Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Davids, des Mannes nach dem Herzen Gottes - Neunte Predigt. Das selige Geheimnis, in den Tagen der Erhöhung und der Ruhe fest zu stehen.

Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Davids, des Mannes nach dem Herzen Gottes - Neunte Predigt. Das selige Geheimnis, in den Tagen der Erhöhung und der Ruhe fest zu stehen.

2 Sam. 6. u. 7.

Wir treten heute wie in eine neue Welt. Die dunklen Täler, in denen die Bäche Belials rauschen, sind verschwunden. Die sonnigen Höhen der Ehre und des Glückes liegen vor uns. Saul fiel von eigener Hand auf den Bergen Gilboas. „Der tote Hund, der einige Floh“ trägt die Königskrone und wohnt im Zedernpalaste. Die Zeiten der Erniedrigung haben die Zeit der Erhöhung geboren. Die Tränensaat ist zur Freudenernte geworden. Nicht umsonst also hat David, unter die gewaltige Hand Gottes sich beugend, still geharrt, bis er sähe, was sein Herr mit ihm tun würde. Von Stufe zu Stufe führte Gott, sobald seine Stunde schlug, seinen Gesalbten aus dem Feuerofen zur Herrlichkeit. Zuerst ward David König über Juda allein zu Hebron. Isboseths Aufruhr, von Abner angeschürt, wurde rasch niedergeworfen. Die Stämme und die Ältesten Israels machten den Sieger zum Könige über das ganze Volk des Herrn. Danach zog David gegen Jerusalem und die Burg Zion, darin noch die Jebusiter wohnten, die in ihrer Feste sich so sicher dünkten, dass sie dem Gesalbten Gottes höhnend zuriefen: „Blinde und Lahme werden dich abtreiben!“ (2 Sam. 5, 6.) Aber er stopfte ihnen das hoffärtige Maul und setzte seine Wohnung auf den Berg Zion. „Und David ging und nahm zu, und der Herr, der Gott Zebaoth, war mit ihm.“ (2 Sam. 5, 10.) Hiram selbst, der gewaltige König der noch gewaltigeren Stadt Tyrus, deren Kaufleute Könige und ihre Krämer die Herrlichsten im Lande waren, sandte Boten zu David und Zedernbäume vom Libanon, dass er ihn ehrte. (V. 11.) Die Philister, die unter Sauls gottlosem Regimente fast Herren des Landes geworden waren, wurden zweimal aufs Haupt geschlagen. Also war David herrlich geworden und der Herr hatte ihm Ruhe gegeben von allen seinen Feinden umher.“ Da siehst du:

„Aus der Enge in die Weite,
Aus der Tiefe in die Höh
Führt der Heiland seine Leute
Dass man seine Wunder seh!“ (August Tholuck)

Doch größere Wunder noch als diese, sind die, dass er auch auf der Höhe und in der Herrlichkeit seine Geliebten vor dem Gleiten zu bewahren, aus dem Falle zu erheben und zum Sieg reichen, seligen Ende zu führen weiß. Diese Wunder offenbaren sich uns im zweiten Abschnitt der Lebensgeschichte Davids. Heute zunächst lehrt uns der Geist:

Das selige Geheimnis, in den Tagen der Erhöhung und der Ruhe fest zu stehen.

Es gehört dazu:

1. Demütige, unbedingte Unterwerfung unter das Zeugnis Gottes.
II. Treues, lauteres, eifriges Arbeiten für die Ehre des Herrn und seines Reiches.
III. Dankbares Stillehalten, wenn der Herr, unsere Arbeit für ihn zurückweisend, an unserm eigenen Herzen arbeiten will.

I.

Saul, als Jüngling klein und niedrig in seinen Augen, fiel, als er das irdisch Beste und Höchste in Israel erlangt hatte. Salomo, der sein königliches Amt mit dem Gebete um ein gehorsames Herz begonnen hatte, ließ auf dem Gipfel der Macht seine Seele in den Staub ziehen. Hiskia, in seiner Krankheit der Spiegel eines zerschlagenen Herzens, wurde in seiner Gesundheit in jenen Ehrgeiz gestürzt, der die Schätze Jerusalems gen Babel führte. (Jes. 39.) Welche Macht hat David, der auch von Fleisch und Blut nicht unangefochten war, vor gleichem Lose behütet?

