Binde, Fritz - Zu spätes Suchen – vergebliches Suchen

Binde, Fritz - Zu spätes Suchen – vergebliches Suchen

Er sprach nun wiederum zu ihnen: Ich gehe hin, und ihr werdet mich suchen, und werdet in eurer Sünde sterben; wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.
Joh. 8,21

Vielleicht gibt es im ganzen Evangelium kein ernsteres Wort Jesu als dieses. Er steht vor Leuten, die wohl drei Jahre lang Gelegenheit hatten, ihn zu sehen, zu hören, um an ihn zu glauben und sich vor ihm zu beugen. Aber das hatten die Pharisäer nicht gewollt. Sie wollten ihn nur greifen und aus der Welt schaffen. Und nun steht Jesus vor diesen Leuten und kündigt ihnen wiederum selbst an:

„Ich gehe hinweg …“

Jawohl, Jesus kommt und Jesus geht auch wieder. Er kam, vom Vater gesandt, in diese Welt als in das Seine, um den Vater zu offenbaren, um das Verlorene zu suchen und zu erretten, um das Werk der Erlösung zu vollbringen, das der Vater ihm aufgetragen hatte, daß er es tun sollte, und nun schickte er sich an – freiwillig, wie er gekommen war – zum Hin- und Heimgang über Golgatha zurück zum Vater. „Ich gehe hinweg –“

So ist es auch heute noch. Jesus kommt und Jesus geht auch wieder. Er kommt mit seinem Wort durch den Mund seiner Zeugen, die er gesandt hat. Wo sein Wort in seinem Geiste, in der Kraft seines Lebens verkündigt wird, da ist er: Da ist Jesusnähe! Darum sind Evangelisationszeiten Zeiten der Jesusnähe für ganze Gegenden, für eine Stadt, für Tausende von Familien, für ungezählte Einzelne. Eine außerordentliche Gelegenheit, von ihm zu hören, ihn zu erleben, ihn an- und aufzunehmen, ist gegeben. Reichlicher als sonst wird sein Wort verkündigt, meist auch eindringlicher, ernster, entscheidungsschwerer. Wie eine Flutwelle der Gnade Gottes ist solche Jesusnähe. Sie kommt, steigt, braust empor an dein Herz, will dich heben, tragen, landen lassen am Herzen Jesu, im ewigen Ruheport. Glückselig, wer sich retten läßt! – Aber die Welle verebbt auch wieder, schwindet hin, vergeht. Jesus geht hinweg. Denn auch die gesegnetsten Evangelisationszeiten gehen zu Ende. Eine wunderbar günstige Gelegenheit, Jesus zu finden, schwindet damit dahin, kehrt vielleicht für dich – was weiß ich, was weißt du! – niemals wieder. Denn auch in Evangelisationszeiten haben die Wochen nur sieben Tage, die Tage nur vierundzwanzig Stunden, die Stunden nur sechzig Minuten und die Minuten auch nur sechzig Sekunden. Sekunden deines Lebens! Sekunden, die nimmer wiederkehren! – Erst waren es noch Wochen, dann nur noch Tage; nun sind die letzten Stunden gekommen, die die letzten Minuten bringen, dann nur Sekunden noch … Nicht so, als ob Jesus nur in uns Evangelisten käme und ginge – das zu behaupten, wäre ja sinnlose Anmaßung – aber ich wiederhole, Evangelisationszeiten bieten eine außerordentlich günstige Gelegenheit, Jesus zu finden, und – sie gehen vorüber. Jesusnähe – Jesusferne! – Was hättest du geantwortet, wenn man dir vor Wochen gesagt hätte, du werdest Abend um Abend einen biblischen Vortrag hören? Ach, wie ferne lag dir doch das! Aber siehe, die Flutwelle der Gnade Gottes suchte und erreichte auch dich. Du kamst, und du mußtest wiederkommen, wußtest selbst nicht, warum. Es zog, es zog … Ja, du spürtest die Jesusnähe! Die Welle faßte, hob, trug – und nun?! Ach, wie oft hat dein Herz gebebt! Minutenlang, nächtelang, tagelang verlorest du die altgewohnte Selbstsicherheit, die Stützen wankten, der Boden schwankte. Ja, es zog, es hob, aber es kam nicht zur Landung, es kam nicht zur Rettung! O siehe, noch wenige Tage, und du bist wieder ganz der alte! Wie war’s nur möglich, sinnst du dann kopfschüttelnd, daß ich mich von jenem Unsinn beeinflussen, so hinreißen, so betäuben lassen konnte. Wie gut, daß ich wieder ernüchtert bin. Es muß wohl Suggestion gewesen sein. Natürlich, Suggestion, weiter nichts! – Merkst du die Jesusferne? Ahnst du, was es heißt: „Ich gehe hinweg?“

