Molenaar, Isaak - Osterpredigt

Hallelujah! Christus lebt!
Er war todt, und lebet wieder.
Aus der Nacht des Grabes schwebt
Er, der Erstling seiner Brüder;
Sprengt für sie des Todes Thor
Und tritt im Triumph hervor.

Christus lebt! Wer ist betrübt?
Wiederholt's, ihr Freudenlieder!
Der uns bis zum Tod geliebt,
Unser Bruder lebet wieder.
Endlos ist sein Leben nun.
Uns ohn' Ende wohlzuthun.

Christus lebt, Sein Lebenspfand,
Christi Geist, lebt mir im Herzen.
Furcht und Unruh sind verbannt,
Leer die Quelle meiner Schmerzen,
Und auf meinem Angesicht
Glänzt des ew'gen Lebens Licht.

Sind das nicht die Empfindungen, Geliebte des Herrn, die jetzt unser aller Herzen erfüllen - oder doch erfüllen müssen? Und wünscht ihr es nicht Alle, Geliebte, daß es die Eurigen sein möchten? Das gebe Gott! Und wenn ihr es wünscht, so wird Er es euch geben durch die Feier dieses Festes, durch den Genuß des heiligen Sacramentes. Darum laßt uns beten.

O Herr, wirke, schaffe es in uns! Herr wir glauben, hilf unserm Unglauben. Ja Herr, wir bekennen Dir unsern Unglauben, wir sind noch so schwach im Glauben, darum sind wir auch noch nicht so selig, denn Alles, Alles ist ja für uns, Alles Deine ist unser, Dein Sterben und Dein Leben, Deine Gerechtigkeit und Deine Seligkeit, Deine ganze allmächtige Kraft, womit Du auferstanden bist, Du Selbst. Auch den Glauben mußt Du in uns wirken, durch den wir Dich haben. Und das willst Du, willst ja unser sein; o so segne dazu Wort und Predigt, und Sacrament, und Beten und Singen. Unser Vater rc.

Text: Joh. 20,19. 20.
„Am Abend aber desselbigen Sabbaths, da die Jünger versammelt, und die Thüren verschlossen waren, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus, und trat mitten ein, und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch. Und als er das sagte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen.“

Wundert euch nicht, Geliebte in dem Herrn, daß wir nicht mit eurer Andacht bei jenem großen Ostermorgen verweilen, wo die Sonne des Lebens aufgeht, sondern euch schon in dieser ersten Morgenstunde in den Abend dieses herrlichen Tages führen. ES geschieht darum, weil Er sich hier zuerst den Seinen, nämlich Seinen Jüngern offenbart, und zwar so, wie auch wir es bedürfen. Der Aufgang dieser Lebenssonne Selbst, ich meine Seine eigentliche Auferstehung, Seine Rückkehr in's Leben, Sein Hervorgehen aus dem Grabe vermögen wir doch nicht zu schauen; es ist uns nicht beschrieben, und wir könnten's auch nicht fassen; dieser Glanz würde uns verblenden. Und dessen bedarf es auch ja nicht; genug, wenn wir wissen, daß Er todt war, und nun wieder lebt, und nicht daran zweifeln, daß Er es ist; dann werden wir auch froh werden, denn wir glauben es ja, daß Sein Tod unser Tod, und darum auch Sein Leben unser Leben, ist.

Das war es, was Er in Seinen Jüngern bewirken wollte, darum erscheint Er ihnen so, während sie versammelt sind, Und zwar bei verschlossenen Thüren, und spricht: „Friede sei mit Euch!“ und zeigt ihnen die Hände und Seine Füße.

Es ist wahr, den Frauen war Er schon am Morgen erschienen, und namentlich der Maria Magdalena, und dieses war gewiß ein seliges Vorrecht, ein großer Liebesbeweis, dessen sie aber auch mehr bedurften, oder sollen wir sagen, den sie durch ihre große Treue und Innigkeit mehr verdienten? Wenigstens werden die Jünger es ihnen nicht mißgönnt haben; aber auch diese waren doch nicht Zeugen der Auferstehung selbst, sondern Er erschien ihnen nachher; zuerst der Maria im Garten, weil sie nicht vom Grabe gewichen war und nicht geruht hatte, bis sie ihren Herrn gefunden, dann den Andern auf dem Wege. Vorher aber ließ Er es ihnen durch Engel ankündigen, nämlich am Grabe selbst und sandte sie dann gleich zu den Aposteln, mit den Worten: „Fürchtet euch nicht, sondern gehet hin und verkündiget es meinen Brüdern.“ Die Apostel sind und bleiben also doch immer die Hauptpersonen, weil sie die Zeugen Seiner Auferstehung werden und sie der Welt verkündigen mußten.

