Girgensohn, Thomas- Zur Erbauung - Adventsfrucht.
„Freut euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: freut euch. Eure Lindigkeit lasst kund sein allen Menschen. Der Herr ist nahe.“ (Phil. 4, 4. 5.)
Der Herr ist nahe, so lautet die Adventspredigt, sowohl hinweisend auf das bevorstehende Weihnachtsfest, als auch im Hinblick auf das tägliche Kommen des Herrn zu den Seinen, als auch endlich weissagend von dem künftigen Kommen des Herrn in Herrlichkeit. Wo aber diese Adventspredigt als ein guter Same auf ein feines, gutes Herzensland fällt, da wird die Mahnung des Apostels sich erfüllen: freut euch in dem Herrn. Freude soll die Adventsfrucht sein, Freude, die ihren Grund hat in dem Nahesein des Herrn, der da ist Jesus Christus gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit, Freude, die darum auch allewege in den Herzen bleiben kann. Der Herr ist nahe, wird verkündigt, wir feiern bald Weihnachten, der Herr ist zu den Menschen gekommen, ist Mensch geworden, um der Welt Sünde zu tragen. Wer das gläubig in sein Herz aufnimmt, der kann sich wahrlich freuen in dem Herrn, der seine Schuld abgetan, ihn mit Gott versöhnt hat und ihm den Frieden der Vergebung schenkt. Der Herr ist nahe, wird gepredigt, er kommt immerdar im Worte und in den Sakramenten zu uns, er will seine Verheißung wahr machen: siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Sollen wir uns nun nicht dessen freuen, dass wir den guten Hirten bei uns haben, können wir uns nicht allewege freuen? Wenn wir unserem Berufe nachgehen, so können wir uns freuen, dass wir auf sein Wort unser Netz auswerfen, und dass seine Kraft in uns, den Schwachen, mächtig sein soll. Wenn wir mit unseren Mitchristen verkehren, so mögen wir uns darüber freuen, dass der Herr in unserer Mitte ist, durch andere an uns wirkt und uns an anderen wirken lässt. Wenn wir die Segensgaben Gottes genießen, so freuen wir uns in dem Herrn, wenn sie uns an die Freundlichkeit des gegenwärtigen Heilands erinnern. Wenn wir leiden, so sprechen wir doch mit Freuden: ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Wenn wir ruhen, so freuen wir uns seines Schutzes, wenn wir zu kämpfen haben wider Teufel, Welt und Fleisch, so gedenken wir voller Freude: es streit't für uns der rechte Mann, wenn wir sterben, so sollen wir uns auch noch freuen und in solcher Freude bekennen: Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch Jesum Christum unseren Herrn. Wenn nun der Herr uns nahe kommen, wenn sein Wort uns ein Licht wird auf allen unseren Wegen, wenn es gehört, gelesen, im Herzen bewahrt wird, dann wird die Mahnung auch in unserem Leben Frucht bringen: freut euch in dem Herrn allewege. Der Herr ist nahe, diese Adventspredigt kündet uns aber auch noch, dass Jesus Christus bald kommen wird mit großer Kraft und Herrlichkeit, um Gericht zu halten und sein ewiges Herrlichkeitsreich aufzurichten. Und auch dieser Botschaft gegenüber können die wahren Jünger Christi nur der Weisung des Apostels folgen: abermals sage ich: freut euch. Denn dieses Gericht ist ja die für die Ewigkeit gültige Scheidung zwischen Finsternis und Licht, zwischen Gottesreich und Welt, und jenes Herrlichkeitsreich bringt ja die völlige Erlösung von aller Sünde, von allem Übel, von allen Stückwerk, von aller Unvollkommenheit. Der Herr erwartet für sein letztes Kommen solchen freudigen Empfang von Seiten seiner Jünger, wenn er spricht: wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so seht auf und hebt eure Häupter auf, darum dass sich eure Erlösung naht. Wir aber, die Jünger, sollen uns prüfen, ob wir dem Ende und dem Erscheinen des Herrn wohl mit solcher Freude entgegensehen können. Wenn wir uns der Wiederkunst Christi wirklich freuen können, so haben wir daran ein Merkmal, dass wir von der Freude in dem Herrn etwas wissen, und dass wir uns hier auf Erden allewege im Herrn freuen dürfen. Ein anderes Kennzeichen aber, dass die rechte Freude, die Freude in dem Herrn, in uns Raum gewonnen hat, gibt der Apostel mit den Worten an: eure Lindigkeit lasst kund sein allen Menschen. Wo die wahre Freude, welche von der Barmherzigkeit Gottes in Christo geweckt ist, das Herz erleuchtet und erwärmt, da wirkt sie gegen die Mitmenschen wieder Barmherzigkeit, die ihnen Freude zu machen sucht. Und wie die Barmherzigkeit gegen Menschen ein Ausfluss von Gottes Barmherzigkeit ist, so auch die Freude, die wir bereiten, dann ein Abglanz von der Freude, die uns in Christo bereitet ist. Eure Lindigkeit lasst kund sein allen Menschen. das Wort wird bei denen, die sich im Herrn freuen, dann so zur Tat, dass wir durch Wort und Werk den Sündern Vergebung verkünden, den Müden und Mutlosen freudigen Mut einflößen, mit den Fröhlichen uns freuen, den Leidenden Hilfe oder Trost bringen, die Kämpfenden ermuntern, den Sterbenden Lebenshoffnung geben, ja selbst da, wo wir strafen und züchtigen, das Gericht des Herrn verkündigen müssen, doch zugleich locken und zu gewinnen suchen mit der Freude, die bereitet wird dem Sünder, der sich von seiner Sünde scheiden lässt. So ist Freude die Frucht der Adventsbotschaft; Freude, die wir mit dem Herrn empfanden, Freude, die wir durch den Herrn anderen bereiten, damit nicht nur einzelne Seelen froh werden, sondern eine gemeinsame Freude die Gemeinde Christi durchglühe und das Wort sich erfülle: Freue dich, du Tochter Zion, und jauchze, du Tochter Jerusalem, siehe, dein König kommt zu dir.
R. K. 91. Nr. 51.