Verstrickt und gestürzt durch seine lügenspinnende Klugheit, war David, wie wir aus früheren Predigten wissen, endlich zum festen Wort und Zeugnis des lebendigen Gottes, als dem einzigen Licht und Halt für das dunkle, schwankende Menschenherz, zurückgekehrt, hatte vom geoffenbarten Worte des Propheten Gad und vom Licht und Rechte des Hohenpriesters seine Anschläge und Taten leiten lassen. „Ich will rühmen Gottes Wort, ich will rühmen des Herrn Wort!“ hatte er gerufen. (Ps. 56, 11.) Dies feste Wort, was ihm Licht und Stecken im dunklen Tal gewesen war, nahm er mit auf die Höhe des Thrones. Darum sprach er zu allen Fürsten und zu der ganzen Gemeine: „Gefällt es euch und ist es von dem Herrn, unserm Gott, so lasst uns allenthalben ausschicken zu den Andern, unsern Brüdern in allen Landen Israels, dass sie zu uns versammelt werden, und lasst uns die Lade unsers Gottes zu uns wieder holen, denn bei den Zeiten Sauls fragten wir nicht nach ihr!“ (1 Chr. 14, 2. 3.) „Und er machte sich auf und ging hin mit allem Volk, das bei ihm war, dass er die Lade Gottes herauf holte, welcher Name heißt: „Der Name des Herrn Zebaoth wohnt darauf über den Cherubim!“ David erkannte also mit klarem Auge in der Nichtachtung des göttlichen Gesetzes den Quell, woraus unter Sauls Regiment alles Verderben für die Einzelnen, wie das ganze Volk entsprungen war. Um die verzweifelt bösen Schäden des Volkes zu heilen, und sein Herz vor dem tiefen Fall Sauls zu behüten, griff er mit großem Ernste nach dem einzigen Heilmittel, der Offenbarung Gottes. Die Lade des Herrn, welche das ewige, unantastbar heilige Gesetz einschloss, die aber zugleich über den Flügeln der Cherubim den gnadenreichen Namen des Herrn Zebaoth trug, wollte er allezeit vor seinen Augen haben. Die Nähe des lebendigen Gottes sollte seinen Rat, seine Reden und seine Werke regieren. Er begehrte sein ganzes Wesen und Leben unter die Doppelmacht des Gesetzes und der Gnade zu stellen. Wie lauter und tiefgehend dieses Begehren war, zeigt sich am besten in jener lebendigen, unverhohlenen Freude, mit der er, wie unsere Geschichte ausdrücklich hervorhebt, das Heiligtum des Herrn von Giboa gen Jerusalem zu bringen begann.

Wo Gott Einen sieht, der sich unter den Schutz seines Wortes flüchten will, den erzieht er also, dass er sich unbedingt darunter beugen lernt, nicht Gottes Wort und Menschen Wort ferner mit einander vermischt und vermengt. Zwar war, menschlich geredet, die Absicht Davids lauter und gut, als er dem Herrn zu Ehren die Lade Gottes auf einem neuen Wagen führen ließ. Es war aber dennoch gegen Gottes ausdrückliches Wort. Die Lade des Herrn, darauf der Name des Allerhöchsten wohnte, sollte von den Leviten auf Stangen getragen, und von keinem Staubgeborenen berührt werden, damit sie sichs bewusst blieben, welch ein Unterschied sei und eine Trennung zwischen dem Heiligen, und dem Unheiligen. (4 Mos. 4, 15. 20. und 7, 9.) Als die Rinder des Wagens unterwegs einen Fehltritt taten, und die Lade in Gefahr war zu fallen, griff Usa, um das schwankende Heiligtum Gottes zu halten, dasselbe gegen Gottes Wort mit unheiliger Hand an. Des Herrn Zorn ergrimmte, und schlug ihn um seines Frevels willen, dass er daselbst starb bei der Lade Gottes. David, entsetzt über die unnahbare Heiligkeit des Herrn und seine eigene Sündhaftigkeit, rief aus: „Wie soll die Lade des Herrn zu mir kommen?“ und ließ sie in das Haus Obed Edoms bringen. Den segnete der Herr um der Lade willen. Da David das vernahm, begann er zu ahnen, dass die Nähe des Herrn nur dem Ungehorsamen und Widerwärtigen ein verzehrendes Feuer ist, aber dem, der seinem Worte sich unterwirft, ein gnadenreicher Quell himmlischen Segens. Er lernte, sich unbedingt unter den offenbarten Willen Gottes beugen und scheute sich hinfort, aus menschlich guter Absicht auch einen Buchstaben desselben aufzulösen. „Die Lade Gottes, sprach er nun, soll Niemand tragen ohne die Leviten, denn dieselben hat der Herr erwählt, dass sie die Lade des Herrn tragen!“ und sprach weiter zu den Leviten: „Vorhin, da ihr nicht da wart, tat der Herr, unser Gott, einen großen Riss unter uns, darum, dass wir ihn nicht suchten, wie sich's gebührt.“ Man brachte jetzt die Lade in ihre Hütte „nach dem Worte des Herrn,“ nicht mehr nach eigenem klugen, guten Ermessen. (1 Chr. 16, 2. 13. 15.) Dazu opferten sie Brandopfer und Dankopfer, dass der Herr nicht an sähe ihre Unreinigkeit. David war voller Freude, weil er spürte, dass die gänzliche Beugung des Herzens unter Gottes Offenbarung recht frei und selig macht. Er konnte seine heilige Wonne nicht fassen. Begürtet mit einem leinenen Leibrock, wie die Priester Gottes, tanzte er mit aller Macht vor dem Herrn her und mit hellem Jauchzen, und sie spielten und sangen laut mit Freuden. Als die Lade in ihrer Hütte stand, brach er, im Anschauen der herrlichen Offenbarungen Gottes unter seinem Volk Israel, in jenes lebendige, feurige Loblied aus, das mit seligster Freude beginnt und mit seligster Freude schließt. „Es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen. Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und man sage unter den Heiden, dass der Herr regiert! Das Meer brause und was darinnen ist, und das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist. Und lasst jauchzen alle Bäume im Walde vor dem Herrn, denn er kommt, zu richten die Erde!“ (1. Chr. 17.)

