Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Sauls - Elfte Predigt. Die Waffenrüstung, in der ein Streiter Christi Feld und Krone behalten muss.

Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Sauls - Elfte Predigt. Die Waffenrüstung, in der ein Streiter Christi Feld und Krone behalten muss.

Eph. 6, 10-17.

Halte was du hast, dass Niemand deine Krone nehme! Das klang mir, Geliebte im Herrn, von der Geschichte Sauls her noch nach in Ohr und Herz, als ich die verlesene Sonntagsepistel zur Hand nahm, um mich auf die heutige Predigt vorzubereiten. Und siehe da! durch die gewaltigen Posaunentöne dieser Epistel schlägt jener Ton, jenes: „Halte, was du hast!“ von neuem an unsere Seele. „Auf dass ihr Alles wohl ausrichten und das Feld behalten mögt!“ Sahen wir schon in der Geschichte Sauls, wie tief auch in denen, die andere Leute geworden sind, das sündige Fleisch und Blut in geheimen Winkeln sich verbirgt und so plötzlich und mächtig zur gelegenen Zeit wieder hervorbricht: hier sehen wir nicht bloß Fleisch und Blut gegen uns kämpfen, um das, was wir an geistlichen Gütern haben, uns zu entreißen, hier sehen wir hinter Fleisch und Blut noch ganz andere, mächtigere Feinde, die im Finstern schleichen. Das ist jener alte, böse Feind und sein ganzes Heer, dem der Kopf zwar zertreten ist, der aber immer noch herumschleicht, dem Samen Evas in die Ferse zu stechen.

Als vor zehn oder elf Jahren die Empörer und Lästerer der Majestäten unserm gottgesalbten Könige nach der irdischen Krone griffen, da hielten sich die schlauen Häupter unsichtbar in geheimen Verstecken, von wo aus sie das arme, verführte, aufgestachelte Volk als ihre blinden Werkzeuge nach ihren Plänen lenkten. Also auch hält sich der Teufel, der oberste der Empörer, im geheimen Versteck, deckt sich mit der Maske von Fleisch und Blut. Paulus reißt die Maske ihm ab, dass wir den Feind erkennen mögen. „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel, mit den listigen Anläufen des Teufels“. Darin besteht seine große Macht und viele List, dass er aus Fleisch und Blut der Sünder seine Stricke und Netze flicht, und dabei sich nimmer erblicken lässt. Da wähnen die Betrogenen, sie folgten ihrem eigenen Willen und seien freie Herren, ach, und sie liegen, wie Paulus sagt, darin gefangen zu des Teufels Willen.

Hörst du nicht, wie doppelt mächtig an dein Ohr der Ruf schlägt: „Halte, was du hast! Siehe zu, dass du das Feld behalten mögest?“ Ich armer und schwacher Mensch, wie soll ich halten das Wenige geistlichen Lebens, was ich habe, wenn solche Feinde gegen mich stehen? Höre die Antwort aus der Epistel. Gott selbst beut uns in ihr

Die Waffenrüstung, in der ein Streiter Christi Feld und Krone behalten muss.

I. Vorerst tut's not, dass alle selbst geschmiedeten Waffen fleischlicher Ritterschaft ganz und gar abgeworfen werden.
II. Danach muss man sich vom Scheitel bis zur Sohle in die göttliche Waffenrüstung hüllen.
III. Endlich darf man den Feind nicht allein abwehren, sondern er muss mit dem Schwert des Geistes angegriffen werden.

I.

