Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Verlangen nach dem ewigen Leben.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Verlangen nach dem ewigen Leben.

O Herz, deine Blicke richte immer nach oben!

Andächtige Seele, nicht das zeitliche, sondern vielmehr das ewige Leben musst du lieben. Dahin erhebe dich mit Verlangen, wo es Jugend ohne Alter, Leben ohne Tod, Freude ohne Traurigkeit, Herrlichkeit ohne Wechsel gibt. Ergötzt dich Schönheit, bedenke: die Gerechten werden leuchten wie die Sonne Matth. 13,43. Ergötzt dich Schnelligkeit oder Stärke, bedenke: die Auserwählten werden sein gleich wie die Engel Gottes Matth. 22,30. Ergötzt dich langes und gesegnetes Leben, bedenke: dort ist gesunde Ewigkeit, und ewige Gesundheit. Ergötzt sich Sattsein, bedenke: die Auserwählten werden satt sein, wenn die Herrlichkeit des Herrn erschienen sein wird Ps. 17,15. Ergötzt dich angenehmer Gesang, bedenke: dort stimmen die Chöre der Engel einen Gesang an ohne Ende. Ergötzt dich reines Vergnügen, bedenke: Gott wird die Seinen tränken mit Wollust als mit einem Strome Ps. 36,9. Ergötzt dich Weisheit, bedenke: Gottes Weisheit wird sich selbst jenen offenbaren. Ergötzt dich Freundschaft, bedenke: Jene werden Gott mehr lieben als sich selbst, und werden sich unter einander lieben gleich wie sich selbst, und Gott wird sie lieben, mehr als sie sich selbst lieben. Ergötzt dich Eintracht: dort werden alle einen Willen haben. Ergötzt dich Macht: den Auserwählten wird alles leicht sein; sie werden nichts wollen, was sie nicht können werden; sie werden aber auch nichts wollen, wovon Gott nicht selbst will, dass sie es wollen und begehren. Ergötzt dich Ehre und Reichtum: Gott wird seine getreuen Knechte über Viel setzen Matth. 25,23. Ergötzt dich wahre Sicherheit: sie werden so gewiss sein, dass jenes Gut nun und nirgends ihnen fehlen werde, wie sie gewiss sein werden, dass sie dasselbe mit ihrem Willen nicht verlieren werden, dass weder Gott, der sie lieb hat, ihnen, die sie es lieben, wider ihren Willen dasselbe entreißen, noch dass etwas, was mächtiger als Gott ist, wider ihren Willen Gott und sie selbst von einander trennen werde. Was die Auserwählten werden wünschen können, das werden sie dort finden, weil sie den von Angesicht zu Angesicht schauen werden, der alles ist 1 Kor. 13,12. So groß sind die Güter jenes Lebens, dass sie nicht gemessen, so vielfach, dass sie nicht gezählt, so kostbar, dass sie nicht abgeschätzt werden können. Dort wird ewige Gesundheit der Leiber, die höchste Reinheit der Herzen, die Fülle göttlicher Herrlichkeit und Wonne, ununterbrochener Umgang mit den Engeln und Heiligen, eine über alles Begreifen erhabene Klarheit der Leiber sein. Die Auserwählten werden sich freuen über die Lieblichkeit des Ortes, den sie inne haben werden, über die erfreuliche Gemeinschaft, in der sie herrschen werden, über die Verklärung des Leibes, deren sie teilhaftig sein werden, über die Welt, die sie verachtet haben, über die Hölle, der sie entgangen sind. Der geringste Preis des ewigen Lebens wird herrlicher sein, als tausend Welten, weil jener ohne Ende ist, diese aber alle endlich sind. Dort wird auch der Neid wegen ungleicher Klarheit nicht zu fürchten sein, weil in allen die Einheit der Liebe herrschend sein wird. Um der höchsten Liebe willen wird, was einem der Auserwählten zu Teil wird, die Übrigen mit solcher Freude erfüllen, als wenn es ihnen selbst zu Teil geworden wäre. Im Himmel und auf Erden gibt es kein größeres Gut als Gott. Daher kann es auch keine größere und vollkommenere Freude geben, als Gott sehen, Gott haben. Darum wird auch, Gott nur einen Augenblick haben, alle Freuden überwiegen. Denn wir werden Gott sehen in ihm selbst, Gott in uns, und uns in Gott 1 Kor. 13,9.12.

Auf dem Weg dieses Lebens haben wir Christum bei uns, aber unter der Hülle des Wortes und der Sakramente verborgen, aber wir erkennen ihn nicht durchs Wissen. In dem zukünftigen Leben werden wir vor seinem Angesicht sein und ihn schauen, wenn er das Brot der ewigen Sättigung uns austeilen wird: wie die Jünger den Herrn nicht erkannten auf dem Weg, sondern erst in der Herberge, da er ihnen das Brot brach Luk. 24,16.30.31.36. Jenes himmlische Jerusalem hat keinen Tempel, der mit Händen gemacht ist, auch keine Sonne, auch keinen Mond, denn sein Tempel, sein Licht und seine Leuchte ist Gott in Ewigkeit Off. 21,22. Auf den Glauben wird das Schauen, auf die Hoffnung die Erfüllung, auf die Liebe der vollkommene Genuss folgen.