Ein Herz, welches mit allen Fasern seines Daseins so fest, so fröhlich an Gottes Offenbarung sich anklammert, oder vielmehr in sie hineinwächst, aus ihr alle Nahrung zieht, alles Licht empfängt, trägt als köstliche Frucht jene ungeheuchelte, unerschütterliche Demut, deren herzerquickendes Bild die heutige Geschichte uns vor Augen stellt. Als nämlich David ausgeopfert, das Volk in dem Namen des Herrn Zebaoth gesegnet und demselben seine Liebesgaben ausgeteilt hatte, trat er in sein eigen Haus, um auch das zu segnen. Michal, sein Weib, Sauls Tochter, die nichts von einer Beugung unter Gottes Wort kannte, wusste auch eben darum nichts von Beugung und Demut vor Menschen. Sie verachtete den König in ihrem Herzen, weil er in der Freude über Gottes Offenbarung vor dem Herrn gesprungen und getanzt hatte. Er kam zu segnen; sie um zu höhnen. „Wie herrlich, rief sie, ist heute der König von Israel gewesen, der sich vor den Mägden seiner Knechte entblößt hat, wie sich die losen Leute entblößen!“ David, voll der Freude noch an dem Gesetz Gottes, antwortete mit einer Demut, die er nicht aus sich selber geschöpft hat: „Ich will dem Herrn spielen, der mich erwählt hat vor deinem Vater und vor allem seinem Hause, dass er mir befohlen hat, ein Fürst zu sein über das Volk des Herrn, über Israel, und will noch geringer werden, denn also, und will niedrig sein in meinen Augen, und mit den Mägden, davon du geredet hast, zu Ehren werden!“

