Augustinus, Aurelius - Nachtgedanken - Letzte Nacht. Erkenntnis seiner selbst und Rückkehr zu Gott.

Augustinus, Aurelius - Nachtgedanken - Letzte Nacht. Erkenntnis seiner selbst und Rückkehr zu Gott.

O, wie süß ist die Ruhe, wie erquickend der Schlaf am Ufer nach einer langen und mühseligen Seefahrt! Die Nacht ist in ihrem dunklen Laufe vorgerückt; der Körper hat ausgeruht, widmen wir die übrige Zeit den geistigen Dingen.

Aurelius, du bist nun wieder in Afrika und an demselben Gestade, an dem du vor wenigen Jahren nach Italien absegeltest. Hier täuschtest du damals die Mutter, die dich begleiten wollte. Hier brachte sie die Nacht in frommen Gebeten zu, harrend der Morgenröte, um mit dir abzusegeln. Dieses ist das Ufer, welches sie mit ihren Tränen benetzte, als sie, die Betrogene, bei Tagesanbruch unser Schiff in der Ferne segeln sah. Ach! schon kommen mir die Tränen in die Augen. Wie viele zarte Erinnerungen drängen sich meinem Geiste auf, wie viele verschiedene Empfindungen ergreifen mich auf einmal! Großer Gott, ich habe wohl Ursache, zu weinen. O du, der du im Innersten des Herzens liest, während meine Tränen fließen, nimm an die stumme Sprache der schmerzlichen Reue, der Dankbarkeit und Liebe.

Als Feind von dir verließ ich dieses Gestade. Und nun, dir ist's bewusst und Dank sei deiner Barmherzigkeit, kehre ich ganz anders zurück. Du weißt, wie ich dich liebe und wie mein Herz blutet wenn ich daran denke, wer ich gewesen bin. Ihr Geister, die ihr den Thron des Allerhöchsten umringet und die Gebete der Sterblichen als süßen Wohlgeruch ihm darbringet, bringet mein demütiges Flehen vor sein Angesicht. Und ihr Märtyrer, Beschützer von Afrika, ihr Helden von Karthago und Scilla, ihr alle, die ihr dem Herrn euere Treue mit euerem Blute besiegelt habt, seid meine Fürsprecher bei seinem erhabenen Throne. Nur zu lange lebte ich als Empörer gegen meinen Schöpfer. Nun verlange ich nichts mehr, als für ihn zu sterben. Erbittet mir von ihm die Gnade, dass ich diese Erde, die ich entweiht habe, durch mein Blut abwaschen möge. Hier wird noch sein anbetungswürdiger Name gelästert; seine heiligen Geheimnisse werden mit Füßen getreten; seine himmlischen Gaben von vielen verachtet. Die manichäische Best wütet und stiftet Verderben. Die Wut der Donatisten entreißt der Kirche ihre Kinder. Eine schwarze Schar von Irrtümern führt die Seelen ins Verderben; der Götzendienst hat noch nicht ganz aufgehört. So große Beschimpfungen meines Gottes machen mir das Leben unerträglich. Ich kann so bittere Dinge nicht länger mehr ansehen. Ich habe mir selbst eine lange Kette von schändlichen Sünden geflochten. Hier soll die Welt auch sehen, wie ich meine Fehltritte widerrufe, wie ich seufzend meine Undankbarkeit und Gottes Erbarmung bekenne, und wie ich aus Liebe zu ihm sterbe. Was anders kann ich dir geben, o mein Gott, für so viele Beleidigungen, als mein Leben, um andere von der Sünde abzuschrecken? O, verschmähe nicht dieses Opfer, wie sehr es auch deiner unwürdig ist. Ich eifere gegen die Feinde deines Namens. Aber was seh' ich? Welch ein ungewöhnliches Licht umstrahlt mich? O Gott, ich bin vor Schrecken außer mir. Welch himmlische Gestalt erscheint mir da im bischöflichen Gewande? Ach, du bist es, ehrwürdiger Geist des großen Bischofs von Karthago, dich sehe ich wieder und werfe mich ehrfurchtsvoll vor dir zur Erde. Glänzender Blutzeuge der Afrikanischen Kirche, edler Verteidiger des weltbeseligenden Glaubens, großer Cyprian, du hast also im Dunkel des heiligen Grabes, oder. besser im Himmel, wo dein Geist wohnt, meine Stimme gehört? Aus Liebe zu demjenigen, für den du in diesem Lande gelebt, hast du mir die Gnade erfleht, dass gleiches Los mich treffe. Möge der Allerhöchste mein Leben zum Opfer hinnehmen! Mögen die Heiden diesen meinen Leib hinopfern und dann dich, ihren Gott, erkennen! Du Märtyrer Gottes, erhöre mein Flehen. Ich weiß, dass mein Blut einer so großen Ehre nicht wert ist. Aber dieser Jammer, dieses in Bitterkeit versenkte Herz möge dein Mitleid erwecken. Du blickst mich freundlich an? Also darf ich hoffen? Ach nein, der Herr sieht nicht auf meine Unwürdigkeit, sondern auf seine große Erbarmung. David beleidigte ihn und weinte und erhielt Vergebung und ward gewürdigt, seine hohen Geheimnisse zu besingen. Petrus beleidigte ihn und weinte und erhielt Vergebung und ward eine Säule der Kirche. Magdalena beleidigte ihn, eilte hin zu seinen Füßen und weinte und erhielt von ihm Vergebung und ward seine zärtlich liebende und keusche Freundin. Hab' ich meinen Gott mehr beleidigt als jene, so wird er auch im Verzeihen sich größer beweisen. Blutzeuge Gottes… Aber du zeigst mir eine Posaune und eine Feder und verschwindest … Ewiger Gott! ich werfe mich nieder in den Staub und bete dich an; voll Erstaunen und Verwirrung, zitternd vor Furcht und Freude… Aber weil du nun einmal mich armen Menschen dieser Erscheinung gewürdigt hast, so lass mich auch darin deinen Willen erkennen. Sprich, o Herr, zu einem Wurme, der bereit ist, dich anzuhören. Gütiger Gott! inwieweit hast du mir jetzt schon deinen Willen geoffenbart? Rede, mein Gott, dein Knecht ist bereit, alle deine Winke zu befolgen. Aber da vernehme ich schon in meiner Brust die Stimme des Allmächtigen, ein himmlisches Licht erfüllt meinen Geist.