O siehe, du kannst dich nicht bekehren, wann du willst, sondern wann Gott will! Höre zu! Drei Dinge sind nötig, um in den Armen Jesu zu landen. Erstens, man muß Gnade haben, sich als verlorener Sünder zu erkennen. Ich sage, man muß Gnade dazu haben; denn solche Erkenntnis wächst nicht auf unserem Holze. Vor Gott und sich selbst nichts weiter als nur noch ein armer, verurteilter, verlorener Sünder sein –: o, dagegen wehrt sich der Mensch mit der letzten Kraft seines Denkens, Fühlens und Wollens, denn es ist der Tod seines Eigenlebens. Aber in den Stunden der Jesusnähe sieht er ein, wer er ist. Da, unter der Gewalt des göttlichen Geistes und Wortes erkennt er seinen wahren Zustand, seine Sünde, seinen Bankrott, sein elendes Nichts. Denn Jesusnähe ist Gnadennähe, Kraft von oben, Licht von oben zu deiner Errettung! Da ist das Innerste in dir wach, da reden alle guten Himmelsstimmen, da neigt sich deine stolze Weisheit, da erbebt deine sichere Selbstgerechtigkeit, da schämst du dich deiner selbst, da dämmert es in dir auf, was es heißt, das eigene Leben lassen, da ziehen und locken die Jesusworte, da möchtest du dich preisgeben, da möchtest du hinsinken in deines Erlösers Arme, um Ruhe zu finden für deine, ach so mühselige, beladene, unruhige Seele. Jesusnähe – Gnadennähe! – Aber die Jesusnähe schwindet ungenutzt dahin, die Gnadenwelle verebbt, dein altes Wesen festigt sich wieder, du kehrst wieder zu dir selbst zurück, und siehe –: Nichts liegt dir jetzt ferner als die Erkenntnis deines verlorenen Sündenzustandes! – Zweitens, um sich zu bekehren, muß man Raum zur Buße haben. Buße ist tatkräftige Sinnes- und Lebensänderung. Aber auch diese Tatsache wächst nicht auf unserem Holze. Buße ist ein Himmelsgeschenk; sie wird uns gegeben. Sie ist Gotteskraft vom Kreuz von Golgatha (1. Kor. 1,18) zur tatsächlichen Umwertung aller Werte, zum Umdenken aller menschlichen, irdischen Gedanken, zur Umkehr zu Gott in Jesus Christus. Ja, Buße ist entschlossener Eintritt in die rechte Stellung Gott und seinem Gekreuzigten gegenüber. Sie ist stets das Ergebnis wahrer Sünden- und Selbsterkenntnis. Sie ist also eine Frucht gesteigerter Gnadenwirkung an unserem Herzen. Wo Jesusnähe dich umfängt, da ist Raum, da ist Kraft zur Buße, das heißt zum Empfang und Beginn eines ganz neuen Lebens. Du stehst, gezogen von der Jesusnähe, an der Schwelle dieses neuen Lebens, was nun? Die Jesusnähe schwindet, die Gnadenwelle verebbt, ob sie je zu dir wiederkehrt –: Du weißt es nicht, ich weiß es auch nicht. Übermorgen oder in acht Tagen vielleicht oder in einem Jahre möchtest du los von den Sündenstricken des alten Lebens; aber siehe da: Jede Kraft zur Umkehr ist von dir gewichen. Oder was ebenso schlimm ist: Du bist kaltblütig wieder ganz der alte geworden, und jeder Gedanke an Buße und Lebenserneuerung scheint dir lächerlich. – Begreifst du jetzt, daß du dich nicht bekehren kannst, wann du willst, sondern wann Gott will? Deshalb muß sein Wollen dein Wollen werden um jeden Preis, und zwar in der gnadenreichen Stunde der Jesusnähe. – Dann noch ein drittes gehört zur Ermöglichung einer Bekehrung. Man muß nämlich auch Gnade haben zum Leben überhaupt. Hier mögen gescheite Leute sitzen, aber eins wissen sie doch nicht, nämlich, ob sie lebendig diesen Raum verlassen. Das hat keiner schriftlich in der Tasche. Ja, es ist schon Gnade Gottes, daß man überhaupt lebt. Freilich verstehen das nur die recht, die nicht nur dies natürliche Leben, sondern die Gnade selbst erlebt haben. Den anderen erscheint das Leben oft wie eine Strafe oder bittere Last, die man in jesusferner Verblendung selbst zu enden und abzuwerfen sich erfrecht. Würde man sich doch sein Leben von Jesus nehmen lassen, wie leicht würde es dann werden! Denn darin besteht der Zweck dieses dir in Gnaden geschenkten, irdischen Lebens, daß jede Sekunde, jedes Erlebnis dich Jesus näher bringe, bis du ihn bewußt gefunden hast als den Urheber, Erretter und Herrn deines Lebens. Von da ab beginnt erst das wahre, das eigentliche Leben, und alles vorher Erlebte war nur Vorbereitung für diese Erneuerung unseres Lebens, die das Wort Gottes „Wiedergeburt“ nennt (Joh. 3,3; 1. Joh. 5,12). Nun aber geht dein irdisches Leben dahin. Sagt es dir nicht jeder Puls- und Herzschlag? Jedes Ticken deiner Uhr in der Tasche, jedes graue Haar auf deinem Haupte? Ob dir das Morgen noch gehört, du weißt es nicht. Nur das „Jetzt“ gehört dir, das „Jetzt“, weiter gar nichts!

Und wenn dir Gott in dieses „Jetzt“ Jesusnähe-Gnadennähe hineingelegt hat, o Menschenkind, wie unaussprechlich kostbar ist dann dieses „Jetzt“! Siehe, die Entscheidung über eine ganze Ewigkeit kann hängen an diesem „Jetzt“! Jetzt ist Jesusnähe, jetzt ist Gnadennähe! Jetzt will Gott! Jetzt wolle auch du! – Heiliges, freies Wählen! Welche Größe des Menschen! Und dicht daneben welche Elendstiefen satanischer Knechtschaft!