Darum halten wir uns auch an sie und Sein Verfahren mit ihnen, und sehen darin vor Allem ein Vorbild für uns. Und das, meinte ich, könnten sie uns heute besonders sein. Denn erstlich spricht Er auch zu uns: „Friede sei mit euch!“ Das ist Sein Ostergruß; und zweitens will Er auch uns Seine Hände und Füße zeigen, das heißt: Er will uns im heiligen Abendmahle überzeugen, daß Er für uns gestorben und für uns auferstanden ist. Dann werden wir auch drittens froh werden, daß wir den Herrn sehen.

I.

„Friede sei mit Euch!“ Das war das erste Wort, das der auferstandene Heiland zu 'Seinen versammelten Jüngern sprach. Es war der Segen, den Er mit seinem Tode für uns erworben hatte und nun aus dem Grabe ihnen mitbrachte, Sein Ostergruß. Wie wohl mußte er ihnen thun! Noch hatten sie Ihn nicht gesehen, wohl vernommen, daß Er lebe von den Weibern, von den beiden Mitjüngern, mit denen er gewandelt, denen Er in Emmaus erschienen war, aber sie glaubten es noch nicht, sie kämpften noch mit ihrem Unglauben; sie konnten es nicht glauben, so gerne sie wollten. Zweifelte doch Thomas noch, als sie Alle ihn dessen versicherten. So war der Tag vergangen, da versammelten sie sich am Abend, wie eine Heerde, die ihren Hirten verloren, sich zusammengedrängt und verschlossen die Thören aus Furcht vor den Juden, denn min fühlten sie sich wirklich als Schaafe mitten unter den Wölfen, wie der Herr sie einst genannt. Was konnten sie nicht von denen erwarten, die ihren Hirten getödtet hatten! Auf einmal tritt Er zu ihnen herein, nein, steht in ihrer Mitte, sie wissen nicht wie? und spricht: „Friede sei mit euch!“ O das süße Wort, der Himmelsgruß aus dem Munde des guten Herrn und treuen Hirten, wie muß es sie beruhigt, getröstet, beseligt haben! Er lebt, Er lebt für sie, sie sind Seine Schaafe, Seine liebe, kleine Heerde. Er kommt zu ihnen; ja, nun beweist Er's ihnen: „Ich will Euch nicht Waisen lassen; ich werde Euch wiedersehen und Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden und Niemand soll Eure Freude von Euch nehmen. Ich lebe und Ihr sollt auch leben!“ O wie werden alle diese köstlichen, letzten Worte, Sein ganzer Abschiedssegen, Sein letztes Gebet in ihren Seelen aufgelebt, welche Licht-Blicke in die Vergangenheit, welche neue Lebensahnungen in ihren erschütterten Herzen aufgestiegen sein. Doch die volle Klarheit kam erst allmählich, als Er sich ihnen zeigte.

Doch, Geliebte, in dem ersten Gruße lag schon Alles, dieses Eine Wort aus Seinem Munde zu ihnen, nun gesprochen, o was sagte es nicht! Und Alles das sagt es auch uns. Ja, Geliebte, es ist auch für uns gesprochen, auch uns gehört dieser Ostergruß und Er bringt ihn uns wieder mit dem heutigen Fest. Denn das ganze Fest, das ist Er Selbst; Er ist Sein Gegenstand, sein Ursprung, sein Ziel. Sich selbst will Er uns in demselben offenbaren, geben, Seinen Frieden, den Frieden Gottes; es ist ,'a Alles, Alles in Ihm, mehr als Worte - auch Seine Worte, sagen könnend Und was Er ist, das ist Er Alles für uns. Er ist ja ganz unser. Wer ist Er? der Heiland, der Seligmacher, der Sohn Gottes, der Immanuel, Gott mit uns; das ist Sein Name, Sein Wesen. Gott mit uns und wir mit Gott, ist das nicht Friede, und mehr als Friede? Freude, Liebe, Gemeinschaft, Einheit mit Gott, ewiges Leben in Gott, ewige Seligkeit, ewige Liebe. Das Alles bringt Er uns nun wieder aus dem Grabe mit, denn Er ist für uns gestorben, für uns auferstanden, wenn wir die Seinen sind, d. h. wenn wir es zu sein wünschen und uns, sei es auch noch schüchtern und blöde, mit Furcht und Zittern an Ihn anschließen, an Ihn festhalten wollen wie die Jünger, wenn wir nur nicht zur Welt gehören, zur Welt zurückkehren wollen. Ach, der Welt gehört Er nicht und sie nicht Ihm; ihr erschien Er nicht, und kann Er sich nicht offenbaren, sondern nur denen, die nach Ihm weinen, die nichts Seligeres auf Erden und im Himmel kennen, als Sein zu sein, die es fühlen, daß sie Nichts sind ohne Ihn, Er aber Alles ist und Alles in ihnen schaffen muß.