Wer mit solcher Demut vor Gott und Menschen wandelt, dessen Auge wird nicht geblendet vom Sonnenschein guter Tage, sein Herz und Haupt nicht schwindlig auf der Höhe des Glücks. Er steht fest, ob ihn Gott ins dunkle Tal oder eine Stufe höher oder auf den Gipfel führt. Aber, - uns Allen ist es gesagt, solche Demut wird nur aus der absoluten Beugung unter Gottes Gesetz und Zeugnis geboren. - Gibt es nicht immer noch viele Michal in Israel, Leute meine ich, die, wenn sie ein wenig empor gehoben sind, toll und töricht werden vor Aufgeblasenheit? Unter den vier Dingen, die ein Land unruhig machen, nennt Salomo auch: „einen Knecht, wenn er König wird, eine Magd, wenn sie ihrer Frauen Erbe wird.“ (Spr. 30, 21). Es ist nicht nötig, dass ein Knecht König, eine Magd Herrin oder Jeder von uns etwas Großes wird, es ist genug dass wir nur eine kleine Stufe höher steigen, um jene Michalnatur in uns allen wach zu rufen, die uns vor Gott und Menschen zu unleidlichen Narren macht, und der das Wort gesagt ist: „Wer zu Grunde gehen soll, der wird zuvor stolz, und stolzer Mut kommt vor dem Fall.“ (Spr. 16, 18.) samt dem andern: „Die Hoffart des Menschen wird ihn stürzen!“ (Spr. 29, 23.) Willst du, um fest zu stehen, wie David lernen, niedrig zu sein in deinen Augen und immer geringer zu werden, je höher du etwa steigen solltest, so musst du fort und fort jenes lebendige und kräftige Wort als eine Macht über dir und in dir fühlen, welches, schärfer denn kein zweischneidiges Schwert, durchdringt, bis dass es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, als ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens, welches wie ein Hammer Felsen zerschmeißt, aber auch die Albernen weise und die Narren klug und die Blinden sehend und die Trunkenen nüchtern und die Schwachen stark und die Fleischlichen geistlich macht! - Was dem Einzelnen gilt, gilt auch unserer ganzen Zeit. Sie ist ja sehr hoch gekommen in Glanz und Herrlichkeit und Kraft, fast, wenn man ihr eigenes Zeugnis annehmen will, bis an die Sterne hoch! Demut tut ihr not, wahrhaftige Demut, sonst wird sie zu Boden geschmettert, wie Babels Turm. Wo soll ihr die Demut herkommen! Allein aus der unbedingten Beugung unter den geoffenbarten Willen Gottes, unter sein Gesetz und seine Gnade. „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ (Jer. 22,29.) Was geschrieben steht, daran rüttelt nicht und mäkelt nicht, auch nicht in guter Meinung, um den Herrn zu ehren oder sein Heiligtum zu retten. Tut nichts hinfort vom Worte, um das Übergebliebene für die Kinder dieser Zeit genießbarer zu machen. Tut nichts hinzu, im Wahne mit euren Händen, Meinungen, Ordnungen, Satzungen die schwankende Kirche festzuhalten. Sagt mir, die ihr an Gott glaubt, war's denn ein Ohngefähr, dass die Rinder an der Tenne Nahors beiseitetraten und die heilige Lade in Gefahr brachten? oder war es nicht der lebendige Gott selber, der solches wollte, derselbe Gott, der später seinem Knechte Amos im Tempel gebot: „Schlage an den Knauf, dass die Pfosten beben!“ (Amos 9, 1.) Derselbe Herr der Kirche lässt noch heute die, so vor ihm sind wie die Rosse und Maultiere, einen Fehltritt tun, dass sein Heiligtum schwankt, schlägt selbst an die Säulen seiner Kirche, dass sie beben. Wollt Ihr sie halten mit euren Erfindungen, da doch geschrieben steht: „Das Land zittert und Alle die darinnen wohnen; aber Ich halte seine Säulen fest!“ (Ps. 75, 4.) Gedenkt alle, die ihr, um dem Herrn und seinem Heiligtum zu helfen, in irgendeiner Weise Menschenwitz zu Gottes Wort fügt, an Perez Usa, damit nicht um solcher Nichtachtung seines Wortes willen ein großer Riss an uns geschehe! Ein gänzliches Verzichten auf alle eigene Weisheit, ein gänzliches Hangen am geoffenbarten Worte gibt allein jene Freude am Herrn, die unsere Stärke ist, jene Demut in dieser höhnisch stolzen Zeit, die sich des Bekenntnisses Jesu Christi nicht schämt, wenn gleich tausend Michal durchs Fenster kuckten, oder spottend uns entgegenträten!

Unbedingte Beugung unter Gottes Offenbarung! Das merke, wer fest stehen will!

II.