Darum höre auch dieses. So frei die Gnade Gottes in Jesus ist, so gebieterisch ist sie auch, das heißt, man kann nicht mit ihr spielen. Wie die Luft umgibt sie dich in Zeiten der Jesusnähe. Du brauchst nur das Herz zu öffnen, um sie lebenserneuernd in dich aufzunehmen, und du bist durch sie gerettet. Umfängt dich jedoch ihre Wärme, fühlst du, weißt du: Es gilt mir, jetzt bin ich gemeint, jetzt müssen für mich die Würfel fallen – und du verschließest kalt, trotzig, satanisch dein Herz –: Glaubst du, daß man das ungestraft tun könne? Denke dir, es schuldet jemand seinem Gläubiger zehntausend Mark. Eines Tages tritt der Gläubiger ins Haus des Schuldners, präsentiert ihm den quittierten Schuldschein und sagt: „Ich bin gekommen Ihnen Ihre Schuld von zehntausend Mark zu erlassen. Hier ist die Quittung. Sie sind mir nichts mehr schuldig. Aber noch mehr. Ich ernenne Sie zu meinem Sohn und Erben, und schon jetzt sollen Sie jeden Tag eine hinreichende Summe für Ihre Lebenshaltung ausgezahlt bekommen, damit Sie nie mehr Mangel leiden. Hier ist alles schriftlich. Bitte, prüfen Sie und sagen Sie ,Ja‘“. – Wie, wäre das nicht ein prächtiges Angebot? – Und nun denke dir: Der Schuldner hört sich das alles an, steckt die Hände in die Taschen und sagt: „Das kann ich so ohne weiteres nicht glauben. Da muß ich erst mal die Dokumente prüfen, ob die Geschichte auch echt ist. Und zudem frage ich mich, ob ich Ihnen überhaupt zehntausend Mark schuldig bin. Ich kann mich gar nicht mehr entsinnen! Der Schuldschein ist so alt. Jedenfalls muß ich erst mal über die Berechtigung Ihrer Forderung Nachforschungen anstellen. Das braucht Zeit. Außerdem kommt es mir aber auch über die Maßen beleidigend vor, daß Sie mir die etwaige Schuld in dieser Weise erlassen wollen. Bin ich denn ein Lump? Hab ich denn schon meinen Bankrott angemeldet? Sie greifen mir ja an die Ehre! Ich verbitte mir dergleichen! Bin ich Ihnen wirklich etwas schuldig, so werde ich es Ihnen auch selber bezahlen! Ich will nicht von Ihrer Gnade leben! Ich will nichts geschenkt haben, hören Sie! Ich werde also die Sache prüfen, und – kommen Sie mal in vier Wochen wieder. Vielleicht treffen Sie mich dann zu Hause.“ Wie würde man ein solches Gebaren nennen, wie? Ich hätte dafür nur ein Wort: „Unverschämtheit“. Nicht wahr, das ist auch dein Urteil? Und doch weißt du jetzt, Millionen Menschen handeln in gleicher Weise ihrem Gott gegenüber. Er bietet ihnen an Vergebung ihrer Schuld in Christus Jesus, Versöhnung mit ihm, Leben und volles Genüge und das Erbe der ewigen Herrlichkeit. Und sie stecken die Hände in die Taschen, kritisieren und räsonieren: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, spielen den Schuldlosen, den Kapitalkräftigen, den Entrüsteten, den Unabhängigen, den Stolzen und Starken und sagen: „Komm mal in vier Wochen wieder. Ich will mir die Geschichte mal überlegen. Vielleicht triffst du mich dann zu Hause.“ – Ist’s nicht Unverschämtheit? Glaubst du, Gottes Gnade und Erbarmen ungestraft so ins Angesicht schlagen zu können? Gott ist nicht nur Güte, Gott ist ebensoviel Gerechtigkeit, Heiligkeit und Majestät. Was wird er antworten? Nun, vielleicht nichts. Er läßt dich nur stehen oder gehen. Etwa wie Jesus den reichen Jüngling gehen ließ und ihn nicht zurückrief. Oder Jesus rechnet bestimmt und unmißverständlich mit dir ab wie mit jenen Pharisäern. Du sprichst: „Ich will nicht, daß dieser über mich herrsche! Hinweg mit diesem!“ (Luk. 19,15; 23,18), und er antwortet nun schmerzensvoll, hoheitsvoll: „Ich gehe hinweg …“

O schauerliches Wort, Jesus geht „hinweg“! Du bist wieder allein. Und allein sein, heißt verloren sein, heißt jesuslos, zukunftslos, hoffnungslos sein. Wehe dir!