II.

Und das will Er uns beweisen, und zwar durch das heilige Abendmahl, eben so wie Er es Seinen Jüngern bewies, dadurch, daß Er ihnen die Hände und Seine Füße zeigte. Warum zeigte Er ihnen diese? Fragst du das noch, mein Bruder? O woran konnten sie Ihn eher und gewisser erkennen, als an diesen Zeichen, den Todeswunden, die Er mit ins Grab genommen und nun, als Maale, als Narben Seiner Liebe wieder mitbrachte. Nun sahen sie es mit Augen und konnten es, wenn sie wollten, mit Händen tasten wie Thomas, daß Er es sei, derselbe, der gestorben war und nun lebte. Darum, daß sie ihn daran wieder erkennen sollten, brachte Er sie mit aus dem Grabe und trug sie an Seinem verklärten Leibe und nahm sie auch mit hinauf in Seine Herrlichkeit. Denn sie sind die Zeichen, woran Er auf Erden und im Himmel erkannt sein will.

Und daß Er nun zu den Jüngern kam und sie ihnen zeigte, war das nicht so viel, als ob Er ihnen sagte: für euch habe ich sie empfangen - Ich bin der Eure und Ihr seid die Meinen. Mußten sie nicht augenblicklich an das letzte Abendmahl denken, wo Er ihnen geradezu gesagt hatte, daß Sein Leib für sie gebrochen, Sein Blut für sie vergossen würde.

Und wie Er also dadurch sie auf das Abendmahl zurückwies, so weiset Er uns durch das Sakrament umgekehrt auf jene Zeichen hin. Sagt Er uns dadurch nicht: für euch bin Ich gestorben, für euch bin Ich auferstanden, Ich bin der Eure, ihr seid die Meinen, wenn ihr es sein und bleiben wollt. Nur den Seinen, die keine andere Seligkeit begehren und kennen, sagt Er es; nicht der Welt, die Seiner nicht bedarf und vielleicht nur um der Welt willen das Abendmahl genießt. Aber allen Seinen, so gut wie den Jüngern, denn Er betete auch für sie, die durch ihr Wort glauben würden, bis ans Ende der Welt.

III.

Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen, heißt es drittens, und so auch wir. Ja, meine Geliebten, das ist die größte Freude, die es auf Erden für die Seinen giebt, den Herrn zu sehen und auch im Himmel wird es ihre einzige Seligkeit sein und die werden sie ewig genießen. Darum sagt Johannes: „Sehet welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen. Darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet Ihn nicht. Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Ihn sehen, wie er ist, das kann nur wer Ihm gleich ist, und darum, damit sie diese Seligkeit genießen können, will Er sie Sich gleich machen. Darum spiegelt sich in uns Allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zur andern, als vom Herrn, der der Geist ist.

Die Welt, die diese Seligkeit nicht achtet, sondern andere Freuden und andere Schmerzen hat, die Welt, die keines Heilandes bedarf und begehrt, weil sie sich selbst gerecht machen will, kennt diese Sehnsucht nicht. Aber die Kinder Gottes, die Brüder und Schwestern des Herrn, kennen keine andere und wenn du wissen willst, ob du ein Kind Gottes bist, siehe, hier hast du ein sicheres Kennzeichen. Sagst du mit David: „Meine Seele dürstet nach Gott, dem lebendigen Gott, wenn werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue?“ O dann wohl dir, denn du wirft gewiß dahin kommen, droben wirst du Ihn sehen, wie Er ist; hier aber hat Er dir einen Spiegel gegeben, nämlich Sein heiliges Sakrament.

Und hier muß ich mich noch einmal an Euch wenden, ihr Theuern, die Ihr nun die Seinen geworden seid, denn Er hat euch angenommen in der heiligen Taufe. Vielleicht seid ihr eurer Seligkeit noch nicht so gewiß, eurer Gotteskindschaft nicht so froh geworden, wie ihr erwartet habt oder wünschtet. Seht, darum giebt Er euch nun dieses zweite Siegel, worin ihr Ihn noch einmal empfangen, Ihn gleichsam schauen, ihn genießen sollt.

Ja, Geliebte, in dem heiligen Abendmahl sollen wir den Herrn sehen, so klar, wie wir Ihn hienieden sehen können; und dadurch unsrer Taufe froh werden. Es ist der rechte Genuß der Taufe; da zeigt Er uns nicht nur Seine Seite, sondern Er giebt uns Sein Fleisch zu essen, Sein Blut zu trinken, macht sich Selbst zur Speise und Trank, und gebeut uns, Ihn zu genießen, damit wir Eins mit Ihm seien und Er mit uns. Amen.

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