Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Siebentes Gebot. 2
Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.
Text: 2. Mose 20,15.
Du sollst nicht stehlen.
Geliebte Freunde! Wir haben am vergangenen Sonntag das Eigentum des Menschen im Licht des Wortes Gottes anschauen gelernt als ein Gut, das der Herr austeilt in seiner Weisheit, über das der Herr nach seiner Gerechtigkeit Rechenschaft fordern wird an seinem Tag; darum denn auch Niemand sich am Gut des Nächsten vergreifen darf, denn er vergreift sich an Etwas, was dem Menschen von Gotteswegen gehört. Wir schauten auch in die Versündigung an diesem Gebot hinein, wie sie offen und geheim, im Kleinen und Großen im Volk im Schwange geht; wir mussten wohl Luther recht geben, wenn er schon zu seiner Zeit sagt: „Das ist das gemeinste Handwerk und die größte Zunft auf Erden, und wenn man die Welt durch alle Stände ansieht, so ist sie nichts Anderes, denn ein großer Stall voll Diebe;“ und wahrlich! feiner ist die Welt wohl geworden und gebildeter seitdem; aber die Dieberei ist dafür auch um so feiner und um so gebildeter geworden. - Ist aber mit jenem, was wir in der vorigen Betrachtung aufzählten, alle Versündigung am Gut des Nächsten bezeichnet? Nein, liebe Freunde. Wie es nicht nur einen groben Totschlag gibt, wie ihn jene Mörder ausführten an dem Wanderer gen Jericho, sondern auch einen feinen, den Priester und Levite dadurch begingen, dass sie ihm nicht halfen und ihn im Blut liegen ließen; so gibts auch einen Diebstahl außer jenem, wodurch man dem Nächsten Etwas nimmt. Er wird dadurch begangen, dass man dem Nächsten nichts gibt und ihm nicht hilft, sein Gut nicht fördert und behütet. „Denn wer da weiß Gutes zu tun und tuts nicht, dem ist's Sünde.“ Darum sagt und fordert unser Katechismus in der Erklärung dieses Gebotes: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserem Nächsten sein Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten, und gegen ihn also handeln, wie wir wollten, dass man gegen uns handelte.“ Alle Versündigung aber am Gute des Nächsten hat, außer der bösen Lust im Herzen, ihren Grund in der Versündigung am eigenen Gut. Müßiggang, Verschwendung und Geiz sind die Diebschulen, in denen die Diebe großgezogen werden; drum verlangt der Katechismus weiter: „auch dass wir treulich arbeiten, auf dass wir dem Dürftigen in seiner Not helfen mögen, und ferne bleiben von allem Geiz und unnützer Verschwendung der Gaben Gottes.“
So lasst uns noch einmal vor dies Gebot treten und das Wort hören:
„Du sollst nicht stehlen.“
Schauen wir, wie Gott darin
- Alle Hilfe und Förderung des fremden Eigentums, und
- Allen rechten Erwerb und Gebrauch des eigenen befiehlt.
I. Wie Gott alle Hilfe und Förderung des fremden Eigentums befiehlt.
Wohl nirgends blickt der alte Mensch so aus uns heraus, als gerade da, wo es sich um Mein und Dein handelt. Da verliert auch der Gebildete oft seinen mühsam erlernten Anstand. Da haben auch lebendige Christen ihre schwache Seite, die aber vielmehr recht starke Seiten des alten Menschen sind. Über gar manchen Menschen hört man sagen: „Er ist ganz recht und ist auch ein Christ, aber im Geldpunkt ist er nicht klar und lauter.“ Liebe Freunde, ists dann weit her mit seinem Christentum? Ist der Geiz nicht eine Wurzel alles Übels? Versäuert nicht ein wenig Sauerteig den ganzen Teig?
