Girgensohn, Thomas - Zur Erbauung - Mariä Verkündigung.
„Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.“ Apstg. 4, 12.
Der Name, darinnen wir sollen selig werden, wird uns im Evangelium am Tage Mariä Verkündigung (Luk. 1, 26-38) genannt, wo es heißt: „**siehe, Du wirst schwanger werden im Leibe und einen Sohn gebären, des Namen sollst Du Jesus heißen“. Jesus soll Maria ihren Sohn nennen, weil in diesem Namen die Bedeutung dessen, was der Engel ihr verkündigt hat, offenbart wird, Jesus soll sie ihn heißen, weil Jesus Heiland bedeutet, und weil derjenige, welchen Maria gebären soll, dazu in die Welt kommt, um sein Volk selig zu machen von ihren Sünden. In dem Namen „Jesus“ sind alle anderen Namen des Herrn zusammengefasst, ist die tiefste Bedeutung seiner Person und seines Werkes enthüllt. Dass der Herr kommt in die Welt, predigt uns Mariä Verkündigung und zugleich in dem Namen „Jesus“ die Bedeutung seines Kommens. Beides aber stimmt gar schön mit der Passionszeit zusammen, in welcher wir jetzt stehen. Ist doch jenes Kommen, von dem der Engel zu Maria redet, der Anfang jener Erniedrigung bis in den Tod, welche wir in der Passionszeit preisend betrachten, der erste Schritt des Herrn auf dem Leidenswege; und andererseits ist doch das Leiden des Herrn die herrlichste Entfaltung dessen, was im Namen „Jesus“ beschlossen liegt, ist doch das Kreuz das Zeichen, das uns jenen Namen erst voll und ganz deutet. Indem wir unter dem Kreuze Jesu stehend den Inhalt seines Namens im Glauben erfassen, erfüllt sich an uns das Wort: es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden. „Jesus“ heißt der, der da kommt, weil mit seinem Kommen er unsere Lasten auf sich nimmt, um durch Tragen und Dulden die Welt zu versöhnen mit Gott und also selig zu machen. Aber erst beim Anschauen des letzten Leidens und des Sterbens Jesu wird es uns offenbar, dass sein Name uns kündet: die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. „Jesus“ heißt der, der von Maria geboren werden soll, weil in ihm die ewige Gottesliebe sich der Sünderwelt darstellen soll, die Gottesliebe, die allein die Elenden erquicken, froh und selig machen kann. Aber wiederum ist es die Passionsgeschichte, welche die Tiefe und Größe jener Gottesliebe erst in voller Herrlichkeit uns vor Augen stellt, ist es der Gekreuzigte, der mit Wundermacht die Herzen erfasst, dass wir aus dem Jesus-Namen nun die Kunde vernehmen: ich habe Dich je und je geliebt, darum habe ich Dich zu mir gezogen aus lauter Güte. „Jesus“ soll der heißen, der empfangen wird vom Heiligen Geist, weil er erfüllt mit diesem Geist mit Feuer und Geist taufen soll die Seinen, mit Geist, der verbrennt die Sünde und herstellt das Ebenbild des Gottessohnes, auf dass wir in seinem Reiche unter ihm leben und ihm dienen in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Aber erst das Wort vom Kreuz weist uns klar und deutlich den Weg, auf welchem der Geist Jesu uns leiten will zur Seligkeit, dem Zuge folgend, mit welchem das Haupt seine Glieder nach sich zieht, so dass vom Kreuze Jesu gedeutet sein Name uns lehrt: wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. So weist uns das Fest „Mariä Verkündigung“ auf die tiefste Bedeutung der Passionszeit hin und weist uns wiederum das Kreuz Jesu in die Tiefe seines Namens hinein, der im Mittelpunkt des Festevangeliums leuchtet. Der Name Jesu will sich entfalten in dem Wort vom Kreuz und das Wort vom Kreuz will diesen Namen zum Verständnis bringen, ihn den Herzen einprägen, auf dass man es unter dem. Kreuz erfahre: es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden, denn der Name Jesu. Kreuz und Name Jesu müssen immerdar bei einander sein; darum soll es die Passionsbitte der feiernden Gemeinde an ihren erhöhten Herrn sein: geheiligt werde Dein Name; der Herr aber wolle solche Bitte erhören, indem er uns stärkt in dem Bekenntnis:
In meines Herzens Grunde
Dein Nam' und Kreuz allein
Funkelt all' Zeit und Stunde;
Des kann ich fröhlich sein.
R. K. 91. Nr. 13.