, was verloren war - nicht Gerechte, sondern Sünder waren Sein Augenmerk. Das merkten die armen Sünder bald; darum heißt es:

Es nahten sich zu Ihm allerlei Zöllner und Sünder, daß sie Ihn höreten. Weil Er nicht Gesetz, sondern Evangelium verkündigte; nicht richtete, sondern selig machte; weil Er Allen die Liebe des Vaters verkündigte, der Ihn nur aus Liebe gesandt hätte, daß Alle, die an Ihn glaubten, nicht verloren gehen, sondern selig werden möchten; weil Er alle Mühselige und Beladene - und wer ist mühseliger und beladener, als ein armer verlorner Sünder? - zu sich einlud, um sie zu erquicken; weil Er Keinen von sich stieß, der zu Ihm kam. O, Sein Auge, Sein Angesicht muß sie schon Alle angezogen und ihnen gesagt haben, was sie bei Ihm zu erwarten hätten. Wie blickte Er mitleidig und voll Erbarmen so einladend umher unter die Menge, die Ihn umgab, ob Er nicht einen Sünder erblickte, der Reue fühlte, der gern Gnade hätte und Trost für seine Seele! Wie war es bei dem Gichtbrüchigen? Matth. 9. Das Erste, was Er, als man ihn zu Ihm brachte, zu ihm sagte, war: „Sey getrost, mein Sohn! deine Sünden sind dir vergeben.“ Und alle Seine Gleichnisse und Reden zielten ja nur dahin, den Sündern das Himmelreich zu öffnen, und den Weg dahin zu zeigen. Darum hörten Ihn die Sünder gern; darum versammelten sich immer allerlei Zöllner und Sünder um Ihn. Wer freut sich nicht, daß dieses geschehen ist, und daß es auch für uns aufgezeichnet ist! Wer sieht Ihn nicht gern unter der Sünder Schaar! Wer schöpft nicht Muth dadurch, sich auch Ihm zu nahen, um Ihn in Seinem Worte zu hören, und Gnade von Ihm zu erlangen. Er hat sie nicht weggewiesen, nicht hart und gleichgültig behandelt, sondern so freundlich wie möglich; und zeigte ihnen so recht, daß Er nur für sie da sey, und keine größere Freude habe, als Sünder selig zu machen.

Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an, und isset mit ihnen. Die verstanden es ja nicht; aber ihr Murren und Höhnen ist uns ein Zeugniß der Wahrheit auch aus dem Munde der Feinde. Was in ihrem Munde Lästerung und Verbrechen„ war, ist uns die süßeste Wahrheit, unser einziger Trost. Die Pharisäer und Schriftgelehrten gaben sich den Schein eines hohen Grades von Weisheit und Frömmigkeit. Aber was ist das für eine Weisheit und Heiligkeit, die sich ihrer selbst rühmt und Andere verachtet; die allein selig seyn will, und Andere in Sünde und in Verderben gleichgültig oder gar verächtlich liegen sehen kann, ohne sie retten zu wollen, und es sogar noch tadelt, wenn Andere den Sündern nachgehen, und sie zu bessern und sie selig zu machen suchen? Das verdroß sie wohl, daß Jesus sagte: Ich bin nicht gekommen, Gerechte, sondern Sünder zur Buße zu rufen. Sie hielten sich für gerecht, und glaubten, der Messias müsse nur für sie kommen, um sie zu ehren und noch mehr zu erheben. Was ist aber das für ein Messias, der nur mit Sündern umgeht, und sogar mit ihnen isset? da verunreinigt er sich ja; denn mit einem Sünder zu essen, das hielten sie für die größte Verunreinigung ihrer Heiligkeit, da sie doch im Grunde die größten Sünder waren, als die stolzesten Heiligen: denn was ist teuflischer, als der geistliche Stolz? O so freuen wir uns und danken wir dem Vater, daß Er uns einen Heiland gesandt hat, der sich der Sünder nicht schämt, sondern sie sucht, und annimmt, mit ihnen ißt und umgeht, wie ein Arzt mit dem Kranken, wie ein Hirt mit seinen verlornen Schafen. Das ist das köstlichste Wort in der Bibel: „Jesus nimmt die Sünder an und isset mit ihnen.“ Das ist allein eine Bibel, ein Evangelium, das einer ganzen Welt genügt, und alle Menschen erfreuen soll. Das nimmt man auf den Knieen an.