Das erste, was nun hier das Wort des Herrn verlangt, ist, dass so du etwas gestohlen hast, es wiederum zurückerstattest. Das war Zachäi Buße gewesen. Nimms ernst damit. Gott kann sonst keinen Segen auf deine Besserung legen. Ehe du ferner deinem Nächsten hilfst sein Gut bessern, gönne ihm einmal von Herzen das, was er hat, und freue dich, wenn es ihm wohl geht. Dazu gehört schon Etwas. Was dünkt euch leichter: zu weinen mit den Weinenden oder sich zu freuen mit den Fröhlichen? Der alte Mensch hat eher noch Mitleid mit dem Unglücklichen, als dass er Freude hätte über das Glück seines Nächsten. Dazu gehört ein selbstloses Herz. -
Ein weiteres ist sodann, dass du deinem Nächsten gegenüber als Christ handelst und nicht auf deinem äußerlichen Recht bestehst und bedenkst, dass es ein wahres Wort gibt, das lautet: „das größte Recht ist oft das größte Unrecht.“ Das habt ihr Alle schon erfahren. Ihr habt etwa eine gerechte Sache gehabt, aber der Buchstabe des Gesetzes war gegen euch und ihr habt sie verloren. Das hat euch weh getan, ihr habt wohl auch gescholten darüber. Aber habt Acht: „darinnen du einen andern richtest, verdammst du dich selbst.“ Habt ihr nicht dasselbe auch an Andern getan? Seid ihr nicht auf eurem Recht bestanden, wo es doch im tiefsten Grund ein Unrecht gegen den Nächsten war? Die Liebe ist, weil sie die größte Pflicht ist, auch das größte Recht, und was sie zu Recht erkennt ist Recht! Sie darf und kann allerdings nicht mitreden im Amthause vor dem Landrecht; drum sind wir auch nicht im Amthaus, sondern in der Kirche, wo nicht das Landrecht, sondern das Gesetz und Landrecht Gottes gilt, das die Summe aller Gebote nennet: Du sollst lieben Gott deinen Herrn und deinen Nächsten als dich selbst. Die Lieblosigkeit ist das größte Unrecht, und wenn du alles äußerliche Recht hättest. Du hast etwa, um dirs klar zu machen, dich mit einem Mann verbunden, dass er dir aus deinem Kapital oder Gute die Zinsen zahle. Da kommt ein Misswachs, oder der Mann wird krank oder stirbt, oder sein Weib wird krank und die Zinsen bleiben aus - wenn du nun bei solch unverschuldeter Not dreinfährst, mit der Klage bei der Hand bist, den Gerichtsvollzieher kommen und deinem Schuldner sein Hab und Gut versteigern lässt, oder gar selbst mitsteigerst und herunterdrückst, dass du wo möglich alles um einen Spottpreis bekommst, da hast du das Recht wohl auf deiner Seite, aber vor Gott bist du dennoch ein Dieb. Du hast ihn in tieferen Schaden gebracht, statt dass du ihm sein Gut und Nahrung geholfen hättest zu behüten. Mancher, der über das alte Testament schilt, ist nicht einmal am alten Testament angekommen. Schon der alte Bund, von dem man so oft törichter Weise meint, es sei keine Liebe drin geboten, sagt: „Wenn du Geld leihst meinem Volk, das arm ist bei dir, sollst du ihn nicht zu Schaden bringen. Wenn du von deinem Nächsten ein Kleid zum Pfande nimmst, sollst du es ihm wiedergeben, ehe die Sonne untergeht. Wenn du dem Nächsten eine Schuld borgest, so sollst du nicht in sein Haus gehen, und ihm ein Pfand nehmen, sondern du sollst draußen stehen, und er soll das Pfand herausbringen.“ Und nicht nur sollst du solches nicht tun, sondern auch helfen, dass Andere es nicht tun, und sollst einen harten Mann bitten, dass er mit seinem Nächsten Geduld habe. Lass dir an einem Beispiel dies zeigen.