Paulus hat seinen lieben Ephesern den ganzen Rat und Willen Gottes zu unserer Seligkeit vor Augen gelegt, von jener ewigen Erwählung Gottes an durch alle Stufen hindurch bis zur Entfaltung des neuen Lebens in den gewöhnlichen, menschlichen Verhältnissen. Er ist damit zu Ende gekommen. Eins nur hat er zum Schluss ihnen noch zu sagen. „Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem Herrn, und in der Macht seiner Stärke. Zieht an den Harnisch Gottes!“ Klingt durch diese Worte nicht ernst und gebietend die Mahnung hindurch: „Fort mit eurer eignen Macht und Stärke! Fort mit euern eignen Waffen und Wehren! Sie sind zu schwach; der Feind zu stark“. Wenn man Kinderspiel treibt, mögen papierne Schilde und Panzer, und Schwerter und Speere von Holz und Rohr stark genug sein. Aber wenn's zum Kampf geht auf Leben und Tod, zum Kampf wider den starken Gewappneten, der über einen kommt mit zwanzigtausend, dann mögen solche Waffen nicht mehr taugen.

Das scheint freilich sonnenklar zu sein. Aber ich möchte doch behaupten, dass wir noch zu kindisch sind, um das allezeit und ernst genug zu erkennen. Oder suchst du mit solchem papiernen Harnisch, mit einem Schild von Spinnwebe dich nicht mehr zu wappnen, mit solchem Rohrschwerte nicht mehr zu streiten? Von jenem pharisäischen Selbstdünkel und aufgeblasenen Stolze will ich gar nicht sprechen. Denn indem man sich aufbläht, ist man schon überwunden. Aber kennst du nicht deine edlen und aufrichtigen Vorsätze, deine unter Tränen gegebenen Versprechen, deine gutgemeinten Anschläge und Vornehmen? Sind sie nicht hundertmal zerrissen, wie man Papier zerreißt oder Spinnwebe? Oder jene Empfindungen, die nicht auf nüchternem Glauben und klarer Erkenntnis, sondern auf dunkler, verworrener, mit viel Fleisch vermischter Gefühligkeit beruhen, sind sie nicht zerbrochen, wie ein Rohr, oder gar in nichts zerronnen, wie ein Rauch, wenn du mit ihnen gegen den Feind wolltest ziehen? Man dünkt sich freilich oft bei seiner redlichen Absicht, seinem guten Willen, seiner ehrlichen Natur, seiner warmen Empfindung, seinem empfänglichen Herzen, seiner reichen Erfahrung vom Kopf bis zum Fuß so gepanzert, wie David, da er Sauls Harnisch angelegt hatte. Dass nur unser Panzer auch uns so unnütz und hinderlich im Streit erscheinen möchte, wie dem David der von Saul entnommene! Dass wir nur so rasch und willig uns seiner ganz entledigten! Man darf auch nicht Beides vereinigen wollen, Gottes Macht und unsere, Gottes Harnisch und den eignen. Wir würden anders dem Krieger gleichen, der in seine Hand ein hölzernes Schwert nehmen wollte und ein stählernes dazu. Soll das von Stahl seine Kraft beweisen, so muss man das hölzerne fahren lassen. Wollen wir uns mit Gottes Harnisch wappnen, so muss man den eignen ganz ausziehen. Sollen jene Waffen unser werden, die mächtig sind vor Gott, zu verstören die Befestigungen, so müssen die Waffen eigner, fleischlicher Ritterschaft hingeworfen werden. O es ist schwer, zum gänzlichen Verzagen an aller eigenen Waffenrüstung zu gelangen, sich ganz auszuziehen und nackt und bloß dazu stehen! Immer und immer wieder drängt die eigne Stärke sich hervor. Immer sind die eignen Waffen wieder in unserer Hand, man weiß kaum, wie sie hineinkommen. Und wenn wir auch hundertmal die traurige Erfahrung gemacht haben, dass wir mit unserer Wehre unterlegen sind, doch scheut man sich, sie daran zu geben, als sollte man das beste, edelste Stück vom Herzen missen. Doch lass fahren nur dahin! Erst wenn du ganz vom Eignen entwappnet bist, ist für dich eine andere, bessere Waffenrüstung vorhanden.

II.