So lange eine Menschheit ist,
So lange Jesus bleibt der Christ,
So bleibet dies das A und O
Vom ganzen Evangelio;
Und daß dieß Gotteskraft und Weisheit ist,
Das wißt ihr Alle, die ihr Wahrheit wißt.
Daran erkennt man hier das kleine Heer,
Und davon singt man noch am gläsern Meer.

Jesus sagte zu ihnen dieß Gleichniß und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat, und so er deren eins verliert, der nicht lasse die neun und neunzig in der Wüste, und hingehe nach dem verlornen, bis daß er es finde? Der Heiland vertheidigt sich, nicht sowohl um Seiner Feinde und Lästerer, als um der Wahrheit und um der armen Sünder willen, und doch auch, um den Lästerern die Augen zu öffnen, und sie zur Erkenntniß der Wahrheit zu leiten. Der Heiland sieht demnach jeden Sünder als Sein verlornes Schaf an - die ganze Menschheit als Seine verlorne Heerde. Er hat sie alle gezählt, die tausend Millionen; kennt sie alle mit Namen, also jedes einzelne, als wäre nur das Eine da. Es geht Ihm jedes Schäflein, das verloren ist, so nahe, als hätte Er nur das Eine, und als könnte Er ohne dasselbe nicht leben. Sie liegen Ihm alle an und in dem Herzen. Darum geht Er auch Jedem nach, wie schon das Buch Hiob sagt: Das thut Gott zwei oder drei mal jedem Menschen, daß Er ihn herumhole aus dem Verderben, und ihn erleuchte mit dem Licht der Lebendigen. Er denkt nicht: Ich habe noch Tausende, Hunderte, noch neun und neunzig, was ist an dem Einen gelegen? laß es fahren! O nein, Er läßt lieber die neun und neunzig und Tausende, die Er schon gefunden und bei der Heerde hat, in der Wüste stehen, und geht dem Einen verlornen nach, und ruht nicht, bis Er es gefunden hat. Solche Liebe hat Er gegen jeden Sünder. Er läuft über Berg und Thäler, und ruft und schreit dem verlornen nach: Schäflein, Schäflein! kehre wieder! laß dich finden, eile zu deinem Hirten, der dich mit brünstiger Liebe sucht!

Und hat er's gefunden, so legt er es auf seine Achseln mit Freuden. O wie glücklich ist ein Hirt, wenn er sein Verlornes wiedergefunden - viel glücklicher und freudiger ist der Heiland, wenn Er eine Sünderseele wieder an sich gezogen und gewonnen hat, wenn Er ihr die Sünden vergeben und Trost und Freude in die Seele sprechen kann. - „Sünder sind Sein Himmelreich.“

Kommt ihr Sünder! kommt zum Sohne,
Christus ruft vom Gnadenthrone:
Friede, Friede sey mit euch!
Weg mit eurem Trauerkleide;
Ich bin eure Kron und Freude;
Sünder sind mein Himmelreich.

Ich bin Jesus, dein Erbarmer,
Tritt doch her zu mir, du Armer,
Denn dein Jammer ist mein Schmerz.
Hör doch auf, mein Kind, mit Klagen,
Ich will dich in Himmel tragen:
Glaub , ich hab ein Mutterherz!

Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn, und spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war. Er kann die Freude nicht allein tragen, es muß sich Alles mit freuen, was im Himmel und auf Erden Sein ist; st groß ist Seine Freude über einen wiedergefundenen Sünder - als wenn Er der ärmste Mann wäre, und Sein Leben und Lebensglück von jedem armen Sünder abhinge, der sich zu Ihm bekehrt. Die Liebe kann eben nicht leben ohne Lieben; Lieben ist der Liebe Element. Wie sollte Er sich aber nicht freuen, da Ihn Seine Schafe Sein Leben und Blut gekostet haben! Wir sind ja Sein sauer erworbener Lohn; Er findet ja, wenn Er ein verlornes findet, Seinen Schmerzenslohn, Sein vergossenes Blut wieder, das wie verloren war an dem verirrten Schafe. Was Einem so theuer und sauer geworden ist, daß man mit Todesmühe und Blutschweiß daran gearbeitet hat, das will man nicht missen, und freut sich daher auch um so mehr, wenn man es wiederfindet. Wenn wir bedenken, was es Ihn gekostet hat, daß wir erlöset sind; wenn wir Sein ganzes Leben, Leiden und Sterben, all Seine Schmach und Schmerzen, von der Krippe bis in's Grab bettachten, wieviel Er für Seine Schafe gelitten hat; was Er für sie geopfert hat; wie Er uns geliebet hat; und nun sollte Er uns verloren, verdammt, und in des Satans Gewalt sehen müssen! Und das muß Er bei Vielen sehen, an denen Sein Blut und Todesmühe verloren ist. Destomehr freut Er sich über die, welche Ihm wieder in die Arme laufen, die Er wieder auf Seine Achseln bekommt, und unter die Seinen aufnehmen kann. Machen wir Ihm nur täglich diese Freude, daß wir Ihm stets wieder in die Arme laufen; Er sieht uns immer gern bei sich; entfernen wir uns nur nie von Ihm; lassen wir Ihn nie aus den Augen, den guten Hirten, der uns so sehr liebt, und solche Freude an uns hat. Er sieht sich immer nach uns um, und hat uns stets gern nahe bei sich.

Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel seyn über einen Sünder der Buße thut, mehr denn über neun und neunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Die Engel, die Seligen, die Heiligen und Geliebten Gottes im Himmel, wie die auf Erden, nehmen an der Freude des Heilands Theil, und freuen sich mit. Seine Freude ist ihre Freude; sie sind ja Glieder am Leibe; wie sollten sich die Glieder nicht freuen, wenn sich das Haupt freut? Sie sind ja alle Ein Geist mit Ihm. Sie gewinnen auch eben so sicher, wenn sie mehr Teilnehmer an dem Erbe und der Seligkeit, die reich genug für Alle ist, bekommen. Ihre Freude wird erhöht, je mehr sich mit freuen. Je mehr Lichter von einem Lichte angezündet werden, desto heller und herrlicher wird es. So auch: je mehr sich im Himmel mit freuen, desto größer wird die Freude; je mehr selige Mitgenossen, desto größer der Genuß der Herrlichkeit. Das ist begreiflich; aber daß Eines Sünders Bekehrung, mehr Freude macht, als neun und neunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen, scheint unbegreiflich, und ist doch ganz natürlich; denn über jedes verlorne und wiedergefundene Gut oder Ding freut man sich mehr, als über alle nicht verlorne, das man immer in Besitz hat. Das muß eben unser Herz beschämen und erwecken, diese Liebe des Heilands und des ganzen Himmelreichs, daß wir, so wie wir abweichen, so sehr vermißt werden, als wenn wir im Himmel etwas Unentbehrliches wären, und man ohne uns dort nicht ganz selig seyn könnte; und wenn sie uns wiederkriegen, so ist eine Freude, mehr als über neun und neunzig Heilige, die nie so vermißt wurden, die nie solche Schmerzen des Verlustes gekostet haben, die nie so mühsam gesucht werden mußten.