Ich höre, ich verstehe dich, und Himmel und Erde mögen dir für mich danksagen. Du willst, dass ich deine Größe schriftlich und mündlich verkünde. Ich will sie verkünden. Du willst, dass ich in zweifachem Kampfe die lästernden Irrlehren bekämpfe, die sich wider dich erheben. Ich will sie bekämpfen. Sieh, mein ganzes Leben ist dir geweiht. Aber du, der du mich jetzt zu dem großen Werke berufst, gibst mir auch die nötige Kraft und machst mich tüchtig für den schwierigen Auftrag. Wenn ich, solange ich lebe, den Völkern deinen Namen verkündige, die Lästerungen deiner Feinde auf mich nehme, den Völkern deine Größe, dem ganzen Erdkreise deine Güte bekannt mache, so soll die ganze Welt sehen, dass dir allein die Ehre gebührt von allem, was ich tue. Vor allem will ich meine Unwürdigkeit offenbaren und der Welt meine begangenen Schandtaten und meine Undankbarkeit bekennen. Die Nachwelt soll es erfahren, wie Augustin gegen Gott und wie Gott gegen ihn war. Die Menschen will ich deine Wege kennen lehren und darin sollen sie dich lieben lernen. Den Sündern will ich deine liebevollen Absichten offenbaren und sie werden sich wieder zu dir wenden. Aus meinen Missetaten werden sie ersehen, dass du der Gott der Barmherzigkeit bist, und voll Reue, Hoffnung und Liebe dich um Frieden bitten.

