Nr. 682 (C. R. – 3538)
Calvin, Jean - An den Grafen Eberhard von Erbach in Heidelberg.
Vgl. 673, 675; über den Grafen Erbach, den Hofmarschall des Pfalzgrafen vgl. 609. Der Kardinal von Lothringen war es, der um jeden Preis Vertreter der Augsburgischen Konfession in Poissy haben wollte, um die Evangelischen zu entzweien.
Abwehr deutscher Einflüsse.
Ich falle dir, edler Mann und erlauchter Herr, nicht gerne mit Schreiben lästig, weil bei der weiten Entfernung unsere Wohnsitze meine Briefe dir doch nichts bringen könnten, als was du längst weißt, und was deshalb keinen Reiz mehr für dich hat. Jetzt aber zwingt mich ein guter Grund, oder besser die Notwendigkeit, mich an dich zu wenden. Ich habe nämlich neulich vernommen, seine Durchlaucht der Pfalzgraf und die übrigen Bundesfürsten hätten eine Gesandtschaft nach Frankreich beschlossen, berieten aber noch über das ihr zu gebende Mandat, und deshalb sei ihre Abreise bisher verschoben worden. Ich bitte dich, wenn ich mich hier weiter vorzudrängen scheine, als es meiner Stellung zukommt, so verzeih nach deiner Gerechtigkeit meine Besorgnis, in der ich einer Gefahr, die ich vor Augen sehe, entgegentreten möchte. Denn ich vermute nicht bloß, sondern ich sehe deutlich, dass viele damit nichts anderes wollen, als den Franzosen das Augsburgische Bekenntnis aufzudrängen. Schon vor vier Monaten hat der Herzog von Württemberg dies versucht, und Brenz hat, von keinem andern als dem Teufel getrieben, sich eifrig und warm, wenn auch betrügerisch, darum bemüht, die Franzosen mit seiner ungeheuerlichen Lehre von der Allgegenwart des Leibes Christi zu bezaubern.
Wie gefährlich das wäre, will ich nur kurz andeuten. Erstens ist schon längst ein Bekenntnis von allen französischen Gemeinden erschienen, das die, welche in den Pfarrstand aufgenommen werden, feierlich unterzeichnen müssen. Es ist auch schon mehrfach dem königlichen Kronrat überreicht worden. Neulich hat der König selbst in Gegenwart aller Prinzen und der Bischöfe es aus unseres Beza Hand entgegengenommen und den Kardinälen und Bischöfen überreicht, damit auf Grundlage dieses Bekenntnisses ein Religionsgespräch abgehalten würde. Was wäre nun unsinniger, als diesen so glücklich begonnenen Lauf der Dinge zu hemmen? Selbst wenn der einzige Schaden eine Verzögerung wäre, müsste man sich ernstlich davor hüten. Kommen aber die Fürsten mit einem neuen Bekenntnis dazwischen, so machen sie nicht nur all die herrlichen Verhandlungen, in denen Gott seine Gnade wunderbar leuchten ließ, zunichte, sondern sie zerstören durch dieses mehr als bloß schädliche Eingreifen alle Hoffnung für die Zukunft. Denn die Papisten werden gierig nach dem neuen Streitobjekt greifen, und die Schlauern unter ihnen werden zwar im ersten Augenblick tun, als gefalle es ihnen; sobald aber die Sache diese Wendung genommen hat und sie das französische Bekenntnis unterdrückt sehen, werden sie ihre Angriffe anderswohin kehren und sagen: Wie, sollen die Deutschen uns Vorschriften machen? Uns wie Buben belehren, was wir zu glauben haben? In deiner außerordentlichen Klugheit siehst du wohl ein, wie leicht dieser Beweisgrund Beifall fände. Dazu wäre es auch sehr schwer, die öffentlich bezeugte Übereinstimmung aller französischen Evangelischen zu verändern. Wenn also die Fürsten nicht absichtlich den guten Anfang stören, ja sogar die Früchte vernichten wollen, die das unglaubliche Leiden vieler Menschen und das Blut ungezählter Märtyrer getragen haben, so mögen sie von diesem unzeitgemäßen Zank ablassen. Ich nenne es Zank, weil sofort entsetzliche Wirren entstünden, wenn sie dem einmal angenommenen Bekenntnis das ihre entgegenstellen. Damit niemand im Zweifel sei, woher der Rat stamme: die erbittertsten Feinde Christi in Frankreich, gerade die, die am fanatischsten sind, haben längst in heimlichen Ränken darauf hingearbeitet, das Reich Christi zu Grunde zu richten. Ich will gar nicht davon reden, dass die wütenden Sachsen, Brenz und seinesgleichen, das Augsburgische Bekenntnis missbrauchen zur Brandfackel, mit der sie das Feuer, das ganz Deutschland verzehrt, noch weiter ausbreiten wollen. Umso mehr muss man sich hüten, dass das Übel nicht auch Frankreich ansteckt. Da du nun, edelster Herr, nicht nur kraft deiner Verwandtschaft, sondern auch um deiner großen Tüchtigkeit willen bei seiner Durchlaucht den größten Einfluss hast, so trage ich kein Bedenken, meine Sorgen dir vertraulich mitzuteilen, damit du rechtzeitig auf Abhilfe sinnst. Ich würde dringend mahnen, wenn ich nicht auf deinen hohen Geist und warmen Eifer das Vertrauen setzte, dass du von selbst willig genug dazu bist. Wie mir zukommt, habe ich dich einfach und freimütig darauf aufmerksam gemacht. Bei deinem Scharfsinn stellst du selbst am besten fest, was gut ist. Dein Glaube und dein Gewissen werden dich zu energischer Durchführung der Sache genügend antreiben. Lebwohl, edelster und von Herzen verehrter Herr. Auch fernerhin leite dich der Herr mit seinem Geiste und schmücke und bereichere Euer hochedles Haus mehr und mehr mit Segen aller Art.
Genf, 30. September 1561.