Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Würde der Kirche.
Die Kirche ist die Braut Christi.
Bedenke, andächtige Seele, welch eine Wohltat dir Gott erwiesen, weil er dich zur Gemeinschaft seiner Kirche berufen hat. Eine ist meine Geliebte, spricht der Bräutigam im hohen Liede 6,8: ja Eine, weil nur Eine wahre und rechtgläubige Kirche die geliebte Braut Christi ist. Außer dem Leib Christi ist der Geist Christi nicht; wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein Röm. 8,9; wer Christi nicht ist, der kann auch des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden. Außer der Arche Noahs mussten alle in der Sündflut untergehen 1 Mos. 7,21: außer der geistlichen Arche der Kirche geraten alle in das ewige Verderben. Der wird Gott nicht zum Vater haben im Himmel, der auf dieser Erde die Kirche nicht zur Mutter gehabt hat. Bedenke, andächtige Seele, dass an jedem Tag viele Tausend Seelen hinab zur Hölle fahren, darum, weil sie außer dem Schoß der Kirche sind: von diesen hat nicht die Natur sich ausgesondert, sondern die lautere Gnade des barmherzigen Gottes. Als Ägypten in dicke Finsternis gehüllt wurde, war es nur bei den Kindern Israel licht 2 Mos. 10,22.23: so ist nur die Kirche das Licht der göttlichen Erkenntnis. Die außer der Kirche sind, die gehen von der Finsternis der Unwissenheit in dem gegenwärtigen Leben über zu der Finsternis der ewigen Verdammnis in dem zukünftigen Leben: wer nicht ein Teil ist der streitenden Kirche, der wird auch kein Teil der triumphierenden Kirche sein. Folgende sind eng mit einander verbunden: Gott, das Wort, der Glaube, Christus, die Kirche und das ewige Leben.
Die Heilige Kirche Gottes ist Mutter, Jungfrau und Braut. Mutter ist sie, weil sie Gott täglich geistliche Kinder gebiert; Jungfrau ist sie, weil sie von den Berührungen des Teufels und der Welt sich rein bewahrt; Braut ist sie, weil sich Christus durch einen ewigen Bund mit ihr verlobt und ihr das Pfand des Geistes gegeben hat. Die Kirche ist das Schiff Matth. 8,23, welches Christum und seine Jünger trägt, und uns endlich in den Hafen der ewigen Seligkeit geleitet: die Kirche, ausgerüstet mit dein Steuerruder des Glaubens, schifft im glücklichen Lauf über das Meer dieser Welt, indem sie Gott zum Steuermann und die Engel zu Ruderern hat und die Scharen aller Heiligen trägt. In ihrer Mitte steht der Baum des selig machenden Kreuzes errichtet, an dem die Segel des evangelischen Glaubens ausgespannt sind, durch die sie unter dem Wehen des Heiligen Geistes zur Sicherheit der ewigen Ruhe geführt wird. Die Kirche ist jener Weinberg Matth. 21,33. Jes. 5,2, den Gott auf dem Acker dieser Welt gepflanzt, mit seinem Blute getränkt, den er mit dem Schutz der Engel als mit einem Zaun umgeben, in dem er die Kelter des Leidens errichtet, aus dem er die Steine und Anstöße entfernt hat. Die Kirche ist jenes Weib mit der Sonne bekleidet Off. Joh. 12,1, weil sie Christi Gerechtigkeit angezogen hat; den Mond hat sie unter ihren Füßen, weil sie das Irdische, das manchfachen Wandlungen unterworfen ist, verachtet.