Beim Bauen des Tempels Salomo's hörte man kein Beil noch Hammer 1 Kön. 6,7: so wird in dem himmlischen Jerusalem weder Strafe noch Traurigkeit empfunden, weil der Stoff zu diesem Tempel, nämlich die geistlichen Steine 1 Petr. 2,5, bereits in dieser Welt durch Anfechtungen ganz zugerichtet sind. Die Königin, die zu Salomo kam, 1 Kön. 10,2 ff., ist die Seele, die zu Christo geht in das himmlische Jerusalem. Sie geht ein mit einer großen Menge der heiligen Engel, mit Gold und wertvollen Steinen von manchfacher Pracht. Sie wird die Weisheit des Königs Christus und seiner Diener, der Engel nämlich und der Heiligen bewundern, so wie die Ordnung und die Fülle des Speisetisches, das ist der ewigen Erquickung, die Pracht der Kleider, das ist die Verklärung der Leiber, die Schönheit des Hauses, das ist die Größe des himmlischen Palastes, die Schönheit der Opfer, das ist die Menge der göttlichen Loblieder. In Staunen versetzt wird sie bekennen, dass sie das nicht habe glauben können, was sie nunmehr mit Augen steht. Darum sei die gläubige Seele getrost und betrachte die ihr bereiteten Güter; dahin muss der Geist gerichtet werden, wohin er einmal gehen wird. Dahin muss man in der Zeit trachten, wo man in der Ewigkeit zu bleiben hat. Der wird nicht zu dieser Herrlichkeit seines Herrn eingehen, der kein Verlangen nach solchem Eingehen hat. Du hoffst einmal vor dem Angesichte Gottes zu erscheinen; darum musst du dich der Heiligkeit befleißigen, denn er ist heilig 3 Mos. 11,45. Du erwartest, dass du in die Gemeinschaft der himmlischen Engel kommen werdest; siehe zu, dass du nicht durch Sünden dich um den Dienst derselben bringest! Aufs Ewige hoffst du; warum also verlangst du so heftig nach dem Zeitlichen? Die zukünftige Stadt suchst du; warum verlangst du hier nach einer bleibenden Stadt? Ebr. 13,14. Du wünschst zu Christo zu kommen; warum also fürchtest du dich vor dem Tod? Vor dem Tod sich fürchten ist Sache des, der nicht zu Christo kommen mag. Du wünschst in das himmlische Jerusalem einzugehen; warum also befleckst du dich mit so vielen und so großen Sünden, da doch geschrieben steht, dass nicht hinein gehen wird irgend ein Gemeines? Off. 21,27. Vom Holz des Lebens wünschst du dereinst zu essen Off. 22,2; Christum, das wahre Holz des Lebens mögest du erst in diesem Leben durch den Glauben ergreifen, denn es steht geschrieben: Selig sind, die ihre Kleider waschen im Blut des Lammes Off. 7,14, auf dass ihre Macht sei an dem Holz des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt Off. 22,14. Draußen sind die Hunde und die Hurer Off. 22,15, hüte dich also vor Schamlosigkeit. Draußen sind die Totschläger, hüte dich also vor Jähzorn. Draußen sind die Zauberer, hüte dich also vor dem Geiz. Draußen sind die, die lieb haben und tun die Lügen, hüte dich also vor aller Bosheit der Sünde. Wenn du wünscht zur Hochzeit des Lammes einzugehen Off. 19.7, so warte voll Verlangens auf die Ankunft des Bräutigams. Der Geist und die Brautsprechen: komm! Off. 22,17. Wenn du das Pfand des Geistes nicht hast, durch den du rufst, der Herr möge kommen Eph. 1,14, so wird dich der Bräutigam niemals zur himmlischen Hochzeit einführen. Die Braut bist du nicht, wenn du nicht sehnliches Verlangen nach der Ankunft des Bräutigams hast. Du willst einen Platz haben in dem neuen Himmel und auf der neuen Erde Off. 21,1; warum hängst du so an diesen alten? Du willst teilhaftig werden des Schöpfers; warum hängst du so an den armen Geschöpfen? Du wartest auf einen Bau, von Gott erbaut, auf ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel 2 Kor. 5,1; warum wünscht du nicht, dass das irdische Haus dieser unserer Hütte zerbrochen werden möge? Du wünscht überkleidet zu werden; warum sorgst du nicht, dass du nicht bloß erfunden werdest? 2 Kor. 5,2.3.

Wenn in diesem Leben die heilige Dreieinigkeit nicht in deinem Herzen wohnt durch die Gnade, so wird sie in dem künftigen niemals in dir wohnen durch die Herrlichkeit: wenn du in diesem Leben nicht den Anfang der ewigen Seligkeit schmeckst, so wirst du sie niemals in vollem Maß genießen.

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