David ruhte ganz in Gott, in seinem Willen und Wort. Aber eben deswegen konnte seine dankbare Gegenliebe und sein Eifer für die heilige Sache des Herrn nicht ruhen. Die regte sich kräftig und lebendig. Denn da der König in seinem Hause saß und der Herr ihm Ruhe gegeben hatte von allen seinen Feinden umher, sprach er zu dem Propheten Natan: „Siehe, ich wohne in einem Zedernhause und die Lade Gottes wohnt unter den Teppichen!“ Die Liebe zum Gesetz und Gnadenstuhl band seine Selbstliebe, öffnete ihm die Augen, dass er mit tiefer Schamröte die Herrlichkeit seines Hauses mit der ärmlichen und unscheinbaren Zelthütte verglich, darin die Wohnung des Allerhöchsten war. Er konnte nicht anders, er musste die Zeit seiner Ruhe, und was er gewonnen und erarbeitet hatte in den Zeiten des Streites, für den Herrn und sein Heiligtum hingeben. Er schwur dem Herrn und gelobte dem Mächtigen Jakobs: „Ich will nicht in die Hütte meines Hauses gehen, noch mich auf das Lager meines Bettes legen, ich will meine Augen nicht schlafen lassen, noch meine Augenlider schlummern, bis ich eine Stätte finde für den Herrn, zur Wohnung dem Mächtigen Jakobs!“ (Ps. 132, 2-5.) So lange David auf der Höhe seiner Macht neben dem Bilde seines hohen Palastes das der armen Hütte Gottes, neben dem seines Glückes und seiner Freude, das des elenden Zustandes Israels so lebendig vor Augen hatte, dass es ihn nicht schlafen ließ und selbst in seine Träume drang, so lange hatte es keine Gefahr, dass jene tausend gleißenden Phantasiebilder, die in den Tagen des Glanzes und Glückes vor den Augen gaukeln, ihn in den Abgrund lockten. So lange die ganze Kraft seines Geistes das als Ziel des Lebens und Strebens verfolgte, seine Zeit, Macht, Hoheit und allen Arbeits- und Siegesgewinn seinem Herrn zu Füßen zu legen, damit seine Ehre den Menschenkindern kund würde und die herrliche Pracht seines Königreiches, so lange war sein Fuß unverstrickbar von den unzähligen Netzen selbstsüchtigen Strebens, die auf den Höhen der Erde vom Fürsten dieser Welt gelegt sind, und die den Menschen versenken in Verderben und Verdammnis. Das erkennend, sprach Natan, der Prophet Gottes, zu David: „Gehe hin, Alles was du in deinem Herzen hast, das tue; denn der Herr ist mit dir!“

Als zu Amos Zeiten Israel einmal Ruhe hatte und über die Feinde empor gekommen war, sah Jedermann nur auf das, was sein war, lebte und arbeitete für seine Lust, nicht für Gottes Ehre und das Heil des immer noch zerrissenen Volkes. „Ihr schlaft, rief ihnen Amos ins Gewissen, auf elfenbeinernen Lagern und treibet Überfluss mit euren Betten; ihr esst die Lämmer aus der Herde und die gemästeten Kälber und spielt auf dem Psalter, und erdichtet euch Lieder, wie David, und trinkt Wein aus den Schalen und salbt euch mit Balsam, und bekümmert euch nichts um den Schaden Josephs!“ (Amos 6, 4-6). Dies Wort trifft auch uns! In den Zeiten der Erhöhung und der Ruhe verirren wir uns leicht und gern in ein behagliches Christentum. Wir verleben guten Muts unsere Tage, genießend, was uns Gott gegeben, ohne die Not der Christenheit an unser Herz schlagen zu lassen, ohne Ahnung darum von der Bedeutung des Wortes: „Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen!“ Um dem Gewissen zu genügen, spielen wir in solchem Wohlleben wohl auch auf dem Psalter, singen oder erdichten gar Lieder, wie David, aber nicht um das Herz zu Davidseifer und Davidstaten wach und frisch zu singen, sondern um die ernste und verleugnungsvolle Arbeit mit gutem Scheine von uns zu weisen. Das ist der nächste Weg zum Falle, wie ihr euch überzeugen könnet, wenn ihr im Amos nur etliche Verse weiter lest!

Diese verderbliche Behaglichkeit des Lebens, diese Unlust, durch den elenden Zustand der Gemeine Gottes sich in seiner Ruhe stören, aus der weichlichen Selbstsucht aufrütteln und zu selbstentäußernden Arbeiten und Taten für den Herrn und sein Volk treiben zu lassen, sah der Herr auch über sein aus Babel erlöstes Israel hereinbrechen, und damit einen neuen Untergang. Darum sprach er durch Haggai, den Propheten: „Dies Volk spricht: Die Zeit ist noch nicht da, dass man des Herrn Haus baue! Aber eure Zeit ist da, dass ihr in getäfelten Häusern wohnt? Und dies Haus muss wüste stehen?“ Wir wollen diese Frage auch in unser Gewissen dringen lassen, damit wir nicht, vielleicht uns unbewusst, Schritt vor Schritt abwärts gleiten.

Wenn der gnädige Gott schon jeder Berufsarbeit den Segen mitgegeben hat, dass sie das arge Herz vor müßigen Gedanken bewahrt, so ist die eifrige, treue Arbeit für die Ehre des Herrn und sein Reich ganz insbesondere geeignet, uns, wenn wir auf irgend einer Höhe des menschlichen Lebens angelangt sind und Ruhe und Erquickung haben, vor jenem eigennützigen und erschlaffenden Wohlleben, vor jener einschläfernden Behaglichkeit und allen, daraus entspringenden Sünden zu behüten, die in solchen Zeiten schnell und üppig aufschießen, wie das Unkraut, wenn nach dunklen Regentagen die helle, warme Sonne scheint.