Betrachte, andächtige Seele, diese höchste Würde der Kirche und bringe Gott den schuldigen Dank. Groß sind zwar die Wohltaten Gottes in der Kirche, aber sie sind nicht allen zugänglich; sie ist ein verschlossener Garten und ein versiegelter Born Hohel. 4,12; Niemand bekommt die Schönheit des verschlossenen Gartens zu sehen, außer wer in ihm ist: so auch erkennt keiner diese höchsten Wohltaten in der Kirche, außer wer selbst in ihr ist. Äußerlich ist diese Braut Christi schwarz, aber innerlich gar lieblich Hohel. 1,5, denn des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig Ps. 45,14. Dieses Schiff wird von manchfachen Stürmen der Verfolgungen erschüttert Matth. 8,24; dieser Weinberg wird durchs Anbinden erhöht, und durchs Reinigen vermehrt Joh. 15,2; diesem Weib bereitet selbst der höllische Drache auf manchfache Weise Nachstellungen Off. Joh. 12,7. Die Kirche ist eine schöne Lilie, aber doch unter Dornen Hohel. 2,1. Die Kirche ist ein sehr schöner Garten, aber wenn der Nordostwind der Anfechtungen ihn durchweht, dann erst brechen seine Wohlgerüche in Fülle hervor. Die Kirche ist die Tochter Gottes, aber der Welt im hohen Grade verhasst; sie wartet auf ihr himmlisches Erbteil, daher ist sie genötigt in dieser Welt ein Pilger zu sein; in der Pilgerschaft wird sie gedrückt, im Druck schweigt sie, im Schweigen ist sie tapfer, in der Tapferkeit siegt sie. Die Kirche ist eine geistliche Mutter, aber sie muss unter dem Kreuz stehen Joh. 19,25, wie auch Maria, von der Christus in diese Welt geboren ward, unter dem Kreuz stand. Die Kirche ist ein Palmbaum, weil sie unter der Last der Anfechtungen und Versuchungen mehr wächst.
Bedenke, andächtige Seele, die Würde der Kirche, und hüte dich, etwas zu tun, was ihrer unwürdig ist. Eine Mutter ist die Kirche; hüte dich also, dass du ihre Stimme nicht verachtest: eine Mutter ist sie, darum musst du immer an ihren Brüsten hangen. Die Brüste der Kirche sind das Wort und die Sakramente. Eine Jungfrau ist die Kirche; wenn du also ein wahrer Sohn derselben bist, so enthalte dich von den Berührungen der Welt. Du bist ein Glied der Jungfrau Kirche; sieh zu, dass du nicht die jungfräulichen Glieder schändest, und mit dem Teufel durch Sünden Hurerei treibst. Die Braut Christi ist die Kirche und jede demütige Seele; darum hüte sie sich, dass sie nicht dem Satan anhange. Die Braut Christi bist du; sieh zu, dass du nicht das Pfand des heiligen Geistes, das dir verliehen ist, verlierst. Die Braut Christi bist du; bitte mit unablässigem Flehen, dass der Bräutigam herzu eile und dich zur himmlischen Hochzeit einführe. Der Bräutigam wird aber kommen in der Nacht der Sicherheit Matth. 25,10; wache darum, dass, wenn der Bräutigam kommt, er dich nicht schlafend findet, und die Tür der ewigen Seligkeit dir nicht verschließt; lass das Öl deines Glaubens leuchten, auf dass du nicht bei der Ankunft des Bräutigams vergebens dich danach umsehen musst. Du fährst in dem Schiff; sieh zu, dass du nicht in das Meer der Welt dich stürzt, bevor du an den Hafen gelangt bist: du fährst in dem Schiff Matth. 8,25; bitte, dass du nicht von den Stürmen der Anfechtungen und von den Fluten der Versuchungen dahin gerafft werdest. In den Weinberg des Herrn bist du gerufen Matth. 20,1; sieh zu, dass du treulich deine Arbeit tust: die Betrachtung des Groschen verringere die Mühen des Tages. Du bist der Weinberg des Herrn; wirf die unnützen Reben weg, die unfruchtbaren Werke des Fleisches; halte die ganze Lebenszeit für eine Zeit der Reinigung. Du bist eine Rebe an dem wahren Weinstock Christus Joh. 15,1; sieh zu, dass du in ihm bleibst und viel Frucht bringst Joh. 15,5, denn den Reben, der nicht Frucht bringt, wird der himmlische Weingärtner wegnehmen, und den, der Frucht bringt, wird er reinigen, dass er mehr Frucht bringe. Du hast Christum durch den Glauben angezogen Gal. 3,27, und bist bekleidet mit dieser Sonne der Gerechtigkeit Mal. 4,2; sieh zu, dass du den Mond Off. Joh. 12,1, das ist, alles Irdische unter die Füße bekommst, und alle Güter im Vergleich zu den ewigen gering achtest.
O lieber Jesu, der du uns in die streitende Kirche geführt hast, bringe uns einst auch zu der triumphierenden!