„Ergreift den Harnisch Gottes!“ Der Harnisch ist die gesamte Waffenrüstung, die einen Mann von Kopf bis zu Fuß bedeckt, dass kein Teil an ihm unbeschützt bleibt. Wir haben von manchen Kriegshelden gehört, die ihre Waffen verloren hatten und traurig und verzagt in ihrer Hütte saßen. Da ward ihnen eine neue Rüstung gebracht. Als ihre Augen die schauten, flammten sie auf von neuem Mut, und der Mund jauchzte, und die Füße sprangen auf aus dem Staub. Ihr Streiter des Herrn, sitzt ihr nach Verlust eurer Waffen ohnmächtig am Boden, wohlan! hier ist eine Rüstung, von Gott selber gefertigt, schaut sie an, dass euer Herz voll Lachens und euer Mund voll Jauchzens werde. Werfet sie um eure Glieder. Sie bedecket euch ganz, dass keine Blöße mehr zu finden sei, wo der Feind euch verwunden könnte.

Aber lasst die einzelnen Teile der Rüstung uns anschauen. Hier ist zuerst der Gürtel. Er muss das Untergewand, das weit und wallend ist, erst zusammenhalten, ehe man die Rüstung darüber anlegen kann. Und wieder ist's der Gurt, der den Panzer um Brust und Leib zusammenhält. Ohne ihn stößt der Panzer hin und her, wird hinderlich, lästig und verliert seine Brauchbarkeit. Und dieser Gurt? Er ist die Wahrheit! Wie Paulus sagt: „So steht nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit!“ Er meint die Wahrheit über uns selbst, über unsern eigenen Zustand, unsere Lage, und das nicht im Allgemeinen nur, sondern im Einzelnen und Einzelnsten, die Wahrheit über unsere natürlichen Neigungen, unsere faulen Flecken und verwundbaren Stellen. Willst du fest stehen gegen die listigen Anläufe des Teufels, so forsche und frage nach dieser Wahrheit, der nackten, unverhüllten. Nicht wie Ahab, da er zum anfangs schmeichelnden Propheten Micha sprach: „Ich beschwöre dich, dass du mir nicht anders sagst, denn die Wahrheit im Namen des Herrn!“ und dem die Ohren doch nach der Unwahrheit juckten, sondern wie jene Kurfürstin Luise, die zu ihrem Beichtvater Stosch sprach: „Ich wiederhole, dass ihr alle meine Sünden und Fehler mir vorhaltet, auch wenn nur ein Schein hiervon da wäre. Vergesst nicht, dass ihr Seelsorger seid, ich beschwöre euch bei Gott, eurem und meinem künftigen Richter!“ oder wie die Mutter Karls XII. von Schweden, die den gottseligen Scriver zum Seelsorger begehrte und an ihn schrieb, „sie wolle ihn in Sänften nach Schweden bringen, nur um einen Mann zu haben, der auf ihre Handlungen Acht habe und ihr wahrhaftig ihre Fehler anzeige“.