Wer die Gerechten sind, die der Buße nicht bedürfen? fragst du? Und man kann nicht anders sagen, als: Der Buße bedürfen zwar Alle, da Alle abgewichen sind, Alle des Ruhmes mangeln, den sie an Gott haben sollen, und Keiner gerecht ist, auch nicht Einer. Röm. 3, 10 - 12. Aber gleichwohl ist doch ein Unterschied, sie sind doch nicht Alle gleich viel abgewichen und gleich tief gefallen. Es giebt ja doch Seelen, die von Jugend an bewahrt bleiben, und nie in große Ausschweifungen und grobe Versündigungen gerathen; die immer einen ehrbaren Wandel führen; die von Kindheit an, wie Timotheus, nach der Schrift erzogen werden im Glauben und in der Liebe zum Heiland; wenn sie gleich Ursache zur Demüthigung genug in sich finden, und der Gnade so bedürftig sind als Andere, und sich eben so wenig ihrer eignen Gerechtigkeit rühmen können, so passiren sie doch als Gerechte, eben weil sie im Glauben täglich gerechtfertigt werden, und sich immer waschen im Blute Jesu; und so durch Gottes Macht bewahrt bleiben vor tiefem Fall und groben Versündigungen, also doch Gott allein alle Ehre geben müssen. Bei den Andern aber sagt der Heiland selbst: Wem viel vergeben ist, der liebt viel; wem weniger vergeben ist, der liebt weniger, und so auch: Wem viel vergeben ist, über den freut man sich selbst im Himmel mehr. Wer aus Abgründen herausgezogen ist, dessen Rettung ist ein größeres Wunder, und also ein Gegenstand größerer Freude und Bewunderung.

Oder welches Weib ist, so sie zehn Groschen hat, so sie deren einen verliert, die nicht ein Licht anzünde, und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde? Einem armen Weibe, die nur zehn Groschen im Vermögen hat, geht Ein verlorner Groschen gar sehr ab, den ein Reicher nicht achtet, und sich kaum um ihn bückt, ja wohl mehrere wegwirft. So, meint der Heiland, ist's mir, wie einem armen Weibe. .So wie sie jeden Groschen theuer achtet, weiß ich jede Seele zu schätzen; wie sie das ganze Haus durchkehrt, und mit dem Lichte durchsucht, so durchsuche ich die ganze Welt wie mit Laternen, um einen verlornen Sünder zu finden. Wer, der sich verloren fühlt, kann da noch zweifeln, ob ihn der Heiland liebe, und haben wolle. Das schlägt alle Zweifel nieder; denn mehr und stärker und anschaulicher hätte der Heiland Seine Liebe zu den Schafen, und besonders zu den verlornen nicht beweisen können. Was zweifelst du, ob Er dich annehmen werde!

O solltest du Sein Herze sehn,
Wie sich's nach armen Sündern sehnet,
Sowohl, wenn sie noch irre gehn,
Als wenn ihr Auge vor Ihm thränet.

Wie streckt Er sich nach Zöllnern aus.
Wie eilt Er in Zachäi Haus!
Wie sanft stillt Er der Magdalenen,
Den milden Fluß der Sünderthränen,
Und denkt nicht, was sie sonst gethan.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Wie freundlich blickt Er Petrum an,
Ob er gleich noch so tief gefallen, rc.

Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht: Freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. Es ist so schön und tröstlich, daß der Heiland sich so menschlich in Seinem Denken und Fühlen darstellt, bei Verlust und Gewinn, bei Schmerz und Freude, und sich dabei mit den geringsten, ärmsten Leuten vergleicht, und geradezu gesteht: Wie diesen ist, wenn sie etwas verlieren und wiederfinden von ihren Kleinigkeiten, wie sie deren Verlust und Gewinn fühlen, sich betrüben und freuen, so ist's mir, so bin ich, so fühle ich, so betrübe und freue ich mich, und so die Meinigen mit mir. Wir haben an Ihm das allermenschlichste Herz, das mütterlichste, zartfühlendste und treuste; wie es uns um's Herz ist bei allen traurigen oder freudigen Ereignissen, so ist's Ihm um's Herz. Er kann sich so kindlich, herzlich, innig freuen, wenn Er ein Schäflein, ein verlornes wiederkriegt, wie jeder Arme, der ein verlornes Gröschlein, oder ein Hirt sein Schäflein, oder ein Vater seinen Sohn wiederfindet.

So komme denn, wer Sünder heißt,
Und wen sein Sündengraul betrübet,
Zu dem, der Keinen von sich weist,
Der sich gebeugt zu Ihm begiebet.
Wie, willst du dir im Lichte stehn,
Und ohne Noth verloren gehn?