Der fromme Liederdichter Gellert ging eines Tages vor Leipzigs Toren spazieren. Er hörte unter Schluchzen und Weinen eine Frau rasch hinter sich herlaufen, blieb stehen und fragte die Frau, der die Bedrängnis im Gesicht geschrieben stand: was ihr fehle? Ohne weiter auf seine Fragen zu achten, sah sie ihn kaum mit halben Blicken an und eilte schnell vorüber. Dies machte, dass Gellert seine Schritte verdoppelte und mit verstärktem Ton ihr nachrief: „So höre Sie doch!“ Die Frau blieb stehen. „Was ist Ihr?“ fragte er. „Ach, lieber Gott!“ antwortete sie klagend und unter einem Strom von Tränen, - „dort hinten in der Straße, in dem kleinen Häuschen, da liegen mein Mann und meine vier armen Kinder krank! Ich habe seit fünf Wochen nichts verdienen können; wir sind einem Kaufmann 30 Taler schuldig, der will nicht länger warten. Eben jetzt komme ich von ihm her, ich wollte ihn um Nachsicht bitten, da hat er mir aber gedroht, dass uns alles verkauft und wir heute aus dem Hause geworfen werden sollten, wenn wir ihn nicht auf der Stelle bezahlen. Ich arme Frau, was fang ich an mit meinem kranken Mann und meinen armen kranken Kindern? Wenn wir doch alle zusammen nur schon unter der Erde lägen!“ Gellert beruhigte sie, versprach ihr Hilfe, nahm sie mit sich in seine Wohnung, schloss das Schreibpult auf, suchte und brachte glücklich 30 Taler zusammen, die er der armen Frau gab. Nun“ sagte er, „gehe Sie hin und bezahle Sie! aber nicht eher als in einer Stunde; hört Sie das? in einer Stunde!“ Die Frau gab durch Nicken zu erkennen, indem sie ihre Tränen trocknete, dass sie seinen Willen befolgen wolle. Indessen machte sich Gellert auf und ging zu dem reichen, ihm wohlbekannten Kaufmann, den er eben mit Zählung einer großen Summe beschäftigt fand. „Was steht zu Befehl? womit kann ich diesen?“ - schwebten ihm schon auf der Zunge, indem er aufstand; doch besann er sich noch zu rechter Zeit, dass es Gellert sei, der ihn besuche. Verlegen, aber freundlich begrüßte er ihn. „Von Ihnen kann man gewiss noch Manches lernen,“ sprach Gellert; -“denn ein so gesegneter Mann wie Sie, der wird es doch nicht unterlassen, von seinem Reichtum den schönsten Gebrauch zu machen. Da können Sie dann über die große Kunst, Anderen wahrhaft wohlzutun, uns manche heilsame, aus Erfahrung geschöpfte Lehre mitteilen.“ Der Kaufmann, der gar nicht wusste, worauf das gehen sollte und halb noch seine Gedanken bei dem Geld hatte, antwortete: „Ganz recht! schon recht!“ - Gellert aber fuhr fort, mit Wärme von den Freuden des Wohltuns und der Menschenliebe zu reden. Selbst gerührt, im Andenken an die arme bedrängte Frau, hätte er dem Auge des Geizigen beinahe eine Träne entlockt, als eben diese Frau hereintrat und hastig ihre 30 Taler auf den Tisch legte mit den Worten: „Da haben Sies! Nun geben Sie mir auch das Briefchen, das mein Mann geschrieben hat, damit Sie uns nicht aus dem Haus werfen!“ Der Kaufmann, durch das Eintreten und Benehmen der Frau in Verlegenheit gelegt, antwortete: „Ei, das hätte ja Zeit gehabt!