So lange wir unsere Augen offen halten für den Schaden Israels, für die Lücken in den Mauern Zions, für die Lücken im heiligen Tempel Gottes, so lange lässt auch dieses Bild uns nicht schlafen, unser Herz sich nicht verschließen, unsere Hände nicht in träger Ruhe liegen. Wir können nicht anders, wir müssen, was wir sind und haben und vermögen, zur Ehre des Herrn als Bausteine zu seinem geistigen Tempel herzutragen, und werden eben durch diese Arbeit vor jenem tiefen Falle behütet, der uns von Salomo erzählt wird, nachdem er den Tempel vollendet hatte, seine Arbeit für den Herrn aufhörte, und sein Leben in Ruhe und Genuss dahin zu fließen begann. Auch die geistlichen Kräfte bleiben, wie die leiblichen, frisch und stark, wenn sie durch Arbeit geübt werden. Darum richtet wieder auf die müden Hände und die lässigen Knie! Tut eure Hand nicht ab, denn das Werk hat seinen Lohn!

III.

Jedoch die Schlange, die den Weg selbst ins Paradies gefunden hat, schleicht sich, um die Knechte Gottes zu fällen, auch in die eifrigste Arbeit für den Herrn. In solcher Gefahr kann nur das immer wache Auge unsers Hüters retten. Natan, doch auch erleuchtet vom Geiste und erfahren in Gottes Wegen, konnte in Davids Eifer für den Tempelbau nur Treue und Lauterkeit sehen. Und in der Tat war dieselbe auch unwidersprechlich. Dennoch sah das Flammenauge Gottes in ihr eine geheime Gefahr für seinen Knecht. „Solltest du mir, ließ er ihm darum sofort durch Natan sagen, ein Haus bauen, dass ich darinnen wohnte. Habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tage, dass ich die Kinder Israels aus Ägypten führte. Habe ich auch je geredet: „Warum baut ihr mir nicht ein Zedernhaus?“„ Davids Beruf war ein anderer. An den lässt ihn Gott erinnern. Er sollte Fürst sein über sein Volk Israel; er sollte die Kriege des Herrn führen, in der Kraft Gottes die Feinde ausrotten und Israel Ruhe geben. Indem er ohne Auftrag, ja ohne Wink von oben her den Plan fasste, dem Herrn einen Tempel zu bauen, war er in Gefahr, trotz seines treuen und lauteren Eifers über der selbsterwählten Arbeit den befohlenen Beruf zu vergessen, und doch wollte der Herr nicht Opfer irgendwelcher Art, sondern Gehorsam. Zugleich lag die Versuchung nahe, unmerklich den geistigen Hochmut in sich aufsteigen zu lassen, als vermöchte er Etwas zur größeren Verherrlichung des Herrn, als wäre seine Arbeit dem Allerhöchsten unentbehrlich, als müsste sie ihm eben deswegen gelingen. „Bisher wohnte der Herr in ärmlicher Hütte. Meine Hand, mein Eifer hat ihm ein Haus gebaut, das seiner Majestät würdig ist!“ so würde sein Herz in nicht ferner Zeit geredet haben. Darum weist der Herr ernst und strenge den Dienst und die Arbeit Davids zu seiner Verherrlichung von sich. Er bedarf seiner nicht. - Ich wüsste im ganzen Verlauf der heiligen Geschichte kein Beispiel, dass Gott so eifrige Arbeit, so lauteren und treuen Dienst für seine Ehre so ernst und unbedingt zurückweist. Doch aber ist die strenge Zurechtweisung von so gnadenvollen Verheißungen begleitet, dass kein Zweifel übrig bleibt, dass die Lauterkeit, Treue und der Eifer Davids vor Gott wohlgefällig gewesen sind. „Solltest Du mir ein Haus bauen?“ Das ist der Kern der zurechtweisenden Strafe. „Der Herr will dir ein Haus machen.“ Das ist die kurze Summe der unendlichen Gnaden, zu deren williger Annahme jene Strafe bereiten sollte. „David, wollte der Herr sagen, willst du für mich etwas tun? Lass mich für Dich erst Überschwängliches tun! Willst du für mich arbeiten? Lass mich vorher für dich und an dir die notwendigste Arbeit verrichten! Du willst mir dienen? Lass deiner Armut viel mehr von dem Reichtume meiner unergründlichen Gnade dienen!“

Und welches ist die gnadenvolle Arbeit, mit welcher der Herr selbst dem Knechte dienen will? Er verheißt ihm ein ewiges, unvergängliches Königtum, dessen Abbild und Vorbereitung sein irdisches Königreich ist. Er verheißt ihm einen Sohn, der dem Namen des Herrn einen Tempel bauen sollte, und lässt ihm durch diese Verheißung die tausendmal höhere und hellere hindurchleuchten, dass dieser Sohn ein Vorbild eines andern, ewigen Sohnes, und dieser Tempel das Abbild des wahrhaftigen ewigen Tempels sei: verheißt ihm zugleich, dass er alle diese Worte trotz der tausendfachen Sünden und Verirrungen der menschlichen Werkzeuge zur glorreichen Erfüllung führen werde. So hoch gehen die Wogen der göttlichen Gnade über Davids Haupt. Der lässt, schweigend und demütig, seine treue und lauter gemeinte Arbeit für Gottes Ehre zurückweisen, um dem Herrn aller Herrn stille zu halten, der sich aufgemacht hat, die ganze Fülle seiner Gnade in sein durstendes Herz zu gießen. Überwältigt von dem Reichtum der göttlichen Segnungen, beugte er sich nieder vor Gott, wie die Blume unter den strömenden Güssen eines gnädigen Regens. Er blieb vor Gott. (V. 18.) Er fand jetzt erst recht sein Herz, wie er sich ausdrückt, (V. 27) und Herz und Mund öffnete sich zu jenem Gebete, in dem die tiefste Demut, das lebendigste Gefühl der Unwürdigkeit, der kindliche Glaube, die jubelnde Freude über Gottes grundlose Erbarmung, jauchzender Dank, inbrünstiges Flehen, Glut der Liebe, Zuversicht der Hoffnung, und was sonst vor Gott angenehm und wohlgefällig ist, in ein heiliges, seliges, wunderbares Himmelslied zusammenklingt. Vertieft euch selbst mit Ernst in dieses Gebet, um seine Schätze zu heben, um staunend aus ihm die vielen und starken Bande zu erkennen, wo mit Gott seinen Geliebten an sich gekettet hatte.

Eines dieser Seile, ein neues und das gewaltigste, muss ich mit euch näher betrachten. Nachdem David, auf die Wunder der vergangenen Tage zurückschauend, alle Ehre, alles Verdienst im unmittelbarsten, ungeheuchelten Gefühle seines Nichts von sich abgewiesen, und Alles dem lebendigen Gott zugeschrieben hatte in dem einfach demütigen Worte: „Wer bin ich, Herr, Herr, und was ist mein Haus, dass du mich bis hierher gebracht hast!“ da erhob er sein Auge bis in die ferne Zukunft, sah vor seinen verwunderten Blicken das verheißene ewige Königreich, und auf dem Throne den ewigen König. Anbetend fassten seine Lippen, was seine überwältigte Seele fühlte und dachte, in das kurze, geheimnisvolle Wort zusammen: „Das ist eine Weise eines Menschen, der Gott der Herr ist!“ Er wollte sagen: „Ein ewig Königreich! Ein ewiger König! Kann das nach Menschenweise, nach dem Gesetze menschlicher Entwicklung geschehen, o Gott Jehova? Ein ewig, Königreich ist nicht mehr ein irdisches, zeitliches. Der König des ewigen Thrones ist den Schranken der Endlichkeit und der armen, sündigen, gebrechlichen Menschheit entrückt! Ein solches Königreich ist nicht von unten her, das ist von oben her! Ein solcher König, aus meinem Samen stammend, muss ein Mensch sein, der doch der Herr ist!“ Hier also zum ersten Male wird sein Geist durchleuchtet und durchglüht vom ahnenden Glauben an jenes selige, kündlich große Geheimnis, das auch die Engel gelüstet zu schauen: „Gott ist offenbart im Fleisch!“ Und er, er selbst ist berufen, zum hochbegnadigten Rüstzeuge, durch welches Gott dieses selige Geheimnis zu vollenden beschlossen hat. -