Dazu also hast du mich aufbewahrt, da du mein langes Sündenleben ertrugst? Die Engel sind nicht würdig, deine Herrlichkeit zu erzählen, und du würdigst dich, dazu den Augustinus zu berufen? O Gott! nun erkenne ich dich; du Gott der unendlichen Liebe, jetzt sehe ich dich, wie du in den heiligen Schriften erscheinst. Nun erkenne ich den guten Vater des verlorenen Sohnes, der sein Erbgut schändlich verschwendete. Ich erkenne den Undankbaren, wie er zerlumpt, halbnackt, vom Hunger getrieben, die Eicheln mit den Schweinen teilt. Das Elend, der Hunger bringt ihn zur Erkenntnis und zur Rückkehr ins väterliche Haus, und der gute Vater, wie er ihn erblickt, eilt ihm entgegen, fällt ihm um den Hals, umarmt ihn, drückt ihn an sein Herz und benetzt ihn mit seinen Tränen. Armut und Not trieben mein undankbares Herz zu dir; du bestreutest mit Bitterkeit die schlechte Kost, zu der mich meine schuldvolle Flucht erniedrigt hatte. Du ließest meine Seele in Mangel hinschmachten, während ich fern von dir die Nahrung der Tiere genoss. Mit sinnreicher Liebe beunruhigtest du mich, bis ich zu dir zurückkehrte, der du mein einziger Trost und meine Ruhe bist. Ich eilte hin zu deinen Füßen auf eine seltsame und außerordentliche Weise, geleitet von dir selbst, und d, wie viel süßer sind die Tränen zu deinen Füßen als alle Freuden, die man fern von dir genießt! Erkenne, o Sünder, diesen milden Vater, erkenne ihn und gedenke an die Freude, die deiner, wenn du dich bekehrst, im Himmel erwartet. Warum bleibst du fern von ihm? Was fürchtest du, dich zu diesem Herzen zu wenden? Es liebt dich, und du fliehst vor ihm; es sucht dich, und du verbirgst dich? Das Misstrauen, die Furcht, die dich abhält, zu seinen Füßen hinzueilen, ist eine Beschimpfung, eine grausame Beschimpfung seiner Liebe. Du siehst, wie er deinem Ebenbilde, dem verlorenen Sohne, begegnet. Voll Freude führt er ihn in sein Haus und kann nicht satt werden, ihn zu betrachten; die Spuren des Elendes, die er in seinem Angesichte und in den schmutzigen Lumpen findet, erwecken sein Mitleid, und er lässt prächtige Kleider bringen, ihn zu bedecken, und einen kostbaren Ring steckt er ihm an den Finger und besetzt den Tisch mit köstlichen Speisen und lädt seine Freunde ein zu einem Freudenmahle.

Ach, wenn die Welt ihren Gott kennte, wer wagte es dann, ihn zu beleidigen? Und wenn diejenigen, die ihn beleidigt haben, ihn erkennten, würde noch ein einziger dann zögern, zu seinen Füßen sich hinzuwerfen? Du, der du ihn beleidigt hast, wer du auch immer sein magst, erkenne an ihm wenigstens hernach deinen liebevollen Herrn und verbessere die Fehler deiner Unwissenheit. Erschrick nicht vor ihm, dem Gott der Gerechtigkeit; eile zu ihm, dem Gott der Barmherzigkeit. Wenn er sich dir als einen gerechten Richter jenseits des Grabes zeigt, o, so ist das kein Beweis von Strenge, sondern ein Kunstgriff seiner väterlichen Liebe, wodurch er dich an sein Herz zieht, weil er in diesem Leben ein zartliebender Vater ist.

„Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe.“ Die Güte des Allmächtigen schlug für alle ihren Thron auf dieser Erde auf und beruft alle, bei ihr Heil zu suchen. Das Leben ist die dazu bestimmte Zeit. Sie verzeiht einem jeden, der zu ihr seine Zuflucht nimmt. Sie tilgt unsere Schulden und ihre Schätze sind das Lösegeld, welches die höchste Gerechtigkeit für uns fordert. An welchem Tage der Gottlose zu ihr seine Zuflucht nimmt, wird er aufgenommen, geschützt und gerettet. O, so fürchte denn ein jeder, aber er fürchte bloß, Gott zu verlassen, nicht, zu ihm zurückzukehren. Steiner ahme dem Augustin nach, der sich von der Liebe Gottes entfernt; wer ihm aber in seinem Irrtum nachfolgte, der werfe sich vor Gott nieder und beweine mit ihm sein Unrecht.

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autoren/a/augustinus/augustinus-manuale/augustinus-nachtgedanken_letzte_nacht.txt · Zuletzt geändert: von aj
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