“ „Ja Zeit hin, Zeit her,“ - sagte die Frau; - „Sie haben mich heute früh hart angelassen! Und einen kranken Mann und vier kranke Kinder zu haben, wenn man um 30 Taler aus dem Haus geworfen werden soll! Da bin ich da dem (Gellert winkte ihr zu schweigen, aber die Frau fuhr fort): „wenn Sie mir auch winken, ich sage es doch! - Da bin ich da dem Herrn begegnet, und der hat mir das Geld gegeben.“ Der Reiche, hierüber betroffen, blickte bald den Professor Gellert, bald die Frau an, kämpfte sichtbar mit sich selbst, und erkämpfte einen Entschluss, den Gellert gewiss nicht erwartet hatte. „Hier“ sprach er zur Frau, - „hat Sie ihren Schein, und da nehme sie ihre 30 Taler; gehe Sie nach Hause und warte Sie Ihrem kranken Mann und Ihren kranken Kindern ab!“ Zu Gellert aber sagte er: „Herr Professor! ich sehe dass Sie nicht bloß schön reden und schreiben, nein, dass Sie auch eben so schön handeln können. Und um meinen begangenen Fehler einigermaßen wieder gut zu machen, so erlauben Sie mir, dass ich Sie zu der kranken Familie begleiten darf, damit Sie mich nun auch als einen wohltätigen Mann kennen lernen, da Sie mich bisher nur als einen mitleidslosen gekannt haben.“
Siehst du wie hier das Helfen gemeint ist, und das wahre Recht in der Liebe besteht? So sollst du deines Nächsten Not nicht für dich ausbeuten, sondern ihm helfen sein Gut bessern. Aber nicht nur soll dich Liebe zum Nächsten lehren von deinem Recht abzustehn, wenn des Nächsten Gut darunter leidet; du sollst ihm auch helfen, dass sein Gut zunehme, ihm es helfen bessern, auch wenn es gegen deinen eigenen Nutzen wäre. Das heißt nicht, dass du ihm seinen Haushalt führen sollst, sondern wenn du einen guten Rat für ihn weißt, sollst du nicht sagen: „da wäre ich ein Narr, wenn ichs ihm sagte;“ sondern sollst ihm raten und helfen und wenns auch gegen deinen Vorteil wäre. Wie der Apostel sagt: „Niemand suche was sein ist; sondern ein Jeglicher was des Andern ist.“ Diene ihm mit der Gabe die du empfangen hast. Wenn du ein Geschäft weißt, wodurch du dein Geld gut anlegen, aber eine Menge Leute brotlos machen oder einen und den Andern ins Unglück stürzen würdest, fangs nicht an. Hilf einem braven Mann, wenn er durch dein Geld seinen Hausstand gründen und sein Handwerk anfangen kann; leihe nicht nur da, wo du Pfänder genug zur Sicherheit hast, sondern wo du auch nur den redlichen Willen und die Lust zur Arbeit siehst.
Suche aber auch deines Nächsten Gut zu behüten. Ein dir anvertrautes Gut deines Nächsten sei dir ein Heiligtum, das du um keinen Preis hergeben und für dich verwenden sollst. Hüte es vor Schaden. Wenn deines Nachbars Haus brennt, bist du gleich bei der Hand hinüberzugehen und zu sagen: „Nachbar, euer Haus brennt,“ warum? weil eben deines mit verbrennen könnte; also der Eigennutz heißt dich gehen; wenn du aber gewiss wüsstest von deinem Nächsten, dass sein Gut schlecht verwaltet würde, dass seine Kinder oder Dienstboten ihm Alles wegschleppten siehe da bist du ganz stille, hilfst dir und sagst: „Was ich nicht weiß, macht mir nicht heiß“ oder „was mich nicht brennt, blas ich nicht“ da bist du ganz still. Warum? weil dein eigener Vorteil vielleicht gar dabei im Spiel ist, oder wenigstens nicht dabei ist.