Also auch, sage ich euch, wird Freude seyn vor den Engeln Gottes über Einen Sünder, der Buße thut. Wenn dir des Heilands herzliche Freude über deine ersehnte Bekehrung nicht genug ist, so sagt Er dir noch von der Freude der Engel Gottes, die nicht weniger sich mit Ihm freuen, wenn du in des Heilands Arme eilst. O diese freundlichen, theilnehmenden Wesen, die so selig sind vor Gottes Angesicht, was kümmern sie sich doch um uns schnöde Sünder auf Erden! was verlieren sie, wenn wir verloren gehen? was gewinnen sie, wenn wir selig werden? das könnten wir sagen, wenn sie keine Liebe hätten; wenn im Himmel keine Liebe wäre: aber Gott ist die Liebe, und wer bei Gott und in Gott wohnt, kann nur lieben. Alles im Himmel ist lauter Liebe; sie sind ja im Reiche der Liebe, wie könnten sie ohne Liebe seyn, und die nicht lieben, für die Gott, die Liebe ihren Sohn dahingegeben hat? für die der Sohn der Liebe Blut geschwitzt hat und am Kreuze gestorben ist? Sie sind ja ausgesendet zum Dienste derer, die die Seligkeit ererben sollen. Sie möchten ja alle Menschen gern so selig sehen, wie sie sind in Gott. Wie könnten sie Freude haben am Verderben und der Verdammniß der Menschen, die so theuer erlöset und erkauft sind! Wie könnten sie gleichgültig bleiben, wenn der gute Hirt, der sein Leben für seine Schafe gelassen hat, nicht alle seine Schafe hat, wenn Ihm einige verloren gehen, und Er den Lohn seiner Schmerzen entbehren muß?

Man kann also nicht sagen: Was liegt dem Himmel an der Erde? was kümmern sich die Himmelsbewohner um uns Erdbewohner? Nein, Himmel und Erde hangen innig zusammen; sie gehören beide Einem Herrn, sind beide unter Ein Haupt vereinigt, und der Himmel will sich gerade von der Erde seine Bewohner holen, und mit Erdensöhnen und -Töchtern bevölkert werden. Wer auf Erden verloren geht, geht dem Himmel verloren, geht Christo und Seinen Engeln verloren. Alle Erdbewohner sind berufen zur himmlischen Herrlichkeit; allen ist sie mit dem theuren Blute Christi erworben; wir sollen mit Gott und Seinen Engeln ewig uns freuen. Das ist unsere Bestimmung. Das hat viel gekostet. Dafür starb unser Herr. Sein Blut hangt an jeder Menschenseele; das sehen die Engel an; darum betrüben sie sich über deren Verlust, und freuen sich über den Gewinn derselben.

Da wir nun Christo und Seinen Engeln so große Freude machen, wenn wir uns vom guten Hirten finden, und in den Himmel auf Seinen Achseln tragen lassen, so wollen wir uns alle Tage von Ihm finden lassen, und uns auf Seine Achseln, auf die Flügel Seiner Gnade schwingen durch Gebet und Flehen; wollen bei Ihm und in Ihm bleiben, unzertrennlich, ewig; wollen allen Sündern unaufhörlich bezeugen: Kommt, Jesus nimmt die Sünder an, und isset mit ihnen, und giebt ihnen ewiges Leben. Er freut sich, Seine Engel freuen sich, der ganze Himmel frohlockt, wenn ihr kommt, und euch dem Hirten ergebet, auf Seine Weide gehet, Seine Stimme höret und Ihm folget. Amen.

Ach zieh mich selbst recht nah zu Dir,
Holdselig süßer Freund der Sünder I
Erfüll mit sehnender Begier
Auch uns und alle Menschenkinder.
Zeig uns bei unserm Seelenschmerz
Dein aufgespaltnes Liebesherz;
Und wenn wir unser Elend sehen,
So laß uns ja nicht stille stehen,
Bis daß ein Jeder sagen kann:
Gott Lob! auch mich nimmt Jesus an.

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