Hast du schon gehört, daß weit vor dem eigentlichen Niagarafall eine Warnungstafel stehen soll, des Inhaltes: „Von hier ab keine Rettung mehr“? Was will das besagen? Es will besagen, daß, wenn ein Dampfer, ein Boot, ein Kahn, ein Schwimmer die Linie überschreitet, die durch diese Warnungstafel gekennzeichnet ist, die Strömung diesem größten aller Wasserfälle entgegen so stark zu werden beginnt, daß sie unwiderstehlich alles mit sich fortreißt, hinab in den todbringenden Abgrund. Du verstehst das Gleichnis. An einer gewissen Stelle deines Lebenslaufes steht, sichtbar vielleicht nur dir und Gott, eine Warnungstafel aufgerichtet. Ihre Inschrift lautet: „Von hier ab keine Rettung mehr.“ Überschreitest du diese Linie, die Gott dir da über deinen Lebenslauf gezogen, so beginnt der Strom deiner Leidenschaften, die fortreißende Gewalt deiner Sünde, die verödende Macht deiner Gewohnheiten, die träge, tote Schwere deiner Gleichgültigkeit, so unwiderstehlich mächtig zu werden, daß sie dich unaufhaltsam hinabzieht in den Abgrund des ewigen Verderbens. Du willst zurück, du wehrst dich, kämpfst vielleicht noch ein wenig gegen die Obergewalt des Stromes –: vergeblich! Zu spät! Keine Rettung mehr! – Was weiß ich, vielleicht ist dir heute, jetzt in dieser Stunde, diese Linie über deinen Lebenslauf gelegt! – Vielleicht liest jetzt dein inneres Auge den Inhalt dieser Warnungstafel. Noch einen Schritt – und du bist verloren. Hinweg von Jesus – hinab in den Abgrund.

Verstehst du jetzt die Notwendigkeit einer Entscheidung zur Umkehr, währenddem man Jesusnähe-Gnadennähe genießt?

Man erzählt von Alexander dem Großen, er habe auf seinen Eroberungszügen seine Abgesandten mit einem brennenden Lichte vor das Tor der belagerten Stadt geschickt und den Belagerten melden lassen: „Solange dieses Licht brennt, entscheidet euch zur Übergabe. Ist das Licht abgebrannt, so schreiten wir unweigerlich zum Sturm und zur Plünderung.“ –

Du verstehst auch dieses Gleichnis. Solange das Licht der Gnade scheint und wärmt, entscheide dich zur Übergabe an Jesus; denn das Erlöschen des Lichtes ist gleichbedeutend mit hoffnungsloser Verarmung, mit ewigem Verderben deiner Seele.

Ich könnte jetzt diese Ansprache schließen, denn du hast genug gehört, um dich entscheiden zu können, entweder für oder gegen Gott und seinen Gesalbten, dessen schauerlich ernstes „Ich gehe hinweg“ jetzt warnend in deine Seele fiel. Aber sein Wort geht weiter. Höre zu!

„Und ihr werdet mich suchen …“

Wie? diese Feinde Christi, deren einziges Begehren war, Jesus loszuwerden, sollten ihn nach seinem Hingang suchen?! Unmöglich! Und doch ist es so. Hier hört jetzt niemand diese Worte, der nicht einstens Jesus vermissen wird, den er jetzt ablehnt! Sei es in einer kommenden schweren oder in der letzten Stunde deines Lebens, du wirst einmal Jesus vermissen und ihn suchen. Siehe, du bist für ihn bestimmt seit Ewigkeit, und dein Innerstes ist auf ihn gestimmt, du gehörst zu ihm, bist wunderbar tief mit ihm verwandt, ihr beide gehört zusammen, du kannst nicht ohne ihn fertig werden, du wirst ihn einmal vermissen und einmal irgendwie suchen. –

