Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 32. Die Gläubigen ein Salz der Erde.

Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 32. Die Gläubigen ein Salz der Erde.

Ein beklagenswerter Wahn hat viele Gläubige gefesselt. Sie meinen ihrem göttlichen Berufe am meisten zu genügen, wenn sie die Berührung mit den Dingen vermeiden, die nicht eigentümlich geistlich sind. Ihr Lebenskreis bildet gleichsam eine besondere Provinz des Geisteslebens auf Erden, deren Grenzen ihr Genießen, Streben und Treiben zu überschreiten sich scheut. Sie genießen nur den Sauerteig, statt des vom Sauerteige durchdrungenen Brotes; sie genießen immer nur das Salz, statt der vom Salz gewürzten Speisen. Sie essen Gewürz statt des Gewürzten. Und wie schaden sie der Erde durch ihre geistliche Absonderung! Ihr Sauerteig könnte die Produkte der Erde genießbar machen. Ihr Salz könnte die Erde durchdringen, dass sie nicht verweste! Was wird in der Weltwissenschaft Ewiges, für das höhere Leben Gewinnendes sein, wenn sie allein gepflegt wird von den Kindern der Welt! Der heilige Geist wird aus ihr entweichen, wenn der Weltgeist sie allein erbaut, und durch die Sättigung an der verweltlichten Wissenschaft wird die Menschheit geistig verhungern. O wie wollte ich, die Kinder Gottes würden gelehrte Leute und schrieben den Kindern der Welt weltwissenschaftliche Bücher! Diese Bücher würden den göttlichen Geist atmen, und mit den Kenntnissen würde die lernende Menschheit, ohne zu wissen wie? das geistliche Leben aufnehmen. O wie wollte ich, die Schriftstellerei, vor der man sich jetzt neigt, wie einst vor dem Talar, käme unter den Griffel gläubiger Christen bis zu dem Roman und dem Zeitungsblatt! Die Zersetzung des Irdischen in Geistliches und Weltliches ist Zurückziehung des Lebensatems aus der Hälfte, ja aus der größeren Hälfte des Seins und damit deren Übergabe an die Verwesung. Lasst uns, die wir Christum lieben, nicht ferner von unserm selbstgewählten Wolkenkuckucksheim herab der Auflösung des Irdischen zusehen, sondern heruntersteigen und ihm einhauchen den Geist, der uns beseligt. Dann wird es wieder rauschen und sich regen auf dem Totenacker der Erde, und Atem und Leben wird fahren in die verdorrten Gebeine! Drum bittet Gott, dass ihr das Feld behaltet, das Gedankenfeld! Scheut die Berührung mit dem Irdischen nicht, sonst könnt ihr's nicht verklären! Aber wir haben zu jener Berührung noch einen anderen Grund. Wie unser leibliches Leben in unvermischter Lebensluft sich nur zu bald aufreiben würde, so ist unser Seelenleben auf den ununterbrochenen Genuss des Nurgeistlichen nicht angelegt. Überspannte Geistlichkeit wirkt auf das innere Leben zerstörend. Denk' an den Bogen des Johannes. Ein Jäger so hab' ich gelesen, sah einst den Apostel, wie er in stiller Freude ein zahmes Rebhuhn in den Händen hielt, ihm liebkoste und es streichelte. Verwundert bleibt er stehen. Wie? denkt er, ein so heiliger, großer Mann beschäftigt sich mit solchem Tand und vergnügt sich an dergleichen Kurzweil? Er kann sich nicht enthalten, seine Verwunderung zu erkennen zu geben. Da fragt ihn Johannes: „Was hältst du in deiner Hand?“ „Einen Bogen.“ „Warum hast du ihn nicht gespannt.“ „Weil die Sehne, immer gespannt, erschlaffen würde.“ „Nun, so wundere dich nicht, dass auch ich meinen Geist nicht immer spanne, sondern auch ruhen lasse, ihn zu stärken zur Arbeit.“ Diese Geschichte ist lehrreich. Genießt der Erde; „denn die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.“1) Alles ist euer; seid ihr nur Christi! - Tholuck erzählt einmal von einem frommen Manne und fügt hinzu: „Das Gespräch handelte nur von Dingen des gewöhnlichen Lebens; aber über Alles lief es wie sanftes Wetterleuchten, das aus einer anderen Welt stammt.“2) Dieses Wort ist mir sehr heilsam geworden. O Brüder, lasst uns das Himmlische hinein. hauchen in das Irdische und das Irdische hineintauchen in das Himmlische!

1)
1 Kor. 10, 26.
2)
Lehre von der Sünde S. 144.
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