Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 1.

Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 1.

(1) Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, da die Spötter sitzen: (2) Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. (3) Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das gerät wohl. (4) Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. (5) Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeine der Gerechten. (6) Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.

Luther sagt in seiner Vorrede zum Psalter: „Dass er wohl möchte eine kleine Biblia heißen, darin alles aufs schönste und kürzeste, so in der ganzen Biblia steht, gefasst ist und zu einem kleinen Handbuch gemacht und bereitet: dass mich dünkt, der heilige Geist habe selbst wollen die Mühe auf sich nehmen und eine kurze Bibel und Exempelbuch von der ganzen Christenheit oder allen Heiligen zusammenbringen, auf dass wer die ganze Biblia nicht lesen könnte, hätte hierin doch fast die ganze Bibel verfasst in ein kleines Büchlein.“

Was hier vom ganzen Psalmbuch gesagt ist, das kann man auch von diesem ersten Psalm sagen: Er ist eine Bibel im Kleinen. Denn wenn die ganze Bibel nichts anderes sein will, als ein Führer zum ewigen Leben, ein Wegweiser, der mit dem einen Arm warnend abwärts weist und uns sagt: Das ist die Straße, die zur Verdammnis abführt, und der mit dem anderen Arm mahnend aufwärts deutet: Das ist der schmale Pfad, der zum ewigen Leben führt, nun so ist ja dieser erste Psalm nichts anderes, als eine Anweisung zur Seligkeit, ein solcher Wegweiser, welcher uns warnt vor dem Wege der Gottlosen, der ins Verderben führt, und uns hinweist auf den Pfad der Frömmigkeit, der heute noch wie zu Davids und Abrahams Tagen zum Heil führt in Zeit und Ewigkeit.

„Seligkeit der Frommen, Unseligkeit der Gottlosen,“ lautet die Überschrift dieses Psalms in unserer deutschen Bibel. Es ist das ABC der Gottseligkeit, es sind die Anfangsgründe der Pflichtenlehre, welche dieser liebliche Lehrpsalm uns vorhält, Lehren, die wir schon unsern Kindern einprägen, und an die wir doch immer wieder gemahnt werden dürfen unter den Versuchungen der Welt, in den innern und äußeren Kämpfen des Christenlebens. Möchten wir auch in dieser Andachtsstunde aufs neue einen Eindruck bekommen von der Seligkeit der Frommen und der Unseligkeit der Gottlosen.

1.

Von der Seligkeit der Frommen handelt die erste Hälfte des Psalms Vers 1-3.

Vers 1. Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, da die Spötter sitzen. Hier ist der Fromme geschildert im Unterschied vom Gottlosen, von dem er sich ferne hält in Gedanken, Werken und Worten, wie die Taube sich fernhält von den Raben, wie die Mimose sich zusammenzieht vor der rauen Berührung. Er wandelt nicht im Rate der Gottlosen, d. h. schon vor bösen Gedanken, Absichten und Begierden hegt er eine kindliche Scheu, noch tritt er auf den Weg der Sünder, noch weniger als auf sündliche Gedanken lässt er sich auf böse Werke ein, lässt er sich auf Sündenpfaden und Lasterwegen betreten. Noch sitzt er, da die Spötter sitzen, er nimmt nicht teil an ihrer Unterhaltung, findet keinen Gefallen an ihren losen Reden, fühlt sich nicht wohl in ihrer Gesellschaft. Willst du den Weg des Lebens gehen, Kind Gottes, so halte dich ferne von den Gottlosen, mach dich weder ihrer Gedankensünden noch ihrer Tatsünden, noch ihrer Wortsünden teilhaftig. Halte dein Herz rein vom Rate der Gottlosen, denn aus dem Herzen gehen hervor arge Gedanken; was von bösen Gedanken und unlauteren Gelüsten in deiner Brust sich regt, das bekämpfe durch Gebet, das besiege durch den Geist Gottes, wie es in einem Liede heißt:

Hilf, dass ich züchtig, klug und treu
In Worten, Sinn und Werken sei,
Und alles was zur Sünde rät,
In mir besiege durch Gebet.

Halte deinen Fuß ferne von dem Wege der Sünder, meide die Schleichwege der Ungerechtigkeit, die schlüpfrigen Pfade der Sündenlust, die breite Straße des Weltsinns, und vergiss es nie:

Des Lasters Pfad ist anfangs zwar
Ein grüner Weg durch Auen;
Doch bringt sein Fortgang dir Gefahr,
Sein Ende Nacht und Grauen.

und wo die Versuchung lockt zu böser Tat, da sprich mit Josef: Wie sollte ich ein so groß übel tun und wider Gott sündigen?

Halte deinen Mund rein vom Gifte der Spötter; wo man spottet über das Heilige, wo man lacht über Gottes Wort, wo man lästert oder schandbare Reden führt, da tue nicht mit, da stimme nicht bei, da lache nicht drüber, da höre nicht einmal zu; meide die Gesellschaften, wo das Heilige bewitzelt, die Tugend bespöttelt, über Sünde gescherzt wird, sei's am feinen Teetisch oder auf der schmutzigen Bierbank oder im lärmenden Eisenbahnwagen, und wo du einmal wider Willen in einer solchen Spötterrotte sitzen musst, da zeig's durch dein unwilliges Schweigen, da zeig's auch durch ein mutiges Zeugnis, du seiest nicht ihres Geistes Kind.