Wenn du der Witwen und Waisen Gut verschleudern siehst, sage da nicht: „Was soll ich mich verfeinden;“ sondern stehe ein für das Gut der Witwen und Waisen. Sagt doch schon der alte Bund: Wenn du deines Feinde Ochsen oder Esel begegnest, dass er irrt, so sollst du ihm denselben wieder zuführen. Wenn du des, der dich hast, Esel siehst unter seiner Last liegen, hüte dich und lass ihn nicht, sondern versäume gern das Deine um seinetwillen.“
Im siebenjährigen Krieg ward ein Rittmeister ausgeschickt, um Fourage1) für seine Pferde zu suchen. Er begab sich an der Spitze seiner Eskadron nach der ihm angewiesenen Gegend, einem einsamen Tal, wo man nichts als Buschwerk erblickte. Er war indes einer armseligen Hütte ansichtig, und als er anpochte, trat ein Wiedertäufer mit einem eisgrauen Kopf heraus. „Vater!“ - redete ihn der Offizier an, „zeigt mir ein Feld, wo meine Leute Futter holen können.“ „Sogleich,“ erwiderte der Alte, - bot sich ihnen selbst zum Wegweiser an und führte die Schwadron das Tal hinab. Nachdem sie etwa eine Viertelstunde weit gekommen waren, trafen sie ein schönes Gerstenfeld an. - „Hier ist das, was wir suchen,“ - rief der Rittmeister. - „Noch einen Augenblick Geduld!“ - sagte der Greis, „und Sie sollen befriedigt werden.“ - Sie marschierten also weiter und langten nach einer Viertelmeile Wege bei einem andern Gerstenfeld an. Die Reiter stiegen von den Pferden, mähten das Feld ab, banden die Gerste auf die Pferde, saßen wieder auf und ritten davon. Darauf sagte der Rittmeister zu seinem Führer: „Guter Vater, Ihr habt uns unnötiger Weise weiter marschieren lassen, das erste Feld war besser als dieses!“ „Das kann wohl sein!“ versetzte der Alte, „aber es gehörte nicht mir.“
Macht mir keinen Vorwurf, Geliebte, dass ich euch hier mehrere Geschichten erzählt habe; ich habe nur dem Vorwurf und Einwand begegnen wollen, den Mancher von euch vielleicht auf den Lippen trägt, mir zu sagen: „Wer kann das? das ist zu viel verlangt.“ Hier seht ihr, dass mans kann! Und ferner möchte Mancher in seinem Herzen dabei lachen und sagen: „das sind mir schöne Grundsätze! dabei kann man nicht vorwärts kommen, dabei kann kein Mensch bestehen, dabei bringt mans zu Nichte.“ Nimms aber nur an dir selbst ab. Der Herr sagt: Was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch!“ Der Spruch sieht gar schlicht und nach wenig aus, und wenn ihn der Heiland nicht gesagt hätte, hätte ihn mancher Mann im frommen Eifer ausgestrichen, weil er nicht Evangelium predigt; und doch liegt eine tiefe Wahrheit drin, die wenigstens dem alten Menschen einleuchten, die aber ein Kind Gottes verstehen sollte. - Mag sein, dass du auch zu denen gehörst, die da meinen zu Nichts zu kommen mit solchen Grundsätzen und die Weltgrundsätze vom Reichwerden rühmen, dann lass dir sagen: Mit deinen Grundsätzen wirst du vorwärts kommen bis zur Hölle, nicht bestehen im Gericht, zu Nichts in Gott werden - gescheit sind vielleicht deine Grundsätze, aber merke dir: gescheit ist noch nicht selig. Gescheit ist der Teufel auch, aber selig ist er nicht. War Abraham nicht reich und gesegnet? gesegneter als Lot, der nach der Welt gewählt? Und wenn du mir alles sagtest: lieber ein armer Lazarus im Himmel, als ein reicher Mann in der Hölle werden!
Aber nur der kann so des Nächsten Gut helfen bessern und behüten, der sein eigenes als ein anvertrautes ansieht, arbeitet mit seinen Händen, und die Quellen aller Diebsgedanken und Gelüste fleißig zustopft. Ja, nur der, der