Hast du schon von Voltaire gehört, dem geistreichen französischen Spötter? Er hat einmal in bezug auf die Wahrheit des Evangeliums gesagt: „Vernichtet die Infame!“ Und er hat damals prophezeit, in hundert Jahren lese kein Mensch die Bibel mehr. Weißt du, wie er starb? Eingehende, in seinem Todesjahr veranstaltete Untersuchungen geben Bericht über sein Ende. Ein gewisser Frédéric Lachèvre hat das interessante Dokument kürzlich ans Licht gezogen und veröffentlicht. Danach war die Beredsamkeit und Furchtbarkeit seiner Wut, seiner Flüche und Schmähungen fast bewundernswürdig. Er schlug und mißhandelte seine Umgebung. Sein Leib war wie von einer inneren Flamme verzehrt; er rief nach einem „Teich von Eis“. Bisweilen sah man ihn mit gefalteten Händen, die Augen zum Himmel erhoben, in tiefes Nachdenken versunken. Überraschte man ihn so, so wurde er aufgeregt und geriet in furchtbare Zuckungen. Mit einem lauten Schrei, der so furchtbar war, daß eine der Wärterinnen vor Schreck erkrankte, starb er. Tronchin, sein Arzt, der im letzten Augenblick hinzukam, sagte: „Was für ein Tod! Ich kann nur mit Schaudern daran denken!“ Dies das Ende desselben Mannes, der gesagt hatte: „Wenn es keinen Gott gäbe, müßte man ihn erfinden“, der gesagt hatte: „Ein Volk von Atheisten würde eine Bande von Räubern sein“, der gesagt hatte: „Ich sehe, ohne furchtsam zu werden, die Ewigkeit herannahen.“ Du siehst, er wollte wohl an Gott, aber nicht an Jesus, das Lamm Gottes, glauben. Wie schmählich wurde er zuschanden! Denn gottlos ist und bleibt, wer jesuslos ist. Und jesuslos sein, heißt allein sein, heißt hoffnungslos sein im Leben und Sterben. Was ist der Inhalt des tragischen Endes Voltaires? Zweifellos, ihm fehlte Jesus.– Und hast du schon von Nietzsche, dem Philosophen des Antichristentums, gehört? Er nannte das Christentum „den Einen, großen Fluch, die Eine, große innerlichste Verdorbenheit, den Einen, unsterblichen Schandfleck der Menschheit“. Und er, der Kranke, dem die Folge seiner Sünde das Gehirn zerfraß, lästerte höhnend über Jesus als den „kranken Hebräer“, der nicht lange genug gelebt habe, um das Lachen zu erlernen und seine Worte zu widerrufen. Und er, der Prediger des Antichristentums, der gesagt hatte: „Es gab nur einen Christen, und der starb am Kreuz“, dieser Nietzsche unterschrieb sich in einem letzten Briefe an den Literaturprofessor Brandes in Kopenhagen „der Gekreuzigte“! Und er, der das Christentum den Einen Fluch geheißen, wurde als Wahnsinniger gepflegt von christlichen Krankenschwestern und starb in Nacht und Grauen. Siehst du das Defizit dieses in seiner eigenen Ungenüge sich verzehrenden, einsamen, heimatlosen Lebens? Was fehlte denn? Jesus fehlte! Jesus, gegen den der arme kranke Nietzsche immer erbitterter, verbitterter, verzweifelter, vergeblicher, verhängnisvoller kämpfte, bis sein Geist in die jesuslose Nacht versank mit dem Worte „der Gekreuzigte“. Er wurde ihn nicht los, diesen Jesus! – „Und ihr werdet mich suchen …“ Hörst du es, hörst du es? Suchen sogar noch im Verwerfen! Suchen sogar noch im Fliehen! Suchen sogar noch im Verlieren! Welch eine Größe des Menschen, weil er jesuslos nicht leben kann! Welch ein Elend des Menschen, weil er jesuslos stirbt und verdirbt!

Denn höre weiter, das Wort Jesu lautet: „Ihr werdet mich suchen und …“, jetzt müßte es heißen, „werdet mich finden“. Steht doch ein so königlich reiches, freigiebiges und frohlockendes Wort aus demselben Munde in demselben Testament! Du kennst es. Es lautet: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan werden“ (Matth. 7,7). Und nun schaudere! Denn derselbe Mund spricht jetzt: „Ihr werdet mich suchen und werdet

in eurer Sünde sterben …“

Ich weiß hier nicht, was schrecklicher ist, daß Menschen solch ein Urteil empfangen müssen, oder daß Jesus es ihnen aussprechen muß. Ich glaube beinahe das letztere. Bedenke, wer hier redet. Es ist derselbe, der gekommen ist, den Willen seines Vaters zu erfüllen, von dem es heißt: „Gott will, daß allen Menschen geholfen werde“, Gott hat nicht „Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern vielmehr daran, daß er von seinen Wegen umkehre und lebe“; es ist derselbe, den Gott gesandt hat, daß wir „in ihm das Leben“, ja „überströmendes Leben“ haben sollen; denn es ist derselbe, der gesagt hat: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (1. Tim. 2,4; Hes. 18,23; Joh. 10,11; 14,19). Und derselbe, der Urheber alles Lebens, der Erlöser von der Schuld und Macht der Sünde, der Zerstörer der Werke Satans, der Bringer ewigen Lebens, steht hier vor Menschen, Menschen, durch und für ihn geschaffen, Menschen, bestimmt, Träger seines Bildes und Miterben seiner Herrlichkeit zu sein, Menschen, für die er hinging, sein Leben zum Lösegeld zu geben – und abrechnend, ausschließend die, die sich selbst ausgeschlossen, weil sie den Liebesratschluß Gottes in bezug auf sich selbst wirkungslos gemacht hatten (Luk. 7,30), muß er ihnen jetzt sagen: „Ihr – ihr – ihr werdet in eurer Sünde sterben.“ – Wie muß dem, der die ewige Liebe ist, das Herz geblutet haben bei diesem Urteil! Wie muß es ihm immer neu bluten, wenn er dies Urteil wiederholen muß!

Menschen, die einst trotzig Jesus ablehnten, ihn dann verzweifelt vermissen und suchen – und ihn nicht finden, sondern in ihren Sünden sterben, welch ein Los!

