Nr. 710 (C. R. – 3836)
Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (710)
Frankreich sandte seinen Gesandten Juan Mendoza nach Bern, um wegen der Beteiligung der Diesbach´ schen Truppen am Krieg in Frankreich zu reklamieren. De Conde hatte mit England einen Vertrag geschlossen, in dem er ihm Havre versprach gegen einen Zuzug von 3000 Mann und Zahlung von 10 000 Gulden. Beza war mit Antoine de Croy, Prinz de St. Porcien, nach Deutschland gereist, um bei den Fürsten für die Hugenotten zu wirken.
Von den Truppenbewegungen in Frankreich. Sorge um Beza.
Es ist nicht Nachlässigkeit, das darfst du mir glauben, verehrter Bruder, wenn ich dir selten schreibe; aber da ich sehe, wie oft alles sich ändert, macht mich das etwas träge, denn ich schäme mich, immer wieder zurücknehmen zu müssen, was ich geschrieben habe. Endlich hat mans von den Bernern erreichen können, dass sie sich zum Entsatz der burgundischen Städte rüsten; doch rücken sie sehr langsam vor, und wir fürchten, der ganze Zug werde in nichts zerlaufen, da der Rat dem Mendoza gar so ängstlich und untertänig geantwortet hat. Sie blieben stets auf dem kindischen Standpunkt stehen, sie seien nur zur Verteidigung Lyons ausgerückt. Als ob da nicht schon genug Leute wären, die den spärlichen Proviant aufzehren! Könnte man Chalons wieder einnehmen und mit einer starken Besatzung festhalten, so wäre die Schifffahrt auf der Saone gesichert, und damit wäre für reiche Zufuhr an allem Notwendigen gesorgt. Das hieße wirklich Lyon verteidigen. Die zweite Forderung wäre, dass sie nach der Pazifikation dieses Flussgebiets, die keine Schwierigkeit böte, sofort zum Prinzen de Conde aufbrächen. Doch weigern sie sich hartnäckig, dies zu tun, und der Rat ist nicht dazu zu bringen, dass er es erlaubt. Wozu wars dann nötig, überhaupt mit dem Fähnlein auszurücken? Der Prinz selbst hat kürzlich gemeldet, er sammle seine zerstreuten Truppen wieder und habe bald ein starkes Heer beisammen. Die Feinde sind sehr erschreckt durch die Ankunft der Engländer, die sich schon mitten in der Normandie gelagert haben; bald werden auch Schotten zu ihnen stoßen. Die Königin-Mutter greift deshalb wieder zu ihren Listen und beauftragt Gesandte mit Friedensverhandlungen; doch heißt uns der Admiral in dieser Beziehung ganz ruhig sein. Die Hilfstruppen aus Deutschland, auf die wir gehofft hatten, werden wir wohl nicht bekommen, da nirgends Geld dafür aufzutreiben war. Unser Rat hat Bude beauftragt, in Basel oder Straßburg eine Anleihe von 12 000 Gulden aufzunehmen. Hätten andere, die noch viel besser dazu in der Lage wären, die gleiche Gesinnung, wir wären nicht so aller Mittel entblößt. So müssen wir Gott bitten, dass er anderswie für uns sorgt. Die Königin von Navarra hat ein nicht sehr großes Heer gesammelt, das aber genügt, ihr Gebiet in der Gascogne zu halten. Kommen aber nicht neue Hilfsvölker, so ist sie nicht stark genug, die Feinde anzugreifen, und doch wäre das sehr wünschenswert, denn es wäre für den ganzen Verlauf des Krieges von größtem Nutzen. Es ist auch zu bedauern, dass dem Wüten des Parlaments von Toulouse kein Einhalt geboten werden kann; dreihundert reiche und angesehene Leute, darunter solche von Adel und ehemalige Beamte, hat es durch Henkershand umbringen lassen. Wenn du glaubst, du könntest durch deinen Einfluss den Berner Rat dazu bringen, dass er seine Truppen zum Prinzen de Conde stoßen lässt, so bemühe dich doch darum, ich bitte dich, denn wenn der Krieg sich in die Länge zieht, so sind wir samt ganz Frankreich zu Grunde gerichtet. Wären sie doch lieber nie von Hause weggezogen! Aber nun siehst du in deiner Klugheit wohl ein, wie wichtig es für die Stimmung der Krieg führenden Parteien ist, dass sie nicht abziehen, oder, wenn es zur Schlacht kommt, wenigstens in der Nähe sind. Von den deutschen Büchsen-Reitern, die die Feinde angeworben haben, ist ein Fähnlein zu uns übergegangen, und andere haben versprochen, sie würden nicht gegen uns kämpfen. Auch die Stimmung der französischen Kavallerie macht den Guisen recht Angst; so haben sie den König von Navarra gesandt, den jungen König ins Lager zu holen, damit nicht weiterhin die Schweizer und andern Auswärtigen ihre Truppen zurückziehen und ebenso die Franzosen selbst, die behaupten, allein dem König verpflichtet zu sein. Doch wird hoffentlich auch diese seine List sich als Komödie erweisen.
Schon seit mehr als einem Monat sollte Beza wieder hier sein. Seit er aber in Begleitung de Saint-Porciens wohlbehalten in der Champagne angekommen ist, haben wir nicht die mindeste Kunde mehr erhalten, wo er sich befinden könnte. Da ich nichts Schlimmes denken mag, nehme ich an, man habe ihn in diesem Gebiet, in dem heftige Unruhen toben, zurückgehalten. Sobald ich etwas Sicheres und Wissenswertes erfahre, will ich durch fleißiges Schreiben mein vierzehntägiges Schweigen wieder gutmachen. Lebwohl, berühmter Mann und verehrter Bruder, samt dem Herrn Pietro Martire, Gwalther und allen andern Kollegen. Der Herr erhalte Euch gesund und gebe Eurem Wirken guten Erfolg.
Genf, 15. August 1562.
Dein
Johannes Calvin.