Gerok, Karl - Vom christlichen Hausstande – 7. Predigt am Sonntag Lätare.
(1856.)
Kol. 3, 18-4, 1.
Ihr Weiber, seid untertan euren Männern in dem Herrn, wie sich's gebühret. Ihr Männer, liebt eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie. Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist dem Herrn gefällig. Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf dass sie nicht scheu werden. Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht. Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn, und nicht den Menschen, und wisst, dass ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem Herrn Christo. Wer aber Unrecht tut, der wird empfangen, was er Unrecht getan hat und gilt kein Ansehen der Person. Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweiset den Knechten und wisst, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt.
Es ist eine Wahrheit, die man jetzt wieder mehr als sonst gelten lässt: die Wohlfahrt des Staats, das Glück des Volks, das Heil der Menschheit muss nicht sowohl von oben herab als von unten herauf wachsen, muss nicht nur im Großen sondern vor Allem im Kleinen auferbaut werden. Das Haus und der häusliche Herd, die Familie und das Familienleben, das ist die Pflanzschule eines gefunden, tüchtigen und glücklichen Volkes, darüber hat erst neulich ein geistreicher deutscher Schriftsteller und Vaterlandsfreund1) ein schönes und beherzigenswertes Buch geschrieben.
Die Probe kann ja Jedes von uns im Kleinen machen. Wenn der Hausfriede dir fehlt, dein Ehestand ein Wehestand ist, wenn dir's wie ein Alp aufs Herz fällt, sobald du beim Nachhausekommen wieder den Giebel deines Hauses erblichst und die Schwelle deiner Heimat betrittst, dann steht es schlimm um dein Glück, dann kann kein Weltruhm und kein Lebensgenuss, kein Reichtum und keine Amtswürde, keine Zeitung und kein Wirtshaus, keine Visite und kein Theater, kurz nichts, was draußen zu haben ist, dir das ersetzen, was dir daheim fehlt: den Frieden und das Behagen. Hast du aber daheim ein frommes Weib, einen lieben Mann, ein holdes Kind, hast du in deinem Hause Gottes Segen und Gottes Frieden - nun dann mag auch draußen manches Widrige dir begegnen, mag je und je ein rauer Wind der Anfechtung dich anblasen und ein derber Stoß dir versetzt werden im Gewühle der Welt daheim wird dir wieder wohl; am häuslichen Herde geht dir das Herz wieder auf; unter traulichem Dach tröstest du dich über die Stürme da draußen.
Aber, fragst du, wie bekomm ich den Frieden ins Haus? wer schafft mir mein Hauskreuz vom Hals? wer hilft mir zu einem glücklichen Hausstand? Dazu gibt's nur einen Weg, aber einen sichern! Lass Christi Wort und Christi Geist in deinem Hause regieren. Wohl einem Haus, wo Jesus Christ allein das All in Allem ist! Nur ein christlicher Hausstand ist ein glücklicher Hausstand. - Den Frieden, den Christus in die Welt gebracht, den hat Er auch ins Haus gebracht, und bringt ihn heute noch hinein. Die Liebesbande, die Er um die ganze Menschheit geschlungen, die schlingt Er auch um die Allernächsten, um Mann und Frau und Kind und Gesinde. Wir wollen darüber jetzt etwas weiter nachdenken und betrachten: Das liebliche Band herzlicher Liebe, das in einem christlichen Hausstand alle Hausgenossen umschlingt:
1) Mann und Frau;
2) Eltern und Kinder;
3) Herrschaft und Gesinde.
O selig Haus, wo man Dich aufgenommen,
Du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ!
Wo unter allen Gästen, die da kommen,
Du der gefeiertste und liebste bist;
Wo Aller Herzen Dir entgegenschlagen,
Und Aller Augen freudig auf Dich sehn!
Wo Aller Lippen Dein Gebot erfragen,
Und Alle Deines Winks gewärtig stehn. Amen.
Was in unserer Kinderlehre die Haustafel heißt, das hält uns der Apostel vor in unserer Abendlektion, eine Anweisung für die verschiedenen Stände über ihre besonderen Standespflichten, und es sollten demnach über unsern Text eigentlich mindestens sechs besondere Predigten gehalten werden, Standespredigten, wie sie bei den katholischen Missionen üblich sind: 1) für die Männer, 2) für die Frauen, 3) für die Eltern, 4) für die Kinder, 5) für die Herrschaften, 6) für die Dienstboten. Damit aber keines von euch, liebe Zuhörer, zu kurz komme, damit Jeder wenigstens Etwas mit nach Haus nehmen könne vom Segen, unserer Epistel, der Mann, der sich seltenerweise - zu einer Nachmittagspredigt herbeilässt, so gut als die Frau; das Kind, das der Vater oder die Mutter mitgenommen, so gut als die Eltern; die Dienstmagd, die Morgens doch nicht in die Kirche kann, so gut als die Herrschaft; - so wollen wir die ganze Haustafel in der Kürze überschauen und aus unserem Texte ersehen das liebliche Band herzlicher Liebe, das in einem christlichen Haushalt alle Hausgenossen umschlingt:
1) Mann und Frau;
denn das Evangelium macht demütige Frauen und macht sanftmütige Männer.
„Ihr Weiber, seid untertan euren Männern in dem Herrn, wie sich's gebührt.“ Nur eine einzige Pflicht schärft hier der Apostel den Frauen ein, aber es ist die wichtigste, es ist ihre eigentliche Standespflicht: seid untertan. Es ist etwas Schönes um eine fleißige Hausfrau, die unermüdet ihre Hände regt vom Morgen bis zum Abend; um eine geschickte Hausfrau, die ihrem Hauswesen wohl vorzustehen weiß; um eine zierliche und ordentliche Hausfrau, die sich und ihr Haus schmuck und rein erhält, dass es eine Lust ist zum Anschauen; um eine häusliche und genügsame Hausfrau, die das Ihre und was des Mannes ist zu Rate hält und ihr Vergnügen lieber im Hause sucht, als außer dem Hause; um eine fröhliche und wohlgemute Hausfrau, die sich und Anderen das Leben nicht sauer macht durch ewiges Jammern und Klagen, deren Antlitz wie Sonnenschein im Hause leuchtet. Und doch, alle diese Tugenden haben ihren Lohn dahin, wenn dieser Hausfrau zu dem Allem die edelste Perle fehlt im weiblichen Schmuck: die Demut; wenn sie zu so Vielem das Eine nicht gelernt hat: „Ihr Weiber seid untertan euren Männern in dem Herrn.“
Eine einzige Pflicht, aber gerade die schwerste von allen! Bin ich denn nicht auch ein Mensch so gut wie er? habe ich nicht auch einen Willen so gut wie er? Warum soll ich denn nichts gelten und immer nachgeben? Warum soll ich mich hinunterbegeben unter einen Mann, der nicht besser ist als ich, ja vielleicht viel schlechter ist als ich, viel niedriger denkt, viel gemeiner fühlt, viel weniger leistet? O wie manche Frau hat schon so gefragt und geseufzt, nicht etwa nur von jenen übermütigen, überstiegenen, neumodischen, abgeschmackten Weibern, welche sich emanzipieren, d. h. losmachen wollen von den uralten Schranken ihres Geschlechts und den Männern es gleichtun, in männlicher Geistesbildung und Lebensart, in männlichen Tugenden und männlichen Lastern; nein, auch eine edle, fromme, christliche Frau kann wohl manchmal zur- trüben Stunde der Gedanke beschleichen: es ist eine harte Rede: seid untertan! Und doch, liebe Seele, da steht's in Gottes Wort; es sind vielleicht auch arme, von ungläubigen Ehemännern gedrückte, verspottete, misshandelte Frauen aus Kolossä gewesen, und doch schreibts der Apostel ganz ohne Ausnahme: „Ihr Weiber, seid untertan euren Männern in dem Herrn, wie sich's gebührt.“
„Also gebührt sich's!“ Das ist Gottes heilige Ordnung von der Schöpfung her, da Er im Paradiese das Weib dem Manne zur Gehilfin schuf und als das schwächere Geschöpf unter seine Herrschaft stellte, und da er nach dem Sündenfall der Eva die Dienstbarkeit schärfte und sprach: er soll dein Herr sein! Also „gebührt sich's“ doppelt für eine christliche Ehefrau. Das ist die schöne Ordnung in Christi Reich, in der Nachfolge des Herrn, der in die Welt gekommen ist, nicht dass Er Ihm dienen ließe, sondern dass Er diente, und der auch euch Frauen zuruft: Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig! Unter einem solchen König, o wahrlich, da ist's keine Schande mehr, dienen und dulden, sondern ein himmlisch und ein göttlich Amt; darum, ihr lieben Frauen, die ihr doch alle christliche Frauen sein wollt, seid untertan euren Männern in dem Herrn.
„In dem Herrn!“ um des Herrn und Gottes willen, der es also geordnet hat vom Paradiese her; um des Herrn und Heilands willen, der noch in seiner letzten Nacht sich schürzte und gürtete und niederkniete und seinen Jüngern die Füße wusch und sprach: der Vornehmste unter euch soll sein wie ein Diener - im Ausblick zu diesem Herrn, aus Liebe zu diesem Herrn, in der Kraft dieses Herrn lerne auch du, liebe Frau, untertan sein dem Manne, und wenn sich dein Eigenwille auch manchmal sträubt: so lang es nur sein kann mit dem Herrn und in dem Herrn, gib du in Gottes Namen nach, und wenn dein Mann manchmal vor dir steht hart und finster, so dass dir das Herz sich zuschließen will wider ihn siehe, hinter dem harten und finstern Antlitz deines menschlichen Herrn blickt ein anderes Antlitz dich an, gar heilig und hehr, gar mild und sanft, das Antlitz deines himmlischen Herrn. Dein Heiland in der Dornenfrone, der blickt dich an, der spricht dir zu: tu's mir zu lieb, mein Kind, trag's mir zu Gefallen, o Seele, nimm's auf dich als mein Joch; mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Ja, Sein Joch ist sanft und Seine Last ist leicht. Das wird jede unter euch, das kann auch die unglücklichste Frau erfahren; wenn sie nur ihr Kreuz trägt im Aufsehen auf den Herrn, und Seinen Friedensgeist regieren lässt in ihrem Herzen, dann wird sie's erfahren auch unter mancherlei Prüfungen und Demütigungen: den Demütigen gibt Gott Gnade und seine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Aber dieser König in der Dornenkrone, dieser Herr und Meister der Liebe hat nun auch ein Wort für dich, o Mann. Er will nicht nur demütige Frauen, Er will auch sanftmütige Männer. „Ihr Männer liebt eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie.“ Mit diesen Worten verwahrt der Herr Sein, voriges Wort vom Untertansein der Frau vor Missdeutung, als dürfte darum der Hausherr sich gebärden wie ein Haustyrann. Damit nimmt Er die Frau als den schwächeren Teil in Seinen milden Gnadenschutz, dass sie ja nicht sein soll die Sklavin des Mannes.
Im Heidentum ja da war es so, und da ist es noch so; da ist die Frau nicht viel mehr als die Sklavin des Mannes, das Spielzeug seiner Lüste, die Dienerin seiner Launen, die erste Magd in seinem Hause. Aber der heilige Menschenfreund, der gekommen ist aller Tyrannei auf Erden ein Ende zu machen, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung, der hat auch das Jahrtausende lang misshandelte Weib unter die Fittiche Seiner heiligen Liebe genommen und dem schwachen Geschlecht seine heiligen Menschen- und Christenrechte verbrieft und versiegelt, so dass nun Weib und Mann mit einander Erben der Gnade des Lebens sind, und die Frau gerade als der schwächere Teil doppelter Ehre wert und doppelter Liebe empfohlen ist.
Freilich, es gibt leider Gottes heute noch und mitten in der Christenheit der unchristlichen und unmenschlichen Ehemänner genug, die da meinen, das sei ihr Mannesrecht, den Sultan und Tyrannen im Hause zu spielen, die es ganz in Ordnung glauben, das arme Geschöpf, das einst am Traualtar vertrauensvoll seine Jugend, sein Glück, seinen Leib, seine Seele, sein Leben in ihre meineidigen Hände gegeben, nun hartherzig und lieblos zur Hausmagd zu erniedrigen, die gut genug ist, dem gnädigen oder ungnädigen Herrn aufzuwarten, die vergessen und verlassen daheim ihr Leben verseufzen muss, während der Haustyrann sich's wohl sein lässt außer dem Hause und von seinen lustigen Abenden der Frau nichts heimbringt als ein finsteres Gesicht und eine mürrische Laune, ja vielleicht Scheltworte und Schläge.
Ist das ein christlicher Ehestand? ist das auch nur eine menschliche Behandlung? Tut da nicht recht sehr Not das mahnende und strafende Wort: „Ihr Männer, liebt eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie,“ damit nicht ihre Seufzer und Tränen dich verklagen vor Gottes Thron, damit nicht am Grabe deines Weibes oder drüben in der Ewigkeit der qualvolle Gedanke wie ein Messer dein Herz durchwühle: Gott hat mir ein Kleinod zu hüten gegeben und ich hab's mit Füßen getreten! Gott hat mir eine Blume zur Pflege anvertraut und ich hab sie elend verschmachten lassen! Gott hat mir ein Menschenherz geschenkt, um es glücklich zu machen, und ich hab's fühllos zerbrochen!
„Ihr Männer, liebt eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie!“ Auch dann nicht bitter, wenn sie durch ihre Schwachheiten euch üben und eure Geduld auf die Probe stellen. Angenommen, lieber Mann, du bist wirklich der Überlegene und der Vernünftigere gut, so zeige deine Stärke dadurch, dass du der Schwachen Gebrechlichkeit trägst; zeige deine Festigkeit dadurch, dass du ruhig bleibst und nicht gleich auffährst in Zorn und Hitze; zeige deine Weisheit dadurch, dass du auch einen schwächeren Verstand klug zu behandeln, zu leiten, zu erziehen verstehest; zeige deine Liebe dadurch, dass du dich nicht erbittern lässt, nicht eiferst, dich nicht blähest und nicht ungebärdig stellst. So in Liebe der Schwachen Gebrechlichkeit tragen - sieh, das ist dem männlichsten Mann keine Schande, sondern eine Ehre; das ist nicht schwach, sondern stark; das ist männlich, das ist christlich, das ist göttlich. Das ist im Geiste dessen, der, obwohl der Herr der Herrlichkeit, obwohl der Heilige und Reine, dennoch auch die Irrenden und Fehlenden auf Seinem starken Hohepriesterherzen trug mit unermüdlicher Geduld, und das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und das glimmende Docht nicht auslöschen wollte.
O zu Ihm, ihr lieben Ehegatten beiderseits und allesamt, zu Ihm blickt auf im Glauben; von Ihm erbittet euch täglich Sanftmut und Demut, Weisheit und Milde, einander in Geduld zu vertragen; zu ihm flüchtet euch im Gebet in jeder trüben Stunde, wenn Eins vom Andern sich verletzt fühlt. Je näher ihr zu Ihm kommt, umso näher werdet ihr einander kommen in herzlicher Liebe, und je näher ihr einander kommt, umso näher kommt ihr dem Glück, dem Segen, dem Frieden.
O selig Haus, wo Mann und Weib in Einer,
In Deiner Liebe Eines Geistes sind,
Als beide Eines Heils gewürdigt, keiner
Im Glaubensgrunde anders ist gesinnt;
Wo beide unzertrennbar an Dir hangen
In Lieb und Leid, Gemach und Ungemach,
Und nur bei Dir zu bleiben stets verlangen
An jedem guten, wie am bösen Tag!
Und wie Mann und Frau, so auch
2) Eltern und Kinder
vereinigt Christi Geist in der rechten, herzlichen Liebe. Er zieht folgsame Kinder und liebreiche Väter.
„Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen, denn das ist dem Herrn gefällig.“ Das ist freilich eine alte, eine tausendmal gehörte Vermahnung und doch tut sie nicht immer wieder Not, wird sie nicht, tausendmal gehört, tausendmal wieder vergessen? Ist's nicht, zumal in unserer Zeit, eine allgemeine Klage, dass kein Gehorsam mehr sei bei den Kindern; sehen wir sie nicht nur allzu oft vor Augen, diese Zuchtlosigkeit und Unbotmäßigkeit der Jugend vom störrigen Schulknaben an, der der Mutter unartige Reden gibt, bis zum ausgelassenen Rekruten, der die Straßen durchtaumelt mit tierischem Geschrei? - Jener Trotz, der sich nichts sagen lassen will, jene Naseweisheit, die alles besser wissen will, jener Leichtsinn, der das treueste Vater und Mutterwort in den Wind schlägt o man kann sie heutzutage fast in allen Häusern finden, fast auf allen Straßen begegnen! Ich weiß nicht, ob hier ein Kind anwesend ist, aber wäre auch nur ein einziges da, dem sei's hier gesagt an heiliger Stätte, nicht als aus meinem Mund, sondern als aus des Apostels, als aus des Heilands, als aus Gottes Munde selbst: „Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in allen Dingen - die nicht wider Gott streiten - denn das ist dem Herrn gefällig.“ Und wer unter euch, liebe Zuhörer, auch den Kinderschuhen entwachsen, das große Glück und die hohe Gnade genießt, dass ihm noch ein liebes Vaterantlitz leuchtet, ein teures Mutterherz schlägt hienieden, der lasse sich's auch mit gesagt sein und nehme sich sein Teil daran zu Herzen: „Ihr Kinder seid gehorsam euren Eltern, denn das ist dem Herrn gefällig.“ Ja selbst unterm Boden noch ehrt ein treues Kind Vater und Mutter und hält ihre Gebote heilig, wäre auch der Mund längst verstummt, der ihm einst den Weg des Lebens wies, und das Auge längst gebrochen, das einst seine Schritte gehütet.
„Das ist dem Herrn gefällig.“ Dass das dem Herrn gefällig ist, dass des Vaters Segen den Kindern Häuser baut - o das lehrt ja manches liebliche Beispiel vom guten Sohn Josef und vom gehorsamen Knaben Samuel an bis auf diesen Tag. Dass aber der Kinder Ungehorsam dem Vater im Himmel ein Gräuel ist, dass die grauen Haare eines verachteten Vaters, dass die stillen Tränen einer misshandelten Mutter gen Himmel, schreien wider ein unnatürliches Kind, dass einem ungehorsamen Sohn, einer undankbaren Tochter der Fluch sich an die Fersen hängt lebenslang, dass nichts Gutes herauskommt bei dem heutigen Geiste der Zuchtlosigkeit und der Unbotmäßigkeit, nichts Gutes für die Welt, nichts Gutes für die Jugend selbst - o darüber braucht ihr nicht erst die alten Geschichten von Elis Buben und Absaloms Ende, darüber gibt's schreckliche Geschichten genug bis auf die neueste Zeit, und wenn wir auch zur Ehre der Menschheit gerne glauben wollen, jene haarsträubende Geschichte sei nur erdichtet von dem Vater, den sein Sohn an den Haaren durch die Stube schleppte und der an der Türschwelle jammernd ausrief: Halt, mein Sohn, nicht weiter; gerade bis hierher hab ich einst meinen Vater auch geschleppt! so ist doch die Lehre wahr, die drin liegt, und wird täglich aufs Neue vor unsern Augen wahr: Wie ein Kind seinen Eltern bettet, so bettet es sich selbst hier in der Zeit und dort im Lande der Vergeltung.
„Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in allen Dingen, denn das ist dem Herrn gefällig.“ Und der Herr, dem's gefällig ist, der hat euch ja auch das schönste Vorbild gelassen solch kindlichen Gehorsams und kindlicher Liebe, von da an, da Er als zwölfjähriger Knabe Seinen Eltern untertan war, bis da er sterbend am Kreuz für Seine verlassene Mutter noch sorgte. Wer Ihn lieb hat, der wird auch die Eltern lieb haben, doppelt lieb um des Herrn willen, denn über dem irdischen Vater, auch dem gebrechlichen, auch dem wunderlichen, auch dem fehlerhaft menschlichen Vater sieht er den himmlischen Vater mit seinem hocherhobenen Finger und hört aus Seinem heiligen Munde das Gebot: Ehre Vater und Mutter, auf dass du lange lebst im Lande, das der Herr dein Gott dir geben wird!
Ihr aber, o Väter, wollt ihr Liebe ernten in eurer Kinder Herzen, so müsst ihr auch Liebe säen. Der Herr, der gehorsame Kinder will, der will auch liebreiche Väter, darum ruft Er euch zu: „Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf dass sie nicht scheu werden!“
Wieder ein Wort, das sich eigentlich von selbst versteht, das nur das Allererste, das Allernatürlichste verlangt von einem Vaterherzen, und doch ein Wort, gegen das von so vielen Vätern unverantwortlich gesündigt wird!
„Ihr Väter!“ Warum denn nicht: ihr Mütter? warum nicht: ihr Eltern? warum nur: ihr Väter? Ich denke: darum zuerst, weil ihr Väter vor allen als des Hauses Häupter Gott dem Herrn verantwortlich seid für eure Kinder und für eure Kinderzucht. darum zum zweiten: weil von den Vätern so viele dieser heiligen Pflicht sich entziehen und die Kinderzucht als eine Weibersache den Müttern überlassen. Und darum zum dritten: weil die Mahnung gerade, die hier steht, die Mütter viel weniger brauchen als die Väter: „erbittert eure Kinder nicht, auf dass sie nicht scheu werden.“ „Erbittert eure Kinder nicht!“ Soll das heißen: straft sie nicht, fahrt ihnen nie durch den Sinn, zeigt ihnen nie den Ernst, verhätschelt und verzärtelt sie als schwache Eliväter? Nein, gewiss nicht, denn gerade durch solche törichte Affenliebe hat schon mancher Vater sein Kind erbittert, dass es in späteren Jahren auf seinen Sündenwegen mit bitterem Vorwurf klagte: hätte ich einen Vater gehabt, der mir beizeiten den Ernst gezeigt, dann wäre ich nicht so tief in die Sünde, so tief ins Verderben geraten. Nein, „erbittert eure Kinder nicht, dass sie nicht scheu werden,“ das heißt: zeigt ihnen auch im Ernst immer die Liebe und lasst sie auch durch die züchtigende Vaterhand das treue Vaterherz allezeit hindurch fühlen. Erbittert sie nicht durch unmenschliche Misshandlung und jähzorniges Dreinschlagen, dass sie am Ende von Weitem schon zittern bei des Vaters Stimme und erschrecken vor seinem Angesicht. Erbittert sie nicht durch kalte Gleichgültigkeit, durch höhnische Geringschätzung, durch lieblose Vernachlässigung, dass ihr Herz sich scheu zuschließt vor dem euren, weil sie nichts haben vom Vater und am Vater.
Es ist so etwas Offenes, Argloses, Liebenswürdiges, Lernbegieriges und Hilfsbedürftiges um ein Kinderherz- und wenn nun so ein zutrauliches Kind da zurückgestoßen wird, wohin es sich zuerst wendet, wenn es beim Vater keine Ansprache, kein offenes Herz findet, wo soll es denn sonst einen Freund finden, in dieser bösen, kalten, selbstsüchtigen Welt? O es ist so eine kurze Rosenzeit, der Frühling der Kindheit, und wenn die vollends dem armen Kinde verregnet wird durch tägliche Tränen, verhagelt wird durch tägliche Schläge, verkümmert wird durch tägliche frostige Vernachlässigung - das ganze Leben kann's ihm nicht mehr ersetzen, fürs ganze Leben wird das Herz vielleicht düster und bitter, oder scheu und tückisch. Gott sei's geklagt! Auch in unserer Stadt haben wir solche Sündenhäuser und Jammerwinkel, wo ein sieches Kind gen Himmel schreit über ruchlose Eltern oder Pflegeltern, und wenn auch der Arm des weltlichen Gerichts nicht immer eingreifen kann, wie seit wenig Wochen hier zweimal geschehen: im Himmel ist ein Richter, der einst das Blut, das Leben, die Seele dieser armen Kreaturen fordern wird von ihren Peinigern und Mördern.
„Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht!“ Und wenn sie uns erbittern wollen und zum Zorn hinreißen durch ihre Unart und Bosheit, nun, Geliebte, dann wollen wir denken an den himmlischen Vater, der auch Geduld hat, viel Geduld mit Seinen schwachen Kindern, zu denen wir selber gehören; der auch den ungeratenen Sohn noch mit Langmut trägt; der auch wo Er züchtigt, uns immer noch lieb hat. Zu Ihm wollen wir uns immer mehr führen lassen durch unsere Kinder, und unsere Vatersorgen und Vaterhoffnungen, unsere Vaterschmerzen und Vaterfreuden niederlegen in Seinem großen Vaterherzen. Zu Ihm und Seinem Sohne Jesu Christo, dem himmlischen Kinderfreund, wollen wir unsere Kinder täglich führen durch Fürbitte, Vermahnung und Beispiel, dann wird auch Sein Segen nicht ausbleiben.
O selig Haus, wo man die lieben Kleinen
Mit Händen des Gebets ans Herz Dir legt,
Du Freund der Kinder, der sie als die Seinen
Mit mehr als Mutterliebe hegt und pflegt;
Wo sie zu Deinen Füßen gern sich sammeln,
Und horchen Deiner süßen Rede zu,
Und lernen früh Dein Lob mit Freuden stammeln,
Sich Deiner freu'n, Du lieber Heiland, Du!
Und, möchte man gleich fortfahren mit unserem Lied: „O selig Haus, wo Knecht und Magd Dich kennen.“ Auch das gehört zum Häuslichen Glück und häuslichen Frieden:
3) Herrschaft und Gesinde
das schöne Band herzlicher Liebe zwischen Herrschaft und Gesinde. Auch da zeigt sich der heiligende Geist Jesu Christi: er macht treues Gesinde und billige Herrschaften. Darüber nur noch zwei Worte zum Schluss. Eins an euch, ihr lieben Dienstboten; das heißt: „Ihr Knechte und Mägde, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herrn, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht.“ Es ist eine gemeine Klage heutzutage, dass treue und zuverlässige, dankbare und anhängliche Dienstboten immer rarer werden; immer seltener so ein redlicher Knecht Elieser, der seines Herrn Sache besorgt, als ob es seine eigene wäre, immer seltener so eine treue Hausmagd, die in Leid und Freud mit der Familie zusammenwächst und recht eigentlich ein Glied des Hauses wird. Es gehört nicht zum kleinsten Hauskreuz, was durch Dienstboten angestiftet wird: durch untreue Dienstboten, die das Vertrauen der Herrschaft jahrelang missbrauchen, bis der Betrug mit Schanden ans Licht kommt; durch heuchlerische Dienstboten, die ihren Dienst vor Augen tun, hinter rücks aber die Herrschaft aufs boshafteste verlästern; durch undankbare Dienstboten, die alle Liebe, die man an sie wendet, als einen Raub hinnehmen und Gutes mit Bösem vergelten. Es ist unter euch selber, ihr Knechte und Mägde, so viel Unzufriedenheit und Murren, so viel Höherhinauswollen und Veränderungssucht, sei's, dass man sein Glück in einem glänzenderen Dienst sucht, oder in einer unbedachten Heirat oder im fernen Amerika. O glaubt's, das Glück liegt nicht überm Meer, es liegt viel näher, es liegt in euch. „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen. Und wisst, dass ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes, denn ihr dienet dem Herrn Christo.“ Seht, darin liegt das wahre Glück für den ärmsten Dienstboten, wie für den höchsten Staatsdiener. Wenn du deinen Dienst verrichtest als dem Herrn, mit dem Gedanken: Gott hat mich darein gesetzt, dann, o Seele, wirst du ein guter Dienstbote; dann wird dir dein Dienst wichtig und heilig, dann wirst du treu sein im Kleinsten wie im Größten. „So, der Herr ist fort,“ sagte einst ein heidnischer Sklave zu seinem christlichen Mitsklaven, nun wollen wir Haue und Schaufel bei Seite werfen und uns wohl sein lassen.“ „Der meine ist noch da,“ erwiderte der Christ und deutete gen Himmel, „von dort oben schaut er herunter, drum muss ich fortarbeiten.“ Mein Herr ist noch da, mein Herr ist im Himmel - so denk auch du zu jeder Stunde und an jedem Orte, das macht treu im Dienst, und macht zufrieden und froh im Dienst. Sei auch der Dienst streng, du blichst zum Himmel und die Liebe zum Herrn macht auch das Schwere leicht. Sei auch die Herrschaft wunderlich, du blickst empor und sprichst: dort oben ist ein milder Herr, der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehen. Sei auch der Lohn nicht glänzend: Gottes Wohlgefallen über mir, Gottes Frieden in mir, die Krone des Himmels vor mir das ist ja mehr wert als Gold und Silber. Probiert's nur eine Woche lang, meine Lieben, so euren Dienst zu tun, nicht als den Menschen, sondern als dem Herrn, ob ihr ihn nicht besser, ob ihr ihn nicht lieber, ob ihr ihn nicht mit Freuden verrichtet. Der Geist Christi macht treues Gesinde.
Aber auch billige Herrschaften; darüber noch das letzte Wort. „Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweist den Knechten, und wisst, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt.“ Im Heidentum gab's Sklaven, die keine Rechte hatten, nur Pflichten, die der Herr einhandelte und verhandelte und misshandelte wie das Vieh. Der Geist Christi duldet keine Sklaverei. Auch dein Knecht und deine Magd, o Herr, ist dein Bruder und deine Schwester, ein Kind des himmlischen Vaters, ein Erlöster Jesu und ein Erbe des Himmels. Darum beweise ihm, was recht und billig ist; halte ihn menschlich, denn er ist ein Mensch wie du; halte ihn christlich, denn er ist ein Christ wie du; halte ihn väterlich, denn er gehört zum Haus wie du. Und wisst, ihr Herren, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt,“ einen gerechten Herrn, der nicht zugibt, dass einer seiner Knechte anfängt zu schlagen seine Mitknechte und Mägde, als ein Wüterich im Hause und ein Löwe gegen das Gesinde, einen barmherzigen Herrn, der einst fragen wird: bist du auch barmherzig gewesen? Wie hast du die behandelt, welche ich dir untergeben habe als meine Schafe, die du weiden sollst und nicht nur scheren? Hast du sie menschlich gehalten am Leibe, hast du sie christlich behandelt an der Seele und sie zum Guten angehalten, und sie zur Kirche gelassen, und ihnen einen Sonntag gegönnt, und mit ihnen und für sie gebetet? Besser, meine Lieben, wir halten uns diese Fragen jetzt vor, als dass sie uns einst in der Ewigkeit erst wie eine Zentnerlast auf die Seele fallen! Der Herr selber predige darüber weiter in unsern Herzen und Gewissen, wenn nun die menschliche Predigt schließen muss. Er lasse Jedes unter uns in seinem Stand heut etwas heimnehmen in sein Haus von dem, was Er uns heute gesagt. Er begleite uns selber nach Haus und bleibe bei uns im Hause, auf dass unser Hausstand von Tag zu Tag mehr ein christlicher und dadurch ein glücklicher werde. Ja, Herr unser Heiland, bleibe Du unser Hausgenosse hienieden, bis wir Deine Hausgenossen werden droben in des Vaters Haus!
O selig Haus, wo Du die Freude teilest,
Wo man bei keinem Feste Dein vergisst,
O selig Haus, wo Du die Wunden heilest
Und Aller Arzt und Aller Tröster bist;
Bis Jeder einst sein Tagewerk vollendet,
Und bis wir endlich Alle ziehen aus,
Dahin, woher der Vater dich gesendet,
Ins große, freie, schöne Vaterhaus! Amen.