Mit solcher Lust zur Wahrheit gürte deine Lenden. Hättest du gleich die andern Waffen alle, und fielest aus der Wahrheit in Lust zur Schmeichelei und zum Selbstbetrug, dann verlörst du auch die andern Waffen, oder sie würden, wenn du sie scheinbar noch hättest, dir unbrauchbar sein, wie einem Krieger, der den Gürtel abgeschnallt hat. Wir haben das ja an König Saul gesehen, also dass ich darüber jetzt nicht weiter reden darf. „Wer aus der Wahrheit ist, d. h. wem daran gelegen ist, aus dem Selbstbetrug und Heuchelschein heraus zu kommen und sich zu erkennen, wie er ist, der hört meine Stimme!“ spricht der Herr. Ach, wie ist die Wahrheit so bitter zu hören. Wie schmachtet das Herz danach, wenn nicht ganze, doch halbe, wenn nicht grobe, so doch feine Schmeichelworte zu vernehmen. Wie tun die dem alten Menschen so wohl! Aber fort die schönen Träume, den leeren Schaum, den falschen Schmuck, die Tünche, fort alles süße Berauschen und Umnebeln mit Gefühlen! Ich muss Wahrheit, Wahrheit zum Gurte haben. Aber wie? Wenn ich nun die Wahrheit erkenne, dass ich nichts bin noch vermag, dann soll ich stark sein, an dem bösen Tage Widerstand zu tun, alles wohl auszurichten und das Feld zu behalten? Fürchtest du dich in deiner Blöße, so tritt tiefer hinein in die Rüstkammer Gottes, und lege um deine wehrlose Brust den Krebs, d. h. den Panzer der Gerechtigkeit. In der Brust liegt des Leibes edelster Teil, das Herz, daraus das Leben springt. Hier ist der Panzer, der dein innerstes, neues Leben vor jeglichem listigen Anfall schirmet: Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die da kommt aus Glauben in Glauben. Ist das neue Leben aus Gott, das Herz des inwendigen Menschen, von diesem Panzer umschirmt, welch' männlicher Mut, welch' frische, fröhliche Kraft durchströmt dann den Kämpfer! Wie fürstlich tritt er dem Feinde entgegen! „Ob sich schon ein Heer wider mich lagert, fürchte ich mich doch nicht!“ Wie wagt er sich, wenn er gesandt wird, so recht mitten ins Kampfgewühl mit dem Feldgeschrei: Jehova Zidkenu!1) Und der Herr vom Himmel ruft ihm als Antwort: „Ob tausend fallen zu deiner Seiten und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen!“ So lange dieser Panzer der Gerechtigkeit aus dem Glauben vom Feinde nicht durchlöchert ist, so lange ist das Herz des neuen Menschen, der Bronnen, aus dem sein Leben fließt, unantastbar. Er komme, der Widersacher, der Verkläger, mit dem Schuldregister und zeige es vor im Gericht. Ich werde schweigen, denn ich weiß nichts zu erwidern. Aber für mich wird der Herr reden zum Satan: „Der Herr schelte dich, du Satan, ja der Herr schelte dich! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist? (Sach. 3, 2). Dann werde auch ich einfallen mit dem Siegesjubel: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der da gerecht macht! Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns!“ Und er wird weichen müssen, und mein Fuß das Feld behalten.

Aber der Feind, die Schlange ist listig. Wenn sie das Herz umpanzert findet, so schleicht sie uns nach auf unsern Wegen, dass sie uns in die Ferse steche. Da gilt's gestiefelt sein auch an den Beinen und Füßen. Unsere Glieder, die noch auf der Erde sind, und durch die täglichen Verhältnisse unsers Berufes hindurch wandeln müssen, bedürfen des Schuhes, damit sie keine Wunde empfangen, die, an und für sich zwar nicht tödlich und das Herz nicht berührend, doch kampfesunfähig macht und den Tod herbeiziehen kann. Welche das erfahren haben, verstehen, was ich sage. „Seid an den Beinen gestiefelt, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid“. Wer gerecht geworden ist durch den Glauben, hat Frieden mit Gott. Und wer Frieden mit Gott hat, der ist fertig und wohlgeschickt, auch das Evangelium des Friedens zu treiben auf der friedelosen Erde. Diese immerwährende Bereitschaft, Friede zu halten mit Jedermann, so viel an dir ist, und durch den Friedenshauch, der aus deinem ganzen Wesen weht, den Frieden in des Nächsten Herz zu hauchen, bewahrt vor vielen Fersenstichen, die uns im täglichen Pilgerwandel beigebracht werden, bewahrt vor Trägheit und Lässigkeit im Beruf, vor Unzufriedenheit und Murren gegen Gott und Menschen, nicht vor jenem Murren mein' ich, das aus dem innersten Herzen hervorgeht, denn das wird bei Gerechtfertigten nicht mehr gefunden, sondern vor dem, das von der alten Zeit her in den Außenkammern sich noch verborgen hält, bewahrt vor Gereiztheit, Neid, Bitterkeit, Hass, selbstgefälligem, verachtendem Wesen, liebelosen Gebärden, scharfen Worten gegen unsere Mitknechte. Die ihr weint über die Fersenstiche, bekennt mit mir, dass die Dinge, die ich nannte, die sind, durch welche ihr im täglichen Wandel am meisten seid verwundet worden. So ziehet denn an im täglichen Pilgerlauf den Geist des Friedens, der aus dem Evangelio Jesu Christi kommt. Dann wird's aufhören, dass eure Füße allabendlich aus so vielen und schmerzlichen Wunden bluten.

„Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts“. Es hatte der Krieger in alter Zeit einen Schild, hinter dem wohl sein ganzer Leib geschützt war. Den hielt er noch vor seine Rüstung. Schoss der Feind auch mit feurigen, mit Werg umwundenen und angezündeten Pfeilen, so gelangten sie gar nicht einmal bis an den Panzer. Sie blieben schon im Schilde stecken. Lobet Gott, ihr Christen, dass Gott uns einen Schild gegeben hat, den wir vor aller andern Rüstung, vor Gurt, Panzer und Beinharnisch noch tragen sollen, dass die feurigen Pfeile des Bösewichts von ihm aufgefangen werden und gar nicht bis an dieselbigen gelangen. Der Schild ist der Glaube! Verbirgst du dich hinter diesem Schild zu jeder Stunde, so kann der Teufel mit all' seinen listigen Anläufen deine Wahrheit, deine Gerechtigkeit, deinen Frieden selbst gar nicht einmal anrühren. Er sendet wohl scharfe und selbst feurige, alles was sie berühren, in Brand steckende Pfeile, er schießt sie auch aus der Ferne und so heimlich, wie ein Jäger sein Geschoss auf das arglose Tier: aber der Glaube fängt sie alle auf, der Glaube löscht sie. Denn dieser Glaube ist nicht wie der Schild, der den Krieger nur von vorne deckt. Er deckt den Christen von allen Seiten, vorne, hinten, zur Rechten, zur Linken. Wer diesen Wunderschild trägt, der sieht die Fürsten und Gewaltigen, die Herren der Welt mit allem ihrem Heer anrücken, zieht und ruft ihnen entgegen: „Wer glaubt, der flieht nicht! Denn unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!“

„Und nehmt den Helm des Heils!“ Abi-Melech, der Sohn Gideons, der furchtlose Kriegsmann, hatte die Stadt Thebez gewonnen. Es war ein starker Turm mitten in der Stadt, auf welchen flohen alle Männer und Weiber. Da nun jener wider den Turm stritt, warf ein Weib ein Stück von einem Mühlstein Abi-Melech auf den Kopf und zerbrach ihm den Schädel. Es ist manchem Streiter Gottes im geistlichen Verstande ebenso ergangen. Schon Sieger, rückte er noch vor einen festen Turm, in welchen das Heer der Seelenfeinde sich zurückgezogen hatte. Dort wurde ihm das Haupt zerbrochen, ich will sagen, seine Gedanken, die dem Haupt entspringen, wurden verwirrt, seine Erkenntnis zertrümmert. Ihr Streiter Christi, hier ist ein Helm, der beschirmt das Haupt, der schützt die Gedanken, der rettet die Erkenntnis, auch wenn ihr lange und vergeblich vor einer uneinnehmbaren Satansburg zu Felde liegen müsstet. Dieser Helm ist das Heil, das Gott uns bestimmt hat vor dem Grund der Welt, das er in der Fülle der Zeit durch Christum bereitet hat, und das er an der einzelnen Seele durch den Heiligen Geist wird hinaus führen zur glorreichen Vollendung. So beruht denn unser Heil ganz auf ihm und seiner Treue, nicht auf unserm Eifer, unserer Wärme, Lebendigkeit, Aufrichtigkeit, Heiligung, Inbrunst des Gebetes, oder was es sei. Wir liegen in Jesu Hand. Wer will uns der entreißen! Wir werden aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt zur Seligkeit. Wer will die Macht Gottes zur Ohnmacht machen? Diese fröhliche Gewissheit, dass mein ewiges Heil nicht auf den schwankenden Grund meines Gefühlslebens, sondern auf den ewigen Felsen der göttlichen Gnade gegründet ist, die ist die Macht, welche meine Gedanken vor Verirrung, meine Erkenntnis vor Verwirrung behütet. Ich gehöre dann nicht mehr zu den Leuten, von denen geschrieben steht: „Diese Leute haben unselige Gedanken!“ (Hes. 11, 2.) und abermals: „Ihre Gedanken sind Mühe!“ (Hes. 59, 7.) Ich werde in solchem Waffenschmuck stehen, wie ein Fürst in seinem Heere, und es wird sich auch mir die Verheißung erfüllen: „Die Fürsten werden fürstliche Gedanken haben!“ (Jes. 32, 8.) Denn dann sind Gottes Gedanken meine Gedanken, die unwandelbar fest halten an dem Einen, dass er allezeit Gedanken des Friedens über mir habe und nicht des Leides, dass er mir gebe das Ende, des ich warte. Mit dieser fröhlichen Zuversicht: „Der Herr ist mein Heil!“ gehe ich entgegen den bösen Tagen. Sie werden mein Haupt nicht zerschmettern, würden sie gleich von der Hand des Widersachers nach Gottes h. Willen auf mich gewälzt, wie schwere Felsen; sie werden mir auch noch kein Haar auf meinem Haupte krümmen können. Und wenn dann einst mein Heil mit seiner Glorie erscheint, und heulen werden alle Geschlechter der Erden, und die stolzen Feinde sich bücken und Staus lecken und schreien: „Ihr Berge fallt über uns, und ihr Hügel deckt uns!“ dann werde ich mein Haupt aufheben, darum dass sich meine Erlösung naht.