Hast du schon darüber nachgedacht, was es heißt, in deinen Sünden sterben? Ach, das Sterben sieht ja oft so leicht aus! Das Bewußtsein ist schon geschwunden, sagt man, wenn des Sterbenden Sinne nicht mehr auf die Vorgänge in der äußeren Welt reagieren. Er spürt nichts mehr, er weiß nichts mehr, er wird friedlich einschlafen, meint man. Aber gerade die ärztliche Wissenschaft hat es oft feststellen müssen, daß, während der Sterbende scheinbar bewußtlos daliegt, sich in ihm die lebhaftesten Seelenvorgänge abspielen. Und solche, die aus solchem Sterben wunderbarerweise wieder zum Leben zurückkehrten, haben es bestätigen müssen. Sie mußten aussagen: Es war schrecklich! Als mein Bewußtsein für die Außenwelt schwand, wurde mein inneres Bewußtsein desto wacher. In Blitzeshelle und mit Blitzesschnelle übersah ich mein ganzes Leben. O, wie anders sah da alles aus, als ich’s sonst zu sehen gewohnt war! Jede Tat der Sünde stand furchtbar vor mir, jedes Wort, ja, jeder Gedanke. Nie mehr kann ich so weiterleben, wie ich bisher gelebt habe, es war zu schaurig! – Ja, wenn das Licht der Ewigkeit durch das Tor des Todes auf dein hingebrachtes Leben flutet, wie anders sieht da dein Leben in dieser Ewigkeitsbeleuchtung aus! Ach, wir Menschen sind ja gewohnt, unser Tun mit den rosigsten Farben zu bemalen, und auch unsere lieben Mitmenschen gönnen uns noch hier und da einen lichten Schmuck, aber Ewigkeitsbeleuchtung, göttliche Lebensbeschreibung, das ist etwas ganz anderes! Es hat einmal ein Mann Gottes gesagt: „Niemand stirbt ungläubig“, und ich glaube, das ist wahr. Wenn es zum Sterben geht, weiß in unseren Landen jeder, daß es einen Gott, einen Erlöser, eine Offenbarung Gottes im Bibelwort, eine Ewigkeit und ein Gericht über die unerrettet gestorbenen Sünder gibt. Freilich der Unglaube stellt es gewöhnlich umgekehrt hin. Er sagt: Was kann man auf die Reden der Sterbenden geben! Wenn jemand schon halbtot ist, ist’s mit seiner Vernunft nicht mehr weit her. Da ist er zu allem Unsinn fähig. – Aber das Gegenteil ist wahr. Wenn sich des Menschen Augen für diese Welt schließen, wird das Auge seiner Seele hell und offen für die andere Welt. Dann muß er glauben. Dann muß er wissen. Ja, niemand stirbt ungläubig!

Höre! In Heidelberg lebte ein Professor Paulus. Er hatte mit seinem Leben der Wissenschaft gedient, nun wollte er ihr auch mit seinem Sterben dienen, das heißt, er wollte einem Kreis von Gelehrten, der sein Bett umstand, Kunde geben, wie es sich sterbe. Eine Zeitlang gab er harmlose, wissenschaftlich beruhigende Mitteilungen, denen gemäß das Sterben nichts weiter als ein selbstverständlicher, natürlicher Ausgang des körperlichen Lebens schien. Plötzlich aber, nach längerem Schweigen, richtete er sich jäh empor, starrte gen Himmel, und mit dem Ausrufe: „Und es gibt doch eine Ewigkeit!“ sank er tot zurück.

Ein anderer Fall. Professor von Bergmann, ein berühmter Operateur, mußte sich im Alter von 70 Jahren selbst einer auf Tod und Leben gehenden Operation unterziehen. Da, ehe die Ärzte ihr Geschäft begannen, richtete er sich angesichts aller noch einmal auf, und die Hände, die so geschickt und ruhig am menschlichen Körper zu schneiden gewußt, wußten jetzt nichts Geschickteres mehr zu tun, als sich zum Gebet zu falten. Und der Mund, der so oft die Wissenschaft bereichert, hatte jetzt keine andere Wissenschaft mehr als die Worte: „So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich.“ Die Operation begann und verlief tödlich.

Zwei Fälle, die uns veranschaulichen sollen, welch unvergleichlich ernste Geschichte das Sterben ist, und wie unwahrscheinlich es ist, daß jemand ungläubig stirbt. Freilich, solches Gläubigwerden im Sterben ist, wenn’s nicht mehr zur Buße und Bekehrung reicht, eben nichts anderes als ein bewußtes Sterben in der Sünde, angesichts eines verlorenen Lebens und des zu erwartenden Gerichtes; es ist ein Glauben, wie die Teufel glauben, ein Glauben mit Zittern (Jak. 2,19). Und wie oft spielt sich dieses Zittern und Erschrecken vor dem kommenden Gericht bei Sterbenden nicht nur unsichtbar innerlich ab, sondern tritt in der furchtbarsten Weise als Schreien, Lästern und Fluchen, wie vorhin von Voltaire berichtet, auch äußerlich in Erscheinung. Was könnte ich jetzt nicht alles erzählen von solch entsetzlichem Sterben in der Sünde! Ich unterlasse es. Du weißt genug. Du verstehst jetzt, was es heißt: Zu spätes Suchen – vergebliches Suchen. Denn du weißt es nicht, und ich kann es dir auch nicht garantieren, ob du Jesusnähe, Gnadennähe haben wirst auf deinem Sterbebett. Deshalb –: Trotzige, stolze, selbstsichere Seele, höre noch einmal zu deiner Warnung oder zu deinem Gericht das ernsteste aller Jesusworte: „Ihr werdet mich suchen und werdet in eurer Sünde sterben!“ Möge es keinem gelten, der hier atmet!

Denn das Jesuswort geht noch weiter. Es schließt nicht ab mit der Ankündigung eines verzweifelten, hoffnungslosen, jesuslosen Sterbens in der Sünde, sondern es weist dem in seiner Sünde Sterbenden auch gleich den Ort an, wo er die Ewigkeit zubringen wird. Höre!

„Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.“

Wo ging denn Jesus hin? Er ging zu seinem Vater zurück, von dem er ausgegangen war. Er hat einmal zu den Seinen gesagt: „Es ist euch gut, daß ich hingehe“ (Joh. 16,7). Ja, für die, welche alles verlassen hatten, um ihm nachzufolgen, weil sie an ihn glaubten, war es gut, daß er hinging. Ihnen konnte er schon zuvor sagen: „Freuet euch, daß eure Namen im Himmel angeschrieben sind“ (Luk. 10,20). Ihnen gab er die bestimmteste Zusicherung, daß, wo er jetzt hinging, auch sie einst sein würden. Ihnen hat er gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh. 14,3). Ihnen gilt das hehre Gebetswort: „Vater, ich will, daß die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf daß sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast.“ Ihnen konnte er schon zuvor die Begrüßungsworte mitteilen, durch die sie einmal eingeführt werden sollten ins Reich seiner Herrlichkeit, indem er sie für Jahrtausende voraus hören ließ: „Kommet her, Gesegnete meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an“ (Matth. 25,34). Ja, ihnen konnte er sogar die Verheißung geben, daß sie einmal mit ihm in Herrlichkeit Herrschende sein sollten, den Engeln gleich geworden, und etliche leuchten würden wie die Sonne in seines Vaters Reiche, das heißt, leuchten wie er selbst, denn er ist jene Sonne (Matth. 22,30; 13,43; Offb. 21,23). Wer sind diese glückseligen Leute? Nun, alle, die geglaubt und erkannt haben, daß Jesus der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde hinwegtrug, indem es sein Leben zum Lösegeld gab für viele. Alle, die ihn erkannt haben als die Vergebung unserer Sünden, als unsere Versöhnung mit Gott, als die Auferstehung und das Leben, ja, als den Weg, die Wahrheit und das Leben; denn niemand kommt zum Vater, außer durch ihn. Alle, die ihr eigenes Leben hassen lernten angesichts seines am Kreuz für uns hingegebenen Lebens. Alle, die seinen Namen vor den Menschen bekennen als den Namen, in dem allein Errettung zu finden ist, und deren Namen er nun wieder bekennen wird vor seinem himmlischen Vater. Alle, die gehaßt wurden um dieses seines Namens willens, und deren Lohn nun groß sein wird in den Himmeln. Alle, die um seinetwillen allem absagten und ihm nachfolgten und ihm dienten, und denen nun gilt: „Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein“ (Joh. 12,26). Ja, gepriesen sei Gott; denn alle diese haben Zeugnis empfangen durch den Heiligen Geist, daß sie durch das Blut Jesu Christi Söhne Gottes und Erben des ewigen Lebens geworden sind, die rufen dürfen: „Abba, lieber Vater!“ Alle diese wissen, daß des Vaters Erbarmen in Christus Jesus sie fähig gemacht hat zum Anteil am Erbe der Heiligen im Licht und sie versetzt hat ins Reich des Sohnes seiner Liebe. Ja, noch mehr, alle diese wissen, daß niemand sie rauben kann aus der Hand ihres Vaters und guten Hirten, und nichts sie zu scheiden vermag von der Liebe Gottes in Christus Jesus, ihrem Herrn. Denn diese alle haben zur rechten Zeit gesucht und zur rechten Zeit gefunden, nämlich zur Zeit der Jesusnähe, der Gnadennähe. Sie baten, und es wurde ihnen gegeben; sie klopften an, und es wurde ihnen aufgetan; ja, das ganze Reich seiner Herrlichkeit wurde ihnen aufgetan! Sie sterben nicht in ihren Sünden, sondern glückselig in ihrem Herrn. Denn über ihrem Dasein leuchten die Worte: „Wo ich hingehe, da werdet auch ihr hinkommen. Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein.“

Und nun das Gegenteil. Denn nun, nachdem du dies alles gehört hast, höre jetzt noch einmal das andere: „Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen.“ Wem gilt es? Ach, allen denen, die die Jesusnähe, die Gnadennähe verscherzten, die nicht Jesus suchten, als er sie suchte, die nicht ihre Bekehrung wollten, als Gott sie wollte, die ihr Leben retten und Herren bleiben wollten, als sie es dem geben und dessen Diener werden sollten, der sein Leben dienend für sie gegeben, die „Hinweg!“ riefen, als er „Komm!“ rief, und die „Komm!“ riefen, als er hinweggegangen war, die, als sie in ihrer Sünde lebten, den verwarfen, der für ihre Sünde starb, und als sie in ihrer Sünde starben, dem Lebendigen, Auferstandenen begegneten, der nun sie verwarf, die ihn nicht vermißten, als er sie vermißte, und ihm nicht nachfolgen wollten, als er zum Vater vorausging und der Weg und die Tür zu des Vaters Reich wurde, und die nun ihn vermissen und kennen, wo er sie nicht vermißt noch kennt, und an die Tür klopfen, nachdem die Tür verschlossen ist.

Zu spätes Suchen – vergebliches Suchen –: „Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen.“ „Ich habe euch niemals gekannt, weichet von mir, ihr Übeltäter!“

Wo werden sie hinweichen, die Scharen der frommen, heuchlerischen Pharisäer Alten und Neuen Bundes, diese Scharen der unfrommen Starken und Weisen dieser Welt, diese Scharen der Sünden- und Lasterknechte, ja, diese ganze Schar der vielen, die nicht gewollt hat, daß „dieser über sie herrsche“? Wo werden sie hingehen und hinkommen, wenn ihnen doch gilt: „Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen“ ?