Sollen wir nun noch fragen, was den Sohn Isais auf der schwindelnden Höhe des Glückes und der Herrlichkeit vor jähem Falle behütet hat? Die ewige Liebe hatte ihn in ihren Schoß gezogen. Er fühlte sich im tiefinnersten Grunde seiner Seele mit seinem Gott verkettet, mit ihm in eins verwachsen. Wie konnte er, so lange er in ihm blieb, weichen und wanken, wie gefährlich auch die Stürme sein mögen, die um die Häupter der Hohen auf Erden brausen? Meine Mitarbeiter auf dem Ackerfelde Gottes! Keinen von uns zwar wird der Herr aus Davidischer Tiefe zu Davidischer Höhe führen. Aber er lässt uns doch einmal ein Werk gelingen, führt unsre Füße auf einen freien Raum, auf irgendwelche Höhe. Wer in solcher Stellung sich demütig und mit Freuden unter Gottes Wort gebeugt hat, und durch dasselbe getrieben, seinem Heilande als die Opfer des Dankes nicht müßige Worte, sondern Leib und Leben darzubringen, für ihn und seine Ehre zu wirken begehrt, so lange es Tag ist; der soll still bleiben und seinen Mund zum Murren nicht auftun, wenn der Herr auch seine beste, lauterste, eifrigste Arbeit verschmäht! Das Auge, welches in jenem treuen, lauteren, glühenden Eifer Davids keimende Sünde und geheime Gefahr für seinen Knecht entdeckt hat, sollte plötzlich so blöde geworden sein, dass es in unserer Arbeit, und wäre es die beste, nicht den alten Adam sich regen sähe? Oder sind wir auf einmal zu lebendigen Heiligen geworden, deren Anschläge und Taten nichts mehr mit der Sünde gemein haben? So lange wir allabendlich beten müssen: „Vergib uns unsre Schulden!“ wird die Schuld auch an unsern Werken haften.

Gedenkt an Petrus! Es war ja guter, lauterer, eifriger Wille, als er dem Herrn riet: „Schone deiner selbst!“ (Matth. 16, 22.) als er im Garten Gethsemane für ihn das Schwert zog und drein schlug. Doch wies der Herr den ersten Dienst mit den Worten zurück: „Hebe dich, Satan, von mir, du bist mir ärgerlich!“ und den andern mit der Warnung: „Wer das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen!“ Erst als Petrus jenen, durch Menschenwort nicht zu beschreibenden Blick des Heilandes an sich hatte arbeiten lassen, und mit den bitteren Tränen die Decke von seinen Augen gefallen war, so dass er glaubend die Liebe erkannte, mit der sein Meister ihm zu dienen gekommen war, da stand er für die Zeiten der Leiden und Freuden fest, dass ihn kein Fall stürzen konnte, wie groß er war.

Darum, ich sag' es noch einmal, sei stille, wenn der Herr deine Arbeit für ihn verwirft. Er verwirft sie aus Liebe zu deinem leicht verführbaren Herzen. Er will dir dienen, will für dich und an dir arbeiten. Er will dich in die Stille führen! Du sollst dein Herz finden! Du sollst deinen Heiland finden, ganz ihn finden, wiewohl du ihn schon hast. Er will von deinem Herzen die Decke, von deinen Augen die Schuppen nehmen, damit du immer klarer die Länge und Breite und Höhe und Tiefe seiner Liebe erkennen, und auch in die fernste Zukunft schauen mögest und anbetend die Herrlichkeit ahnen, die Gott durch seinen Sohn denen bereitet hat, die ihn lieb haben. Du sollst die tausend Liebesseile immer lebendiger fühlen, mit denen Gott dein Herz an sein Herz bindet. Du sollst alle Wurzeln und Fasern deines Lebens, all dein Fühlen, Sinnen, Denken, Wollen, Hoffen, Fürchten in sein Leben tiefer hineinwachsen lassen, auf dass du in Ihm gegründet und gewurzelt seist, und fest und unbeweglich stehst, und nicht einmal einen großen Fall tust!

So liegt denn das große, selige Geheimnis, wie man auch in den Tagen des Gelingens, des Emporsteigens, der Ruhe fest stehen kann, dreifach geoffenbart vor unsern Augen. Wer darauf merket und durch den Geist Gottes es zu lernen begehret, der ist der Mann nach seinem Herzen.

„Bist Du ein Mann nach dem Herzen des Herrn?“ Amen.

Auf der Höhe.

Du hast mich aus den Wogen,
Gnadenhort, gezogen
Mit treuer, starker Hand.

Doch bleibts dem Herzen bange,
Weil, ach! die alte Schlange
Auf Höhn auch ihre Stricke spannt.

Halt mich in deinen Schranken,
Lass, Herr, mich nimmer wanken
Vom Zeugnis und Gesetz!

Am Stuhle deiner Gnaden
Kann mir der Feind nicht schaden,
Des Geistes Schwert zerreißt sein Netz.

Dass deine sanften Hürden
Hier meine Heimat würden,
Du guter, treuer Hirt!

Bis ich den Lauf vollende,
Und durch der Engel Hände
Die Seele heim getragen wird!

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