Du kennst nun die göttliche Waffenrüstung: Gürtel, Brustharnisch, Beinpanzer, Schild und Helm. Es darf keines dieser Stücke dir fehlen. Nimmst du sie aber alle aus Gottes Hand, so bist du umpanzert vom Scheitel bis zur Fußsohle. Da ist dein inneres, geistliches Leben, das zarter und leichter verletzbar ist, als des Auges Licht, besser auch behütet, wie ein Augapfel im Auge. Wer will dich anrühren, wenn der Herr ruft: „Taste meinen Gesalbten nicht an!“ So verwahre dich in selbiger Wehre, dass du nicht durch Irrtum der ruchlosen Leute samt ihnen verführt werdest und entfällst aus deiner eigenen Festung!

III.

Doch ist das nicht die Meinung, dass du in dieser Rüstung solltest zage sein und träge harren, bis der Starke dich mit Krieg überzieht. Der Verheißung gewiss, dass du im Harnisch Gottes auf den Löwen und Ottern gehen wirst und treten auf den jungen Löwen und Drachen, sollst du im heiligen, nie endenden Krieg immer vorwärts dringen ins Lager des Feindes, immer tiefer in seine Bollwerke und Schlupfwinkel dich wagen und ihm keine Ruhe lassen, wollt' er gleich mit dir einen Waffenstillstand schließen. Wer nicht vorwärts dringt auf dem Schlachtfelde, der weicht zurück. Wer nicht dazu erobert, kann auch das nicht halten, was er hat. Nicht zurück allein, nieder muss der Feind. „Nehmt das Schwert des Geistes, gebietet der Siegesfürst, welches ist das Wort Gottes!“ Dieses Schwert ist noch nimmer zersprungen oder stumpf geworden. Vor dem hat noch nie kein Feind aufrecht zu stehen vermocht. Das ist das Schwert, womit Joseph siegreich gegen Potiphars Weib, die Schlange, focht. Das ist das Schwert, womit der Herr und Meister selber den Satan von sich trieb und die erste tödliche Wunde ihm beibrachte. Oder klingt das dreimalige: „Es steht geschrieben!“ nicht vor deinen Ohren wie ein dreimaliger siegreicher Schwertschlag? Welcher Ehren wert muss dieses Schwert sein, wenn der Meister selbst es ergriffen, und im Himmel und auf Erden kein stärkeres, zweischneidigeres, siegreicheres gewusst hat: Bedenke dies meine Seele: der Herr hat nicht durch seine ewige Macht und Gottheit siegen wollen, sondern als der rechte Menschensohn mit jener Waffe allein, die seit früher Jugend in deiner Hand ist. Führe sie nur wie er, und wie er wirst du siegen, und der Teufel wird von dir weichen eine Zeitlang.