Der Mund Jesu hat uns auch über diese Frage nicht im Zweifel gelassen.

In der äußersten Finsternis, wo der Wurm nicht stirbt und die Flamme nicht verlischt, wo das Heulen sein wird und das Knirschen der Zähne (Matth. 8,12; 22,13; 25,30; Mark. 9,44. 46. 48; Matth. 13,42. 50; 24,51; Luk. 13,28), da werden die verspäteten, die vergeblichen Jesussucher sein!

„Pfui!“ ruft der Unglaube, „welch ein Gott! Er stürzt die Leute in die ewige Verdammnis!“

Halt, mein Freund! –:

Heilig ist das herablassende Erbarmen seiner heilsamen Gnade, die sich dir nahte im Sohne der Liebe Gottes, Jesus Christus, –

Heilig ist aber auch die erhabene Majestät seiner Gnade, die dich verließ, als du den Sohn Gottes mit Füßen tratest, das Blut des Bundes gemein achtetest und somit den Geist dieser Gnade schmähtest (Hebr. 10,29).

Du erntest einst nur, was du jetzt gesät hast. Nicht Gott, du selbst hast dir dann dein ewig Los bestimmt und bereitet. Gott bot dir Vergebung deiner Sünden an im Blute Jesu, du achtetest das Blut gemein und schlugst solche Vergebung aus: Gut, so bleibt deine Sünde auf dir. Gott bot dir Frieden und Versöhnung an im Mittler Jesus Christus, du lehntest solche Vermittlung ab: Gut, so erntest du Krieg und Gericht. Gott bot dir ewiges Leben an in dem, der allein das Leben ist, du glaubtest solches Leben nicht nötig zu haben: Gut, so erntest du ewigen Tod. Gott bot dir die ewige Gottesnähe, Licht und Wahrheit in dem an, der das Ebenbild Gottes, das Licht und die Wahrheit ist, du genügtest dir in deinem eigenen Lichte und in dem, was du Wahrheit nanntest: Gut, so erntest du ewige Gottesferne, das ist die äußerste Finsternis und die Qual ewigen Betruges. – Wie willst du dich beschweren, mein Freund? Es ist alles in Ordnung: Gott ist gerecht! Und wisse, das tiefe, ewige Nachsinnen deiner Seele in jener Welt der äußersten Gottesferne über Gottes Gerechtigkeit und deine ungetilgte Ungerechtigkeit, die quälende Einsicht in dein zu spätes und darum ewig vergebliches Jesussuchen: das wird deine Finsternis, dein Wurm, deine Flamme, deine Hölle und die Ursache deines Heulens und Zähneknirschens sein.

Zu spätes Suchen – vergebliches Suchen.

„Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen.“

Ewig jesuslos – ewig hoffnungslos! –

Ich bin am Schluß. Ich kann nur schließen mit bewegtem Herzen. Es ist furchtbar, daß ich diese Worte reden mußte. Es ist furchtbar, daß du sie hören mußtest. Wozu wirst du sie gehört haben? Zu deiner Errettung oder zu deinem Gericht?

Ich zittere für dich.

Ich glaube für dich.

Ich weiß nur: In diesem Augenblick herrscht Jesusnähe unter uns, Gnadennähe, Gnadennähe!

Und ich weiß: Der gerechte Gott läßt es jetzt den Aufrichtigen gelingen, und den Demütigen gibt er jetzt Gnade.

Gepriesen sei Gott für dies gnadenreiche „Jetzt“!

Benutze es und wähle!

„Ich gehe hinweg …“

(Joh. 8,21)

Was machst du aus dir selbst, du Lästerer, du frecher!
Er nennt sich Gottes Sohn, habt ihr’s gehört?
Ein jeder unter uns werd’ ihm zum blut’gen Rächer,
Eh’ dieser da das ganze Volk betört!
Hinweg mit ihm!

Ihr kennt nicht Gott. Er ist nicht euer Vater.
War er’s, wie könntet ihr mir fluchen!
Der, dem ihr dient, der Teufel ist eu’r B’rater!
Doch einstens werdet ihr mich suchen.
Ich gehe hinweg.

Und ihr – ihr werdet ewig mich nicht finden,
Denn euer Suchen wird dann sein – zu spät!
Ihr werdet sterben ganz in euren Sünden
Und werdet ernten, was ihr jetzt gesät.
Ich gehe hinweg.

Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.
– Was hat die Finsternis wohl mit dem Licht gemein?
Wenn mit mir jauchzen werden alle Frommen,
Dann werdet ihr euch finden schaurig allein.
Ich gehe hinweg.

Ich war euch nah mit meinem ganzen Lieben,
Hab euch gesucht, wie ich’s nach ew’gem Rat gesollt;
Doch euer Herz ist kalt und hart geblieben.
Drum hört es zum Gericht: Ihr habet nicht gewollt!
Ich gehe hinweg.

„Zu spätes Suchen – ach, vergeblich Suchen!“
Ein richtend Wort für alle Überklugen,
Ein rettend Wort für alle kindlich Weisen,
Die in dem sel’gen „Jetzt“ den Retter preisen.

F. B.

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