Vielleicht du stopfst durch ein kurzes ernstes Wort so einem großmäuligen Spötter den Mund, oder du wirfst dem Spötter einen Stachel ins Gewissen, der ihm nachher noch zu schaffen macht, oder du befestigst wenigstens einen andern, der noch schwankt, im Guten, oder du hast doch deine Schuldigkeit getan und dein Gewissen gewahrt. Wohl dem, der nicht wandelt im Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, da die Spötter sitzen.

Vers 2. Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Siehe da den Frommen, wie er ist, mit dem Herzen, mit dem Munde, und dürfen wir hinzusehen, mit der Tat.

Er hat Lust am Gesetze des Herrn, er hat Freude an Gottes Wort, er geht in Gedanken gern um mit Gott und göttlichen Dingen. Daran kennt man ein Kind Gottes. Danach kannst du dein eigen Herz prüfen. Wo keine Lust ist an Gott und Gottes Wort, wo man Langeweile dabei fühlt, Widerwillen dagegen spürt, Angst davor hat, da ist kein Leben aus Gott. Wer aus Gott ist, der hat Lust an Gottes Gesetz. Seine Seele sehnt sich nach dem Umgang mit Gott. Sein Geist fühlt sich erhoben, sein Herz fühlt sich erquickt, sein innerer Mensch fühlt sich wohl in Gottes Haus, in Gottes Wort, in Gottes heiliger Nähe und über alle weltlichen Vergnügungen geht ihm das Vergnügen, von dem David sagt: Mein Leib und Seel freuen sich in dem lebendigen Gott. Diese Lust an Gott und seinem Gesetz, ich denke, meine Lieben, wir haben sie alle schon geschmeckt hier im Gotteshaus und daheim im Kämmerlein; ich denke, sie ist's, die uns auch heut am kalten Winterabend hier zusammengeführt hat im Gotteshaus. Denn es bleibt doch dabei: Das ist ein köstlich Ding, dir danken und lobsingen deinem Namen du Höchster, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen. Es bleibt dabei, was wir heut im Evangelium aus dem Munde des Herrn vernommen haben und was wir noch besser wissen als David: Wer des Wassers trinken wird, das Jesus den Seinen gibt am Lebensbrunnen seines Evangeliums, den wird ewiglich nicht mehr dürsten.

Wer aber Gott im Herzen liebt, der bekennt ihn auch mit dem Mund und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht, redet gern von Gott und mit Gott. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Ich glaube, darum rede ich. Vor der Welt seinen Glauben bekennen, im Kreis der Freunde von Gottes Wort und des Christen Herzenserfahrungen reden; im Zwiegespräch des Gebets sein Herz vor Gott ausschütten, des Morgens zu ihm beten und des Abends sich ihm befehlen, sein Leid ihm klagen und in der Freude ihm danken, das ist eines Gotteskindes heilige Pflicht, herzliche Lust und köstliches Recht.

Dass dies Reden von Gottes Gesetz bei Tag und Nacht nicht so gemeint ist, als müsste ich Gott und sein Wort unaufhörlich im Munde führen, dass ein bloß frommes Geschwätz, bei dem man seine Arbeit versäumt und am Ende in leere Heuchelei sich hineinredet, nicht Sache einer lebendigen Frömmigkeit, eines gesunden Christentums ist, das wissen wir wohl als Jünger dessen, der da spricht: Es werden nicht alle, die zu mir Herr Herr sagen, ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Dass der wahrhaft Fromme Gottes Gesetz nicht nur im Herzen trägt und im Munde führt, sondern auch im Leben übt, das deutet auch unser Psalm im folgenden an. Die beiden ersten Verse haben das Wesen der Frömmigkeit gezeichnet, was der Fromme nicht ist und was er ist, der folgende schildert den Segen der Frömmigkeit, den sie dem Frommen selber und den sie andern bringt.

Vers 3. Der ist wie ein Baum gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht und was er tut, das gerät wohl.

Ein liebliches Bild, zumal in dieser kalten Winterzeit, wo nur fahle Bäume ihre entlaubten Äste in die graue Luft hinausstrecken. Und ein noch lieblicheres Bild ist in einer Welt voll Ungerechtigkeit und geistlichen Todes ein lebendiger Christ. Ein Gottesmensch gleicht einem gesunden Baum, der fröhlich grünt und lustig wächst, weil er am Wasserbächlein steht, das mit seiner frischen Flut seine Wurzeln tränkt, so dass er beständig Saft und Kraft aus dem feuchten Boden zieht. Kennst du, o Christ, die Wasserbäche, daran du gepflanzt sein musst, damit deine Äste grünen, deine Früchte geraten? Sie fließen aus jenem Brunnen, von dem Jesus im heutigen Evangelium der Samariterin sagt. Das lebendige Wort Gottes, das seligmachende Evangelium Jesu Christi ist das silberhelle Wasserbächlein, in dem du deine Wurzeln netzen, aus dem du deine Lebenskraft ziehen musst. Wie die Säfte eines guten Bodens in die Wurzeln des Baumes und von den Wurzeln ins Mark und vom Mark in die Äste und Zweige, in die Blätter und Blüten und Früchte dringen, so werden die Lebenskräfte des Evangeliums, darin du mit deinem Glauben wurzelst, dein Fühlen und Denken, dein Wollen und Vollbringen, dein Tun und Lassen durchdringen und befruchten. Mag dann auch die Hitze der Anfechtung über den Baum kommen, seine Blätter welken nicht, denn er hat Wasser; mag der Sturm der Versuchung nahen, der Baum bricht nicht, denn er hat Wurzeln in gutem Boden. Das ist die innere Gesundheit, die unverwüstliche Lebenskraft eines Christen, der mit dem Apostel spricht: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? und ich vermag alles, durch den, der mich mächtig macht, Christus.

Und wie er in sich selber gesund und glücklich ist, so ist er auch andern zum Segen. „Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit.“ Ein rechter Christ ist ein Segen für seine Umgebung. Er gleicht dem gastlichen Baum, unter dessen schattenden Zweigen sichs lieblich ruht in der Sonnenhitze, unter dessen schirmendes Blätterdach der Wanderer sich flüchtet im Regensturm, an dessen lieblichen Früchten sich alt und jung labt von Jahr zu Jahr. Seine löblichen Eigenschaften und christlichen Tugenden, seine Werke des Glaubens und der Liebe in Gott getan, das sind die Früchte, die er bringt zu seiner Zeit, von Jahr zu Jahr, ihm zum Schmuck, Gott zur Ehre, den Menschen zum Segen.

Und was er macht, das gerät wohl: Gottes Gnade ist der Sonnenschein über seinem Haupt, Gottes Segen darf er spüren beim äußerlichen Tagewerk wie inwendig bei der Arbeit an seiner Seele und auch im Trübsalswetter darf ers immer wieder erfahren: Seid fröhlich ihr Gerechten, der Herr hilft seinen Knechten.

Ist das nicht ein liebliches Los? Wer möchte nicht auch sein ein solcher Baum, gepflanzt an Wasserbächen? Wer möchte nicht bitten:

Mach in mir deinem Geiste Raum,
Dass ich dir werd' ein guter Baum,
Den deine Kräfte treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm,
Ich deines Gartens schöne Blum
Und Pflanze möge bleiben.

2.

Wie traurig dagegen das Los des Gottlosen, das uns geschildert wird in des Psalmes zweiter Hälfte.

Vers 4. Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. Mögen sie auch eine Zeitlang lustig sein und in Ehren stehen: Wenn der Wind der Trübsal weht, wenn der Sturm der göttlichen Gerichte kommt, dann fliegen sie davon wie Spreu, denn sie sind innerlich hohl und leer und nichtig. Das Ende eines Pharao, eines Saul, eines Absalom, eines Ahab, eines Belsazar, eines Herodes, eines reichen Mannes im Evangelium, das sind solche Freskobilder der Heiligen Schrift, solche warnende Exempel göttlicher Strafgerechtigkeit, an denen ein Kind es lernen und ein Blinder es sehen kann: Der Gottlose ist wie Spreu, die der Wind verstreut.

Vers 5. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeine der Gerechten. Wenn auch hienieden die Gerichte Gottes oft verziehen, drüben wartet ein letztes Gericht, wo die Spreu vom Weizen wird geschieden werden; mag auch hienieden die Gemeinde noch gemischt sein, dass der Fromme schwer leidet unter seiner gottlosen Umgebung und der Frevler sich brüstet als gehörte er zu den Gesegneten des Herrn: dort bleibt der Sünder nicht in der Gemeine der Gerechten, wenn der Richterspruch ergeht an die einen: Kommt her, ihr Gesegneten des Herrn, und an die andern: Weicht von mir, ihr Übeltäter, ich habe euch nie erkannt.

Vers 6. Denn der Herr kennt den Weg des Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht. Ein Gott im Himmel, ein heiliger, dem gottlos Wesen nicht gefällt, ein allwissender, der die Seinen kennt, ein gerechter, der da recht richtet, er, meine Lieben, bleibt der Frommen Zuversicht in der Finsternis dieser Welt. Vor seinen Augen wollen auch wir wandeln, in seinen Geboten wollen auch wir bleiben. In seinem Hause sind wir hier ein Stündlein beisammen gewesen; in seinen Wegen wollen wir auch draußen gehen unser Lebenlang, in seinem oberen Heiligtum wolle er uns einst versammeln in Ewigkeit.

O wie selig ist es, dir
Kindlich zu vertrauen!
Unerschüttert können wir
Auf dich Felsen bauen.
Herr! wir glauben in der Zeit,
Bis die selge Ewigkeit
Uns erhebt zum Schauen.

Amen.

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