II. sein eigenes Gut rechtmäßig erwirbt und gottselig verwaltet.
Der Katechismus lehrt uns weiter in diesem Gebot: „Auch dass wir treulich arbeiten mit unseren Händen, auf dass wir dem Dürftigen helfen mögen in seiner Not.“ Wohl ist es der Herr, der das Gut schenkt, aber Er will, dass ein Jeglicher auch arbeite, es zu erringen. Die Arbeit ists nicht, die das Gut bringt, sondern der Segen, den Gott auf die Arbeit legt. Als Fluch hat der Herr die Arbeit dem Menschen gegeben nach dem Fall. „Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen;“ aber in dem Fluch liegt auch ein Segen. Die Arbeit stärkt den Menschen und ist ein Gegengift gegen alle Laster. Darum war auch unseren Vorfahren ihre Arbeit lieb und wert und kommt das alte Wort von ihnen: „Ich will wieder an meine liebe Arbeit gehen.“ Darum hielten sie auch hoch vom Brot und nannten es das „Liebe Brot,“ weil es aus einer schweren und doch lieben Arbeit kam. Ein Segen ists für dich, wenn du sagen kannst, es klebt kein Fluch und keine Träne von Andern an meinem Geld; seis, dass dus von braven Eltern bekommen oder dirs selbst errungen hast mit deinen Händen. Drum halte deine Arbeit hoch, wenn sie noch so unscheinbar wäre. Paulus war ein Teppichmacher und Petrus ein Fischer, und beide haben wacker gearbeitet und sich nirgends ihrer Arbeit geschämt. Nirgends steht geschrieben, dass der Mensch die Hände in den Schoß legen soll. Wohl im Schlaf, aber nicht durch den Schlaf gibts der Herr seinen Freunden. Gott schickt die Faulen zu der Ameise, „ob sie wohl keinen Fürsten noch Hauptmann noch Herrn hat, bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange willst du schlafen, du Fauler? Ja, schlafe noch ein wenig, so wird dich die Armut übereilen, wie ein Fußgänger, und der Mangel wie ein gewappneter Mann.“ Spr. Sal. 6,6-11. Der Apostel schreibt: „Wir hören, dass Etliche unter euch wandeln unordentlich, arbeiten nichts und treiben Vorwitz. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie durch unseren Herrn Jesum Christum, dass sie mit stillem Wesen arbeiten und ihr Brot essen.“ Sie sind vom Handwerk weg auf andere Künste verfallen. Da sieh einmal, wie unter uns solcher Vorwitz getrieben wird. „Das Handwerk hat einen goldenen Boden,“ so hieß es ehemals; jetzt aber ist einem dieser Weg zu langsam, man möchte möglichst bald reich werden und ein Handwerk treiben, das einen diamantenen Boden hat. Da kommt dem Mann in seiner Werkstatt und dem auf seinem Büro der Gedanke: wie wäre, wenn du einen leichtern Weg einschlügst und es einmal mit dem Spiel probiertest? wer weiß, vielleicht fällt dir da was zu. Dem Andern träumt dazu noch eine Zahl, oder hält sich auch ein Punktier- und Traumbuch und fängt an Lotterie zu setzen, oder versucht sein Glück am Spieltisch in einem Bad; die Arbeit schmeckt nicht mehr, er denkt immer an das, was er gewinnen könnte. Bei den Großen gehts groß, bei den Kleinen gehts klein. Wenn ihr einmal an einem Samstag oder Montag sähet, wie da die sauren Kreuzer hinauswandern aus unserer Stadt, aus unseren Gemeinden vom Rhein und vom Odenwald her, dann würdet ihr euch nicht wundern, wenns bei so vielen nicht gedeiht. Ihr würdet schauen zu eurem Schrecken, wie sogar mancher Gulden, den ein wohltätiger Verein geschenkt, fortwandert ins Spiel. Es heißt aber da: „wie gewonnen, so zerronnen,“ solch erspieltes Gut kommt nicht auf den dritten Erben.
Aber der Herr, der uns befiehlt, zu arbeiten, hat auch den Zweck unserer Arbeit bezeichnet: nicht „auf dass wir zusammenscharren, sondern damit wir haben, zu geben dem Dürftigen.“ Der Herr will keine Wühler und Maulwürfe an uns haben, die hier unten zusammen scharren und denen, wie auch den Maulwürfen, die Augen erst im Tod aufgehen. Als rechte Haushalter sollen wir uns ansehen. Gott gibt, damit wir geben. Es heißt aber nicht: „Jedem, auch dem Trunkenbold, dem liederlichen Bruder;“ das hieße gerade Gottes Werk stören, sondern „dem Dürftigen,“ dem, der es bedarf. Für Arme hat der Herr gesorgt. Arme habt ihr allezeit; aber „Bettler sollen nicht unter dir sein.“ „Hier sind unsere Kirchenschätze,“ sagte Laurentius, ein Diaconus zu Rom, indem er die Kirchtüre öffnete und die Armen heraus ließ, zu jenem heidnischen Verfolger, der ihm sagte: „Gebt eure Kirchenschätze heraus.“ Es hat jeder seinen besonderen Lazarus vor die Türe gelegt bekommen. Da wäre denn viel über Armenpflege zu sagen, was wir aber für ein andermal aufsparen wollen. Nur wenig lasst mich sagen. Ihr Eltern! lehrt eure Kinder geben; es ist eine Seligkeit, die ihr sie lehrt. Ich habe schon einmal selige Gesichter von Kindern gesehen, die von ihren Weihnachtsgaben, von ihrem Überfluss schenkten; sie haben mir gesagt, das sei die schönste Weihnachtsfreude für sie gewesen. - Und dann geht selber. Schickts nicht durch eine Magd oder Bedienten. Das Auge, das Herz, der Mund sind das Beste an eurer Gabe. Vor Allem aber werbt mit den Gaben nicht für euch, sondern für den Herrn, der alle guten Gaben gibt. Lasst die Sonne eurer Milde scheinen, dass Blumen und Früchte des Dankes gegen Gott herauskommen; nicht dass die Armen nach eurem Mund plaudern lernen oder sagen: „das ist einmal viel, dass so vornehme Herren oder Damen eine solche Stiege heraufkommen.“ Tut euch nichts zu gut darauf, wenn ihr Etwas hergegeben und hängts nicht an die große Glocke. Lasst den Pharisäer daheim. Gebt auch nicht, dass ihr die Armen vom Hals habt, so schenkt der Herr nicht.
Solch Bewusstsein, dass Gott der Herr ausgeteilt, um wieder auszuteilen, bewahrt vor den Geiz, der eine Wurzel alles Übels ist. Der Geiz behält das für sich, was ihm Gott für Andere gegeben. Aber nicht nur das; er darfs nicht einmal für sich brauchen; keinen guten Rock, keine Freude, kein frohes Mahl, Nichts erlaubt ihm sein Götze. Er sucht nur das Geld um des Geldes willen, je mehr er hat, je mehr er will. Je älter, desto geiziger. Geiz ist eine Wurzel alles Übels. Die da reich werden wollen, fallen in gefährliche Stricke und Netze. Es gibt kein Gebot, das der Geiz nicht überträte. Das Geld ist sein Gott neben Gott; um es zu haben, wird auch falsch geschworen, am Sonntag gearbeitet; die Eltern werden aus Geiz nicht versorgt, oder versorgen ihre Kinder nicht; der Nächste wird beneidet oder auch getötet; der Geiz treibt Ehegatten auseinander, der Geiz stiehlt, wo er kann; raubt dem Nächsten den guten Namen, wenn ein Vorteil ihm daraus erwächst, lässt sich gelüsten nach fremdem Gut. Summa: er verachtet alle Gebote; das Evangelium ist ihm ein Spott. Seine Religion heißt: „Vergiss Gott, du könntest dich bekehren, - vergiss deine Nächsten, du könntest dich erbarmen, - vergiss dein Gewissen, du könntest dir sonst Skrupel machen, - vergiss den Tod und das Gericht, du könntest von Sinnen kommen.“ Man kann aber blutarm und doch geizig sein. Es ist einerlei, ob man an einem goldenen oder kupfernen, ob am seidenen oder hänfenen, ob man am groben oder feinen Band vom Geiz gehalten wird. Entschuldigt euch nur nicht mit dem, dass ihr sparsame Leute seid, und einen Stab schnitzen wollt fürs Alter, das ist ein elender Stab; zudem: wer hat euch gesagt, dass ihr alt werdet? Am Tod wirds offenbar, wie weit man mit dem Geiz kommt. Was bleibt? Nichts. Von deinen Kleidern ein Sterbkleid, von deinem Acker die sechs Schuh lang draußen auf dem Kirchhof. Zu einer vornehmen russischen Fürstin kam einst ein Geistlicher, und bat sie um ein paar Bäume aus ihren unermesslichen Waldungen zum Bau einer Kirche. Sie schlug ihm die Bitte rund ab, indem sie behauptete, dass sie diese Bäume nicht entbehren könnte. Als alles Bitten nicht half und die Fürstin im Zorn dem Bedienten befehlen wollte, den bittenden Geistlichen hinauszuführen, sprach dieser mit ernstem, markdurchschütterndem Ton: „Nun wohl, Fürstin, behalten sie ihre Stämme, die Sie nicht entbehren können, sechs Bretter aus ihren Waldungen, das wird alles sein, was ihnen bleibt.“ Und damit entfernte er sich schnell. Nachdenklich wiederholte sich die Fürstin die letzten Worte des Geistlichen. „Seche Bretter,“ sagte sie, „was meint er wohl damit?“ Sie konnte es nicht erraten. Sie ließ den Geistlichen noch einmal rufen und frug ihn, was die sechs Bretter bedeuten. „Ihren Totensarg, Fürstin,“ antwortete er ruhig. Sie erschrak, setzte sich nieder und schrieb ihm eine Erlaubnis so viel Stämme zu nehmen, als er wolle. O dass auch dir deine sechs Bretter recht lebendig vor der Seele stünden, wenn du anfangen willst, zusammenzuscharren! dass du das Wort des Herrn dazu nähmst: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir nehmen und wes wird sein, das du gesammelt hast?“
O hüte dich vor dem Geiz, gar leicht überkommt er dich. Auch ernste Christen sind nicht sicher vor ihm. Der alte Pfarrer Flattich sagt sehr richtig: „Mancher ist schon ums Christentums willen in die Verleugnung gegangen und hat sein Herz ziemlich los gemacht vom Irdischen; nachher aber, wenn die Kinder sich verheiraten wollen, so möchte man sie gut unterbringen und verheiraten, und geht hernach aufs Neue in all zu vieles Hausen ein.“
Betrübe dich nicht, wenn du wenig hast; siehe nicht nach denen, die es besser, sondern die es schlimmer haben. „Man muss auf seinem Gang nicht nach dem Hahn auf dem Kirchturm, sondern auf den Boden schauen, sonst strauchelt man.“ Wenn dir der Geiz verboten wird, ist damit nicht gesagt, dass du Alles hinauswerfen und ein Verschwender werden sollst.
Wer mehr will verzehren,
Als sein Pflug kann ernähren,
Muss Hungers sterben
Oder sonst verderben.
Siehe dir den verlorenen Sohn an, der alles verprasste; er fing an zu darben und kam ins Versetzen. Es ist abwärts gegangen mit ihm, an den Säuen hat er aufgehört. Mit dem Kuchen hat Mancher angefangen und mit den Träbern aufgehört. Das ist das Unglück in unseren Tagen, dass Jeder mehr sein will als er ist, mehr ausgibt als er einnimmt, und über seinen Stand hinaus will. Da kommt die Armut her.
„Die rechte Mitte zu halten zwischen Geiz und Verschwendung, ist schwer,“ sagt ihr. Gewiss. Weisheit von oben gehört dazu; vor Allem die rechte Liebe zu Gott und zum Nächsten, sie behütet vor jedem Abweg. Lass dir das irdische Gut ein rechtes Zuchtmittel werden für deine Heiligung, zur Wachsamkeit über dich selbst, ob dein Herz sich nicht daran hängt. Denn zu Staub wird dein Gut doch. Brauche es, wie Luther jagt, als ein Gast an einem fremden Ort, da er über Nacht liegt und des Morgens davon zieht; er braucht nicht mehr denn Futter und Lager zur Notdurft und darf nicht sagen, „das ist mein, hier will ich bleiben,“ sonst müsste er bald den Wirt hören, der ihm sagt: „Lieber, weißt du nicht, dass du ein Gast hier bist, gehe, wo du hingehörst.“
Droben wirds völlig ausgeglichen, was hier schon im Reich Gottes ausgeglichen wird. Wie nicht mehr gefreit wird im Himmel, so ist auch kein Streit ums Gut mehr. Als arme Sünder kommen wir zum reichen Gott. Um einem Tisch sitzen Reiche und Arme, vor einem Thron stehen Reiche und Arme, an einem reichen Herzen ruhen Alle aus. Ach der Herr mache und alle, Arme und Reiche, zu armen Sündern hienieden, und droben zu reichen Gotteskindern. Amen.