In der Geschichte Sauls haben wir gesehen, dass die Philister alle Schwerter. aus Israel und alle Waffenschmiede dazu hinweggeführt hatten, um das Volk in ewiger Knechtschaft zu erhalten. Der Feind kann auch nichts Klügeres tun, als das Schwert des Geistes dir aus der Hand zu winden. So hat ers bei Eva schon getan. „Ja, sollte Gott gesagt haben?“ So listig schmeichelnd beginnt er, damit der Mensch die Wehre ausliefere. „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben! Denn das Wort des Herrn ist nichts anders, denn ein Gedicht!“ Damit endet er, denn dann hat er den Sieg. „Der Teufel nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf dass sie nicht glauben und selig werden!“

Ist dir das Schwert entwunden oder stumpf geworden, eile zu den Waffenschmieden, die Gott bestellt hat. Ihrer sind - Gott sei gebenedeit! wieder viele im Lande. „Verkaufe dein Kleid und kaufe ein Schwert!“ Aber lasse das Schwert, was sie für dich bereitet haben, nicht in ihrer Schmiede stehen. Du musst es nehmen. Dass du es auch nicht in den Winkel stellst! „Gürte dein Schwert an deine Seite, du Held, und schmücke dich schön!“ Das gilt, wie für den Meister, so für die Jünger allzumal. Dass du das Schwert auch nicht in der Scheide lässt! Wie von der Obrigkeit, muss es auch von deiner Rechten heißen: „Sie trägt das Schwert nicht umsonst!“ Mehr noch. Von dir muss gelten, was von Gott geschrieben steht: „Das Schwert, ja das Schwert ist geschärft und gefegt! Das Schwert, das Schwert ist gezückt, dass es schlachten soll!“ (Hes. 21, 9. 28.) Du hast an Saul und Jonathan gesehen, was zwei Männer, die noch Schwerter haben, vermögen, wenn der Geist sie treibt. Du hast dasselbe in geistlichem Verstande und in herrlicherer Weise gesehen, als zur Zeit, da es finster war, und andere Unbeschnittene Schwert- und Waffenschmiede aus Israel verbannt hatten, Luther und ein und der andere Gehilfe und Waffenträger mit dem Schwerte des Wortes drein schlugen. „Ich hab allein Gottes Wort getrieben, sagte er, gepredigt und geschrieben, sonst hab' ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe, also viel getan, dass das Papsttum also schwach geworden ist, dass ihm noch nie kein Fürst oder Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich habe nichts getan, das Wert hat es alles gehandelt und ausgericht“. Und nochmals: „Ich habe nichts gemacht, ich habe das Wort lassen handeln“.

Feinde ringsum, Feinde in dir, Feinde außer dir! Wie zieht man da so gerne sein eigenes Schwert, wie Petrus im Garten Gethsemane. „Stecke dein Schwert in die Scheide!“ Nimm ein besseres, schärferes Schwert, - das Schwert des Geistes! Das trage Tag und Nacht blinkend in deiner Rechten, allezeit bereit, den Feind, der sich blicken lässt, nieder zu schlagen. „Es steht geschrieben!“ Das ist unsere Waffe. Mit ihr treten wir dem Feind unter die Augen. Mit ihr werden wir, umpanzert vom Harnisch Gottes, am bösen Tage Widerstand tun und Alles wohl ausrichten und Feld und Krone behalten in Ewigkeit! Amen.

1)
Der Herr, der unsere Gerechtigkeit ist!“ Jer. 23, 6.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/d/disselhoff/saul/disselhof_-_saul_-_predigt_11.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain