Ahlfeld, Johann Friedrich - Des Christen Kreuz- und Siegesgang.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Des Christen Kreuz- und Siegesgang.

(Judica 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Joh. 8. V. 46 - 59.
Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? So ich euch aber die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht? Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort: darum höret ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott. Da antworteten die Juden und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht recht, dass du ein Samariter bist und hast den Teufel? Jesus antwortete: Ich habe keinen Teufel: sondern ich ehre meinen Vater, und ihr unehrt mich. Ich suche nicht meine Ehre; es ist aber einer, der sie suchet und richtet. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: so jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Da sprachen die Juden zu ihm: Nun erkennen wir, dass du den Teufel hast. Abraham ist gestorben, und die Propheten, und du sprichst: So jemand mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken ewiglich, Bist du mehr, denn unser Vater Abraham, welcher gestorben ist? und die Propheten sind gestorben. Was machst Du aus dir selbst? Jesus antwortete: So ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre Nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehret, welchen ihr sprechet, er sei euer Gott; und kennet ihn nicht. Ich aber kenne ihn, und so ich würde sagen: Ich kenne ihn nicht, so würde ich ein Lügner, gleichwie ihr seid. Aber ich kenne ihn und halte sein Wort. Abraham, euer Vater, ward froh, dass er meinen Tag sehen sollte; und er sah ihn und freute sich. Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin Ich. Da hoben sie Steine auf, auf dass sie ihn würfen. Aber Jesus verbarg sich und ging zum Tempel hinaus, mitten durch sie hinstreichend.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Mächtig eilt die Natur in ihrer Frühlingsarbeit. Welch Regen und Wachsen geht durch sie hindurch! Es ist, als ob ihr das Osterfest zu spät fiele, als ob sie die Fastenzeit nicht aufhalten wollte. Was schreitet sie in Zeit von acht Tagen, von einem Sonntage zum andern, vorwärts. O wenn wir doch auch einmal im Menschenleben, in seinem Erneuerungsgange eine solche Zeit hätten! Wenn doch die Triebe zur Ehre Gottes, wenn doch die Blüten des Glaubens auch einmal so gewaltig herausrücken! Aber freilich müssen wir dabei Gott brünstig bitten, wie wir ihn auch für die Natur bitten, dass er den schönen frischen Wuchs vor Nachtfrösten bewahren wolle. Es gibt solche in den Feldern und Gärten, auch in den Feldern und Weinbergen Jesu Christi. Was schnell gewachsen war, hängt oft schnell sein Haupt, und ein armer kümmerlicher Trieb tritt später an die Stelle, wenn es nicht ganz und gar ein Frost zum Tode gewesen ist. - Doch wir sehen von diesem Gebiete herüber in unser Fastengebiet. Was tritt uns da entgegen? Auch ein Wachstum, ein gewaltiges Wachstum. Aber was wächst? Der Hass gegen den Gesalbten Gottes, der Hass gegen den, der aus Liebe zu uns sich entäußert und Knechtsgestalt angenommen hat. Dieser Hass wächst schneller als irgend ein Baum im Garten, als irgend eine Schlingpflanze im Walde. Es ist einmal die Art des Bösen, dass es seine Gedanken beschleuniget und seine Taten beeilet wie einen Raub. Sie sind auch ein Raub an der heiligen Majestät Gottes und ein Einbruch durch die Mauern seines Gesetzes. Dabei treibet man es denn gar eilig. Vor acht Tagen liegt ein großes Volk im Schatten der Barmherzigkeit Christi, hört auf seine Rede, isst von seinem Tische. Da wollte man ihn haschen und zum Könige machen. Heute steht ein großes Volk, und zwar besonders die Mächtigen Israels, um ihn, und führen eine bittere, lieblose Disputation. Heute hebet man Steine auf, um ihn zu steinigen. Vor acht Tagen dachte man mit ihm an den Königsthron, heute an den Tod. Wie aber ein Fortschritt im Hasse sichtbar ist, so ist doch auch wieder ein Fortschritt in seiner Verherrlichung sichtbar. Durch alle Feindschaft strahlet der Königsthron hindurch, den er von Anfang bei dem Vater hatte, den er in Ewigkeit bei dem Vater haben wird. Auch durch das bittere Evangelium begleitet uns das Gefühl des Sieges, der dem Herrn und seinen Gläubigen endlich nicht entgehen kann. Wir stellen unserer Andacht heute das Wort voran:

Des Christen Kreuz- und Siegesgang.

  1. Des neuen Lebens Siegel ist ihm aufgeprägt,
  2. Die Welt befeindet ihn, er hält fein still und trägt,
  3. Er baut auf Gott, der mit gerechter Wage wägt.

Ach Herr, gib uns ein Herz nach deinem Herzen. Entzünde in uns den Glauben, in dem du fest gestanden hast bis ans Ende. Aus dem Glauben erwecke den fröhlichen Bekenntnismut, mit dem du allen Widersachern fest unter die Augen tratest. Aus dem Glauben und der heiligen Liebe erwecke du die Klugheit, die ohne Falsch ist, und die mitten in der Drangsal noch Seelen zu retten und Herzen zu gewinnen weiß. Herr, mit diesen Gnadengaben segne uns in der heutigen Andacht. Du weißt ja, wie nötig uns dies Alles sei zu aller Zeit und besonders zu dieser Zeit. Amen.

Wir wollen, geliebte Brüder und Schwestern, reden von des Christen Kreuz- und Siegesgange. Betrüge sich dabei aber Keiner. Es gibt wohl viel Not in der Welt. Aber nicht alle Not verdient den Namen Kreuz. Kreuz ist so recht die Benennung der christlichen Not. Wir wissen ja, woher der Name stammt. Wer Schmach und Anfechtung leidet um Christi willen, der ist ein Kreuzträger. Wer in sich durch die Kraft des heiligen Geistes dem sündigen Wesen abstirbt, und es geht ihn Dies hart an, also dass das Herz dabei blutet, der ist ein Kreuzträger. Wer sein sonstiges Leiden erkennt als eine heilsame Züchtigung Gottes zur Seligkeit, der ist ein Kreuzträger. Niemand unter euch leide als ein Dieb, oder Mörder, oder Übeltäter, oder der in ein fremd Amt greifet. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, er ehre aber Gott in solchem Fall. Willst du daher wissen, ob deine Not wahrhaftig ein Kreuz sei, so prüfe dich erst vor deinem Gotte, ob du ein Christ seist. Und woran erkennen wir das?

l. Des neuen Lebens Siegel ist ihm aufgeprägt.

Ein jegliches Ding in der Welt, in Christo geliebte Brüder und Schwestern, hat sein Zeichen, daran man es erkennet. Ein jegliches Gewächs erkennet man an seiner Blüte oder noch sicherer an seiner Frucht. Eine Münze erkennet man an der Aufschrift, an dem Königsbilde, das darauf steht, an ihrem Klange und Gewichte. Den Vogel erkennet man an seinen Federn und an seinem Gesange. Auch der Christ muss ein Zeichen oder ein Siegel haben, daran man ihn erkennet, daran man ihn von der Welt unterscheidet. Dieses Zeichen aber ist ein doppeltes. Eins, woran Gott die Seinen erkennet, und eins, woran auch Menschen erkennen, dass wir aus Gott geboren sind. „Der feste Grund aber bestehet,“ schreibet Paulus an Timotheum, „und hat dieses Siegel: Der Herr kennet die Seinen; und: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer Christi Namen nennet.“ Des Christen Siegel und Zeichen ist sein Bekenntnis, sein Bekenntnis mit dem Munde, sein Bekenntnis mit einem heiligen Leben. Der Herr beginnt seinen Feinden gegenüber mit den Worten: „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen?“ Da steht er in ihrer Mitte. Ihrer aller Augen sind auf ihn gerichtet. Feindesaugen sind für das Erkennen der Sünde besonders scharf. Für die Erkenntnis der eigenen Sünde trägt der Mensch gewöhnlich einen Flor vor den Augen, ja, er ist wohl starblind; für die Sünden Anderer, besonders seiner Gegner, sieht er mit der Lupe und dem Vergrößerungsglase. Aber dessen ungeachtet können jene Feinde Christi an ihm Nichts auffinden. An der Sonne kann man Flecken entdecken, aber an dem Heiligen Gottes keinen Fehl und keinen Makel. - Teure Brüder und Schwestern in dem Herrn, wir wollen in seine Fußtapfen treten, wir wollen Glieder an seinem Leibe sein. Im Gliede lebt und regiert derselbe Odem, der im Herzen und im Haupte wohnet. In den Gliedern schlägt derselbe Puls, der im Herzen und im Haupte schlägt. Ihr seid meine Freunde, spricht Christus, so ihr tut, was ich euch gebiete. Wer da saget, dass er in ihm bleibet, der soll wandeln, gleichwie er gewandelt hat. Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Wandelt würdig dem Herrn zu Gefallen, und seid fruchtbar an allen guten Werken. Schaffet, dass euer Schatz nicht verlästert werde. Denn so wir, die wir suchen in Christo gerecht zu werden, selbst noch als Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener. Das sei ferne. - Das wissen wir allerdings, dass Niemand von uns hintreten und fragen kann: „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen?“ Aber zu aller Zeit soll es unser heiligstes Ringen sein, dass der Welt, unseres Fleisches und des Teufels Wille uns nicht in Missglauben, Verzweiflung und andere große Schande und Laster bringe. Hat aber einer dieser Verführer uns berücket, so soll die Sünde nicht unseres Herzens Lust sein. Sie soll angesehen werden wie ein Räuber, der eingedrungen ist in ein fremdes Eigentum. Darum soll sie auch wieder ausgetrieben werden mit Tränen, mit Beten und Wachen. Wir sind des Herrn. Wir müssen auch vor der Welt Zeugnis ablegen, dass wir sein sind. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Doch Geliebte, neben jenem Zeugnis mit dem Leben muss auch das andere stehen: mit dem Wort. Christus bekennet hier in kurzen Zügen über sein ganzes Wesen. Er bekennet, dass sein Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist: „Ehe denn Abraham ward, bin ich,“ Er bezeuget, dass er von Ewigkeit her in des Vaters Schoße gewesen ist. Er bezeuget seine ewige Macht und Gottheit, wie geschrieben stehet: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Er zeuget von seinem Eintritt in die Welt, die Sünder selig zu machen: „Abraham, euer Vater, ward froh, dass er meinen Tag sehen sollte. Und er sah ihn und freute sich.“ Er bezeuget seinen Ausgang, seine Erhöhung aus der Niedrigkeit, seine Rückkehr auf den Stuhl seiner Herrlichkeit: „So Jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.“ Er muss also wieder regieren und halten und walten über die, so durch Glauben und heiliges Leben sich als sein Eigentum bekannt haben. Er legt trotz der Feinde Dräuen ohne Furcht und Scheuen das Bekenntnis seines heiligen, göttlichen Wesens und seines Heilandsberufes vor ihnen ab. - Dadurch fordert er alle seine Jünger zu gleichem Bekenntnis auf. Auch du sollst zeugen und nicht schweigen, dass Jesus Christus vom Vater in Ewigkeit geboren ist. Und dass dies Wort in dir Fleisch und Blut, Leben und Wesen geworden, soll man sehen auf deinem eignen in Christo wiedergeborenen Leben und Wesen. Auch du sollst zeugen, dass er in die Welt gekommen ist, die Sünder zur Buße zu führen und ihre Sünden zu tilgen. Und dass dies Wort in dir Fleisch und Blut und dein höchstes Gut geworden ist, soll man daran erkennen, dass du in der Kraft des heiligen Geistes täglich arbeitest an der Tilgung deiner Sünde. Auch du sollst zeugen, dass deine Hoffnung fest steht, die Hoffnung, dass, wer Christi Wort wird halten, lebet, ob er gleich stirbt. Du sollst die Festigkeit dieser deiner Hoffnung dadurch offenbaren, dass du nicht verzagest, wenn andere Säulen brechen, wenn andere Hoffnungen zu Grabe getragen werden. Dein Friede soll nicht weichen, ja dein Herz soll um so fröhlicher und fleißiger hinpilgern zu dieser letzten gewissen Zuflucht. So soll dein Bekenntnis dein Leben durchziehen. Durch Nichts sollst du dich darin irre machen lassen.

Der Vogel gibt zur Ehre Gottes seinen Gesang in der Nacht.
Ob's auch die Eul' im hohlen Baume störe,
Er singt getrost dem Herren seine Chöre.
Die Blume blühet. Das ist ihr Bekenntnis zur Ehre Gottes.

Ob auch ihr Glanz dem Knaben in die Augen sticht.
Ob er sie auch mit kalter Hand vom Stengel bricht,
Sie blüht getrost und fraget darnach nicht.
Die Sonne scheint. Das ist ihr Bekenntnis zur Ehre Gottes.

Und sollte sie mit ihrem Schein und Glühen
Gewitter aus dem Schoß der Erde ziehen,
Sie bleibt getrost in ihrem Glanze stehn.
Das Wetter muss ja endlich doch vergehn.

So soll der Christ bekennen, es geschehe, was da wolle, es komme über ihn, was da wolle. Was trifft ihn aber dabei im gewöhnlichen Gange der Dinge?

II. Die Welt befeindet ihn, er hält fein still und trägt.

Ja, die Welt muss ihn befeinden. Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort. Und Christus fügt hinzu seinen Feinden gegenüber: „Darum höret ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott.“ Sind sie denn nicht von Gott, die Kinder dieser Welt? Hat er sie nicht erschaffen? Ja wohl, das hat er. Aber sie sind abgefallen von ihm. Sie sind getreten in den Dienst des Fürsten dieser Welt. Ich bin von dem, ich gehöre dem, dem mein Herz zuschlägt, an dem es hängt, dem es dient, in dem es ruht. Was hilft es mir, wenn ich mich meines Vaterlandes rühme und gestehe: da oder dort stamme ich her; aber die Liebe zu diesem Vaterlande ist erstorben und der Sinn, der seine Bürger zeichnet, ist erloschen. So bin ich vom ihm ausgegangen, aber ich bin nicht von ihm. So sind alle Kinder dieser Welt Gottes Kreaturen, aber sie sind doch nicht von Gott, sie sind nicht seine Kinder. Darum wollen sie auch die Kinder Gottes nicht tragen. Seht hier die Feindschaft zwischen dem Sohne Gottes und den Kindern dieser Welt. Als er sein heilig Leben vor ihnen bekannt, als er ihnen ihre Sünde zum Bewusstsein gebracht hat, da sind Scheltworte ihre erste Antwort: „Sagen wir nicht recht, dass du ein Samariter bist und hast den Teufel?“ Kennt ihr diese Art der Beweisführung? Wenn sich die Sünde nicht anders zu helfen weiß, wenn sie zu alt und zu hart ist zur Buße, dann fängt sie an zu schimpfen. Das ist ihre Weise gewesen, so lange die Kirche stehet. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie sollten sie dies nicht auch an den Hausgenossen tun! Gleich die ersten Gemeinden des Herrn erhielten den Spottnamen Nazarener. In den Tagen der Reformation brandmarkte man die Bekenner des lauteren Evangeliums mit dem Namen Ketzer. Auch in unsern Tagen hat es für die, so den Herrn lieb haben, nicht an Namen der Schmach gefehlt. Aber kümmert und grämet euch nicht. Eurem Herrn ist's nicht besser ergangen. Auch mit diesem Namen trägst du ihm, wenn sonst dein Herz richtig vor ihm ist, ein Stücklein von seinem Kreuze nach. Frage nicht nach dem Namen, den dir die Welt gibt. Wenn dich Gott nur sein Kind nennet, wenn nur dein Name im Himmel aufgeschrieben ist. - Eine zweite Anfeindung gegen den Herrn ist die Verdrehung und Entstellung seiner Worte. Er hat gesagt: „So Jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.“ Verstanden die Juden das Wort nicht? Wussten sie nicht, dass der Herr redete vom ewigen Tode und von der Verdammnis? Dachten sie, er rede von leiblichem Fortleben ohne Tod? O nein, sie verstanden es recht wohl. Er hatte ja von seinem eigenen Tode geredet. Sie wollten ihn aber nicht verstehen. Sie griffen nach Waffen gegen ihn, sie mochten sie hernehmen, wo sie wollten. Sie schrien: „Bist du mehr, denn unser Vater Abraham, welcher gestorben ist? und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?“ Wie dem Herrn, so ergeht es seinen Jüngern, so ergeht es dir auch, wenn du sein rechter Jünger bist. Wie oft hat menschlicher Verstand gestritten gegen göttliche Offenbarung. Man hat hie und da ein Stücklein aus der Schrift herausgerissen, man hat hie und da einen Satz verdrehet, um die ewige Wahrheit zu Schanden zu machen. Was ist das aber für eine Beweisführung! So Jemand dir von einem Baume einen Zweig oder ein Stück Holz oder Borke bringt und dir sagt: „Siehe, das ist doch ein recht schlechter Baum!“ so antwortest du: „Ich muss ihn erst ganz sehen, ich muss seinen Wuchs, ich muss seine Blüte, ich muss seine Frucht sehen, eher kann ich nicht urteilen.“ So ist die Schrift ein großer ganzer Baum. Lies sie, durchforsche den Baum der Gnade an ihr, durchforsche ihre wunderbare Einheit vom ersten bis zum letzten Worte, und du wirst finden, dass jedes Stück an seinem Orte und in seinem rechten Verstande seine heilige Wahrheit hat. - Wenn aber die Gläubigen sich nicht einschüchtern lassen durch Scheltworte, wenn sie sich nicht überwinden lassen durch falsche Beweisführung, was hat dann die Welt für Waffen? Die letzten, gegen die sich allerdings Nichts tun lässt, als dulden und glauben. „Da huben sie Steine auf, dass sie auf ihn würfen.“ Freilich ist es die elendeste Beweisführung. Treffend mag sie sein für den Leib, aber überführend und gewinnend ist sie nimmer. Sie ist ja das Zeugnis, dass die Gründe der Bestreitung abgeprallt sind als schwache Pfeile. Sie beweiset nur, wie das Herz der Feinde voll Groll ist. Verfolgung hat es gegeben, seitdem das Licht in die Finsternis geschienen. Angefangen hat sie in Bethlehem an den unschuldigen Kindern, fortgegangen ist sie durch das Leben des Herrn, ihre Blüte hat sie erreicht an jenem Nachmittage, da man ihn auf Golgatha an's Holz schlug. Mit der Kirche ist es gegangen wie mit ihrem Herrn. Erst ist sie verfolgt von den Juden, dann von den Heiden, dann von denen, die Menschensatzungen höher hielten als Gottes Wort. Bis an das Ende der Tage wird sie verfolgt werden von denen, die nicht glauben, die Gottes Wort nicht hören, dieweil sie nicht aus Gott sind. Zage und zittere darum nicht. Der Herr meint es gut auch in deinen Kreuzesgängen. Das Gold und Silber, auf dem das Bild des Königs stehen soll, muss erst ins Feuer und in den Prägestock. Da wird es geschmolzen und geschlagen; dann steht aber auch das Bild des Königs fest darauf. In deinem Herzen und auf deinem Wandel soll das Bild deines Herrn stehen. Die Trübsal, die Verfolgung ist das Feuer, an dem erst das edle Metall, das er in dich gelegt hat, flüssig gemacht, ist der Prägestock, in dem dir das Bild deines Herrn und Königs Jesu Christi hell und fest aufgeprägt wird. Da werden die Früchte des Glaubens gezeigt.

In Notzeiten, in der Anfechtung wächst oft der Glaube in einem Tage mehr, als sonst im ganzen Jahre. Ich ging einst an einer Eisenhütte vorbei, in der das Feuer nicht ausging Tag und Nacht, vielleicht nicht einmal am lieben Sonntage. Es war noch früh im Jahre, zu einer Zeit, wo anderwärts der Weinstock kaum aufgeblüht hatte. Als ich hinsah an die Wände der Hütte, sah ich einen Weinstock, der schon große Trauben hatte, ja, dessen Trauben schon anfingen blau zu werden. Woher kam das? Von der Glut, die drinnen geschürt war und die auch durch die Wände drang. Da dacht ich an die Trübsale, an das Kreuzesfeuer, das oft so früh die Früchte der Gerechtigkeit reifen lässt, so früh, dass wir im natürlichen stillen Gange noch nicht dahin gekommen wären. Es ist und bleibt dies eine große Gnade Gottes. Denn wir wissen nicht, wie früh er uns abruft. Wohl dem, der dann eine reife Traube ist für die Hand seines Ernters. Durch diesen Ernter wird der Christ auch vergessen Alles, was er durch Menschenhass und Anfechtung getragen hat.

III. Er baut auf Gott, der mit gerechter Waage wägt.

In den weltlichen Rechtsstreiten gibt es gewöhnlich drei Ordnungen des Gerichts oder drei Instanzen. So möchten wir sagen, ist es in dem großen Gericht, das über alle Menschen geht, auch. Zuerst wird ein Jeglicher gerichtet von dem Urteil der Leute, das sich gleich an die Tat knüpft. Für Viele fällt dies zu günstig aus: man richtet nach dem Augenschein oder nach den eigenen Wünschen. Für Andere ist es ungerecht: man richtet nach dem Groll und Zorn des eigenen Herzens. So hier über Christum. Erst heißt es, er habe den Teufel, und sie heben Steine auf, dass sie ihn werfen. - Darnach tritt im Lauf der Zeit ein zweites menschliches Gericht ein. Die erste Leidenschaft kühlt sich, man sieht mit ruhigerem Auge. Nun wird der Stab gebrochen über Manchen, den man vorher gepriesen hatte. Es kommt auch Mancher zu seinem Recht, den man vorher verachtet und zu Boden getreten hatte. Selber im Leben Christi haben wir diese Erscheinung. Er selbst wird gegeißelt, verspottet, verspeit, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt. Er stirbt, er steht wieder auf und fährt gen Himmel. Da lesen wir in der Apostelgeschichte, dass das Volk groß hielt von den Aposteln, und dass sich keiner der Andern zu ihnen tun durfte. Es kommt uns dieses vor wie eine Art Abzahlung der Schuld, die das Volk an dem Herrn auf sich geladen hatte. Solche Züge finden sich oft in der Geschichte. - Es ist aber noch ein Gericht da, an das Tausende von Frommen, die die Welt verfolgte, die sie wohl gar in den Tod brachte, appelliert haben. Das ist Gottes Gericht. „Ich suche nicht meine Ehre,“ spricht Christus. „Es ist aber einer, der sie suchet und richtet. So ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre Nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehret.“ Da haben wir den, der die Ehre, die du nicht durch deine Sünde, sondern durch dein treues Bekenntnis verloren hast, wieder herstellet. Und wenn der Unterschied groß ist zwischen Flittergold und Gold, so ist der Unterschied zwischen der Ehre bei Menschen und der Ehre bei Gott noch größer. Er hat die Ehre und den Namen seines lieben Sohnes auf's Herrlichste hergestellt. Der dort genannt ward Samariter, dem nachgesagt ward, der habe den Teufel, der heißt jetzt in der halben Welt Heiland und Erlöser, Herr und Gott. Ihm ist von seinem Vater gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Und seine Ehre wird laufen und wachsen, wenn sich auch die andre halbe Welt dagegen verschwüre und verbannte. - Hänge deine Ehre an ihn an, dann kann sie wohl mit ihm eine Weile fallen, sie wird aber auch mit ihm hoch erhoben werden. So wir mit ihm leiden, werden wir auch mit ihm herrschen. - Die Feinde hoben Steine gegen ihn auf. Sie wollten werfen und warfen doch nicht. Wer band ihnen die Hand? Derselbe Gott. Christi Stunde war noch nicht gekommen. Wenn euch die Welt richtet, und Gott hat nicht Ja dazu gesagt, so kann sie ihr Gericht doch nicht ausführen. Hänge dein Leben an deinen Heiland und an sein Leben, so wird dich auch Gott mit ihm herausreißen. - Endlich ist seine Stunde doch gekommen. Die Welt hat es getan und Gott hat es gelitten. Wir wissen, was er gewollt. Was hat es aber für Not? Eine kleine Weile hat er des Todes Bitterkeit geschmeckt. Dann gehört ihm vor allen Andern das Wort: „Wer mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.“ Er hat ihn gesehen, aber nicht als den Tod. Er hat ihn gesehen als den Kaufpreis um unsere Seelen, er hat ihn gesehen als den Sold, als die Last unserer Sünden. Und seine Liebe hat ihm auch diese Last leicht gemacht. So wirst du den Tod sehen wohl als Tod, als der Sünden Sold, aber durch Christum zugleich als die Tür zum ewigen Leben. Bist du hindurch gegangen im Glauben, dann ist vorbei alles Scheltwort und der Feinde aufgehobene Hand und des Todes eigne Bitterkeit. Es bleibet die Gnade Gottes und das ewige Gnadengut, das dir kein Mensch nehmen oder rauben kann. Amen.

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